KawalecArbeit in der Crowd – Arbeitsorganisation und Gerechtigkeitsansprüche im Wandel?

Budrich Verlag, Opladen/Berlin/Toronto 2022, 196 Seiten, Paperback, € 28,-

JOHANNESWARTER

Beim vorzustellenden Werk handelt es sich um eine soziologische Betrachtung plattformbasierter Arbeit. Die Arbeit wurde 2021 als Dissertation am Institut für Soziologie an der Universität Hohenheim eingereicht und im Jahr 2022 veröffentlicht.

Das Buch ist in neun Kapitel gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung, einer Darstellung gesellschaftstheoretischer Zeitdiagnosen und aktueller soziologischer Beschreibungen von Arbeit im Wandel und der Ansprüche an Arbeit von abhängig Beschäftigten verfolgt der Kern der Arbeit, eine qualitativ angelegte Untersuchung, das Ziel, das Phänomen plattformbasierter Arbeit als unternehmerische Reorganisationsstrategie und als neue Form der Erwerbsarbeit zu analysieren. Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchungen zusammengefasst und diskutiert.

Besonderheit der Arbeit ist dabei das explorative Vorgehen. Ziel der Untersuchung ist nicht, vorab theoretische Thesen zu überprüfen, sondern in der Auseinandersetzung mit dem empirischen Material plattformbasierte Arbeit in Bezug auf unternehmerische Entgrenzungsprozesse und subjektive Ansprüche der Plattformarbeiter:innen zu deuten.

Dabei zeigen die Ergebnisse einerseits, dass die Einführung interner plattformbasierter Arbeitsprozesse durchaus als unternehmerisches Reorganisationsprogramm begriffen werden kann, dies aber andererseits nicht zwingend zur weiteren Entgrenzung der Beschäftigungsverhältnisse führt, weil deren Einführung und Umsetzung häufig an (interne) Grenzen und Widerstände stößt. Derartige Begrenzungsprozesse stellen etwa Umgehungsstrategien der Beschäftigten dar, die diese aufgrund subjektiver Erfordernisse, Interessen und Bedürfnisse entwickeln (S 178).

Bei Betrachtung plattformbasierter Arbeit als (neue) Form der Erwerbsarbeit zeigt sich, dass diese trotz der neuartigen Form der Arbeitsorganisation nicht in der Auflösung klassischer Anforderungen an Arbeit resultiert. Vielmehr haben Plattformarbeiter:innen ähnliche Ansprüche an Arbeit, wie sie typischerweise von abhängig Beschäftigten gestellt werden. Dies betrifft insb Elemente der Leistungsgerechtigkeit, Autonomie und Flexibilität, Mitbestimmung und Würde, wenngleich in modifizierter Form (S 122 ff).

Obwohl es sich beim vorzustellenden Werk nicht um eine juristische Schrift handelt, halte ich derartige Arbeiten aus zweierlei Gründen auch für Jurist:innen für besonders essentiell und lesenswert: Erstens, weil in solchen Werken die Sachverhaltsebene aufgearbeitet und in Kontext gesetzt wird. Dies ist gerade im Bereich der Plattformarbeit wichtig, da die bisherige Forschungslage vergleichsweise dünn ist. Zweitens sind Arbeiten, wie die vorliegende, wichtig, weil die Darstellung des Sachverhalts nicht den (allzu positiven) Selbstbeschreibungen der Plattformen überlassen werden darf. Die Sachverhaltsebene ist für Arbeitsrechtler:innen besonders relevant, weil die rechtliche Subsumption anhand der tatsächlichen Arbeitsumstände vorzunehmen ist. Dafür liefert das vorliegende Werk einen wertvollen Beitrag.