4Anspruch auf Ausgleichszulage bei rechtmäßigem Aufenthalt wegen ausreichender Existenzmittel
Anspruch auf Ausgleichszulage bei rechtmäßigem Aufenthalt wegen ausreichender Existenzmittel
Ausreichende Existenzmittel für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/ EG können nicht nur regelmäßige Zahlungen sein, sondern auch das Vermögen.
Ist ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger aufgrund ausreichenden Vermögens rechtmäßig aufhältig, hat er Anspruch auf Ausgleichszulage.
Die am 16.9.1953 geborene Kl bezieht eine rumänische Alterspension von 260 € und eine rumänische staatliche Unterstützungsleistung von 200 € als vormalige politische Gefangene sowie seit 1.2.2020 eine österreichische Alterspension in Höhe von 57,47 €. Seit 2013 verfügt sie über das Gewerbe der Personenbetreuung und betreute im Rahmen von 24-Stundenbetreuungen hilfsbedürftige Personen. Die Kl ist Eigentümerin einer Liegenschaft, wo sie auch wohnt, und verfügt über rund 30.000 €. Die Kl ist seit 7.8.2013 „regelmäßig in Österreich nebenwohnsitzlich gemeldet“. Seit 14.1.2021 hat sie in Österreich ihren Hauptwohnsitz angemeldet. Ab 15.10.2021 meldete die Kl wieder ein Gewerbe in Österreich an. Ihr Antrag auf Gewährung der Ausgleichszulage wurde von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) abgewiesen, weil sie mangels ausreichender Existenzmittel über keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich verfüge.
[12] Die Revision der Kl ist zur Klarstellung des Ausgleichszulagenanspruchs eines EWR-Bürgers, der aufgrund seines Vermögens nach Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL aufenthaltsberechtigt ist, zulässig. Sie ist auch berechtigt.
[13] 1. Gem § 149 Abs 1 GSVG (der § 292 Abs 1 ASVG entspricht) hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat.
[14] 2.1. Nach stRsp hat das Gericht im Rahmen der Beurteilung des Anspruchs eines EWR-Bürgers auf Ausgleichszulage selbständig zu prüfen, ob die für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in Österreich notwendigen Voraussetzungen vorliegen (10 ObS 110/20d [Rz 33] DRdA 2021/50, 496 [Peyrl]; 10 ObS 106/18p [ErwGr 1.3.] SSV-NF 32/64; 10 ObS 160/17b [Rz 3.4.] SSV-NF 32/12; vgl RS0129251 [T2]).
[15] Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zwischen der Erteilung und Versagung bzw Entziehung konstitutiver Aufenthaltstitel für Fremde, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, und der deklaratorischen Dokumentation bestehender gemeinschaftsrechtlicher Aufenthalts- und Niederlassungsrechte (sogenannter Freizügigkeitssachverhalte) unterscheidet (ErläutRV 952 BlgNR 22. GP 114).
[16] 2.2. Nach § 55 Abs 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gem §§ 51, 52, 53 und 54 NAG zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
[17] Der – im vorliegenden Fall einschlägige – § 51 NAG dient der Umsetzung von Art 7 Abs 1 der RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (Unionsbürger-RL oder Freizügigkeits-RL) und regelt Fälle der Freizügigkeit von EWR-Bürgern aus anderen EWR-Staaten, die ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Grenzen des EWR in Anspruch nehmen und sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten (ErläutRV 952 BlgNR 22. GP 141). Dabei sind das Recht auf Freizügigkeit und das Recht auf Aufenthalt in einem anderen EWR-Staat (im vorliegenden Fall: in Österreich) in den entsprechenden Bestimmungen des primären und sekundären Unionsrechts begründet (ErläutRV 952 BlgNR 22. GP 141). Das Aufenthaltsund Niederlassungsrecht nach § 51 NAG (ebenso nach §§ 52, 53 und 54 NAG) ergibt sich also nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Unionsrechts (10 ObS 53/21y [Rz 30] SSV-NF 35/51 = DRdA 2022/23, 341 [Peyrl]; vgl VwGHRo 2020/09/0011 [Rz 19]; VwGHRa 2020/22/0252 [Rz 19]).
[18] 2.3. Nach Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL hat jeder (wirtschaftlich nicht aktive: das Aufenthaltsrecht der wirtschaftlich aktiven Unionsbürger ist in Art 7 Abs 1 lit a leg cit geregelt) Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für mehr als drei Monate, wenn er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats (nach § 51 Abs 1 Z 2 NAG: weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage [zu deren Qualifikation als Sozialhilfeleistung iSd Unionsbürger-RL vgl 10 ObS 12/20t Rz 3.1. SSV-NF 34/11]) in Anspruch nehmen müssen und er für sich und seine Familienangehörigen über einen – im Fall der Kl unstrittig gegebenen – Krankenversicherungsschutz verfügt.
[19] 2.4. Nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL steht dem Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zur Ausgleichszulage nach Art 24 Abs 1 Unionsbürger-RL eine Gleichbehandlung mit Inländern zu (10 ObS 86/23d [Rz 6]; 10 ObS 53/21y [Rz 17] SSV-NF 35/51 = DRdA 2022/23, 341 [Peyrl]; 10 ObS 12/20t SSV-NF 34/11 = DRdA 2020/55, 579 [Peyrl]).
[20] 2.5. Für die Beurteilung des Anspruchs der Kl auf Ausgleichszulage ist daher im ersten Schritt zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts nach Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger- RL (bzw § 51 Abs 1 Z 2 NAG) vorliegen.
[21] 2.6. Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger- RL in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen – derentwegen die Rechtmäßigkeit 40 des Aufenthalts geprüft wird – zu berücksichtigen (C-333/13, Dano, ECLI:EU:C:2014:2358 [Rz 80]; vgl VwGHRo 2015/10/0050 [Rz 24]; Ra 2016/10/0031 [Rz 26]).
[22] 2.7. Im vorliegenden Verfahren über den Anspruch der Kl auf Ausgleichszulage ist daher die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts unter Außerachtlassung der beantragten Ausgleichszulagenleistung zu prüfen.
[23] 3.1. Für die Beurteilung des Vorliegens ausreichender Existenzmittel darf nach Art 8 Abs 4 Unionsbürger-RL kein fester Betrag angesetzt werden. Als Anhaltspunkt kann allerdings davon ausgegangen werden, dass solche Mittel jedenfalls ausreichend sind, wenn sie über der im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Sozialhilfegrenze – in Österreich: der bedarfsorientierten Mindestsicherung – liegen (vgl 10 ObS 110/20d [Rz 45] DRdA 2021/50, 496 [Peyrl]; Abermann in Abermann/Czech/Kind/Peyerl, NAG2 § 51 Rz 13). In diesem Sinn stellte das Berufungsgericht als Bezugsgröße auf den Höchstsatz gem § 8 Steiermärkisches Sozialunterstützungsgesetz (StSUG) und die in § 8 Abs 5 StSUG vorgesehene Aufteilung dieses Höchstsatzes im Verhältnis 60 zu 40 auf die Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und der Befriedigung des Wohnbedarfs ab.
[24] 3.2. Der Höchstsatz gem § 8 Abs 3 Z 1 StSUG betrug ab dem 1.7.2021 (das ist auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens des StSUG, vgl dessen § 32) 949,46 € (Steiermärkische Sozialunterstützungsgesetz- Durchführungsverordnung, StSUG-DVO, LGBl 2021/66). Davon sind nach der in § 8 Abs 5 StSUG vorgesehenen Aufteilung 60 %, das sind rund 570 €, als für den allgemeinen Lebensunterhalt mit Ausnahme des Wohnens erforderliche monatliche Existenzmittel anzusetzen. Diese Bezugsgröße kann im vorliegenden Fall als Orientierung der für die Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts mit Ausnahme des Wohnens erforderlichen Mittel herangezogen werden. Hinsichtlich der Wohnkosten ist im vorliegenden Fall eine Orientierung an den im StSUG und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung vorgesehenen Anteil des Höchstsatzes nicht sachgerecht, weil der konkrete Bedarf der Kl für ihre Wohnversorgung bekannt ist. Die Kl ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit Wohnhaus, für dessen Nutzung ihr monatliche Betriebskosten von rund 226 € anfallen.
[25] 3.3. Bei der konkreten aufenthaltsrechtlichen Beurteilung, ob die Kl über ausreichende Existenzmittel verfügt, kann daher als Orientierungswert davon ausgegangen werden, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügt, um nicht auf Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats, somit auch nicht auf die Ausgleichszulage, angewiesen zu sein, wenn sie monatlich über rund 796 € (226 € für die Wohnversorgung und 570 € für die übrigen Lebenshaltungskosten) verfügt. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob ein Antrag auf Ausgleichszulage gestellt wurde; aus einem derartigen Antrag kann die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht abgeleitet werden (VwGHRa 2017/21/0222 [Rz 14]; EuGHC-140/12, Brey, ECLI:EU:C:2013:565, Rz 75).
[26] 3.4. Das Einkommen der Kl aus ihren zwei Pensionen – der rumänischen und der 14mal jährlich anfallenden österreichischen – und der rumänischen Leistung für ehemalige politische Gefangene beträgt insgesamt (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen zur österreichischen Pension) 527,05 € monatlich (siehe unten ErwGr 4.5.). Ihre Einkünfte bleiben daher um rund 270 € (268,95 €) monatlich hinter jenem Betrag zurück, der als Orientierungsgröße für die in der Situation der Kl erforderlichen Existenzmittel dienen kann. Da die Kl nach den Feststellungen zusätzlich zu ihren laufenden Einkünften ein Sparguthaben von 22.000 € geerbt hat und aus dem Verkauf geerbter Fahrzeuge 10.000 bis 12.000 € lukrierte, war sie in der Lage, den erforderlichen Differenzbetrag – nicht nur für den strittigen Zeitraum 1.3.2021 bis 31.10.2021, also für acht Monate, sondern sogar für einen weit darüber hinausgehenden Zeitraum – aus ihrem eigenen Barvermögen zu decken, ohne Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats (vgl Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL) oder die Ausgleichszulage (§ 51 Abs 1 Z 2 NAG) in Anspruch nehmen zu müssen.
[27] 3.5. Das Berufungsgericht kam nur deshalb zum abweichenden Ergebnis, dass die Kl bei konkreter Betrachtung nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge, weil es der Ansicht war, dass die geerbten Vermögenswerte der Kl (ebenso wie die unregelmäßigen Zuwendungen ihrer Kinder, auf die es aber rechtlich ohnehin nicht ankommt, weil die Kl über ausreichendes Barvermögen verfügt) bei der Beurteilung ihres Aufenthaltsrechts außer Betracht zu bleiben hätten. Dafür ist allerdings keine Rechtsgrundlage erkennbar. Die Existenzmittel müssen für die aufenthaltsrechtliche Beurteilung nicht in Form einer regelmäßigen Zahlung vorliegen, sondern es kann sich auch um beispielsweise angesparte Mittel handeln (Abermann in Abermann/Czech/Kind/Peyerl, NAG2 [2019] § 51 Rz 13). Auch die Erwerbungsart durch Erbschaft spricht nicht gegen die Einbeziehung der Mittel in die Beurteilung. Für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Kl sind daher sowohl ihr Liegenschaftsvermögen als auch das geerbte bzw durch den Verkauf geerbter Fahrzeuge erworbene Barvermögen zu berücksichtigen.
[28] 3.6. Daraus ergibt sich zusammengefasst, dass die Kl über ausreichende Existenzmittel iSd Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL (§ 51 Abs 1 Z 2 NAG) verfügt, um nicht auf Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats und die Ausgleichszulage angewiesen zu sein. Ihr rechtmäßiger Aufenthalt im Zeitraum 1.3.2021 bis 31.10.2021 ist daher zu bejahen.
[29] 3.7. Damit erfüllt die Kl die Voraussetzung eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland gem § 149 Abs 1 GSVG. Das Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzung des § 149 Abs 1 GSVG, dass die Pension der Kl zuzüglich eines aus ihren übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens und der gem § 151 GSVG zu berücksichtigenden Beträge (solche liegen nicht vor) im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht die Höhe des für sie geltenden Richtsatzes erreicht, ist im Verfahren 41 nicht strittig. Die in § 149 GSVG normierten Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage sind daher im vorliegenden Fall erfüllt.
[30] 4.1. Das in den Materialien zum NAG geäußerte Regelungsziel, dass bei Bezug einer Ausgleichszulage ein rechtmäßiger Aufenthalt eines Unionsbürgers schlechthin nicht vorliegen solle (vgl ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 160), widerspricht der dargestellten Rechtslage nach Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL und § 51 Abs 1 Z 2 NAG. Beide Normen stellen auf das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel ab, eine Voraussetzung, die – wie dargestellt – auch durch das Vorhandensein von Vermögen erfüllt werden kann und die im Fall der Kl auch erfüllt ist.
[31] 4.2. Da die Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL im vorliegenden Fall vorliegen, kommt das Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Unionsbürger-RL zum Tragen. Auf den vorliegenden Fall anwendbare Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots iSd Art 24 Abs 1 Unionsbürger-RL, die im AEUV oder in der Unionsbürger- RL vorgesehen sein müssen, werden in der Revisionsbeantwortung nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.
[32] Auch die – eng auszulegende (EuGHC-181/19, JD, ECLI:EU:C:2020:794, Rz 60) – Ausnahme des Art 24 Abs 2 Unionsbürger-RL vom Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Abs 1 Unionsbürger-RL liegt nicht vor, weil keiner der in Abs 2 leg cit vorausgesetzten Fälle vorliegt: Dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Zeitraum (teilweise) um die ersten drei Monate des Aufenthalts der Kl iSd Art 24 Abs 2 Unionsbürger-RL handelte, behauptet die Bekl nicht. Dies ergibt sich auch aus den Feststellungen, die nur die Hauptwohnsitz-Meldung betreffen, nicht. Das Aufenthaltsrecht der Kl resultiert auch nicht aus Art 14 Abs 4 lit b Unionsbürger- RL – also zum Zweck der Arbeitssuche –, sondern beruht auf Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL.
[33] Die Kl ist daher vom Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Abs 1 Unionsbürger-RL erfasst.
[34] Der Anspruch auf Ausgleichszulage könnte ihr daher nur verwehrt werden, wenn er auch für österreichische Staatsbürger in der Situation der Kl nicht bestünde.
[35] 4.3. Anders als für die Prüfung des Vorliegens ausreichender Existenzmittel für die Beurteilung des rechtmäßigen Aufenthalts nach Art 7 Abs 1 lit b Unionsbürger-RL und § 51 Abs 1 Z 2 NAG ist bei der Ausgleichszulage ein Sparguthaben oder anderes Vermögen nicht zu berücksichtigen (RS0085101):
[36] 4.4. Nach stRsp fällt Vermögen nicht unter den Begriff der Einkünfte iSd § 292 Abs 1 ASVG bzw § 149 Abs 1 GSVG (RS0085101). Vermögen ist vielmehr „ausgleichszulagenneutral“ (RS0085284 [T4]). Vermögenswerte – auch Bargeld (RS0085101; 10 Ob 8/92) –, die keinen Ertrag abwerfen, werden für den Anspruch auf Ausgleichszulage nicht berücksichtigt. Der Rentner oder Pensionist ist auch nicht gehalten, sie so einzusetzen, dass daraus Einkünfte erzielt werden (RS0085284; RS0085101; 10 ObS 148/22w [Rz 13]). Setzt der Rentner Teile seines Kapitals zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten
ein, schmälert dies nicht seinen Anspruch auf Ausgleichszulage (10 ObS 129/92), solange das Vermögen nicht „aktiviert“ und daraus ein Einkommen bezogen wird (10 ObS 148/22w [Rz 13]; RS0085406).
[37] 4.5. Nach den Feststellungen bezog die Kl im hier zu betrachtenden Zeitraum (1.3.2021 bis 31.10.2021) eine rumänische Pension von 260 € monatlich (dass es sich dabei um Bruttoleistungen handelte, von denen noch ein Krankenversicherungsbeitrag abzuziehen wäre [vgl 10 ObS 41/22k Rz 14], wurde von der Kl nicht behauptet), eine rumänische Unterstützungsleistung als vormalige politische Gefangene von 200 € monatlich sowie eine österreichische Bruttopension (vgl RS0085216) von 57,47 € 14mal jährlich (somit von 67,05 € monatlich), insgesamt somit 527,05 € pro Monat.
[38] Die Differenz zum im Jahr 2021 geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 150 Abs 1 lit a sublit bb GSVG von 1.000,48 € beträgt 473,43 €. In dieser Höhe besteht der Anspruch der Kl auf Ausgleichszulage für den Zeitraum 1.3.2021 bis 31.10.2021 zu Recht.
Das zu rezensierende Urteil ist in Aufbau und Argumentation gut nachvollziehbar und lässt den Leser im Ergebnis doch eher ratlos zurück: Die klagende rumänische Pensionistin ist in Österreich aufenthaltsberechtigt, weil sie neben ihrem niedrigen Einkommen über ausreichend Rücklagen verfügt, um nicht auf österreichische Sozialhilfeleistungen und Ausgleichszulage angewiesen zu sein. Wegen des rechtmäßigen Aufenthalts und ihrem niedrigen Einkommen hat die Kl jedoch einen Anspruch auf Ausgleichszulage, weil für die Ausgleichszulage eben jene Rücklagen unbeachtlich sind, die den Aufenthalt überhaupt erst rechtmäßig machen. Im Ergebnis wird dadurch das österreichische Sozialsystem doch wieder belastet, obwohl (oder gerade weil) eine Belastung des Sozialsystems bei der Prüfung des Aufenthaltsrechts ausgeschlossen wurde. Neben der isolierten Betrachtung des Aufenthaltsrechts (siehe 1.) und des Anspruchs auf Ausgleichszulage (siehe 2.) ist daher vor allem das Zusammenspiel dieser beiden Bereiche zu untersuchen (siehe 3.).
Geprüft und schließlich bejaht wurde vom OGH das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nach § 51 NAG, der auf Art 7 Abs 1 RL 2004/38/EG beruht. Diese Bestimmungen differenzieren zwischen (wirtschaftlich aktiven) AN und Selbständigen einerseits und wirtschaftlich inaktiven Personen andererseits. Auf ausreichende Existenzmittel kommt es nur bei den wirtschaftlich inaktiven Personen an (§ 51 Abs 1 Z 2 NAG; Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG). Die Kl war offenbar bis 2020 und dann wieder ab 15.10.2021 als selbständige Personenbetreuerin tätig (Rz 3, 5). Für die streitgegenständliche Zeit (1.3. bis 31.10.2021) wurde sie daher als 42 wirtschaftlich inaktive Unionsbürgerin qualifiziert, weshalb für einen rechtmäßigen Aufenthalt ausreichende Existenzmittel erforderlich waren. Das Vorhandensein solcher Existenzmittel kann nach mittlerweile stRsp auch im Verfahren über die Ausgleichszulage geprüft werden (OGH 10.5.2016, 10 ObS 15/16b).
Für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts fordert § 51 Abs 1 Z 2 NAG ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz (der hier gegeben war), so dass der EWR-Bürger während seines Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen muss. Für die geforderte Sicherung der Existenz während des Aufenthalts kommen grundsätzlich drei Möglichkeiten in Betracht: Am häufigsten wird der Bedarf wohl aus regelmäßig zufließenden Mitteln (etwa Pensions- oder Unterhaltszahlungen) gedeckt. In vielen Fällen wird ein Teil des Bedarfs aber auch in natura ohne monatliche Kosten gedeckt (insb durch eine kostenlose Wohnmöglichkeit). Schließlich können erforderliche Aufwendungen auch aus dem Vermögen des EWR-Bürgers bestritten werden.
Der OGH lässt alle drei soeben skizzierten Möglichkeiten zu: Das Eigentum an der Wohnimmobilie reduziert das für die Existenzsicherung monatlich zu fordernde Einkommen. Die verbleibenden erforderlichen Mittel stammen primär aus dem monatlichen Einkommen der Kl; die verbleibende Lücke zwischen tatsächlichem und gefordertem Einkommen wird durch das Vermögen der Kl geschlossen. Dem ist – auch aus unionsrechtlichen Gründen – zuzustimmen: § 51 Abs 1 Z 2 NAG entspricht Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG und ist daher entsprechend unionsrechtskonform auszulegen. Der EuGH hat bereits mehrfach zu den erforderlichen Existenzmitteln Stellung genommen und dabei ua ausgesprochen, dass die Herkunft der Mittel unbeachtlich sei, weil dieser Umstand für die Interessen des aufnehmenden Mitgliedstaates irrelevant ist (EuGH 19.10.2004, C-200/02, Zhu und Chen Rz 30 ff; EuGH 16.7.2015, C-218/14, Singh Rz 74 ff). Gleichermaßen irrelevant für den Schutz der finanziellen Interessen des Aufnahmestaates ist aber die Frage, ob der Unionsbürger über ein regelmäßiges Einkommen oder ein entsprechend großes Vermögen verfügt. In beiden Fällen kann sich der Unionsbürger selbst erhalten, ohne dem Sozialsystem zur Last zu fallen. Existenzmittel müssen daher nicht in Form einer regelmäßigen Zahlung vorliegen, es kann sich vielmehr auch um angespartes Kapital handeln (so auch Abermann in Abermann/Czech/Kind/Peyrl [Hrsg], NAG2 [2019] § 51 Rz 13).
Auch die Möglichkeit, kostenlos oder sehr günstig zu wohnen, hat der OGH zu Recht berücksichtigt. Nach Art 8 Abs 4 RL 2004/38/EG dürfen die Mitgliedstaaten keinen festen Betrag für die Existenzmittel festlegen, sondern müssen die persönliche Situation des Betroffenen berücksichtigen. Diese Einzelfallprüfung wäre aber sinnloser Formalismus, wenn kostensenkende Umstände, wie etwa Wohneigentum, bei dieser Prüfung nicht berücksichtigt werden müssten. Ein solches Ergebnis kann dem Unionsgesetzgeber nicht unterstellt werden. Der Aufenthalt der Kl in Österreich wurde daher zutreffend als rechtmäßig beurteilt.
Im zweiten Schritt ist auf die vom OGH zugesprochene Ausgleichszulage einzugehen. Ein Anspruch auf Ausgleichszulage setzt sowohl nach dem einschlägigen § 149 Abs 1 GSVG als auch nach § 292 Abs 1 ASVG einen rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus. Da der Aufenthalt der Kl bereits im ersten Schritt als rechtmäßig qualifiziert wurde und die übrigen Voraussetzungen ebenso erfüllt waren, bejahte der OGH den Anspruch.
Insb das Vermögen der Kl, das ihren Aufenthalt erst rechtmäßig gemacht hat, schadet dem Anspruch auf Ausgleichszulage nicht: Es entspricht stRsp, dass allfälliges Vermögen, solange es keinen Ertrag abwirft, nach nationalem Recht für den Anspruch auf Ausgleichszulage nicht beachtlich ist (OGH 9.10.1990, 10 ObS 300/90; so auch Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 [97 f]). Diese Auslegung ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm als auch aus der Entwicklung derselben (vgl ErläutRV 150 BlgNR 8. GP 6; dazu OGH 15.12.1992, 10 ObS 129/92). Da das monatliche Einkommen der Kl deutlich niedriger war als der Ausgleichszulagenrichtsatz, wurde der Kl die Differenz als Ausgleichszulage zugesprochen.
Die Problematik der Entscheidung liegt im Zusammenspiel zwischen unionsrechtlich determiniertem Aufenthaltsrecht und dem österreichischen Instrument der Ausgleichszulage. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht enthalten eine ausdrückliche Regelung für den hier auftretenden Wertungswiderspruch.
Unionsrechtlich soll die Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel verhindern, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmestaats unangemessen in Anspruch nehmen (ErwG 10 RL 2004/38/EG). Auf diese Weise soll Armutsmigration verhindert werden – zumindest bei wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern. Das Unionsrecht selbst behindert dieses Anliegen aber dadurch, dass es das Aufenthaltsrecht traditionell mit einem Diskriminierungsverbot im Aufnahmestaat und grundsätzlich auch mit einem Zugangsrecht zu den Sozialleistungen des Aufnahmestaates verknüpft (Windisch-Graetz, Zugang zu Sozialleistungen unter Berücksichtigung des Aufenthaltsstatus, DRdA 2015, 444 [444 f]). Das ist auch für wirtschaftlich inaktive Unionsbürger der Fall: Nach Art 24 Abs 1 RL 2004/38/EG genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser RL in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, grundsätzlich die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Davon umfasst ist grundsätzlich auch die Ausgleichszulage. In Abs 2 leg cit findet sich eine Ausnahme zu diesem Diskriminierungsverbot 43 für die ersten drei Monate des Aufenthalts. Diese ist hier aber nicht einschlägig.
Denkbar wäre allerdings, dass eine systematisch-teleologische Auslegung des Art 24 Abs 1 RL 2004/38/ EG zu dem Ergebnis führt, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung bei wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern hinsichtlich jener Leistungen nicht besteht, die jenes Existenzminimum sichern sollen, das der wirtschaftlich inaktive Unionsbürger ohnehin erreichen muss, um überhaupt aufenthaltsberechtigt zu sein. Allenfalls käme zu diesem Zweck auch eine teleologische Reduktion in Betracht. Erschwert wird die Beurteilung dieser Frage freilich dadurch, dass die RL 2004/38/EG durchaus eine gewisse finanzielle Solidarität der Aufnahmemitgliedstaaten mit zuwandernden Unionsbürgern verlangt. Der Zugang zu den Sozialhilfesystemen darf nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Die Regelungen sind – wie Windisch-Graetz zu Recht anmerkt – im Einzelnen widersprüchlich (Windisch-Graetz, DRdA 2015, 444 [445]). Dasselbe gilt für die Rsp des EuGH. Ein weiteres Gegenargument liefert Art 24 RL 2004/38/EG selbst: Die bereits angesprochene Ausnahme in Abs 2 leg cit für die ersten drei Monate des Aufenthalts betrifft Leistungen der Sozialhilfe. Im Umkehrschluss könnte das aber bedeuten, dass eine Ausnahme von der Gleichbehandlung bei Sozialhilfeleistungen nach Ablauf dieser drei Monate nicht mehr möglich ist (so etwa Hailbronner in Dauses/Ludwigs [Hrsg], Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts [60. ErgLfg, 2024] D.I. Rn 157).
Auf nationaler Ebene wäre zu fragen, ob sich § 149 Abs 1 GSVG und § 292 Abs 1 ASVG nicht dahin auslegen lassen, dass kein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht, wenn der Aufenthalt des Unionsbürgers aufgrund ausreichender Existenzmittel in Form von Vermögen rechtmäßig ist. Dieser Gedanke ist keineswegs neu, der OGH hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass Ausgleichszulage entgegen dem vom Wortlaut der Bestimmungen erweckten Eindruck nicht bei allen Formen des rechtmäßigen Aufenthalts zusteht: So wurde etwa einem deutschen Pensionisten ohne ausreichende Existenzmittel, der (nur) aufgrund eines völkerrechtlichen Abkommens mit Deutschland aufenthaltsberechtigt war, trotz rechtmäßigen Aufenthalts die Ausgleichszulage versagt (OGH 19.1.2021, 10 ObS 159/20k). Auch die Klage einer bulgarischen Pensionistin auf Ausgleichszulage wurde trotz rechtmäßigen Aufenthalts nach § 52 Abs 1 Z 3 NAG abgewiesen. Aufenthaltsberechtigt sind nach dieser Regelung bestimmte Verwandte eines Unionsbürgers, sofern ihnen vom Unionsbürger Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Dieser Unterhalt soll staatliche Leistungen entbehrlich machen, die der grundlegenden Versorgung dienen. Die Kosten des Aufenthalts in Österreich sollen vielmehr über den familieninternen Unterhalt finanziert werden. Die von den Unterhaltszuwendungen abgeleitete Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in Österreich könne daher nicht zu einem Ausgleichszulagenanspruch führen. § 292 Abs 1 ASVG sei daher im Lichte des § 52 Abs 1 Z 3 NAG auszulegen (OGH 19.7.2016, 10 ObS 31/16f).
Besonders anschaulich sind die Ausführungen des OGH, mit welchen der Anspruch eines deutschen Pensionisten auf Ausgleichszulage verneint wurde: Die von den Kindern des Kl erbrachten Unterstützungsleistungen seien nicht geeignet, auf unionsrechtlicher Grundlage den Anspruch des Kl auf Ausgleichszulage zu tragen. Auch wenn von einem Dritten stammende Mittel für die aufenthaltsrechtliche Beurteilung anzuerkennen sind, seien sie hier nicht geeignet, einen Anspruch auf Ausgleichszulage zu begründen. Durch das Abstellen auf ausreichende Existenzmittel – sei es aus dem eigenen Einkommen oder Vermögen des Betroffenen, sei es aus Zuwendungen Dritter – solle die Unabhängigkeit des Betroffenen von staatlichen Zuwendungen während der ersten fünf Jahre seines Aufenthalts sichergestellt werden. § 292 Abs 1 ASVG sei daher dahin auszulegen, dass der nach § 51 Abs 1 Z 2 NAG rechtmäßige Aufenthalt dann nicht zu einem Anspruch auf Ausgleichszulage führt, wenn die ausreichenden Existenzmittel – wie im vorliegenden Fall – aus familieninternen Zuwendungen stammen (OGH 26.2.2021, 10 ObS 110/20d). In der Literatur wurde die Unionsrechtskonformität dieser E angezweifelt; die zitierte EuGH-Rsp vermöge dieses Ergebnis jedenfalls nicht zu begründen (Peyrl, Zur Möglichkeit des Ausschlusses von aufenthaltsberechtigten UnionsbürgerInnen vom Bezug der Ausgleichszulage, DRdA 2021, 496 [498 ff]).
Die Parallelen zwischen der zuletzt dargestellten und der zu rezensierenden E liegen auf der Hand. Die Argumentation wäre problemlos übertragbar gewesen. Dennoch kommt der OGH in den beiden Entscheidungen zu gegensätzlichen Ergebnissen. Eine Ursache dafür könnte sein, dass der OGH in der jüngeren E stärker unionsrechtlich (Art 24 RL 2004/38/EG) argumentiert. Verwunderlich ist jedoch, dass sich der OGH in der jüngeren E nicht mit der eigenen Vorjudikatur auseinandersetzt. Dadurch bleibt auch das Verhältnis zwischen diesen Entscheidungen offen, was unweigerlich zu Rechtsunsicherheit und Bedarf an weiterer höchstgerichtlicher Klärung führen wird. 44