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Kein Anspruch auf Krankengeld bei unbezahltem Urlaub

VERENAVINZENZ (GRAZ)
  1. Der Grundsatz, dass der Inhalt der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit des Versicherten für den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zu beachten ist, spricht gegen einen Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG, wenn der Versicherte während eines unbezahlten Urlaubs erkrankt.

  2. Es widerspricht der Zweckrichtung des Krankengeldes, den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust auszugleichen, wenn ein Krankengeldanspruch auch in Fällen bejaht wird, in denen die versicherte Person wegen eines mit dem AG vereinbarten unbezahlten Urlaubs gar keinen Entgeltverlust erleiden konnte.

  3. Erkrankt ein Versicherter während eines unbezahlten Urlaubs, besteht – ungeachtet einer aufrechten Pflichtversicherung nach § 11 Abs 3 ASVG – kein Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG.

[1] Die Kl stand bis 30.4.2022 in einem aufrechten Dienstverhältnis. Da sie für die Zeit des Betriebsurlaubs keinen offenen Urlaubsanspruch mehr hatte, vereinbarte sie mit ihrem AG unbezahlten Urlaub für den Zeitraum von 22.12.2021 bis 31.12.2021. Am 22.12.2021 rutschte sie aus und erlitt dadurch eine Verletzung, aufgrund derer die behandelnde Krankenanstalt die Kl bis 23.1.2022 für arbeitsunfähig befand.

[2] Mit Bescheid vom 20.4.2022 lehnte die bekl Österreichische Gesundheitskasse den Antrag der Kl auf „Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit“ und Leistung von Krankengeld für den Zeitraum 22.12.2021 bis 31.12.2021 mit der Begründung ab, dass sich der zugrunde liegende Unfall während eines unbezahlten Urlaubs ereignet habe. [3] Dagegen erhob die Kl Klage auf „Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit“ und Leistung von Krankengeld. Ihr Anspruch ergebe sich daraus, dass sie im relevanten Zeitraum pflichtversichert und arbeitsunfähig gewesen sei.

[4] Die Bekl hielt dem Klagebegehren entgegen, das Krankengeld habe Lohnersatzfunktion und gebühre daher nicht für Zeiten eines unbezahlten Urlaubs.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

[6] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu [...].

[9] Die Revision ist [...] zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

[10] 1. Die Arbeitsunfähigkeit ist lediglich eine Anspruchsvoraussetzung für ein auf Gewährung des Krankengeldes gerichtetes Leistungsbegehren (10 ObS 291/01v SSV-NF 15/116). Vor diesem Hintergrund ist das im vorliegenden Fall gestellte Klagebegehren iSd von der Kl verfolgten Leistungsbegehrens zu verstehen.

[11] 2.1. Nach § 138 Abs 1 ASVG haben Pflichtversicherte (wie die Kl) sowie aus der Pflichtversicherung ausgeschiedene nach § 122 ASVG Anspruchsberechtigte, diese jedoch nur bei Eintritt des Versicherungsfalls innerhalb der ersten drei Wochen dieser Anspruchsberechtigung, aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld.

[12] Das Krankengeld hat Lohnersatzfunktion: Es soll den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust (zumindest teilweise) ersetzen und den Unterhalt des Versicherten während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit sicherstellen (RS0106773 [T1]).

[13] 2.2. Gem § 120 Abs 1 Z 2 ASVG tritt der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit dem Beginn der durch die Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit ein.

[14] Aus dieser gesetzlichen Definition ergibt sich bereits, dass zum Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Krankheit selbst der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erforderlich ist (10 ObS 143/13x SSV-NF 28/7).

[15] Arbeitsunfähigkeit liegt in der Regel dann vor, wenn der Erkrankte nicht oder nur mit Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (RS0084726 [T1]). Die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist eine Rechtsfrage. Grundlage für die Beantwortung dieser Frage bilden einerseits Feststellungen über den Inhalt der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit des Versicherten und andererseits solche über seinen Gesundheitszustand (10 ObS 291/01v SSV-NF 15/116; RS0084726 [T5]).

[16] 2.3. In der Literatur wird zu einer Konstellation wie der vorliegenden die Ansicht vertreten, obwohl für Zeiten eines unbezahlten Urlaubs von maximal einem Monat eine Pflichtversicherung bestehe (§ 11 Abs 3 ASVG), stehe mangels Berufsarbeit, an der die betreffende Person gehindert sein könnte, also mangels Arbeitsunfähigkeit, kein Krankengeld zu (Drs in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm [248. Lfg 2020] § 138 Rz 10). Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass diesen Versicherten während des unbezahlten Urlaubs kein Entgelt zustehe und es daher ohnehin zu keinem Entgeltverlust kommen könne (Drs aaO unter Hinweis auf den bei Pöltner/Pacic, ASVG [140. Erg-Lfg] § 138 Anm 1, abgedruckten Erlass des BM für Arbeit und Soziales vom 20.11.1989, 26.050/2-5/89).

[17] 2.4. Eine Entscheidung des OGH über den Anspruch eines Versicherten auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG aufgrund einer während eines mit dem DG vereinbarten unbezahlten Urlaubs eingetretenen Krankheit liegt nicht vor.

[18] Der OGH hat allerdings mehrfach in arbeitsrechtlichen Entscheidungen ausgesprochen, dass während der Zeitausgleichsphase bei „geblockter“ Altersteilzeit – somit in Zeiten eines aufrechten Dienstverhältnisses, in denen vereinbarungsgemäß keine Arbeitspflicht des DN besteht – bei Erkrankung des DN keine Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinn eintreten kann:

[19] Nach der Rsp kommt der Erkrankung in einem solchen Fall keine rechtliche Relevanz für die Entgeltzahlungspflicht des AG zu. Das wird daraus abgeleitet, dass der AN während der Zeitausgleichsphase 45 bei „geblockter“ Altersteilzeit zwar faktisch krank, aber nicht arbeitsunfähig im Rechtssinn sein könne, weil keine – bzw lediglich eine „virtuelle“, dem Verbrauch des Zeitguthabens in der Freizeitphase zugrunde liegende (8 ObA 23/09d) – Arbeitspflicht bestehe (9 ObA 182/05p; vgl 8 ObA 23/09d; RS0121539). Eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall kann demnach nur in Zeiten auftreten, in denen der AN zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist (9 ObA 11/13b; 9 ObA 10/18p; 8 ObA 97/21d [alle zu Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich]).

[20] 3.1. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den vom OGH beurteilten Fällen der Erkrankung während des Verbrauchs von Zeitausgleich dadurch, dass die Erkrankung der Kl während eines Zeitraums auftrat, in dem nicht nur die Arbeitspflicht, sondern auch die Entgeltzahlungspflicht des AG nach der Parteienvereinbarung ausgesetzt war, ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Kl gegen ihren DG also nicht in Betracht kam.

[21] Die in der dargestellten arbeitsrechtlichen Rsp getroffene Aussage, dass das Fehlen einer Arbeitspflicht in die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit einzufließen hat, steht allerdings im Einklang mit dem Grundsatz, dass das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht nur auf Grundlage des Gesundheitszustands, sondern auch ausgehend vom Inhalt der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit des Versicherten zu beurteilen ist (vgl RS0084726 [T5]; zum Sonderfall der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit während des Arbeitslosengeldbezugs vgl die Regelung des § 8 Abs 1 AlVG sowie RS0115875).

[22] Auch die von Drs vertretene Lösung, wonach während eines unbezahlten Urlaubs mangels Berufsarbeit, an der die betreffende Person gehindert sein könnte, keine Arbeitsunfähigkeit vorliegen könne, beruht auf denselben Erwägungen.

[23] 3.2. Bereits der Grundsatz, dass der Inhalt der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit des Versicherten für den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zu beachten ist, spricht daher gegen einen Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG, wenn der Versicherte während eines unbezahlten Urlaubs erkrankte.

[24] Dazu kommt, dass es der Zweckrichtung des Krankengeldes, den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust auszugleichen (vgl RS0106773), widerspräche, einen Krankengeldanspruch auch in Fällen zu bejahen, in denen die versicherte Person wegen eines mit dem AG vereinbarten unbezahlten Urlaubs gar keinen Entgeltverlust erleiden konnte.

[25] 3.3. Soweit in der Revision – ohne weitere Ausführungen – der Grundsatz „Krankheit bricht Urlaub“ postuliert wird, ist daraus für den Rechtsstandpunkt der Kl nichts zu gewinnen. Das Urlaubsgesetz enthält in § 4 Abs 2 und § 5 Abs 1 ausdrückliche Regelungen zum Verhältnis von Urlaub und Krankheit (vgl 9 ObA 11/13b). Nach § 5 Abs 1 UrlG werden auf Werktage fallende Tage der Erkrankung unter den Voraussetzungen des § 5 UrlG auf das Urlaubsausmaß nicht angerechnet, der vom AN angetretene Urlaub wird daher unterbrochen (ZellKomm zum Arbeitsrecht3 § 5 UrlG Rz 1). Der im Urlaubsgesetz geregelte Urlaubsanspruch ist aber von einer im Rahmen der Vertragsfreiheit vereinbarten „Karenzierung“, bei der das Arbeitsentgelt ruht, abzugrenzen (Reissner in Neumayr/Reissner, Zell-Komm zum Arbeitsrecht3 § 2 UrlG Rz 4).Reissner in Neumayr/Reissner,

[26] Im vorliegenden Fall hat die Kl im relevanten Zeitraum keinen Urlaub nach dem Urlaubsgesetz in Anspruch genommen. Sie kann daher die Rechte, die sich aus dem Urlaubsgesetz ergeben, nicht in Anspruch nehmen.

[27] 3.4. Die Revision der Kl ist daher insgesamt nicht berechtigt.

[28] 4. Zusammengefasst gilt: Erkrankt ein Versicherter während eines unbezahlten Urlaubs, besteht – ungeachtet einer aufrechten Pflichtversicherung nach § 11 Abs 3 ASVG – kein Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Im vorliegenden Urteil äußert sich der OGH zum ersten Mal zur Frage, ob dem DN während einer mit dem DG vereinbarten Phase unbezahlten Urlaubs ein Anspruch auf Krankengeld zusteht. Dabei setzt der OGH seine zu Phasen geblockter Altersteilzeit (RIS-Justiz RS0121539) bzw zum Bezug von Rehabilitationsgeld (OGH 13.9.2017, 10 ObS 87/17t) entwickelte Judikaturlinie fort, dass das Krankengeld eine jener Sozialleistungen ist, der Einkommensersatzfunktion zukommt. Das Fehlen einer konkreten Arbeitspflicht in derartigen Fällen habe in die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einzufließen. MaW: Da die DN im vorliegenden Sachverhalt während des unbezahlten Urlaubs von der Erbringung ihrer Arbeitspflicht befreit war, könne in dieser Phase auch keine Arbeitsunfähigkeit entstehen, welche wiederum aber eine Voraussetzung für den Bezug von Krankengeld bildet.

2.
Rechtliche Einordnung des Begriffs „unbezahlter Urlaub“

Der OGH greift in seiner Entscheidung die Terminologie der Kl auf und beurteilt den Krankengeldanspruch während einer Phase „unbezahlten Urlaubs“. Dabei handelt es sich nicht um einen arbeitsrechtlichen Fachausdruck, sondern um einen vor allem in der Praxis gerne verwendeten „Jargon“ (vgl aber auch § 11 Abs 3 lit a ASVG: „Urlaub ohne Entgeltzahlung“). Aus dem Sachverhalt wird ersichtlich, dass es sich um einen Zeitraum handelt, in dem der DG Betriebsurlaub angeordnet hatte. Da die Kl keinen offenen Urlaubsanspruch mehr hatte, wurde für den Zeitraum des Betriebsurlaubs, konkret vom 22. bis 31.12.2021, „unbezahlter Urlaub“ vereinbart. Diese Vereinbarung ist als Karenzierung des Arbeitsverhältnisses zu qualifizieren (so auch Stupar, Karenzierung und Unterbrechung, RDB Keywords [Stand 28.11.2023, rdb.at] Rz 3 f; Niederfriniger/Radauer, Unbezahlter Urlaub, Lexis 360 [Juni 2024]), entfallen doch für die Zeit des „unbezahlten Urlaubs“ die Hauptleistungspflichten 46 beider Vertragsparteien, namentlich die Entgeltpflicht des DG sowie die Arbeitspflicht der Kl. Das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis bleibt jedoch unverändert aufrecht.

Aus sozialrechtlicher Perspektive normiert § 11 Abs 3 lit a ASVG iVm § 1 Abs 1 lit a AlVG, dass DN für die Zeit einer Arbeitsunterbrechung infolge Urlaubs ohne Entgeltzahlung weiter voll sozialversichert bleiben, sofern dieser Urlaub die Dauer eines Monats nicht überschreitet. Die Höhe der Beiträge richtet sich gem § 47 lit a ASVG nach der Beitragsgrundlage unmittelbar vor dem unbezahlten Urlaub. Die Beiträge zur SV trägt gem § 53 Abs 3 lit c ASVG grundsätzlich der DN selbst, während gewisse Lohnnebenkosten weiterhin vom DG zu tragen sind (Niederfriniger/Radauer, Unbezahlter Urlaub, Lexis 360). Dauert der unbezahlte Urlaub hingegen länger als einen Monat, ist der DN von der SV abzumelden (Ghahramani-Hofer in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellHB AV-Klauseln2 [2019] Rz 28.22).

Im vorliegenden Sachverhalt wurde der Urlaub für die Dauer von zehn Kalendertagen vereinbart, die DN blieb daher aufgrund der Regelung des § 11 Abs 3 lit a ASVG voll sozialversichert und hatte die Beiträge zur SV selbst zu leisten (Anm: Ob sie dies tatsächlich getan hat oder die Beiträge weiterhin vom DG übernommen wurden, lässt sich aus den Sachverhaltsfeststellungen nicht herauslesen, ist aber für die rechtliche Einordnung irrelevant). Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest lohnenswert, zu hinterfragen, wieso einer vollversicherten Person, die ihre Sozialversicherungsbeiträge (fast) zur Gänze selbst zu erbringen hatte, bei Eintritt eines Versicherungsfalls keine Leistungen zugestanden wurden.

3.
Kein Anspruch auf Krankengeld bei unbezahltem Urlaub?

Krankengeld ist gem § 117 Z 3 ASVG die einzige (Geld-)Leistung, die aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gebührt. Gem § 120 Z 2 leg cit gilt der Versicherungsfall mit dem Beginn der durch eine Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit als eingetreten. Arbeitsunfähigkeit wiederum liegt nach stRsp (vgl OGH 20.11.2012, 10 ObS 129/12m) immer dann vor, wenn der Erkrankte „nicht oder doch nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, in der Lage ist, die bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit zu verrichten“, und diese Unfähigkeit auf eine Krankheit zurückzuführen ist (Binder/Burger/Mair, Sozialrecht Basics7 [2024] 115 f; Auer-Mayer/Pfeil, Österreichisches Sozialrecht14 [2024] 50).

Der gegenständliche Versicherungsfall setzt sich daher aus zwei Bestandteilen zusammen, zum einen dem Vorliegen einer Krankheit und zum anderen der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit (Drs in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 138 Rz 61 [Stand 1.9.2020, rdb.at]). Im vorliegenden Sachverhalt steht außer Frage, dass die durch einen Sturz zugefügte Verletzung der DN den Begriff der Krankheit erfüllt, handelt es sich doch gem § 120 Z 1 ASVG um einen regelwidrigen Körperzustand, der eine Krankenbehandlung notwendig macht. Nach Ansicht des OGH mangelt es jedoch aufgrund der in der Vereinbarung verankerten Karenzierung der Arbeitspflicht an der zweiten Voraussetzung, nämlich der Arbeitsunfähigkeit. Arbeitsunfähig könne, so das Höchstgericht, nur eine Person sein, die tatsächlich Arbeit zu leisten habe.

In der Lehre finden sich diesbezüglich zwei verschiedene Erklärungsansätze, die die Ausführungen des OGH ebenfalls stützen und von diesem ausdrücklich erwähnt wurden:

  • Drs (in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 138 Rz 10) vertritt, dass es während eines unbezahlten Urlaubs – aufgrund der Karenzierung der Hauptleistungspflichten beider Vertragsparteien – gar nicht erst zur Arbeitsunfähigkeit kommen könne, da DN in derartigen Phasen keine Berufsarbeit leisten, an der sie gehindert sein könnten.

  • Pöltner/Pacic (Allgemeines Sozialversicherungsrecht § 138 Anm 1 [Loseblatt, 140. Lfg, 2019]) begründen die mangelnde Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers damit, dass dem Krankengeld Einkommensersatzfunktion zukomme, während des unbezahlten Urlaubs aber gerade kein Einkommen bezogen werde, es also nicht zu einem Entgeltverlust der DN kommen würde.

Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten Blick einleuchtend und nachvollziehbar. Bei genauerer Betrachtung gibt es mE jedoch gewisse Ansätze, die gegen die Einschätzung des OGH sprechen. Diese sollen im Folgenden näher aufgezeigt werden.

4.
Kein Lohnersatz für gewisse Gruppen von DN

§ 138 Abs 1 ASVG spricht hinsichtlich der Frage, welche Personen anspruchsberechtigt sind, ganz dezidiert nur von den „Pflichtversicherten“ allgemein. Wie bereits ausgeführt, ist die Kl aufgrund der Regelung des § 11 Abs 3 lit a ASVG, also in Zeiträumen unbezahlten Urlaubs bis zu einem Monat, pflichtversichert. § 138 ASVG definiert aber nicht nur den subjektiven Anwendungsbereich, sondern enthält in Abs 2 auch eine Aufzählung jener Personengruppen, die vom Krankengeldanspruch ausgeschlossen sind. Diese enthält etwa diverse Teilversicherte und gewisse Pensionsbezieher. Es wurden dabei all jene Personengruppen zusammengefasst, bei denen ein Entgeltausfall nicht stattfindet (Naderhirn, Die Arbeitsunfähigkeit in der Krankenversicherung, in Pfeil/Prantner [Hrsg], Das Risiko Arbeitsunfähigkeit in der Sozialversicherung [2012] 29 [61]). Pflichtversicherte nach § 11 Abs 3 lit a ASVG sind in dieser Aufzählung aber nicht enthalten, was mE als Indiz dafür gewertet werden kann, dass DN auch in einer Phase unbezahlten Urlaubs grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld haben sollten.

Der Vollständigkeit halber ist jedoch festzuhalten, dass die in § 138 Abs 2 ASVG enthaltene Aufzählung eher demonstrativer als taxativer Natur zu sein scheint. Dies lässt sich etwa dadurch unterlegen, dass der OGH (13.9.2017, 10 ObS 87/17t) einem Pensionsbezieher, der Krankengeld begehrte, dieses wegen mangelndem Einkommensausfall 47 verweigerte. Zu diesem Zeitpunkt waren die in § 8 Abs 1 Z 1 lit d ASVG genannten Teilversicherten noch nicht in der Aufzählung des § 138 Abs 2 leg cit enthalten, diese wurden erst später erfasst. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Liste weiter ergänzt und aktualisiert wird bzw dass im Wege der Analogie auch weitere DN-Gruppen, die ebenfalls während der Arbeitsunfähigkeit keinen Entgeltausfall erleiden, dazukommen können.

5.
Zum Zeitpunkt der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

Der OGH begründet seine Entscheidung unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur jedoch nicht mit dem subjektiven Geltungsbereich, sondern mit dem Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung, nämlich der Arbeitsunfähigkeit. Personen, die bei Eintritt des Versicherungsfalls keinen Lohnausfall erleiden können, da sie nicht arbeiten, können nicht arbeitsunfähig sein. Diese Schlussfolgerung ist in jenen Fällen nachvollziehbar, in denen die Betroffenen ohnehin andere Leistungen aus der SV, wie etwa Pensionsleistungen (konkret zum Rehabilitationsgeld OGH10 ObS 87/17t), beziehen. Auch im Fall von Freizeitphasen bei geblockter Altersteilzeit (RISJustiz RS0121539) sind die Ausführungen des OGH durchaus nachvollziehbar. In diesen Konstellationen hat der DN vorab Arbeitsleistungen erbracht, aufgrund derer er auch sozialversichert wurde. In der Freizeitphase bestehen sowohl die Entgeltpflicht des DG als auch die sozialrechtliche Pflichtversicherung fort, obwohl keine Dienstleis tungen mehr erbracht werden. Der DN kann also in der Freizeitphase im Krankheitsfall gar keine arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung mehr bekommen, da es ihm an der Arbeitsunfähigkeit fehlt, er arbeitet ja de facto nicht mehr. Derselbe Gedanke könnte dann auch auf das Sozialrecht durchschlagen, ist aber deshalb irrelevant, da der DN ja ohnehin – trotz Erkrankung in der Freizeitphase – einen laufenden Entgeltanspruch hat.

ME ist jedoch fraglich, ob diese Ausführungen auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden können, denn der OGH impliziert in der gegenständlichen Entscheidung, dass sich die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sozialrecht – ähnlich wie im Arbeitsrecht – auf die konkret verrichtete Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls beziehen müsse.

Ein Indiz, dass das nicht immer der Fall ist, sind mE die sogenannten Schutzfristfälle:

  • Leistungen aus der KV stehen nämlich nicht nur während aufrechtem Dienstverhältnis zu, sondern in gewissen Schutzfristfällen sogar nach bereits erfolgter Beendigung des Dienstverhältnisses. § 122 ASVG normiert, dass Personen, die aus der Pflichtversicherung ausscheiden, in bestimmten Fällen weiterhin leistungsberechtigt bleiben. Diese Schutzfrist beträgt gem § 138 Abs 1 ASVG für den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit drei Wochen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass DN bei Beendigung des Dienstverhältnisses – wenn auch nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum – leistungsberechtigt bleiben und daher Anspruch auf Krankengeld haben. Wird das Dienstverhältnis für den gleichen Zeitraum karenziert, soll die DN nach Ansicht des OGH hingegen keinen Anspruch auf Krankengeld haben.

  • Außerdem hat der OGH (3.4.2001, 10 ObS 57/01g) mit Blick auf die Schutzfristfälle bereits festgestellt, dass für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auf die Tätigkeit abzustellen ist, die Gegenstand des Arbeitsvertrags war, durch den die letzte vor der Schutzfrist liegende Versicherung begründet wurde (Naderhirn in Pfeil/Prantner [Hrsg], Das Risiko Arbeitsunfähigkeit 60). Es wurde also gerade nicht auf die Tätigkeit beim Eintritt des Versicherungsfalls, sondern – ähnlich wie im Beitragsrecht (dazu gleich unten) – auf den Zeitraum vor Beendigung des Dienstverhältnisses abgestellt. Diese Gedanken sind mE auch für den vorliegenden Fall fruchtbar zu machen.

Schließlich ist anzumerken, dass DN im Fall eines bis zu einem Monat dauernden unbezahlten Urlaubs pflichtversichert bleiben und zugleich die Pflicht zur Beitragsleistung auf sie übergewälzt wird. Die Beitragsgrundlage bezieht sich gem § 47 lit a ASVG auf die Zeit unmittelbar vor Beginn des unbezahlten Urlaubs. Der Gesetzgeber stellt für Zeiten, in denen der DN keine Arbeitsleistung erbringt, also nicht auf das Entgelt während der Karenzierung ab, sondern auf den Zeitraum vor Beginn derselben. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hingegen bezieht sich nach Ansicht des OGH aber gerade nicht auf jene Tätigkeiten, die der DN unmittelbar vor Beginn des unbezahlten Urlaubs verrichtet hat. Vielmehr wird hier auf die Tätigkeiten während der Karenzierung geblickt und dem DN daher die Leistung des Krankengeldes verweigert. Dies stellt mE einen gewissen logischen Bruch dar, entspricht doch augenscheinlich der Zeitpunkt für die Berechnung der Beitragsleistungen nicht dem Zeitpunkt für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit.

6.
Fazit

Die vorliegende Entscheidung führt für die betroffene DN zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass sie zwar aufgrund der in § 11 Abs 3 lit a ASVG angeordneten Pflichtversicherung zur alleinigen Beitragsleistung während des unbezahlten Urlaubs verpflichtet wird, letztlich aber bei Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit keine Leistung erhält. Stellt man dabei allein auf die Frage ab, ob und in welcher Höhe zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls Entgelt bezogen wurde, ist die Entscheidung durchaus nachvollziehbar und fügt sich auch in die Vorjudikatur ein. Stellt man jedoch auf die – mE durchaus vergleichbare – Judikatur zum Eintritt des Versicherungsfalls während der Schutzfrist nach § 122 ASVG ab bzw berücksichtigt man die durch die Entscheidung auftretende mangelnde Äquivalenz zum Zeitpunkt, der für die Berechnung der Beitragshöhe vorgesehen ist, hätte der OGH durchaus auch zu einem anderen Ergebnis kommen können. 48