103Während eines anhängigen Verfahrens zur Anfechtung der Wahl eines für alle Arbeitnehmer zuständigen Angestelltenbetriebsrats ist die Wahl eines gesonderten Gruppenbetriebsrats nicht möglich
Während eines anhängigen Verfahrens zur Anfechtung der Wahl eines für alle Arbeitnehmer zuständigen Angestelltenbetriebsrats ist die Wahl eines gesonderten Gruppenbetriebsrats nicht möglich
Der bei der Bekl als Facharbeiter beschäftigte, einem Landeskrankenhaus zugewiesene Kl wurde zum 31.1.2023 gekündigt. Diese Kündigung wurde in einem gesonderten, vor dem Erstgericht anhängigen Verfahren angefochten.
Im Landeskrankenhaus, in dem der Kl tätig war, wurden aufgrund einer Novelle des steirischen Dienst- und Besoldungsrechts mit Wirksamkeit ab 1.4.2022 die Arbeiter und Arbeiter-innen in das Angestelltenverhältnis überführt. Am 17.5.2022 fand unter aktiver und passiver Wahlberechtigung aller am Standort Beschäftigten die Wahl des am 23.6.2022 konstituierten „Angestelltenbetriebsrats“ statt. Zu dieser Wahl, bei der der Kl nicht zum BR gewählt wurde, ist ein Wahlanfechtungsverfahren anhängig. Der am 17.5.2022 gewählte BR nimmt derzeit alle Aufgaben eines BR für die gesamte Belegschaft wahr.
Der Kl war der Ansicht, dass keine völlige Angleichung der Gruppen der Arbeiter und Angestellten stattgefunden habe und initiierte in der Folge die Wahl eines gesonderten Arbeiterbetriebsrats. Bei dieser am 23.9.2022 abgehaltenen Wahl wurde der Kl zum BR gewählt. Die Bekl stellte ihn daraufhin vom Dienst frei und kündigte ihn.
Mit der vorliegenden Klage begehrt nun der Kl, die Bekl zu verpflichten, jegliche Handlungen zu unterlassen, die ihn an der Tätigkeit als Mitglied des Arbeiterbetriebsrats beschränken, insb sie zu verpflichten, ihm den ungehinderten Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten auch über den Kündigungstermin hinaus zu gestatten, die Schlüssel und Zutrittskarte auszuhändigen sowie ihm Zugang zu Computer und E-Mail zu ermöglichen; zur Sicherung der Ansprüche auf ungehinderte Ausübung der Tätigkeit, Zutritt und Ausfolgung der Zutrittsmedien beantragte er zudem die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es erachtete bereits aufgrund des unstrittigen Sachverhaltsvorbringens für nicht bescheinigt, dass der BR, dem der Kl anzugehören beansprucht, rechtswirksam gewählt wurde. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung: Der am 17.5.2022 gewählte BR vertrete – zumindest bis zur rechtskräftigen Entscheidung im anhängigen Anfechtungsverfahren – rechtlich und tatsächlich sämtliche Bediensteten des Standorts, die alle aktiv und passiv wahlberechtigt gewesen seien. Selbst einer erfolgreichen Wahlanfechtung käme keine Rückwirkung zu. Während des anhängigen Anfechtungsverfahrens habe ein (teilweise) konkurrierender Gruppenbetriebsrat nicht wirksam gewählt werden können.
In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs wiederholt der Kl seinen Standpunkt, es sei entgegen der Behauptung der Bekl durch die Überführung der Arbeiter ins Angestelltenverhältnis nicht zu einer vollständigen Harmonisierung zwischen den Gruppen gekommen, sodass weiterhin Gruppenbetriebsräte zu wählen wären. Es bestehe keine höchstgerichtliche Judikatur zu den Auswirkungen der unter Berufung auf die landesrechtliche Dienst- und Besoldungsrechtsreform vorgenommenen Überführung.
Darauf kommt es nach Ansicht des OGH im vorliegenden Provisorialverfahren jedoch nicht an. Er schließt sich den Vorinstanzen an, wonach die tragende Argumentation darin besteht, dass der am 17.5.2022 unter aktivem und passivem Wahlrecht sämtlicher Bediensteter am Standort gewählte BR vorweg jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichts im Anfechtungsverfahren die gesamte Belegschaft vertritt (vgl § 61 ArbVG), weshalb während des Verfahrens für eine Wahl eines gesonderten Arbeiterbetriebsrats kein Raum blieb (vgl RIS-Justiz RS0105965).
Die dazu im Revisionsrekurs wiederholte Ansicht, dass kein Kollisionsfall vorliege, weil im Mai 2022 nur ein Gruppenbetriebsrat der Angestellten gewählt worden sei, der nicht alle Bediensteten (jedenfalls bis zur Entscheidung im Anfechtungsverfahren) vertrete, unterliegt einem argumentativen Zirkelschluss, weil das gewünschte rechtliche Ergebnis bereits vorausgesetzt wird. Sie steht mit den unstrittigen Feststellungen über die Wahlberechtigung und die ausgeübte Tätigkeit dieses BR im Widerspruch.
Mangels Geltendmachung einer für das Provisiorialverfahren erheblichen Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.228