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Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes: Beweislast einer Ausnahme von der Kürzungsregel trägt die Leistungsbezieherin

KRISZTINAJUHASZ

Gegenstand des Verfahrens war die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von € 1.300,- mangels rechtzeitigen Nachweises der 2. bis 5. Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen des Kindes (= 7. bis 10. Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen).

Die Kl bezog für ihr drittes Kind, geboren am 11.10.2018, das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Am 18.12.2019 erhielt sie ein Informationsschreiben der bekl Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVA) mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Nachweises der 7. bis 10. Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats. Angegeben war der Name der zuständigen Sachbearbeiterin bei der Bekl und eine Telefonnummer, nicht aber eine E-Mail-Adresse. Eine solche fand sich auch nicht auf der Homepage der Bekl. Die Kl versuchte wiederholt mit der Bekl telefonisch Kontakt aufzunehmen. Am 31.1.2020 erreichte sie einen Sachbearbeiter, der ihr die E-Mail-Adresse der Bekl nannte.

Am 31.1.2020 sandte die Kl drei Kopien des Mutter-Kind-Passes an die E-Mail-Adresse blz.kbg@svs.atblz.kbg@svs.at statt an die richtige E-Mail-Adresse der Bekl „dlz.kbg@svs.atdlz.kbg@svs.at“. 11 Sekunden nach dem Eintreffen des E-Mails wurde von der Bekl ein E-Mail mit einer Unzustellbarkeitsnachricht an den E-Mail-Account der Kl gesendet. Es steht nicht fest, dass die Kl Kenntnis über die fehlerhafte Zustellung ihres E-Mails erlangte bzw ob die von der Bekl abgesandte Fehlermeldung auch tatsächlich auf dem Account der Kl einlangte und nach dem Einlangen gelöscht wurde, oder ob diese im Spam-Ordner „gelandet“ und dort von der Kl übersehen worden und in weiterer Folge automatisch gelöscht worden ist. Die Kl ging von einer korrekten Zustellung der Nachweise zu den erforderlichen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen an die Bekl aus.

Mit Bescheid reduzierte die bekl SVA den Anspruch der Kl und forderte € 1.300,- zurück. Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrte die Kl die Feststellung, dass der Rückforderungsanspruch nicht zu Recht bestehe. Sie habe den erforderlichen Nachweis mit E-Mail vom 31.1.2020 erbracht. Sollte dieser nicht eingelangt sein, sei ihr deshalb kein Vorwurf zu machen.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und stellte fest, dass die Kl den erforderlichen Nachweis nicht rechtzeitig erbracht hat, weil sie den Nachweis an eine falsche E-Mail-Adresse gesandt hat. Für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG, wonach das Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe zusteht, wenn der Nachweis der Untersuchungen aus von den Eltern nicht zu vertretenden Gründen unterbleibt, sei die Kl beweispflichtig. Dieser Beweis sei ihr aber nicht gelungen, weil weder feststehe, dass ihr ein Mitarbeiter der Bekl eine unrichtige E-Mail-Adresse genannt habe, noch, dass die Kl keine Fehlermeldung über die Unzustellbarkeit ihres E-Mails erhalten habe. Darüber hinaus habe das Kind der Kl das 15. Lebensmonat bereits am 10.1.2020 vollendet. Die Kl habe die hier relevanten Nachweise aber erst am 31.1.2020 versandt, sodass sie sich auch 267vor dem Hintergrund der erst während des zweiten Rechtsgangs des Verfahrens veröffentlichten OGH-E 10 ObS 58/21h (vgl dazu DRdA-infas 2021/239, 491 [Juhasz]) nicht darauf berufen könne, dass ihr der Mitarbeiter der Bekl eine falsche E-Mail-Adresse genannt habe.

Die außerordentliche Revision der Kl wurde vom OGH mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückgewiesen.

Im vorliegenden Fall hat die Bekl den Beweis des behaupteten Rückforderungsgrundes erbracht, weil feststeht, dass die Kl den Nachweis nicht innerhalb der dafür vorgeschriebenen Frist bis zum Ende des 15. Lebensmonats erbracht hat.

Die Kl stützt sich auf eine Ausnahme von der Kürzungsregel, daher auf einen den Rückforderungsanspruch der Bekl vernichtenden Umstand. Für dessen Vorliegen trägt sie die Beweislast. Die Negativfeststellung, wonach nicht feststeht, dass der Mitarbeiter der Bekl der Kl eine falsche E-Mail-Adresse genannt oder die Kl diese falsch verstanden oder aufgeschrieben hat, geht daher zu ihren Lasten.

Für die Beurteilung, ob die nicht rechtzeitige Vornahme oder der nicht rechtzeitige Nachweis der Untersuchungen von den Eltern iSd § 24c Abs 2 Z 1 KBGG zu vertreten sind, kommt es darauf an, ob den Eltern ein rechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann (OGH 30.3.2021, 10 ObS 32/21k; OGH 19.10.2021, 10 ObS 85/21d). Die Frage, ob der das Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil den nicht rechtzeitigen Nachweis einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung zu vertreten hat, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0130213).

Die Revisionswerberin zeigte auch keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf, wonach ihr rechtlich iSd § 24c Abs 2 Z 1 KBGG vorwerfbar ist, die Nachweise nicht fristgerecht an die Bekl gesendet zu haben. Aus Sicht des OGH bedurfte es daher keiner weiteren Auseinandersetzung mit der auch in der Revision aufgeworfenen Frage, dass die – infolge der OGH-E vom 29.7.2021, 10 ObS 58/21h – erstmals in der Berufung geltend gemachte Rechtsansicht der Bekl, wonach der von der Kl behauptete Hinderungsgrund schon deshalb unbeachtlich sei, weil er erst nach Ablauf des 15. Lebensmonats des Kindes aufgetreten sei, überraschend sei. Da sich das Berufungsgericht ohnehin in seiner rechtlichen Beurteilung nicht auf diese Entscheidung gestützt hat, zeigt die Revisionswerberin auch mit diesen Rechtsausführungen keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.