39Berechnung der Ansprüche aus einem zu Unrecht als „Freier Dienstvertrag“ bezeichneten Arbeitsvertrag
Berechnung der Ansprüche aus einem zu Unrecht als „Freier Dienstvertrag“ bezeichneten Arbeitsvertrag
Den Parteien des Arbeitsvertrags steht es frei, durch eine über dem Mindestansatz des KollV liegende Entgeltvereinbarung eine Abgeltung von Sonderzahlungen durch erhöhtes laufendes Entgelt vorzusehen. Erhält ein/e AN auf Basis eines rechtswidrigen „freien Dienstvertrags“ Honorare, ist daher bei der Prüfung ob noch Sonderzahlungen zustehen, das gesamte bezogene „Honorareinkommen“ in Anschlag zu bringen.
Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubs- oder Feiertagsentgelt mit einem erhöhten laufenden Entgelt abgegolten werden soll, ist hingegen unwirksam. Das Urlaubs- bzw Feiertagsentgelt und die Urlaubsersatzleistung sind daher ohne Anrechnung der erhaltenen Honorare, auf Basis des im „freien Dienstvertrag“ vereinbarten Stunden-„ Honorars“ zu bemessen.
Aus einer überkollektivvertraglichen Entlohnung allein kann noch nicht auf die Vereinbarung einer Überstundenpauschale geschlossen werden. Auch für den Anspruch auf Überstundenzuschläge ist der im Rahmen des „freien Dienstvertrags“ vereinbarte Stundensatz heranzuziehen.
Wurde die vereinbarte Abgeltung für mit dem Privat-KFZ gefahrene Kilometer bezahlt, besteht (wenn im maßgeblichen KollV keine Regelung exis tiert) im Hinblick auf den abdingbaren Charakter des § 1014 ABGB kein Anspruch auf ein „amtliches“ Kilometergeld.
Die Bekl führt ein Speiselokal und betreibt auch einen Speisezustelldienst. Der Kl war zunächst vom 1.11.2003 bis 30.4.2005 (in diesem Zeitraum geringfügig beschäftigt) und vom 1.5.2005 bis 28.2.2006 AN der Bekl und war für diese als Pizzazusteller tätig.
Um den 1.3.2006 herum legte die Bekl dem Kl einen als freien Dienstvertrag bezeichneten und ausgestalteten Vertrag zur Unterschrift vor. Die Bekl hatte immer wieder Probleme, an bestimmten Tagen Mitarbeiter zu finden und verlangte vom Kl – damit er angemeldet werde –, dass er jeweils am Freitag, Samstag und Sonntag einer Arbeitswoche arbeiten solle. Weiters solle der Kl einen Abenddienst seiner Wahl übernehmen. Als sich der Kl weigerte, den freien Dienstvertrag zu unterfertigen, gab sie ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er, wenn er den Vertrag nicht unterfertige, aus dem Unternehmen ausscheiden müsse. Der Kl war zum damaligen Zeitpunkt wirtschaftlich vom Dienstverhältnis zur Bekl abhängig. Er unterfertigte daher den freien Dienstvertrag, der einen Stundenlohn von 7 € und zur Abgeltung der Risikohaftung einen Ersatz von 0,044 € pro gefahrenem Kilometer vorsah. Unstrittig erhielt der Kl „ab einem bestimmten Zeitpunkt“ für Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen einen Stundenlohn von 7,50 €. Er war vom 1.3.2006 bis zu seinem Ausscheiden am 30.6.2009 als freier DN gem § 4 Abs 4 ASVG im Unternehmen der Bekl gemeldet. [...]
Der Kl erhielt von der Bekl keine monatlichen Lohnabrechnungen, sondern einmal im Jahr einen „Jahreslohnzettel“. Der Kl rechnete seine Leistungen täglich eigenhändig derart ab, dass er die gesamte Dienstzeit in Stunden anführte und mit dem Stundenlohn von 7 € multiplizierte. Dazu verzeichnete er die gefahrenen Kilometer und den sich daraus ergebenden Kilometergeldbetrag. Als Abzugsposten akzeptierte die Bekl die Einkäufe, die Fahrer während ihrer Tätigkeit für die Bekl zu erledigen hatten, sowie erhaltene Essensgutscheine. Der Kl erhielt den Stundenlohn und das vereinbarte Kilometergeld ausgezahlt und bestätigte den Erhalt der jeweiligen Beträge. [...]
Der Kl begehrt nach Klageeinschränkung die Zahlung von 13.618,43 € netto zuzüglich 9.605,26 € brutto. Das Vertragsverhältnis zur Bekl sei kein freier Dienstvertrag, sondern ein echter Arbeitsvertrag gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis sei der KollV für die Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (in weiterer Folge: KollV) anzuwenden. [...]
Die Bekl wandte dagegen zusammengefasst ein, dass kein echter Arbeitsvertrag vorgelegen sei und der Kl sämtliche ihm aus dem freien Dienstvertrag zustehenden Ansprüche erhalten habe. Selbst wenn man vom Vorliegen eines Arbeitsvertrags ausginge, könnte der Kl nicht jahrelang die Vorzüge eines freien DN genießen und nunmehr Ansprüche aus einem echten Arbeitsvertrag geltend machen. Die vom Kl geltend gemachten Überstundenzuschläge seien darüber hinaus entsprechend dem Dienstvertrag sowie gem Pkt 5b KollV verfallen; sie seien auch der Höhe nach unrichtig berechnet.
Das Erstgericht [...] gelangte zu dem Ergebnis, dass das Vertragsverhältnis der Streitteile als echter Arbeitsvertrag anzusehen sei. Die auf dem anzuwendenden KollV beruhenden Ansprüche an Jahresremunerationen, Überstundenzuschläge und Feiertagsentgelte seien dem Kl daher mit Ausnahme der gem § 1486 Z 5 ABGB verjährten Entgeltansprüche für August 2006 zuzuerkennen. Auf die Verfallsbestimmung des KollV könne sich die Bekl nicht berufen, weil sie selbst beharrlich gegen ihre Verpflichtungen aus dem KollV verstoßen habe, indem sie dem Kl keine monatlichen Lohnabrechnungen, sondern lediglich einen Jahreslohnzettel ausgehändigt habe. Da der Kl keinen Urlaub verbraucht habe, gebühre ihm auch die geltend gemachte Urlaubsersatzleistung.
Das Berufungsgericht gab der von der Bekl gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass das Beschäftigungsverhältnis des Kl kein freier Dienstvertrag, sondern ein echter Arbeitsvertrag gewesen sei. Der Kl sei in die betriebliche Organisation der Bekl eingebunden und persönlich abhängig gewesen. Er sei der funktionellen Autorität der Bekl als AG unterlegen. Die vom Kl geltend gemachten Überstundenzuschläge seien nicht verfallen. Der Kl habe seine Arbeitsleistun393gen täglich abgerechnet und darin die Dienstzeit in Stunden angeführt. Er habe damit die Bekl uneingeschränkt in die Lage versetzt, seinen Anspruch an Überstundenentgelt zu berechnen und zu erfüllen. Überstunden seien ua dann zu entlohnen, wenn – wie hier – der AG Arbeitsleistungen entgegen genommen habe, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden konnten. Nach dem maßgebenden Empfängerhorizont eines redlichen AG seien die vom Kl begehrten Überstunden hier Monat für Monat hinreichend geltend gemacht worden. Ausgehend davon seien die Ansprüche des Kl dem Grunde nach berechtigt. [...]
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kl beantwortete Revision der Bekl.
Die Revision ist entgegen der den OGH nicht bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts zulässig, sie ist iSd hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum Vertragsverhältnis der Parteien: [...]
2. Zum Verfallseinwand:
2.1. Die Revisionswerberin beruft sich im Revisionsverfahren nur mehr auf den ihres Erachtens gem Pkt 5b KollV eingetretenen Verfall der Ansprüche des Kl auf Zahlung von Überstundenentgelten. Nach dieser Bestimmung verfallen – soweit hier von Interesse – Ansprüche auf Überstundenentgelte, wenn sie nicht innerhalb von vier Monaten nach Durchführung der Lohnabrechnung über deren Leistung durch den AN schriftlich geltend gemacht werden. Bereits das Erstgericht hat allerdings dazu zutreffend ausgeführt, dass der Kl keine iSd Rsp ordnungsgemäße Lohnabrechnung (vgl RIS-Justiz RS0029299) erhalten hat, sondern lediglich einmal jährlich einen „Jahreslohnzettel“. Eine Bestimmung, die wie Pkt 5b KollV den Beginn des Laufs der Verfallsfrist an die ordnungsgemäße Lohnabrechnung knüpft, verfolgt den Zweck, dass dem AN durch die Ausfolgung dieser Lohnabrechnung Klarheit darüber verschafft werden soll, welche Leistungen der AG berücksichtigt hat (RIS-Justiz RS0064548). Ausgehend davon hat aber bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass die Berufung der Bekl auf die Verfallsklausel hier gegen Treu und Glauben verstößt, weil sie selbst ihrer kollektivvertraglichen Verpflichtung zur monatlichen Lohnabrechnung nicht nachgekommen ist (RIS-Justiz RS0034487). Einer Auseinandersetzung mit den zur Verneinung des Verfalls angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts und den dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Einwänden bedarf es daher nicht.
2.2. Die in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Nach den allgemeinen Beweislastregeln trifft die Behauptungs- und Beweislast für den anspruchsvernichtenden Einwand des Verfalls der geltend gemachten Ansprüche auf Überstundenzuschläge die Bekl (RIS-Justiz RS0109287). Dieser Beweis ist ihr hier nicht gelungen.
3. Zur Höhe der Ansprüche:
3.1. Der Kl berechnet die von ihm geltend gemachten Ansprüche – mit Ausnahme des Anspruchs auf Zahlung von Jahresremunerationen – auf Grundlage des vereinbarten Entgelts. Die Bekl hat im Verfahren dazu den Standpunkt vertreten, dass der mit dem Kl geschlossene Vertrag ein freier Dienstvertrag sei und dass der Kl einen weit überkollektivvertraglichen Lohn erhalten habe. Der Kl könne nicht die Vorzüge des freien Dienstverhältnisses für sich in Anspruch nehmen, im Nachhinein jedoch Ansprüche als AN geltend machen. Die durch den KollV normierten Entgeltbestandteile seien nicht isoliert, sondern als Gesamtheit zu betrachten, deren Summe durch den Einzelvertrag nicht unterschritten werden dürfe.
Dieser Standpunkt ist teilweise berechtigt.
Es entspricht der stRsp des OGH, dass es den Parteien des Arbeitsvertrags frei steht, durch eine über dem Mindestansatz des KollV liegende Entgeltvereinbarung eine Abgeltung von Sonderzahlungen vorzusehen (8 ObA 20/04f mwH). Erhielt daher der AN auf der Basis eines „freien Dienstvertrags“ „Honorare“ und wird – wie hier – festgestellt, dass er in Wahrheit kraft der Art und Gestaltung seiner Verwendung in einem echten Arbeitsverhältnis gestanden ist, das einem bestimmten KollV unterliegt, dann muss bei der Prüfung der Frage, ob er aufgrund dieses KollV noch offene Ansprüche gegen seinen AG auf Sonderzahlungen hat, das gesamte von ihm bezogene „Honorareinkommen“ in Anschlag gebracht werden (RIS-Justiz RS0028906, zuletzt 8 ObA 20/04f, 9 ObA 150/08m mwH).
Anders sind allerdings die weiteren vom Kl geltend gemachten Ansprüche zu beurteilen:
Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die zwingenden Regelungen über das Urlaubsentgelt sicherstellen sollen, dass der AN den ihm zustehenden Urlaub auch tatsächlich konsumiert. Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt abgegolten werden soll, ist unwirksam (RIS-Justiz RS0077538). Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass die Geltendmachung von Ansprüchen auf Urlaubsersatzleistung im Hinblick auf diese klare Zielsetzung des Gesetzgebers nicht einmal dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, wenn sie mit dem früheren Verhalten eines AN im Widerspruch steht (8 ObA 20/04f). Der Rechtsansicht der Revisionswerberin, dass sich der Kl eine allfällige überkollektivvertragliche Entlohnung auch auf den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung anrechnen lassen müsste, kommt daher keine Berechtigung zu. Der Berechnung dieses Anspruchs ist daher die von den Parteien getroffene Entgeltabrede zugrunde zu legen.
Auf die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angesprochene Möglichkeit einer Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil – wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat – ein entsprechender Einwand gar nicht erhoben wurde.
Mit der (relativ zwingenden) Verpflichtung zur Zahlung von Überstundenzuschlägen verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die damit verbundene Mehrbelastung des AN abzugelten und die Kosten der Arbeit zu erhöhen, damit die AG veranlasst werden sollen, von Überstundenarbeit nur in begründeten Fällen Gebrauch zu machen (Felten in
4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich für die einzelnen vom Kl geltend gemachten Ansprüche Folgendes:
4.1. Zu den Jahresremunerationen:
Zur Beurteilung dieser Ansprüche ist es zunächst erforderlich, die dem Kl entsprechend seiner Einstufung als AN zustehenden kollektivvertraglichen Mindestlohnansprüche für die im Verfahren geltend gemachten Entgeltzeiträume zu ermitteln. Bereits an dieser Stelle ist zur Klarstellung festzuhalten, dass – wie das Berufungsgericht, von der Revisionswerberin nicht bestritten, ausgeführt hat – der Kl als Festlöhner (und nicht als Garantielöhner, vgl Pkt 8b, 8c KollV; RIS-Justiz RS0064854) iSd KollV anzusehen ist. Den so ermittelten Ansprüchen des Kl sind die von ihm tatsächlich bezogenen Honorare gegenüberzustellen. Soweit der Kl in der Revisionsbeantwortung die Einbeziehung eines „amtlichen“ Kilometergeldes fordert, ist ihm nicht zu folgen. Die vertraglich vereinbarte Abgeltung pro gefahrenem Kilometer hat er erhalten; auf welcher rechtlichen Grundlage ihm im Hinblick auf die dispositive Natur des § 1014 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0019505) ein „amtliches“ Kilometergeld zustehen soll, zeigt er nicht auf.
Erst infolge der Gegenüberstellung der dem Kl aus dem KollV gebührenden Mindestansprüche mit den ihm tatsächlich gezahlten Honoraren kann nach der dargestellten Rsp beurteilt werden, ob dem Kl ungeachtet der ihm bezahlten Honorare noch ein Anspruch auf Jahresremunerationen nach dem KollV zusteht.
4.2. Zur Urlaubsersatzleistung:
Dieser Anspruch ist aus den bereits dargelegten Gründen auf Grundlage des vertraglich vereinbarten Stundensatzes zu bemessen. Zur Berechnungsgrundlage für das diesem Anspruch zugrunde liegende Urlaubsentgelt hat das Berufungsgericht zutreffend auf Pkt 13d KollV hingewiesen und ausgeführt, dass nach dieser Bestimmung Sonderzahlungen nicht in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen sind. Seiner Rechtsansicht, dass dem Kl Urlaubsersatzleistung für einen Urlaubsanspruch von 80 Werktagen zusteht, tritt die Bekl in der Revision nicht mehr entgegen, sodass davon im weiteren Verfahren auszugehen sein wird.
Allerdings weist die Revisionswerberin zutreffend darauf hin, dass das Berufungsgericht – was vom Kl in der Revisionsbeantwortung auch zugestanden wird – bei der Berechnung der Urlaubsersatzleistung zu Unrecht von 2.613,75 vom Kl geleisteten Normalarbeitsstunden (zuzüglich 551,75 Überstunden und 145,75 Feiertagsstunden) ausgeht. Tatsächlich ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Kl insgesamt 2.613,75 Arbeitsstunden geleistet hat, in denen daher die genannten 551,75 Überstunden und 145,75 Feiertagsstunden enthalten sind, weshalb zur Berechnung der Urlaubsersatzleistung nicht von 2.613,75, sondern richtig von 1.916,25 Normalarbeitszeitstunden auszugehen ist. Ob und in welchem Ausmaß sich dieser Umstand auf die Berechnung der Höhe der Urlaubsersatzleistung auswirkt, wird daher ebenfalls im fortzusetzenden Verfahren zu erörtern sein
4.3. Überstundenzuschläge und Feiertagsentgelte: Ausgehend von den bereits dargelegten Gründen ist auch für die Berechnung dieser Ansprüche (vgl dazu Pkt 5e und 15 KollV) der vertraglich vereinbarte Stundensatz heranzuziehen. Nach dem übereinstimmenden beiderseitigen Vorbringen erhielt der Kl jedoch – zumindest ab einem bestimmten, jedoch nicht festgestellten Zeitpunkt nach Beginn des Arbeitsverhältnisses – für an Sonn- und Feiertagen geleistete Arbeitsstunden einen Grundlohn von 7,50 € anstelle der sonst vereinbarten 7 €. Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob und in welchem Ausmaß der Kl daher Zahlungen erhalten hat, die allenfalls – wie von der Bekl behauptet im Ausmaß von 0,50 € pro Stunde – auf seine Ansprüche aus diesem Titel anzurechnen wären. Auch dieser Anspruch erweist sich daher als noch nicht entscheidungsreif.
Die Rechtssache war aus all diesen Gründen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen E an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die E markiert einen endgültigen Wendepunkt in der Rsp zu den arbeitsrechtlichen Folgen von Schein-Selbständigkeit: Hatte der OGH bisher, ausgehend von den ORF-Entscheidungen der 80er-Jahre, im Wesentlichen eine Art Generalvergleich zwischen den bezogenen „Honoraren“ und den in einem vergleichbaren Arbeitsverhältnis bezahlten Entgelten angestellt, so geht er nunmehr für die Berechnung aller auf der Geltung des Arbeitsrechts fußenden (Nachzahlungs-)Ansprüche von der tatsächlich vereinbarten Entgelthöhe aus; eine „Umwidmung“ von Teilen der bezahlten „Honorare“ ist (ausgenommen Sonderzahlungen) unzulässig. Dies wird einerseits vertragsrechtlich begründet, andererseits hinsichtlich der Überstundenabrechnung sowie des Urlaubsanspruches (Urlaubsersatzleistung) mit dem Normzweck der jeweils zugrunde liegenden, zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmung (§ 10 AZG, §§ 6, 10 UrlG). Tatsächlich war diese Sichtweite auch in den älteren Entscheidungen durchaus angelegt, wie unten bei der Analyse, welches Entgelt in derartigen Fällen als vereinbart gilt (Pkt 2), näher dargestellt wird. Das Höchstgericht hat diese, mE nur leicht veränderte Sicht inzwischen in zwei weiteren Entscheidungen, zT mit näherer Auseinandersetzung395 insb mit den Erwägungen Kietaibls (JBl 2004, 626; wbl 2006, 207) fortgeführt (OGH9 ObA 51/12hEvBl 2013/36 und OGH8 ObA 33/12dARD 6336/3/2013). Die Rsp ist daher als gefestigt anzusehen. Diese zwei weiteren Entscheidungen werden in die folgende Kommentierung einbezogen.
Die neue Rechtsprechungslinie ist auf „doppelte“ Kritik gestoßen: Grillberger (wbl 2012/221) kritisiert, dass dem Anspruch auf Sonderzahlungen nicht gleichfalls die festgestellte Entgeltvereinbarung zugrunde gelegt wurde; eine Vereinbarung, dass mit dem vereinbarten Stundensatz auch die Sonderzahlungen abgegolten sein sollten, sei nicht getroffen worden. Dass ein AG, der in so offenkundiger Weise die zwingenden Regeln des Arbeitsrechts (und Sozialversicherungsrechts) missachte, aus diesem Verhalten auch noch Vorteile ziehe, bewirke im Ergebnis, dass die Missachtung der Rechtsordnung auch noch belohnt werde. Wie ich bei der Erörterung des Anspruchs auf Sonderzahlungen (Pkt 5) näher ausführen möchte, scheinen mir diese Überlegungen auch aus anderen Gründen durchaus gerechtfertigt.
Exakt das Gegenteil vertritt Tomandl (Entgeltansprüche bei vermeintlich Selbständigen, ZAS 2013/26): Er meint, dass auch der Anspruch auf Urlaubsentgelt, Feiertagsentgelt und auch die Abfertigung „alt“ durch höhere laufende Leistungen ersetzt werden könnten. Die dafür angeführten Argumente, im Kern die Privatautonomie und das „Ansparen können“, verkennen allerdings mE nicht nur die Zielsetzungen der einschlägigen Normen, sondern des Arbeitsrechts an sich. Dennoch möchte ich mich auch kurz mit dem Anspruch auf Urlaubs- und Feiertagsentgelt (Pkt 3) und der Abrechnung geleisteter Überstunden, insb dem Einwand der pauschalen Abgeltung (Pkt 4), befassen und abschließend den Anspruch auf „amtliches“ Kilometergeld (Pkt 6) und den Verfallseinwand (Pkt 7) erörtern.
2.1. In den frühen (ORF-)Fällen der 80er-Jahre (beginnend mit OGH4 Ob 104/80Arb 9972) bestand stets das Problem, dass für zu erbringende (journalistische) Leistungen ein bestimmter Betrag als „Honorar“ vereinbart worden war, ohne dass der erforderliche zeitliche Aufwand für diese Tätigkeiten festgestanden hätte. Nicht nur der von Grillberger (wbl 2012/221) hervorgehobene Gedanke der Entgeltgleichheit mit fix angestellten MitarbeiterInnen scheint mir der entscheidende Unterschied zu den nun entschiedenen Fällen zu sein, sondern vor allem der Umstand, dass seinerzeit keinerlei Zeitlohn, aber auch kein im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – aus damaliger Sicht – nutzbarer Leistungslohn vereinbart war. In allen drei aktuellen Entscheidungen war hingegen ein Stunden„honorar“ entweder ausdrücklich vereinbart oder tatsächlich der Abrechnung zugrunde gelegt worden.
Der OGH hat schon in der E 4 Ob 119/84 (REDOK 9339) hervorgehoben, ein nach dem jeweiligen Arbeitserfolg (dort: Sendeminuten) bemessenes Entgelt könne nicht ohne weiteres dem, für das Arbeitsverhältnis charakteristischen, Zeitlohn zugrunde gelegt werden. Aus heutiger Sicht erscheint dieses Problem der Auslegung einer Entgeltvereinbarung, die (unzulässig) ohne Festlegung eines bestimmten Beschäftigungsausmaßes getroffen wurde („Arbeit auf Abruf“), durchaus lösbar: Die „Peek und Cloppenburg“-E (OGH8 ObA 116/04ySZ 2004/189) weist den Weg. Auch seinerzeit hat der OGH aber mangels einer verwertbaren Entgeltvereinbarung nicht einfach kollektivvertragliche Mindestansprüche herangezogen, sondern durchaus zutreffend die vom selben Bekl (ORF) für die korrekt mit Arbeitsverträgen beschäftigten, vergleichbaren AN bezahlten Bezüge. Nur diese Bezugshöhe könnte das Ergebnis ergänzender Vertragsauslegung sein.
Aber braucht es diese überhaupt? Wenn in Wahrheit ein Arbeitsvertrag vorliegt und ein bestimmter/bestimmtes oder bestimmbarer/bestimmtes Lohn/Gehalt vereinbart wurde, ist diese Vereinbarung in keiner Weise ergänzungsbedürftig. In allen drei nun entschiedenen Fällen wurde ein Zeitlohn ausdrücklich oder konkludent vereinbart; der OGH hatte keinerlei Anlass, diese Vereinbarung zu ergänzen. Nicht die Entgeltabrede war mangelhaft, sondern der gewählte Vertragstyp.
2.2. Muss diese Entgeltvereinbarung korrigiert werden, weil nun der AG mit auf dem Arbeitsrecht fußenden Ansprüchen konfrontiert ist, mit denen er nicht gerechnet hat – wie dies Kietaibl (JBl 2004, 626; wbl 2006, 207) für bestimmte Fälle vertritt? Würde ein AG – sicherlich rein irrtümlich – im Rahmen eines Arbeitsvertrages den Urlaubsanspruch, den Anspruch auf Abfertigung, auf Überstundenzuschläge usw ausdrücklich vertraglich ausschließen, aber ein laufendes Entgelt zahlen, das über dem Mindestlohn/Gehalt des einschlägigen KollV liegt: Würden wir ernsthaft überlegen, ob der vereinbarte Lohn ausgleichend gekürzt werden muss, weil die rechtswidrigen Klauseln „nicht halten“? Nichts anderes ist aber im Anlassfall geschehen – denn es hat ja von Anfang an ein Arbeitsvertrag vorgelegen! Der Vertragstyp wurde (offenbar sehr bewusst) falsch bezeichnet, um in „eleganterer“ Weise exakt die gerade erwähnten Regelungsinhalte zu erzielen, aber es war objektiv immer ein Arbeitsvertrag.
Völlig zu Recht weist daher der OGH in der E 9 ObA 51/12h (EvBl 2013/36) die Hinweise Kietaibls auf eine „Äquivalenzstörung“ durch das Eingreifen des Arbeitsrechts in eine diesem entzogen geglaubte Vereinbarung zurück. Dies gilt nicht nur in Fällen so eindeutig „aufgedrängter Scheinselbständigkeit“ (Grillberger) wie im Anlassfall, wie der OGH in jener E zu Recht unter Hinweis auf die schon zivilrechtliche Irrelevanz von Rechtsfolgenirrtümern ausführt. Im Arbeitsrecht ist zudem dessen grundsätzliche und für das Rechtsgebiet konstitutive Aufgabe zu beachten: Das typische Machtungleichgewicht zwischen AN und AG kann nur dann begrenzt und korrigiert werden, wenn diese Korrektur nicht zu Lasten des/der Schwächeren, also des/der betroffenen AN geht. Die Schutzziele des Arbeitsrechts betreffen keineswegs nur Mindestlöhne, sondern auch eine planbare Lebensgestaltung, die Gesundheit der AN, also zB den Urlaubsanspruch usw. Auch die von Risak (ZAS 2013/28) aufgeworfene Frage, wen die Verpflichtung trifft, für die Wahl des richtigen Vertragstypus zu sorgen, ist mE im Arbeitsrecht klar gelöst: Den AG, schon aufgrund der Fürsorgepflicht, aber auch seiner viel besseren Kenntnis396 der Betriebsabläufe. Er überblickt, ob tatsächlich eine selbständige Tätigkeit benötigt wird; Bewerber können das kaum einschätzen. So wie er zur Zahlung eines den Regeln des GlBG entsprechenden Entgelts auch dann verpflichtet ist, wenn die Bewerberin selbst weniger verlangt (vgl OGH9 ObA 350/97d [zust Eichinger]), hat er als der wirtschaftlich Stärkere Gestaltungen der Scheinselbständigkeit selbst dann zurückzuweisen, wenn ausnahmsweise AN von sich aus Derartiges vorschlagen sollten.
2.3. Zusammenfassend gilt daher: Wo ohnedies ein Zeitlohn ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde, gibt es keinerlei Grund, diesen in Frage zu stellen, nur weil er unter der falschen Bezeichnung „Honorar“ tituliert wurde (wie das gesamte Vertragsverhältnis). Bei anders gewählten Abrechnungseinheiten („Werken“) ist zu prüfen, ob diesen ein feststellbares Beschäftigungsausmaß gegenüber steht; dabei ist gegebenenfalls entsprechend den Leitlinien der „Peek und Cloppenburg“-E das implizit vereinbarte Beschäftigungsausmaß maßgeblich. In allen diesen Fällen liegt eine Lohnvereinbarung vor, die selbstredend gerade im – tatsächlich ja von Anfang an bestandenen – Arbeitsverhältnis gilt. Nur wenn auf all diesen Wegen keine Entgeltvereinbarung feststellbar ist, sind die vom selben AG für vergleichbare Tätigkeiten üblicherweise bezahlten Löhne/Gehälter zugrunde zu legen (ergänzende Vertragsauslegung). Kann auch so eine Entgelthöhe nicht festgestellt werden, so ist keine Entgeltvereinbarung getroffen, aber offenkundig auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart worden; dann besteht gem § 6 AngG bzw § 1152 ABGB Anspruch auf ortsübliches und angemessenes Entgelt.
Eine allfällige Vereinbarung, dass als „Belohnung“ für das Mitwirken an einer rechtsmissbräuchlichen oder doch fraglichen Gestaltung der Vertragsbeziehung ein höherer Entgeltanspruch zustehen soll, enthält eine rechtswidrige Bedingung. Schon unter allgemein zivilrechtlichen Grundsätzen fällt lediglich diese, nicht aber die ganze Entgeltvereinbarung weg, weil sonst das Erreichen des rechtswidrigen Zieles zumindest faktisch gefördert würde; noch mehr gilt dies angesichts dessen konstitutiver Schutzfunktion im Arbeitsrecht (vgl die Judikatur zu „Anwesenheitsprämien“, zB OGH9 ObA 283/88 [zust Grillberger]). Auch eine gegebenenfalls ausdrücklich „nur“ für einen anderen Vertragstyp getroffene Entgeltvereinbarung gilt daher uneingeschränkt für den tatsächlich abgeschlossenen bzw „gelebten“ Arbeitsvertrag.
Es entspricht stRsp und ist auch in der Lehre weithin unumstritten, dass weder das Urlaubs- noch das Feiertagsentgelt durch erhöhte laufende Zahlungen abgegolten werden können (aM Tomandl, ZAS 2013/26). Eine „Abgeltungsvereinbarung“ kommt daher von vornherein nicht in Betracht. Der OGH hat zu Recht den vereinbarten (Zeit-)Lohn für die Berechnung dieser Ansprüche herangezogen. Nichts Anderes gilt gegebenenfalls hinsichtlich der (Nicht-)Einhaltung arbeitsrechtlicher Kündigungsfristen bzw -termine und resultierender Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, aber auch auf Zahlung einer Abfertigung „alt“ bzw der Beiträge zur „Abfertigung neu“ (OGH9 ObA 51/12hEvBl 2013/36).
Unumstritten ist, dass der Gesetzgeber mit dem Überstundenzuschlag zumindest zwei Ziele verfolgt: Der Zuschlag stellt eine zusätzliche Abgeltung für die erhöhte Belastung durch lange Arbeit dar, er soll aber auch als wirtschaftliche Prävention gegen die leichtfertige Überschreitung der Normalarbeitszeit wirken. Es trifft durchaus zu, dass die ungeprüfte Zulassung jeglicher Pauschalierungsvereinbarungen beide gesetzlichen Ziele unterläuft (worauf Tomandl in ZAS 2013/26 hinweist); das kann aber nur Anlass sein, die Richtigkeit jener Rsp, die auch den Wortlaut des § 7 Abs 1 AZG gegen sich hat (Arg: „Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes“ als Zulässigkeitsvoraussetzung für Überstundenarbeit), kritisch zu hinterfragen. Es ist kein Grund, die festgestellten und unstrittigen Ziele der Regelung in anderen Fällen (gleichfalls) zu ignorieren. Zu Recht hat der OGH aber auch darauf verwiesen, dass Pauschalierungsvereinbarungen weder behauptet wurden noch hervorgekommen sind. Das damit die (hier: offen) rechtswidrige Gestaltung des Vertragsverhältnisses sich gegen den dafür verantwortlichen AG richtet, entspricht wie ausgeführt arbeitsrechtlichen Grundzielen.
Zudem können in einem vereinbarten Stundensatz, dem in zwei der drei aktuellen Entscheidungen auch kein bestimmtes Beschäftigungsausmaß gegenüber stand, in keiner Form sonstige Entgeltansprüche (Urlaubs-, Feiertagsentgelt udgl, ja gar ein Überstundenpauschale) enthalten sein. Selbst wenn eine solche Vereinbarung festgestellt worden wäre, könnte sie wegen gänzlicher Unbestimmtheit keinen Bestand haben: Irgendeine vorhersehbare Relation zwischen den anfallenden Normalstunden einerseits, Urlaubs-, Feiertags- und Überstunden andererseits bestand ja nicht (vgl Felten in
Anders als beim Urlaubs- und Feiertagsentgelt vertritt der OGH die Auffassung, eine Abgeltung der Sonderzahlungen durch erhöhte laufende Zahlungen sei zulässig. Das entspricht der Auffassung des Höchstgerichts vom grundsätzlichen Einheitscharakter aller Sonderzahlungen, die ich nicht teile (vgl zuletzt Binder/Schindler in
Aber lassen wir die alten Debatten. Selbst wenn man, mit dem OGH, die Zulässigkeit von Abgeltungsvereinbarungen annimmt: Im Sachverhalt der vorliegenden E findet sich nicht der geringste Anhaltspunkt für eine derartige Vereinbarung – worauf Grillberger (wbl 2012/221) zu Recht hinweist. Allein der Umstand einer überkollektivvertraglichen Entlohnung beinhaltet noch keineswegs die Vereinbarung, damit den Anspruch auf Sonderzahlungen abgelten zu wollen! Wie auch bei der Frage der Vereinbarung eines Überstundenpauschales gilt auch hier: Allein die rechtswidrige Gestaltung des Vertragsverhältnisses als „selbständig“ beinhaltet keinerlei Abgeltungsvereinbarung. Eine Abrede, dass „für den Fall des tatsächlichen Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses“ die Sonderzahlungen abgegolten sein sollen, wurde nicht festgestellt, wäre mE aber auch sittenwidrig.
Ein wenig enttäuschend sind die kursorischen Ausführungen des OGH in diesem Punkt. Es ist richtig, dass die getroffene Entgeltabrede einen Anspruch auf das „amtliche Kilometergeld“ nicht ausdrücklich vorsieht (und der KollV keine einschlägige Regelung enthält). Zu Recht hat aber der OGH grundsätzlich § 1014 ABGB auch auf Arbeitsverhältnisse für (analog) anwendbar erklärt und damit eine (weitere) Basis dafür geschaffen, dass im Interesse des AG getätigte Aufwendungen idR abzugelten sind. Das „amtliche Kilometergeld“ ist sicher die geeignete Schätzgröße für den tatsächlichen Aufwand des Einsatzes eines Kraftfahrzeuges. Gewiss: § 1014 ABGB ist abdingbar. Aber abgesehen von der Frage, ob eine pauschale und gänzliche Abdingung zulässig wäre (vgl Löschnigg/Reissner, ecolex 1991, 110 mwH): Eine Abdingungsvereinbarung hätte die Bekl behaupten und beweisen müssen und sie hat das in keiner Weise getan. Nach den Feststellungen wurde vielmehr ausdrücklich „zur Abgeltung der Risikohaftung“ ein Ersatz von 4,4 Cent pro Kilometer, also rund 10 % des Kilometergeldes, vereinbart. Damit ist aber die Geltung des § 1014 ABGB geradezu arbeitsvertraglich bestätigt worden, von einer Abdingung kann gar keine Rede sein! Gerade diese Zweckwidmung spricht auch gegen ein Verständnis, wonach die vertragsschließenden Teile mit den 4,4 Cent sämtliche Kosten des Einsatzes eines eigenen Kraftfahrzeuges abgelten wollten. Die grundsätzlich „dispositive Natur des § 1014 ABGB“ ersetzt nicht den Nachweis der tatsächlich vorgenommenen vertraglichen Abdingung! Dazu hätte es exakter Feststellungen bedurft; danach wäre die Zulässigkeit einer allenfalls vereinbarten Abdingung zu prüfen gewesen.
Der OGH setzt seine vorsichtige Linie fort, den Verfallseinwand (nur) dann nicht zuzulassen, wenn er rechtsmissbräuchlich erfolgt: Hier durch einen AG, der nicht einmal die geringste Grundlage für die Geltendmachung von Ansprüchen, nämlich eine ordentliche Lohnabrechnung zur Verfügung gestellt hat, was er gem § 78 Abs 5 EStG (öffentlich-rechtlich), idR auch gem dem einschlägigen KollV (hier: Pkt 7 KollV) und jedenfalls auf Grund der Fürsorgepflicht zu tun hat. In einem anderen Fall hat der OGH zB ausgesprochen, dass bei Einschüchterung durch den AG dessen spätere Berufung auf eine Verfallsklausel sittenwidrig ist (OGH9 Ob A 86/01iDRdA 2003/3 [zust B. Schwarz]). Er hat aber auch geklärt, dass eine im Rahmen eines „Freien Dienstvertrags“ vereinbarte Verfallsklausel als Bestandteil des tatsächlich vorliegenden Arbeitsvertrages gültig ist (OGH8 ObA 86/11xDRdA 2013/22 [krit Eypeltauer]). Im Anlassfall hätte es übrigens des Rückgriffs auf Treu und Glauben mE gar nicht bedurft, weil der zugrunde liegende KollV eine Verfallsfrist von vier Monaten „nach Durchführung der Lohnabrechnung“ vorsieht. Mangels Ausfolgung einer Lohnabrechnung (ein „Jahreslohnzettel“ erfüllt nicht die Anforderungen des KollV) hatte diese Frist gar nicht zu laufen begonnen.398