Verfall und Verjährung im Arbeitsrecht*

ERNSTEYPELTAUER (LINZ)
Fragen des Verfalls von Ansprüchen sind in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen von zentraler Bedeutung. Viele Ansprüche von AN scheitern von vornherein an einer Verfallsklausel im KollV oder im Einzelarbeitsvertrag. Nicht nur die Anwendbarkeit und Auslegung von Verfallsklauseln im Einzelfall ist strittig, sondern vor allem die Zulässigkeit bei unverzichtbaren AN-Ansprüchen. Hingegen wirft die Verjährung weniger Probleme auf. Bei genauer Betrachtung stellen sich jedoch auch hier grundlegende Fragen.
  1. Praktische Bedeutung und Einleitung

  2. Unterschiede zwischen Verfall und Verjährung

  3. Zwecke der Verjährung und des Verfalls

  4. Problematik des Verfalls

  5. Die Rechtsprechung des OGH – Kritik im Einzelfall

  6. Zwingende Arbeitnehmeransprüche

  7. Sonderregelungen

  8. Kollektivvertragliche Verfallsfristen

  9. Nicht zwingende Arbeitnehmeransprüche

  10. Einzelarbeitsverträge als Vertragsformblätter

  11. Ablaufhemmung der Verjährungsfrist

  12. Kein Umweg über den Schadenersatz

  13. Unionsrechtliche Ansprüche und kollektivvertragliche Verfallsfrist

  14. Ergebnisse

  15. De lege ferenda

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Praktische Bedeutung und Einleitung

Es gibt wohl im Arbeitsrecht keine Problematik, die von so großer Bedeutung ist wie der Verfall und die Verjährung von Ansprüchen. Zahlreiche Verfahren werden gar nicht eingeleitet, weil der geltend zu machende Anspruch verfallen oder verjährt ist. Immer wieder kommt es zu Klagsabweisungen wegen zum Zeitpunkt der Klagseinbringung eingetretenen Verfalls oder eingetretener Verjährung.* In der Beratungspraxis ist zu allererst die Frage zu stellen, ob es eine außergerichtliche Verfallsfrist gibt und ob diese durch Geltendmachung eingehalten wurde. Allzu oft ist die Beratung und vor allem auf AN-Seite die Hoffnung auf Durchsetzung eines als berechtigt angesehenen Anspruchs damit auch schon wieder beendet. Betroffen sind zum allergrößten Teil AN-Ansprüche, sind es doch die AN, die als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung ihrer Arbeitskraft Entgelt vom AG bekommen bzw bekommen sollen. AG hingegen treffen Verfall und Verjährung in der Regel nur im Zusammenhang mit (wesentlich selteneren) Schadenersatzansprüchen gegen den AN.*

Dem Zivilprozessrechtsgesetzgeber dürfte die wesentlich größere praktische Bedeutung des Verfalls als der Verjährung im Arbeitsrecht nicht bewusst oder nicht wichtig genug gewesen sein, als er mit Wirkung vom 1.5.2011 mit § 393a ZPO eine Regelung aufgenommen hat, wonach der Richter über die Verjährungsfrage iSd Verneinung der Verjährung mit Zwischenurteil entscheiden kann, um unnötigen Prozessaufwand zu vermeiden. Auf den Verfall ist die Bestimmung nach ihrem Wortlaut nicht anzuwenden und die Gesetzesmaterialien* gehen auf diesen auch nicht ein. Während zuvor vom Gericht, das eine Verjährung als377 nicht gegeben angesehen hat, das gesamte Verfahren zur Prüfung des materiellen Anspruchs durchgeführt werden musste, auch wenn die letzte Instanz dann die Klage gerade wegen Verjährung abgewiesen hat, besteht jetzt die Möglichkeit, bei Strittigkeit der Verjährung das erstinstanzliche Verfahren in jedem Fall kurz zu halten. Auch wenn der Richter nicht von der Verjährung ausgeht, kann er nur die Verjährungsfrage (abschlägig) entscheiden und der Instanzenzug kann zu dieser Frage beschritten werden.

Auf den ersten Blick scheint insoweit wertungsmäßig zwischen Verjährung und Verfall kein Unterschied zu bestehen; Prozessökonomie sollte Vorrang haben. Dies würde dafür sprechen, dass diese prozessuale Möglichkeit analog auch bei Erhebung der Einrede des Verfalls durch den Bekl besteht.

Allerdings könnte dagegen sprechen, dass über dem Verfall unterliegende Ansprüche rasch Beweis aufgenommen werden soll. Die Beschreitung des Instanzenzuges zur Verfallsfrage steht dazu aber im Gegensatz, wenn letztinstanzlich der Verfallseintritt ebenfalls verneint wird. Es muss dann erst – und zwar mit erheblicher Verzögerung – Beweis über die Klagsforderung aufgenommen werden. Dass bei Klagsabweisung wegen Verfalls durch das Erstgericht und Aufhebung dieser Entscheidung im Instanzenweg dieselbe Verzögerung eintritt, spricht nicht für eine Analogie. Immerhin wird eine solche Verzögerung ohne Analogie vermieden, wenn von Anfang an ein Verfall zutreffend verneint wird.

Wird die Klage kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht, besteht freilich dieses Spannungsfeld zwischen Prozessökonomie und Verjährungszweck auch, wenn auch vielleicht nicht in so starker Ausprägung wie beim Verfall. Ob eine analoge Anwendung des § 393a ZPO geboten ist oder ausscheidet, lässt sich sohin mE nicht mit Sicherheit sagen.

Ein solches Spannungsfeld gibt es übrigens auch, wenn der OGH* die sechsmonatige Verfallsfrist für die Kündigungsentschädigung mit Einbringung der Entlassungsanfechtungsklage als gehemmt ansieht. Wird im Entlassungsanfechtungsverfahren – wie üblich, wenn auch nicht zwingend – zuerst die Frage der Sozialwidrigkeit geprüft, vergeht unter Umständen sehr lange Zeit bis zur Beweisaufnahme über das Vorliegen eines Entlassungsgrundes, von der wiederum der Anspruch auf Kündigungsentschädigung abhängt.*

In sehr vielen Kollektivverträgen finden sich Verfallsklauseln. Diese gelten zum Teil für sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch für solche der AG, aber auch nur für AN-Ansprüche. In aller Regel genügt für die Einhaltung die außergerichtliche schriftliche Geltendmachung. Fristbeginn ist, soweit zu sehen ist, immer die Fälligkeit des Anspruchs und nicht Kenntnis oder Kennenmüssen. Die Länge der Fristen beträgt zumeist einige Monate. Für bestimmte AN-Ansprüche, wie insb jene auf Überstundenentgelt, gibt es noch kürzere Fristen von bis zu zwei Monaten, teilweise als eigenständige kürzere Frist zur allgemeinen, für die anderen Ansprüche geltenden längeren Frist.

In den Einzelarbeitsverträgen finden sich zunehmend mehr Verfallsklauseln, die – wenig überraschend – hauptsächlich für AN-Ansprüche gelten. Jeder bisher auch nur einigermaßen gut beratene AG nimmt in seine Arbeitsverträge solche Klauseln auf. Während nicht nur KleinunternehmerInnen, sondern auch große Industrieunternehmen früher immer wieder Arbeitsverträge ohne eine Verfallsregelung verwendet hatten, ziehen diese in letzter Zeit immer mehr nach. Es kann inzwischen überall dort, wo Arbeitsverträge abgeschlossen werden, die Aufnahme von Verfallsklauseln für AN-Ansprüche als Regelfall beobachtet werden. Die Verfallsproblematik hat sich damit zunehmend verschärft.

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Unterschiede zwischen Verfall und Verjährung

Während beim Verfall der Anspruch als solcher erlischt, verliert dieser bei der Verjährung „nur“ die Klagbarkeit. Der verjährte Anspruch bleibt zwar bestehen, ist aber nicht mehr im Klagsweg durchsetzbar. Es verbleibt eine sogenannte Naturalobligation, die vom Schuldner des Anspruchs erfüllt werden kann. Hingegen hat der verfallene Anspruch zu existieren aufgehört. Es besteht keine Schuld mehr, die vom Schuldner beglichen werden könnte. Leistet der Schuldner nach Fristablauf, dann kann er im Falle der Verjährung seine Leistung nicht zurückfordern, weil er ja eine bestehende Schuld erfüllt hat. Beim Verfall hingegen hat eine solche nicht mehr bestanden, hat er eine Nichtschuld bezahlt und kann er für den Fall, dass diese Leistung irrtümlich erfolgt ist, diese vom Leistungsempfänger wieder zurückfordern.*

Ein weiterer Unterschied ergibt sich ausgehend von der nach Rsp und einem Teil der Lehre,* freilich den Verjährungszwecken widersprechenden und durch die Aufrechnungszwecke nicht gebotenen, Aufrechenbarkeit mit verjährten Ansprüchen.* Stehen Ansprüche einander vor Eintritt der jeweiligen Verjährung aufrechenbar gegenüber, dann kann auch nach Ablauf der Verjährung mit dem verjährten Anspruch378 gegen den anderen, noch nicht verjährten Anspruch aufgerechnet werden. Ist also zB der Entgeltanspruch des AN wegen Ablaufs der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist verjährt, kann der AN dennoch gegen einen innerhalb dieser Dreijahresfrist entstandenen, noch nicht verjährten Schadenersatzanspruch des AG aufrechnen. Dies gilt im umgekehrten Fall für die Aufrechnung des AG mit einem verjährten Schadenersatzanspruch gegen einen Entgeltanspruch des AN nur dann, wenn entweder der AN nicht binnen 14 Tagen ab Zugehen der Aufrechnungserklärung widerspricht (§ 7 Abs 1 DHG) oder der AN vorsätzlich geschädigt hat (dann erfolgt keine Anwendung des DHG). Ist hingegen ein Anspruch wegen Verfalls erloschen, dann kann mit diesem nicht mehr aufgerechnet werden.

Ansonsten werden die meisten Verjährungsregeln analog auf den Verfall angewendet. Auch die an sich amtswegige Wahrnehmung des Verfalls gilt nach der Judikatur des OGH* für AN-Ansprüche nicht. Vielmehr hat demnach das Gericht, so wie bei der Verjährung, nur über entsprechenden Einwand des AG den Verfall zu berücksichtigen. Der Einwand bloß der Verjährung wird von der Rsp* zutreffend nicht auch als Einwand des Verfalls gewertet. Dieses auf den ersten Blick überraschende Erfordernis des Verfallseinwands, wird doch ohne einen solchen ein erloschener Anspruch zugesprochen, lässt sich mit dem Verfallszweck des Schutzes des AG vor Beweisschwierigkeiten begründen. Legt der AG auf einen solchen Schutz, wissentlich oder unwissentlich, keinen Wert, dann kann über den Anspruch inhaltlich entschieden werden. Da es überraschenderweise in Prozessen doch vorkommt, dass sich Rechtsvertreter nicht auf den Verfall berufen, kommt dem Erfordernis des Verfallseinwandes durchaus praktische Bedeutung zu.

Namhafte Autoren haben zwar das Rechtsinstitut des Verfalls in Frage gestellt, hauptsächlich für das ABGB, aber auch hinsichtlich § 6 DHG.* Große Bedeutung kommt dem aber wegen des überwiegenden Gleichklangs der Konsequenzen von Verjährung und Verfall nicht zu. Jedenfalls auf kollektivvertraglicher und einzelvertraglicher Ebene wird an der Existenz des Rechtsinstituts des Verfalls nicht zu rütteln sein. Damit sei aber noch nichts über die Zulässigkeit von Verfallsklauseln gesagt.

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Zwecke der Verjährung und des Verfalls

Mit der neueren Literatur* lässt sich von einem Motivbündel an (möglichen) Verjährungszwecken sprechen. Man kann von der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, von der Entlastung der Gerichte, vom Schutz des Schuldners vor der Anhäufung von Schulden und vor allem auch von der Verhinderung eines Beweisnotstandes für den Schuldner lesen.* Der Zweck der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden gilt sicherlich nur für die lange 30-jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB. Irgendwann einmal soll Schluss sein. Dafür eignen sich diese 30 Jahre sehr gut, wobei freilich auch an eine deutliche Verkürzung (auf zehn Jahre) gedacht werden könnte. Der Gedanke an die Entlastung der Gerichte* ist abzulehnen. Berechtigten Ansprüchen sollte nicht mit einer solchen Argumentation die Durchsetzbarkeit verweigert werden. Dass die Rechtsmeinung des OGH zur Zulässigkeit von Verfallsklauseln im Ergebnis eben dazu führt, ist eine notwendige, wenn auch vielleicht im Einzelfall für die Gerichte nicht unangenehme Folge, mit Sicherheit aber keineswegs Grund für diese Rechtsansicht.*

Der Schutz des AG als Schuldner vor einer Anhäufung von Schulden kann bei regelmäßigen AN-Ansprüchen durchaus anerkennenswerter Zweck der Verjährung sein, auch wenn dieser Verjährungszweck vor allem hinter der Regelung des § 1480 ABGB steht.* Diese sieht auch eine dreijährige Verjährungsfrist, und zwar für Forderungen von rückständigen regelmäßigen Leistungen, wie insb Zinsen, Renten und Unterhaltsbeträge, vor. Als Rechtfertigung gerade dafür dient allerdings die Säumigkeit bzw Unachtsamkeit des Gläubigers betreffend seine Ansprüche.* Darlehensgeber wie Unterhaltsberechtigter werden Monat für Monat durch Entstehen ihrer Ansprüche an eben diese und damit auch an die rückständigen Ansprüche erinnert. Ein in Unkenntnis seiner Ansprüche befindlicher AN, zB der unterkollektivvertraglich Entlohnte, der um seine falsche Einstufung oder die Nichtanrechnung von Vordienstzeiten nichts weiß, lässt sich allerdings damit nicht rechtfertigend vergleichen. Ebensowenig der seine Ansprüche aus Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder sonstiger negativer Konsequenzen des AG für sein Arbeitsverhältnis nicht einklagende AN. Auch ist die dreijährige Verjährungsfrist für die Ansprüche der AN auf Entgelt und Auslagenersatz eben nicht in § 1480 ABGB, sondern in § 1486 Z 5 ABGB geregelt, wobei § 1486 ABGB sedes materiae für Geldleistungsansprüche aus Geschäften des täglichen Lebens ist.*

Verbleibt als richtiger Verjährungszweck für die AN-Ansprüche die Verhinderung eines Beweisnotstandes für den schuldnerischen AG. Ein Zweck, den gera379de auch die viel kürzeren Verfallsfristen verfolgen bzw verfolgen sollen. Darauf wird noch näher einzugehen sein.

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Problematik des Verfalls

Schon die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB erweist sich als problematisch. Zum einen beginnt sie, unabhängig davon, ob der AN Kenntnis von seinem Anspruch hat bzw bei gehöriger Sorgfalt haben kann, mit Fälligkeit des Anspruchs zu laufen.* Zum anderen tritt die Verjährung auch dann ein, wenn es für den AG nicht den geringsten Beweisnotstand gibt, sondern er eindeutige und unbestreitbare Ansprüche des AN nicht erfüllt hat.

Nicht außer Betracht gelassen werden darf freilich, dass es bei der Frage der Berechtigung eines Anspruchs nicht nur um dessen (ursprüngliche) materielle Berechtigung, sondern bei seiner Geltendmachung auch darum geht, ob der berechtigt gewesene Anspruch nicht bereits durch Leistung des Schuldners erloschen ist. Dies trifft gerade den Kern der Absicht des Gesetzgebers des § 1486 ABGB, einem Beweisnotstand des Schuldners zu begegnen. Der Beweisnotstand, der daraus resultiert, dass der Schuldner die von ihm erbrachte Leistung, also die Zahlung, nicht mehr oder nur mehr schwer nachweisen kann. Bei Geschäften des täglichen Lebens ging der Gesetzgeber davon aus, dass ein Aufheben der damals üblichen Quittung, mit welcher der Gläubiger den Barempfang des Geldes bestätigt hat, durch den Schuldner über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht zumutbar ist bzw problematisch sein kann.* Heutzutage sind Barzahlungen freilich unüblich. Fast immer kommt es zur bargeldlosen Überweisung. Diese Überweisungen können über einen längeren Zeitraum als drei Jahre vom Schuldner unschwer nachgewiesen werden. Allein die steuerliche Behaltefrist von Belegen und damit auch von Überweisungsbelegen beträgt sieben Jahre.* Die Banken heben auch die von ihnen fotogrammetrisch gesicherten Dokumente über Zahlungsflüsse so lange auf und stellen diese, wenn auch gegen Bezahlung, dem Kontoinhaber über Verlangen zur Verfügung. Was dieser wesentliche Wandel im Zusammenhang mit dieser Art des früheren Beweisnotstandes für die gesetzliche Verjährungsfrist für AN-Ansprüche auf Entgelt und Auslagenersatz für eine Bedeutung hat, darauf wird später an anderer Stelle noch zurückzukommen sein.

Dass kurze Verfallsfristen von nur einigen Monaten für die AN nachteilig sind, braucht wohl nicht näher betont zu werden. Der mit dem Verfall verfolgte selbe Zweck wie die gesetzliche Verjährung lässt schon auf den ersten Blick fraglich erscheinen, ob eine Verkürzung der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist zulässig sein kann. Einen anderen Zweck als im Arbeitsverhältnis (oder danach) einem Beweisnotstand des Schuldners und damit im Regelfall des AG zu begegnen, vermag es von vornherein nicht zu geben.* Zu kurz sind die mehrmonatigen Verfallsfristen, als dass diese durch die Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, durch die Entlastung der Gerichte oder durch den Schutz des Schuldners vor der Anhäufung von Schulden gerechtfertigt werden könnten.

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Die Rechtsprechung des OGH – Kritik im Einzelfall

Die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist wurde, soweit zu sehen ist, höchstgerichtlich im Arbeitsrecht bisher nicht als problematisch angesehen. Insoweit es keine diese gesetzliche Verjährungsfrist abkürzende gesetzliche Verfallsfrist gibt, geht der OGH von der Zulässigkeit einer kürzeren kollektivvertraglichen Verfallsfrist selbst bei unabdingbaren AN-Ansprüchen aus.* Arbeitsvertraglich wird bei Nichtbestehen einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Verfallsfrist die Vereinbarung einer kurzen Verfallsfrist, auch für unabdingbare AN-Ansprüche, ebenfalls als zulässig betrachtet.* Dies selbst bei einseitiger Geltung einer solchen Verfallsfrist nur für AN-Ansprüche und nicht auch für AG-Ansprüche.*

Es soll, so der OGH* zur Kündigungsentschädigung, sogar die sechsmonatige gesetzliche Verfallsfrist wegen Günstigkeit für den AN verkürzt werden können, wenn für die Einhaltung der verkürzten Verfallsfrist die außergerichtliche schriftliche Geltendmachung genügt und diesfalls die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist für die gerichtliche Geltendmachung zur Verfügung steht. Die kürzere außergerichtliche Geltendmachungsfrist sei für den AN günstiger als das Erfordernis der Einklagung innerhalb der gesetzlichen sechsmonatigen Verfallsfrist.

Dem muss widersprochen werden, wie von mir bereits in einer Anmerkung zu dieser Entscheidung. * Die Wahrscheinlichkeit und das Risiko eines Anspruchsverlustes durch Versäumen der kürzeren Geltendmachungsfrist sind größer als durch die Nichteinbringung der Klage bis zum Ablauf der gesetzlichen Verfallsfrist: Je kürzer die Frist, umso größer sind diese. Nichtwissen oder Nachlässigkeit führen umso eher zur Fristversäumnis, je kürzer die Frist ist. Eine längere Frist bietet dem AN eher die Chance, von seinem Anspruch zu erfahren oder diesen zu verfolgen. Gerade bei der Arbeitsplatzsuche nach Ende des Arbeitsverhältnisses wird der Fokus des AN oft besonders auf dieser liegen. Weiß der AN um seinen380 Anspruch auf Kündigungsentschädigung und um dessen Fristgebundenheit, wird er diesen innerhalb der sechsmonatigen Verfallsfrist um nichts weniger einklagen als bis zum Ablauf einer vertraglich eingeräumten dreijährigen Verjährungsfrist. Sechs Monate genügen jedenfalls, um sich klar werden zu können, ob der Gerichtsweg beschritten wird. Ein AN, der die Kündigungsentschädigung innerhalb der einzelvertraglich verkürzten Verfallsfrist außergerichtlich gegenüber seinem ehemaligen AG geltend macht, würde in der Regel auch innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Arbeitsverhältnisses die Klage einbringen. Eine Günstigkeit, die ex ante zu beurteilen ist, liegt daher in einem solchen Fall entgegen dem OGH nicht vor.

Der OGH ist sich der für die AN mit kurzen Verfallsfristen verbundenen Nachteile durchaus bewusst. Er hat in der Vergangenheit versucht, dieser Benachteiligung in Einzelfällen die Spitze zu nehmen, indem er – mit unterschiedlichen Begründungen – im Ergebnis zum Nichtverfall gekommen ist. Das geht vom Begriff der Geltendmachung bis zum Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw des Verstoßes gegen Treu und Glauben und der Einrede der Furcht. Vom AN vorgelegte Arbeitszeitaufzeichnungen, aus denen der AG die geleisteten Überstunden ersehen und errechnen kann, wurden als ausreichende Geltendmachung von Überstundenentgelt qualifiziert.* Dies gilt jedoch dann nicht, wenn aus den Arbeitszeitaufzeichnungen eine solche Berechnung nicht möglich ist, wie etwa, wenn es sich bloß um eine Spesenabrechnung handelt, welche die Pausen des Außendienstmitarbeiters nicht ausweist.*

Auch die Übergabe der Tachographenscheiben durch einen LKW-Fahrer wurde vom OGH* nicht als den Verfall ausschließende Geltendmachung von Überstundenentgelt angesehen. Dies, obwohl der AG bei Auswertung der Tachographenscheiben die geleisteten Überstunden des AN ermitteln hätte können und daher kein Beweisnotstand des AG vorlag. Nur um diesen kann es aber gehen und nicht um eine Bestrafung des AN wegen nicht ausreichender Geltendmachung seines Anspruchs.*

Droht der AG den AN für den Fall der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen mit Kündigung, dann können die AN dem Verfallseinwand des AG die Einrede der Furcht entgegenhalten.*

Der AN muss auch seinen Anspruch nicht schon vor Eintritt der Fälligkeit geltend machen, weil die Verfallsfrist erst mit Fälligkeit zu laufen beginnt.* Erhält der AN keine oder nicht ordnungsgemäße Lohnabrechnungen, ist dem AG ebenfalls eine erfolgreiche Berufung auf den eingetretenen Verfall verwehrt, handelt er doch rechtsmissbräuchlich.* Entsprechend hat der OGH* jüngst bei einer anzuwendenden kollektivvertraglichen Verfallsfrist argumentiert, aus der sich freilich ohnedies ergeben hat, dass die Verfallsfrist nur bei einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung gilt. An eben einer solchen hatte es aber gefehlt.

Ist ein Anspruch in der Lohnabrechnung ausgewiesen – im entschiedenen Fall handelte es sich um die Abfertigung –, so ist dem AG der Verfallseinwand verwehrt.* Dem ist natürlich zuzustimmen, wobei ohnedies ein Anerkenntnis seitens des AG durch Ausweisung der Abfertigung am Lohnzettel vorgelegen hat, womit die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB zur Anwendung gekommen ist.

In einer jüngeren E hat der OGH* die in einem freien Dienstvertrag vereinbarte Verfallsklausel, dem richtigerweise ein Arbeitsverhältnis zugrunde gelegen ist, anders als die Unterinstanzen, auf die AN-Ansprüche aus diesem Arbeitsverhältnis auf Entgeltdifferenzen, Sonderzahlungen, Urlaubsentgelt und Urlaubsersatzleistung angewendet. Dabei ist er nicht der Frage nachgegangen, ob es nicht darauf ankommen müsste, ob der AN Kenntnis vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gehabt hat oder zumindest haben hätte müssen. Ohne eine solche Kenntnis bzw ein solches Kennenmüssen wäre ihm die rechtzeitige Geltendmachung seiner Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gar nicht möglich gewesen, weil ihm diese, die ihm allein aus einem Arbeitsverhältnis zugestanden sind, mangels Kenntnis des Vorliegens eines solchen gar nicht bekannt waren. Sollte der AG, wofür nach dem Sachverhalt alles gesprochen hat, vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses gewusst haben, dann wäre dem AN jedenfalls die Einrede des Rechtsmissbrauchs bzw der Arglist gegen den Verfallseinwand des AG zugestanden. Seitens der Rechtsvertretung des AN wurde aber offenbar weder in die eine noch in die andere Richtung ein Vorbringen erstattet.

Zuletzt hat der OGH* die sechsmonatige Verfallsfrist des § 1162d ABGB, die für Kündigungsentschädigungen und weitergehenden Schadenersatz gilt, wieder* analog auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des AN nach § 5 EFZG angewendet. § 5 EFZG sieht einen solchen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während Arbeitsunfähigkeit des AN ua durch AG-Kündigung oder durch unberechtigte Entlassung vor. In casu behauptete der AN eine frist- und terminwidrige Beendigung durch den AG. Selbst ausgehend von einer solchen – die Unterinstanzen hatten zur Beendigungsart keine Feststellungen getroffen – nahm der OGH einen Verfall des Anspruchs des AN auf Entgeltfortzahlung an. Er begründete dies mit der Grundwertung des § 1162d ABGB, dass Folgen einer allenfalls rechtswidrigen Beendigung rasch klargestellt werden sollen.

Dieser Argumentation ist mit Skepsis zu begegnen. Das bei einer Entlassung tatsächlich gegebene Klarstellungsinteresse und Beweisproblem (des AG),381 ist doch zu klären, ob die Entlassung berechtigt war oder nicht, fehlt nämlich bei bloß frist- oder terminwidriger Auflösung durch den AG. Nur wenn der Zugang der Auflösungserklärung strittig ist – und nicht, welche Frist bzw welcher Termin eingehalten werden muss –, kann für den AG ein Beweisproblem entstehen, welches in der Regel freilich nicht mit jenem des Nachweises der Berechtigung einer Entlassung, weil nicht so groß, verglichen werden kann. Hält dieser Kündigungsfrist oder -termin nicht ein, bedarf es keiner Beweisaufnahme zum Verhalten des AN, die zu Beweisproblemen für den AG führen kann. ME kommt daher eine solche Analogie nicht in Betracht und wäre die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB anzuwenden gewesen, was zu einer Zurückverweisung der Rechtssache durch den OGH führen hätte müssen.

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Zwingende Arbeitnehmeransprüche

Nach stRsp des OGH* kann die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist durch Vereinbarung einer kollektivvertraglichen oder einzelarbeitsvertraglichen Verfallsfrist auch für zwingende AN-Ansprüche abgekürzt werden. Die Abkürzung ist, was für alle Ansprüche, also auch für nicht zwingende AN-Ansprüche und für AG-Ansprüche gilt, bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit zulässig.* Dreimonatige Verfallsfristen wurden vom OGH* bereits mehrfach als zulässig angesehen, für Überstundenentgelt auch eine bloß zweimonatige Frist.* Hingegen wurde eine sechswöchige Frist als unzulässig kurz und damit sittenwidrig qualifiziert.* Diese Judikatur gilt sowohl für Ansprüche, die erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses fällig sind, als auch für während des Arbeitsverhältnisses fällige Ansprüche.

An dieser Auffassung hat der OGH trotz massiver, fundierter und quantitativ immer stärker werdender Kritik in der Literatur* festgehalten. Die eindeutig überwiegende Lehre lehnt die OGH-Judikatur ab und geht von der Unzulässigkeit und Unwirksamkeit der verfallsrechtlichen Fristverkürzung für zwingende AN-Ansprüche aus.

Der OGH hat sich bisher noch nie näher mit dieser Kritik an seiner Rsp auseinandergesetzt. Im Wesentlichen hat er sich auf das rein formale Argument zurückgezogen, die Geltendmachung eines Anspruchs sei nicht dasselbe wie der Anspruch selbst und die Unabdingbarkeit zwingender AN-Ansprüche sichere eben nur die Ansprüche.* Demgegenüber leitet die überwiegende Lehre aus der aus der Unabdingbarkeit zwingender Ansprüche – auch vom OGH unbestritten – jedenfalls für die Dauer des Arbeitsverhältnisses resultierenden Unverzichtbarkeit* die Unzulässigkeit einer solchen Fristverkürzung ab. Diese Unverzichtbarkeit gilt nicht nur im Voraus, sondern auch für einen nachträglichen Verzicht. Ziemlich einhellig anerkannter Grund dafür ist die nicht im Einzelfall zu prüfende Drucksituation, in der sich der AN insb bei aufrechtem Arbeitsverhältnis, aber sogar über dessen Ende hinaus bis zur Erledigung seiner (sonstigen) Ansprüche befindet. Erst nach vollständiger Abwicklung des Arbeitsverhältnisses besteht demnach eine solche Drucksituation nicht mehr.

Die Verkürzung der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist widerspricht der Unverzichtbarkeit zwingender AN-Ansprüche. Die Nichteinhaltung kürzerer Verfallsfristen führt genauso zur Vernichtung der zwingenden Ansprüche wie ein nachträglicher Verzicht auf diese. Die Drucksituation für den AN, die Grund für die Unverzichtbarkeit ist, besteht genauso, wenn es der vorzeitigen Geltendmachung von Ansprüchen bedarf, um deren Verfall zu verhindern.

Beweisschwierigkeiten des AG sind ohnedies Grund für die Verjährung auch zwingender AN-Ansprüche nach Ablauf der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist gewesen. Es kann sohin entgegen dem OGH nicht mit eben der Hintanhaltung solcher Beweisprobleme die Zulässigkeit kurzer Verfallsfristen argumentiert werden. Insoweit der OGH* aus § 1502 ABGB, nach dem eine vertragliche Verlängerung der Verjährungsfristen nicht zulässig ist, im Gegenschluss die Zulässigkeit der vertraglichen Verkürzung ableitet, ist ihm zum einen entgegenzuhalten, dass es sich bei zwingenden AN-Ansprüchen eben wegen deren Unabdingbarkeit und Unverzichtbarkeit um einen Sonderfall handelt. Zum anderen wurde in der Literatur* bereits nachgewiesen, dass der Gesetzgeber des ABGB* gerade für zwingende Ansprüche eine solche Verkürzbarkeit für unzulässig erachtet hat. Dieser Gegenschluss ist sohin nicht zulässig.382

Auch das bloße Erfordernis der außergerichtlichen Geltendmachung, wie es die Verfallsfristen in Kollektivverträgen und Einzelarbeitsverträgen vorsehen, vermag nichts an der Unwirksamkeit solcher Verfallsklauseln zu ändern. Die Geltendmachungsfrist bedeutet, wie in der Literatur* zutreffend ausgeführt wurde, nichts anderes als eine – nach dem Verjährungsregime des ABGB nicht vorgesehene – auflösende Bedingung des zwingenden Anspruchs. Erfolgt keine fristgerechte Geltendmachung, so erlischt der Anspruch. Die vom OGH vorgenommene Differenzierung zwischen Geltendmachung und Anspruch trägt sohin schon rein formal nicht.

Wie bereits ausgeführt, ist die Drucksituation für den AN auch beim Erfordernis einer außergerichtlichen Geltendmachung gegeben. Auch wenn sie schwächer ist als dann, wenn er seinen AG klagen müsste, ist sie noch immer stark genug, um wertungsmäßig die Unwirksamkeit herbeizuführen. Dies umso mehr, als es leichter zur Unterlassung der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen durch den AN kommt als zu einem Verzicht. Während der AG zur Nichtgeltendmachung unter Umständen gar nichts dazu tun muss, bedarf es für einen Verzicht des AN eines aktiven Handelns des AG, nämlich den AN zu einem solchen Verzicht zu bringen. Seitens des AN ist für einen Verzicht – in Form der Abgabe der Verzichtserklärung – ein aktives Tun erforderlich und nicht, wie bei der Unterlassung der Geltendmachung von Ansprüchen, eine bloße Passivität. Bei einem Verzichtsverlangen des AG könnte es auch passieren, dass er damit den AN auf ihm bis dahin gar nicht bekannte Ansprüche aufmerksam macht und dass dieser, bei ausnahmsweise fehlender (ausreichender) Drucksituation, wie zB wegen bevorstehender Beendigung des Arbeitsverhältnisses, diese Ansprüche gegenüber dem AG geltend macht.

Vor allem aber hat der Gesetzgeber des ABGB mit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5, die gerade Beweisschwierigkeiten des AG abhelfen soll, ohnedies schon eine zeitliche Begrenzung (der Klagbarkeit) auch zwingender AN-Ansprüche eingeführt. Wägt man nur ganz allgemein die übliche Drucksituation für AN mit diesem ohnedies schon nach dem Gesetz bestehenden Schutz des AG vor Beweisschwierigkeiten ab, kann man zu keinem anderen Ergebnis als zur Unwirksamkeit von Verfallsfristen kommen, welche diese gesetzliche Verjährungsfrist verkürzen.

Der Motivkündigungstatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG* bietet für die AN bei weitem keinen ausreichenden Schutz. Zwar soll dieser den AN vor einer Aufkündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den AG gerade wegen der Geltendmachung von Ansprüchen bewahren. Es muss sich jedoch dabei um solche Ansprüche handeln, die vom AG in Frage gestellt worden sind. Nur dann gilt dieser Kündigungsschutz. Macht der AN den Anspruch geltend und stellt der AG diesen nicht in Frage, sondern wartet er den Ablauf der Verfallsfrist einfach ab, muss der AN zur Verhinderung des Verfalls seinen Anspruch entsprechend den üblichen Verfallsklauseln schriftlich geltend machen, hat aber keinen Kündigungsschutz. Auch kann der AG, ungeachtet der bloßen Notwendigkeit der Glaubhaftmachung des verwerflichen Motivs des AG durch den AN, unschwer andere Kündigungsgründe anführen bzw vorschieben. Dadurch entsteht zumindest eine unklare rechtliche Situation, die zu einem massiven Vergleichsdruck auf den AN führt, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung gegen sich gelten zu lassen. Ein Vergleichsdruck, der bereits dann sehr erheblich ist, wenn der AG keine nennenswerten überzeugenden anderen Kündigungsgründe anzuführen vermag. Welcher AN soll schon bei einem derart belasteten Arbeitsverhältnis beim AG weiter arbeiten wollen?

Schon die bloße Möglichkeit des Verfalls führt im Verfahren zu einem erhöhten Vergleichsdruck auf den AN. Jeder Vergleich bedeutet, dass der AN, ausgehend von der Berechtigung des Anspruchs, seinen zwingenden Anspruch nicht zur Gänze bezahlt erhält, und widerspricht damit der Unabdingbarkeit solcher Ansprüche. Man denke nur daran, dass der AG eine schriftliche Geltendmachung durch den AN ganz einfach bestreitet. Der AN muss, so wie auch sonst, den Zugang seiner schriftlichen Erklärung beweisen. Da das „OK“ bei E-Mails genauso wenig einen Beweis bietet wie auf einer Fax-Sendenachricht,* kann sich hier für den AN ein besonderes Beweisproblem stellen. Das Beweisproblem für den AG, weswegen es die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist gibt, wendet sich sohin bei einer kurzen verfallsrechtlichen Geltendmachungsfrist in mögliche Beweisschwierigkeiten für den AN. Ein unhaltbares Ergebnis.

Ohnedies ist zudem der AN für seinen Anspruch beweisbelastet.* Je mehr Zeit seit Fälligkeit des Anspruchs verstrichen ist, umso schwieriger wird es für ihn werden, die entsprechenden Beweise beizubringen und das Gericht von der Berechtigung seines Anspruchs zu überzeugen. Erfahrungsgemäß stehen auch die Richter Ansprüchen skeptisch gegenüber, die von AN erst nach langer Zeit gerichtlich geltend gemacht werden, wenn es dem AN nicht gelingt, besondere Gründe dafür anzuführen.

Dass der AN aufgrund der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist oft gezwungen ist, zur Verhinderung des Verlustes seines Anspruchs, genauer von dessen Klagbarkeit, seinen AG zu klagen, ist für sich schon fragwürdig und noch näher zu beleuchten. Keinesfalls kann dieser Umstand dazu führen, dass diese Situation für den AN durch kurze Verfallsfristen noch massiv verschärft wird. Die längere gesetzliche Verjährungsfrist erhöht immerhin die Chance für den AN,383 dass der AG vielleicht doch noch von sich aus zahlt – man denke nur an Interventionen des BR oder einen Wechsel in der Person des Organwalters oder des Unternehmensinhabers – oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits erfolgt ist bzw bevorsteht oder sicher ist, sodass der Druck für den AN deutlich abgenommen hat.

Die sechsmonatigen gesetzlichen Verfallsfristen sind keinesfalls analogiefähig. Sie sind der Besonderheit von Schadenersatzansprüchen und der Kündigungsentschädigung geschuldet. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass die Kündigungsentschädigung (für die ersten drei Monatsentgelte)* erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig wird und sohin die sechsmonatige Verfallsfrist erst sechs Monate nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abläuft. Im Gegenteil ist angesichts dieser Frist unverständlich, wieso für AN-Ansprüche – umso mehr für solche, die unverzichtbar sind –, bei aufrechtem Arbeitsverhältnis eine kürzere als eine sechsmonatige Verfallsfrist zulässig sein soll. Wenn Analogie, dann in diesem Sinn, welche freilich nicht ausreichend wäre, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben.

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Sonderregelungen

Das Thema der Zulässigkeit kurzer Verfallsfristen für zwingende AN-Ansprüche kann nicht erschöpfend abgehandelt werden, ohne auf besondere Fallkonstellationen einzugehen, die gesetzlich geregelt sind bzw waren und Rückschlüsse auf die allgemeine Beantwortung dieser Frage zulassen könnten.

So sieht § 11 Abs 2 Z 5 AÜG für überlassene Arbeitskräfte ein Verbot der Verkürzung der Verfalls- oder Verjährungsvorschriften vor. Auch hier ist der Gegenschluss nicht zulässig, dass außerhalb der Arbeitskräfteüberlassung kurze Verfallsfristen für zulässig erklärt werden sollten. Der Gesetzgeber des AÜG, hinsichtlich dessen Überlegungen sich in den Gesetzesmaterialien* nichts finden lässt, ist offenbar unreflektiert von der die Zulässigkeit kürzerer Verfallsfristen bejahenden höchstgerichtlichen Rsp ausgegangen, ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, diese Zulässigkeit wäre im Wege einer authentischen Interpretation vom Gesetzgeber anerkannt worden. Ohnedies schließt dieses Verbot die generelle Unzulässigkeit einer solchen Fristverkürzung bei zwingenden AN-Ansprüchen nicht aus. Es kann nämlich diese Gesetzesbestimmung jedenfalls dahingehend interpretiert werden, dass nur für nicht zwingende AN-Ansprüche eine solche Verkürzung extra verboten worden ist.

Auf eine ähnliche Problemstellung trifft man bei § 26 Abs 8 AZG. Nach dieser Bestimmung ist der Lauf von Verfallsfristen gehemmt, wenn es an Arbeitszeitaufzeichnungen fehlt und daher die Feststellung der Arbeitszeiten unzumutbar ist. So wie schon § 11 Abs 2 Z 5 AÜG dient auch diese Vorschrift ausschließlich dem Schutz der AN. Es kann daher auch daraus nicht abgeleitet werden, der Gesetzgeber hätte die Zulässigkeit von kurzen Verfallsfristen, insb bei Ansprüchen auf Überstundenentgelt, die ja zwingend sind, dem Grunde nach anerkannt. Auch hier ist der Gesetzgeber offenbar unreflektiert von der Rsp ausgegangen. Einer grundsätzlichen Absage an die Zulässigkeit von Verfallsklauseln für zwingende AN-Ansprüche steht daher auch diese Sonderregelung nicht entgegen.*

Auch § 15 Abs 1 letzter Halbsatz GlBG idF bis November 2008 war eine Sonderregelung. Damals galt für Ansprüche auf die Entgeltdifferenz wegen Diskriminierung die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist, soweit nicht durch KollV etwas anderes bestimmt ist. Zur Erhöhung der Rechtsklarheit und weil es keine solchen Regelungen durch KollV gegeben hat, so die Gesetzesmaterialien,* wurde diese Kollektivvertragsermächtigung mit November 2008 wieder gestrichen. Der Zulassung einer solchen Verkürzung hätte es nicht bedurft, wenn die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist ohnedies (durch KollV) verkürzt hätte werden dürfen. So gesehen spricht diese damalige Regelung gegen die Zulässigkeit von Verfallsklauseln hinsichtlich zwingender AN-Ansprüche, zu denen die Ansprüche auf Entgeltdifferenzierung wegen Diskriminierung zählen. Zumindest hebt die damalige Regelung im GlBG ein allenfalls aus § 11 Abs 2 Z 5 AÜG, insb aber aus § 26 Abs 8 AZG ableitbares Argument der Anerkennung der Zulässigkeit kurzer Verfallsfristen für zwingende AN-Ansprüche, wieder auf.

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Kollektivvertragliche Verfallsfristen

Ausdrücklich ist zu betonen, dass obige Überlegungen zur Unzulässigkeit von Verfallsklauseln betreffend zwingende gesetzliche AN-Ansprüche nicht nur für den Einzelarbeitsvertrag, sondern auch für den KollV gelten. Der KollV kann die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist für solche zwingenden AN-Ansprüche nicht verkürzen. Insoweit in der Literatur* vereinzelt anklingt, es wäre eine solche Verkürzung durch KollV bis auf sechs Monate zulässig, kann dem nicht gefolgt werden. Durch KollV kann in zwingende gesetzliche AN-Ansprüche nicht eingegriffen werden. Dies schlägt auf die Frist für die Geltendmachung solcher Ansprüche durch. Das hat nichts mit einer Negierung der höheren Richtigkeitsgewähr für Kollektivvertragsbestimmungen zu tun, sondern schlicht mit dem Stufenbau der Arbeitsrechtsordnung. Es steht nichts davon im § 2 ArbVG, dass durch KollV in zwingende gesetzliche AN-Ansprüche eingegriffen werden könnte. Diese sind mit § 1486 Z 5 ABGB im Gesetz geregelt, was die Frage ihrer Durchsetzbarkeit, nämlich innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, betrifft.384

Dass die Gewerkschaften Verfallsfristen in Kollektivverträgen zustimmen, hat wohl damit zu tun, dass dann entsprechend der derzeitigen Judikatur wenigstens einzelvertraglich nicht noch kürzere Verfallsfristen wirksam vereinbart werden können.

Sind solche Verfallsklauseln in Einzelarbeitsverträgen unzulässig und unwirksam, dann muss dies zudem auch für den KollV gelten, wenn entsprechend der hM* nur der typische bzw regelmäßig wiederkehrende Inhalt von Arbeitsverträgen zulässiger Inhalt von Kollektivverträgen ist. Unzulässige – und damit unwirksame – Regelungen in den Einzelarbeitsverträgen mögen zwar regelmäßig wiederkehren, sind aber ebenso regelmäßig unwirksam und damit nicht zulässiger Inhalt eines KollV.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob der KollV für kollektivvertragliche Ansprüche eine Verfallsklausel zulässigerweise vorsehen kann. Solche Ansprüche werden ja vom KollV selbst geschaffen, sodass deren zeitliche Beschränkung eben durch den KollV bis zur Sittenwidrigkeitsgrenze für zulässig angesehen werden könnte. Wegen des nach hM* auf typische bzw regelmäßig wiederkehrende Inhalte von Einzelarbeitsverträgen beschränkten zulässigen Inhalts des KollV wird es iSd soeben gemachten Ausführungen darauf ankommen, ob und inwieweit in Einzelarbeitsverträgen Verfallsklauseln hinsichtlich nicht zwingender AN-Ansprüche zulässig sind. Insoweit eine solche Zulässigkeit nicht gegeben ist, wird auch der KollV für die von ihm geschaffenen AN-Ansprüche keine solche Verfallsklausel vorsehen können. Diesbezüglich ist auf die nachstehenden Ausführungen zu verweisen.

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Nicht zwingende Arbeitnehmeransprüche

Bisher findet sich zu nicht zwingenden AN-Ansprüchen lediglich eine gewisse Auseinandersetzung in Rsp und Lehre zur Frage der Verzichtbarkeit. Diese wird ganz überwiegend bejaht.* Da hier, anders als bei zwingenden AN-Ansprüchen, eine nachträgliche Verzichtbarkeit gegeben ist, muss auf den ersten Blick auch – als Minus – im Rahmen eines Größenschlusses eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist möglich sein.

Es wurde aber bereits oben darauf hingewiesen, dass es zu einer Nichtgeltendmachung innerhalb bestimmter Frist leichter kommen kann als zu einem Verzicht des AN. Damit kann aus der nachträglichen Verzichtbarkeit auf nicht zwingende AN-Ansprüche nicht zwingend auf die Zulässigkeit von kurzen Verfallsfristen geschlossen werden.

Es gilt auch zu bedenken, dass der AN seine Leistungen, aus denen sein nicht zwingender Anspruch resultiert, bereits erbracht hat. Im Vertrauen auf den Erhalt des Entgelts dafür erfolgte diese Leistungserbringung. Dieses Vertrauen wird durch den Verlust des Anspruchs wegen Nichtgeltendmachung innerhalb der kurzen Verfallsfrist enttäuscht.

Es besteht keine Vergleichbarkeit zu den Fällen der Zulässigkeit künftiger Änderungen, wie beispielsweise durch Befristung, Widerrufsvorbehalt oder sonstige Gestaltungsrechte des AG. Selbst Widerrufsvorbehalte und Gestaltungsrechte darf der AG freilich nur nach billigem Ermessen ausüben.* Hinsichtlich befristeter Entgeltleistungen und Gestaltungsrechten des AG mit Einfluss auf die Entgelthöhe ist Skepsis angebracht und besteht nur eine eingeschränkte Zulässigkeit.* Bereits erworbene Ansprüche des AN müssen aber einem stärkeren Schutz unterliegen als bloß künftige Änderungen, die zu einer Reduzierung von AN-Ansprüchen führen. So wie bei diesen nur beschränkt zulässigen künftigen Änderungen bedarf es auch beim Anspruchsverlust durch Nichtgeltendmachung innerhalb einer kurzen Verfallsfrist keiner Erklärung und keines aktiven Tuns des AN; vielmehr genügt dessen Passivität. So wie dort ein billiges Ermessen vorliegen muss bzw kein Eingriff in wesentliche Entgeltbestandteile gegeben sein darf,* darf es hier zu keiner unbilligen, wesentlichen Erschwerung der Durchsetzung der Ansprüche des AN kommen.

Eine solche unbillige Erschwernis ist nicht erst bei einer die Sittenwidrigkeitsgrenze erreichenden Reduzierung der Geltendmachungsfrist – nach der Rsp wären dies zwei bis drei Monate – erreicht. Vielmehr ist hier die Grenze jedenfalls bei einer Sechsmonatsfrist zu ziehen. Nur dann ist gewährleistet, dass dem AN einerseits genügend Überlegungsfrist, ob er eine Geltendmachung vornimmt, zur Verfügung steht und andererseits eine ausreichend lange Zeit, die ihm im Falle der Unkenntnis seines Anspruchs eine realistische Möglichkeit einräumt, fristgerecht von dem Anspruch, sei es durch Erkundigung, sei es durch Zufall, zu erfahren.

Auch in diesem Zusammenhang ist wiederum auf die sechsmonatige gesetzliche Verfallsfrist für die Kündigungsentschädigung* zu verweisen. Wenn trotz evident möglicher Beweisschwierigkeiten des AG hinsichtlich des Vorliegens einer berechtigten Entlassung und des bereits erfolgten Endes des Arbeitsverhältnisses und damit reduzierten Drucks auf den AN, diesem eine sechsmonatige Frist zur klagsweisen Geltendmachung zur Verfügung steht, dann ist dies jedenfalls iS einer Untergrenze für die Zulässigkeit von Verfallsklauseln für nicht zwingende AN-Ansprüche verallgemeinerungsfähig.

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Einzelarbeitsverträge als Vertragsformblätter

Gem § 879 Abs 3 ABGB sind Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern, welche nicht die Hauptleistungen regeln und den Vertragspartner gröblich benachteiligen, der diese nicht erstellt hat, ungültig, falls sie nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Als solche Vertragsformblätter385 gelten nicht nur Musterverträge, die vielfach zum Einsatz gelangen, sondern auch im Einzelfall formulierte Verträge.* Damit unterliegen auch Arbeitsverträge der Inhaltskontrolle nach dieser Gesetzesbestimmung. Lange Zeit ist dies völlig unbeachtet geblieben. Bis jetzt gibt es dazu noch keine einzige E des OGH. Offenbar wurde an diesen bisher noch kein Fall herangetragen, in dem sich der Rechtsvertreter des AN auf eine solche gröbliche Benachteiligung berufen hat.

Der Begriff der Hauptleistung in § 879 Abs 3 ABGB wird sehr eng gesehen.* Verfallsklauseln unterliegen diesem Begriff eindeutig nicht, weil sie nicht das Entgelt selbst, sondern nur die Geltendmachung regeln. Hier – und nur hier – besteht diesbezüglich ein rechtlich bedeutsamer Unterschied.* Verfallsklauseln benachteiligen den AN jedenfalls gröblich und sind daher unwirksam.

Eine gröbliche Benachteiligung ist ein Abgehen vom dispositiven Gesetzesrecht, ohne dass dafür eine besondere sachliche Rechtfertigung bestehen würde.* Bei zwingenden AN-Ansprüchen fehlt es von vornherein an jeglicher sachlicher Rechtfertigung. Bedeutung und Schutzbedürftigkeit solcher Ansprüche sind so hoch, dass selbst ein besonderes Interesse des AG an der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten eine solche sachliche Rechtfertigung keinesfalls herbeizuführen vermöchte.

Aber auch für nicht zwingende AN-Ansprüche kann man zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Hier ist iSd obigen Ausführungen anzuführen, dass bereits die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB den Beweisschwierigkeiten des AG Rechnung trägt und eben wegen diesen besteht. Für eine Verkürzung kann es demgemäß keine ausreichende sachliche Rechtfertigung geben. Das Interesse des AG an einer solchen Verkürzung vermag jedenfalls den für den AN verbundenen Nachteil nicht zu überwiegen.

Gem § 879 Abs 3 ABGB schon wegen mangelnder Ausgeglichenheit und damit sachlicher Rechtfertigung unwirksam ist beispielsweise auch eine Verfallsklausel, die nur für AN-Ansprüche und nicht auch für AG-Ansprüche gilt. Es kommt zum Wegfall der Verfallsklausel und nicht etwa zu deren Geltung auch für AG-Ansprüche.

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Ablaufhemmung der Verjährungsfrist

Es könnte sogar ein Schritt weiter zu gehen sein als bis zur „bloßen“ Unzulässigkeit von kurzen Verfallsfristen bei zwingenden AN-Ansprüchen, zur Zulässigkeitsgrenze solcher Fristen bei nicht zwingenden AN-Ansprüchen mit sechs Monaten und zur Unwirksamkeit von Verfallsklauseln für sämtliche AN-Ansprüche, zwingende wie nicht zwingende, bei einer vom AG vorformulierten Verfallsklausel. Überall dort, wo der AG nicht schutzwürdig ist, soll er sich nicht auf den Einwand der Verjährung berufen können. Ob dies unter Rechtsmissbrauch bzw Verstoß gegen Treu und Glauben eingereiht oder dem AN die Einrede der Arglist* eröffnet wird oder ob der im Folgenden aufgezeigte Weg der Ablaufhemmung gewählt wird, macht keinen wesentlichen Unterschied. Der Problematik dieser Sichtweise in ihrer Reichweite bin ich mir de lege lata freilich durchaus bewusst.

Dahinter steht der grundlegende Gedanke, dass die AN in der Regel auf ihr Arbeitsverhältnis angewiesen sind und in dieser, allgemein anzunehmenden Drucksituation davon Abstand nehmen werden, ihr Arbeitsverhältnis durch Einbringung einer Klage gegen ihren AG zu gefährden. Das ist natürlich eine grundsätzliche Problematik für die AN, der sie nicht nur im Zusammenhang mit Geldansprüchen ausgesetzt sind, sondern generell in ihrem Arbeitsverhältnis, zB durch Zuweisung einer vertraglich nicht gedeckten Tätigkeit oder eines vertraglich nicht gedeckten Dienstortes durch den AG. Während sie dort nur der Motivkündigungstatbestand des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG schützen kann, vermag jedoch bei Geldansprüchen ein solcher Schutz durch die Ablaufhemmung der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist erreicht zu werden. Dass in einem Bereich des Arbeitslebens ein vielleicht ausreichender Schutz der AN nicht hergestellt werden kann, darf natürlich nicht dazu führen, diesen einen solchen in einem anderen Bereich, wo er möglich wäre, zu verwehren.

Dabei gilt es, die aus anderen gesetzlichen Verjährungsregeln zu entnehmenden Wertungen zu berücksichtigen und in die Überlegungen einfließen zu lassen. So wird für die Verjährung solcher Rechte, die nur selten ausgeübt werden können, in § 1484 ABGB gefordert, dass während der Verjährungszeit von 30 Jahren von drei Gelegenheiten, ein solches Recht auszuüben, kein Gebrauch gemacht worden ist. § 1495 ABGB sieht zwischen Ehegatten oder eingetragenen Partnern, solange die Ehe oder eingetragene Partnerschaft aufrecht ist, eine Hemmung der Verjährung dahingehend vor, dass diese weder anfangen noch fortgesetzt werden kann. Darunter fallen auch Unterhaltsansprüche, obwohl diese an sich gem § 1480 ABGB in drei Jahren verjähren. Dasselbe gilt gem § 1496 ABGB bei Abwesenheit in Zivil- oder Kriegsdiensten oder gänzlichem Stillstand der Rechtspflege, zB in Pest- oder Kriegszeiten.

Natürlich wird nicht verkannt, dass es sich dabei um spezielle Konstellationen handelt, die mit jenen eines Arbeitsverhältnisses nicht direkt vergleichbar sind. Was aber der Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebracht hat, ist der Grundgedanke, dass die Verjährung nur dann eintreten soll, wenn dem Anspruchsberechtigten die Durchsetzung seines Anspruchs zumutbar ist. Bei Unzumutbarkeit in den im Gesetz genannten Fällen kommt es überhaupt zu keiner Verjährung. Liegt zwar eine solche Unzumutbarkeit nicht vor, aber eine ganz erhebliche Erschwernis bei Durchsetzung der Ansprüche, dann gilt es, die allgemeine386 Verjährungsregel (hier des § 1486 Z 5 ABGB) an diese Situation anzupassen. Dort, wo dieser per se erheblich erschwerten Durchsetzbarkeit keine ausreichende Schutzwürdigkeit des Schuldners, hier also des AG, gegenübersteht, ist die Anwendbarkeit der Verjährung entsprechend einzuschränken.

Ein Gedanke, der im Übrigen bei zwingenden gesetzlichen AN-Ansprüchen ein weiteres gewichtiges Argument dafür bietet, nicht auch noch eine Verschlechterung der verjährungsrechtlichen Situation für den AN durch die Zulassung kurzer Verfallsfristen herbeizuführen.

Bei systematischem Vorgehen des AG, bei bewusster, planmäßiger Nichtzahlung durch den AG, wird kein Zweifel an dem Recht der AN bestehen können, die Einrede der Arglist dem Verjährungseinwand entgegenzuhalten. Entlohnt der AG seine AN in Kenntnis der richtigen Einstufung unterkollektivvertraglich, zahlt er prinzipiell keine Überstunden und gewährt auch keinen Zeitausgleich; leistet er keine Zulagen oder Zuschläge udgl, darf ihn die Verjährung nicht schützen und tut es auch nicht. Dasselbe gilt bei vertraglichen Gestaltungen, die unzulässig sind und die AN um ihre Ansprüche bringen sollen: Arbeitszeitregelungen mit rechtswidrigen Durchrechnungszeiträumen, willkürliche Widerrufbarkeit von Entgeltzusagen und Leistungen, Abschluss freier Dienstverträge oder Werkverträge bei eindeutigem Vorliegen von Arbeitsverhältnissen – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Aber auch ganz allgemein dann, wenn der AG den Anspruch des AN (als berechtigt) kennt und dennoch keine Zahlung leistet, fehlt es an jeder verjährungsrechtlichen Schutzwürdigkeit des AG. Schon das grob fahrlässige Nichtkennen des Anspruchs* durch den AG wird dafür ausreichen, jedenfalls wenn es sich nicht um regelmäßige rückständige Leistungen handelt, vor deren Anhäufung man den AG schützen möchte. Für solche Leistungen wäre die unrichtige kollektivvertragliche Einstufung bzw die unrichtige Anrechnung von Vordienstzeiten bei einer solchen ein gutes Beispiel. Der AG, der darum weiß, ist nicht schutzbedürftig und soll sich nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist berufen können. Der AG, der dies nicht gewusst hat, dem aber hinsichtlich des Nichtwissens grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, könnte insoweit zur Hintanhaltung von zu hohen Rückständen vielleicht als schutzwürdig angesehen werden.* Überall dort, wo es nur um einzelne Ansprüche, zB auf die Prämie für die Leistungen innerhalb eines bestimmten Jahres, geht, sollte sich aber jedenfalls auch der grob fahrlässig nichtwissende AG nicht auf die Verjährung berufen können dürfen.

Es bietet sich in diesen Fällen die Ablaufhemmung* der Verjährungsfrist bis eine gewisse Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Mit Wegfall der Drucksituation fällt die große Erschwernis der Geltendmachung des Anspruchs durch den AN als tragender Grund für die Nichtverjährung seines Anspruchs weg. Das mangelnde Schutzbedürfnis des AG bleibt erhalten, tritt demgegenüber aber in den Hintergrund. Man wird die Ablaufhemmung sechs Monate nach Ende des Arbeitsverhältnisses enden lassen können,* um einen fixen Zeitpunkt zur Verfügung zu haben. Die Verfallsfrist für die Kündigungsentschädigung ist insoweit analogiefähig, als es sich um die gesetzlich kürzeste Frist nach beendetem Arbeitsverhältnis handelt.*

Das systematisch rechtswidrige Vorgehen, das Wissen bzw Wissenmüssen des AG vom Anspruch des AN, hat der AN unter Beweis zu stellen. Daraus sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass dem AN eine solche Ablaufhemmung im Ergebnis nichts bringen wird: Nur allzu oft weiß der AG nachweislich vom Bestehen der AN-Ansprüche, zahlt diese aber einfach nicht.

Was im Schadenersatzrecht gem § 1489 ABGB möglich und notwendig ist, nämlich dass bei Erhebung des Verjährungseinwandes durch den Schädiger dieser dem Geschädigten dessen Kenntnis oder Kennenmüssen von Schaden und Schädiger nachweist, muss auch hier möglich sein: Ein Beweisverfahren über Kennen bzw Kennenmüssen des AN-Anspruchs durch den AG. Die Nachforschungsobliegenheit des AG, zB hinsichtlich Überstundenleistungen, wird freilich nicht überspannt werden dürfen.

All dies wird auch für den Fall einer zulässigerweise vereinbarten Verfallsfrist zu gelten haben.

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Kein Umweg über den Schadenersatz

Die AN könnten versucht sein, der schon mit Fälligkeit beginnenden gesetzlichen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB dadurch zu entgehen, dass sie ihre Ansprüche auf Entgelt oder Auslagenersatz auf den Titel des Schadenersatzes stützen. Die gleich lange dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt ja erst mit Kennen bzw Kennenmüssen von Schaden und Schädiger zu laufen, also erst dann, wenn der AN von seinem Schaden weiß bzw wissen muss.

Tatsächlich war ein AN beim OGH* mit Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs erfolgreich. Allerdings handelte es sich insoweit um einen unge387wöhnlichen Fall, als die Stadt als AG ihre Mitarbeiter in einem seitenweisen Informationsschreiben über die neuen Regelungen betreffend Fahrtkostenvergütungen informiert hatte, nicht aber auch darüber, dass diese Vergütungen auf eine bestimmte Art und Weise beantragt werden müssen. Der OGH hat daher ausnahmsweise in diesem Fall entschieden, dass die Stadt ihre Mitarbeiter durch diese unterlassene vollständige Information geschädigt hat und diesen ein Schadenersatzanspruch zusteht, für den die dreijährige Verjährungsfrist erst mit Kennen bzw Kennenmüssen – und nicht schon mit Fälligkeit der Fahrtkostenvergütung – zu laufen begonnen hat.

ME wäre die richtige Lösung über die Einrede des AN wegen Rechtsmissbrauchs bzw Arglist durch den AG gegen den Verjährungseinwand des AG bei Geltendmachung eines Entgeltanspruchs gegangen. Der Schaden hat ja „nur“ in der Verjährung des Anspruchs bestanden. Gerade dagegen gibt es diese Einrede des AN. Insoweit hätte der AN seinen Anspruch auf Entgelt stützen müssen.

Der Versuch eines weiteren AN, ohne eine solche gravierende Fehlinformation durch den AG seinen Entgeltanspruch auf nicht verjährten Schadenersatz bei bereits eingetretener Verjährung für den Entgeltanspruch zu stützen, ist hingegen richtigerweise fehlgeschlagen. Der Schadenersatzklage des AN wurde vom OGH* keine Folge gegeben.

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Unionsrechtliche Ansprüche und kollektivvertragliche Verfallsfrist

Das Recht der EU steht Verjährungs- und Verfallsbestimmungen in den EU-Staaten nicht grundsätzlich entgegen. Es gelten allerdings einerseits der Äquivalenzgrundsatz und andererseits der Effektivitätsgrundsatz. Unter dem Äquivalenzgrundsatz wird verstanden, dass nationale Regelungen in Bezug auf Unionsrechte nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen. Mit dem Effektivitätsgrundsatz ist gemeint, dass die Ausübung der Unionsrechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf. Der EuGH sieht dabei Verjährungs- und Verfallsregelungen nicht als Frage des materiellen Rechts an, sondern als eine „Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren“.*

Nach der Rsp des EuGH* verstoßen Verjährungsfristen von drei und zwei Jahren nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz. Es werden dadurch die Rechte der AN weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert. Davon ist der EuGH* auch bei einer bloß sechsmonatigen Ausschlussfrist ausgegangen, die allerdings erst mit Ende der Arbeitsverhältnisse zu laufen begonnen hat.

Für die Frage der Einhaltung des Äquivalenzgrundsatzes kommt es sohin darauf an, ob nach dem österreichischen Arbeitsrecht die Ansprüche der AN einer Verfallsklausel unterliegen können oder nicht. Insoweit dies nicht zulässig ist, besteht eine solche Zulässigkeit auch bei unionsrechtlichen Ansprüchen nicht. Ansonsten würden diese ja weniger günstig gestaltet sein als Ansprüche, die ihre Grundlage rein im österreichischen Arbeitsrecht haben. Eben dies schließt aber der Äquivalenzgrundsatz aus.

Demgemäß kommt der Frage der Zulässigkeit von Verfallsklauseln mittelbar auch für unionsrechtliche Ansprüche Bedeutung zu. Insoweit solche Klauseln für auf österreichischem Recht beruhende Ansprüche unzulässig sind, sind sie es auch für Ansprüche, die sich aus dem EU-Recht ergeben.

In der Literatur* wurden Verfallsfristen eines KollV als für unionsrechtliche Ansprüche nicht anwendbar angesehen. Dies deshalb, weil es sich dabei um keine allgemeinen nationalen Vorschriften handelt, diese sohin den nationalen Verjährungsbestimmungen nicht äquivalent sind. Es geht bei diesen auch – anders als bei den gesetzlichen Verjährungsbestimmungen – iSd Judikatur des EuGH wohl nicht um die Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren. Dies schon deshalb nicht, weil es bei dem Verfall nicht, wie bei der Verjährung, um eine bloße Beschränkung der Klagbarkeit des Anspruchs geht, sondern um dessen (materielles) Erlöschen.

Kurze kollektivvertragliche Verfallsfristen in der Dauer von zB sechs Monaten, die bereits mit Fälligkeit der Ansprüche zu laufen beginnen, würden zudem wohl auch nach der Judikatur des EuGH* eine übermäßige Erschwerung der Rechte iSd Effektivitätsgrundsatzes bedeuten.

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Ergebnisse

1. Das Erkennen der Problematik von Verfallsklauseln für die AN und der Versuch der Entschärfung in Einzelfällen durch den OGH ist anzuerkennen. Einzelnen Entscheidungen kann dennoch nicht gefolgt werden.

2. Aus der Unabdingbarkeit und damit Unverzichtbarkeit zwingender gesetzlicher AN-Ansprüche resultiert die Unwirksamkeit von kollektivvertraglichen und einzelvertraglichen Verfallsklauseln für solche Ansprüche, auch wenn diese eine außergerichtliche Geltendmachung genügen lassen.

3. Für nicht zwingende AN-Ansprüche gilt eine Untergrenze der Dauer der Verfallsfrist von zumindest sechs Monaten.

4. Wird die Verfallsklausel nicht im Einzelnen ausgehandelt, ist diese gem § 879 Abs 3 ABGB in Arbeitsverträgen sowohl für zwingende als auch für nicht zwingende AN-Ansprüche sittenwidrig und damit unwirksam.

5. Kollektivverträge können für kollektivvertragliche Ansprüche nur insoweit einen Verfall vorsehen, als dies auch durch Einzelarbeitsvertrag für nicht zwingende AN-Ansprüche zulässig ist, also nicht kürzer als sechs Monate.

6. Zu erwägen ist sogar eine Ablaufhemmung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB für388 zwingende Ansprüche des AN und einer vereinbarten kürzeren Verfallsfrist für nicht zwingende Ansprüche, die dem AG bekannt sind, jedenfalls bei nicht regelmäßig wiederkehrenden Ansprüchen auch für solche, die dem AG nur bekannt sein müssen (grobe Fahrlässigkeit). Insoweit besteht keine Schutzwürdigkeit des AG. Dies könnte zu einer Ablaufhemmung bis sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

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De lege ferenda

Ausgehend von den bisherigen Ausführungen bedarf es mit einer wesentlichen Ausnahme gar keiner Gesetzesänderung. Insoweit diese jedoch nicht geteilt werden oder sich nicht durchsetzen sollten, bleibt entsprechender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Es wird nicht überraschen, wenn ich mir eine Klarstellung des Gesetzgebers wünsche, dass eine Verkürzung der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB für zwingende AN-Ansprüche, gleichgültig in welcher Form und wie stark, unzulässig ist. Weiters möge der Gesetzgeber für nicht zwingende AN-Ansprüche, wenn schon nicht dieselbe Unzulässigkeit wie bei zwingenden AN-Ansprüchen, dann zumindest eine Untergrenze von sechs Monaten für die Zulässigkeit festlegen.

Dem AG bekannte Ansprüche sollten keinesfalls während aufrechten Arbeitsverhältnisses verjähren bzw verfallen können. Vielmehr sollte eine entsprechende Ablaufhemmung bis sechs Monate nach Ende des Arbeitsverhältnisses eintreten. Es sollte aber auch die Frist erst mit Kenntnis des AN von seinen Ansprüchen zu laufen beginnen und nicht schon mit der Fälligkeit. Dem AN unbekannte Ansprüche sollte er nicht durch Verjährung oder Verfall verlieren. Beides müsste auch schon beim bloßen Kennenmüssen (grobe Fahrlässigkeit) gelten.

Die mit Verjährung bzw Verfall eintretende Rechtssicherheit darf nicht dazu führen, dass AN ihre berechtigten Ansprüche nicht mehr klageweise durchsetzen können. Verjährung und Verfall haben keinen Selbstzweck, sondern sind bloß Mittel zum Zweck. Im Arbeitsrecht sollte die „verdunkelnde Macht der Zeit“ so weit wie möglich zurückgedrängt werden. Ungeachtet dessen kann de lege ferenda durchaus an die Einführung einer absoluten Verjährungsfrist gedacht werden, welche eine solche Rechtssicherheit unabhängig vom Beginn des Fristenlaufs und dessen Ende durch Ablaufhemmung schafft. Ein solcher zeitlicher Schlusspunkt könnte beispielsweise zehn Jahre nach Fälligkeit des Anspruchs gesetzt werden. Damit würde auch das wirtschaftliche Risiko des AG bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen begrenzt.