28„Sperrrecht“ des Betriebsrates – sittenwidrige Zustimmung zur Kündigung?
„Sperrrecht“ des Betriebsrates – sittenwidrige Zustimmung zur Kündigung?
Die Rechtswirksamkeit eines Zustimmungsbeschlusses des BR gem § 105 Abs 6 ArbVG kann an einer „Kollusion“ zwischen BR und DG scheitern. Eine solche liegt aber nicht vor, wenn die Betriebsratsmitglieder mit der Zustimmung zur Kündigung nur auf den Umstand reagieren wollten, dass verschiedene Äußerungen und Handlungen des gekündigten AN als Director Human Resources in einem Zeitraum von fünf Jahren zur Unzufriedenheit in der Belegschaft geführt hatten.
Die Prüfung der Zustimmungserklärung des BR dahin, ob ihr eine adäquate Interessenabwägung zugrunde lag, ist ausgeschlossen, da sie auf die richterliche Nachprüfung der demokratischen Willensbildung eines Organs der Betriebsverfassung hinausliefe.
Der Betriebsinhaber (BI) kann die Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden jedenfalls dann als rechtswirksame Stellungnahme des Betriebsratskollegiums ansehen, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung des BR nicht bekannt war und auch nicht auffallen musste. Der BI ist weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des BR anzustellen, wenn ihm nicht bekannt war oder hätte sein müssen, dass die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden beschlussmäßig nicht gedeckt war.
Der Kl, der seit 1.12.2004 bei der Bekl beschäftigt war, wurde zum 31.12.2012 mit Zustimmung des BR gekündigt. Eine Einflussnahme der Geschäftsleitung oder des Personalbüros auf die Stellungnahme des BR fand nicht statt. Grund für die Zustimmung des BR war, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder mit der Tätigkeit des Kl als Director Human Resources unzufrieden waren, sich durch die Zustimmung für verschiedene Maßnahmen, die er in dieser Funktion gesetzt hatte, und für verschiedene von ihm getätigte Äußerungen „rächen“ und verhindern wollten, dass er die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten kann.
Soweit revisionsgegenständlich, begehrt der Kl, die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären, in eventu, sie wegen Sittenwidrigkeit als nichtig festzustellen. Die Vorinstanzen erachteten das Hauptbegehren, das vom Erstgericht mit Teilurteil abgewiesen worden war, aufgrund der Zustimmung des BR zur Kündigung als nicht berechtigt. Die Zustimmung sei auch nicht gänzlich unsachlich gewesen.
Zu dieser Beurteilung zeigt die Revision des Kl keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Mit dem Argument, dass das Erstgericht aufgrund der für eine Kündigungsanfechtung gebotenen Raschheit des Verfahrens kein Teilurteil treffen hätte dürfen, ist für ihn nichts gewonnen, weil in Bezug auf das Eventualbegehren noch kein Urteilsspruch vorliegt und das Berufungsgericht einen entsprechenden Verfahrensmangel verneint hat. Insofern ist aber weder ein Revisionsgegenstand noch ein aufgreifbarer Revisionsgrund (siehe RIS-Justiz RS0042963) gegeben.
2. Der Kl ist weiter der Ansicht, dass seine Kündigung aufgrund der festgestellten Absicht und der fehlenden Interessenabwägung durch den BR nichtig sei.
Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass die Rechtswirksamkeit eines Zustimmungsbeschlusses des BR an einer „Kollusion“ zwischen BR und DG scheitern kann (8 ObA 58/07y). Eine solche liegt hier nicht vor.
Im Übrigen ist es stRsp, dass ein außenstehender Dritter – insb auch der Betriebsinhaber – die Erklärungen des Betriebs(rats)obmanns jedenfalls dann als rechtswirksame Stellungnahme des Betriebsratskollegiums ansehen kann, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung des Betriebs(rats)kollegiums nicht bekannt war und auch nicht auffallen musste (RIS-Justiz RS0051485). Der AG ist weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des BR anzustellen, wenn ihm nicht bekannt war oder hätte sein müssen, dass die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden beschlussmäßig nicht gedeckt war (RIS-Justiz RS0051490).
Anhaltspunkte dafür, dass die Bekl Einblick in eine rechtsmissbräuchliche Willensbildung des BR hatte oder haben hätte müssen, liegen hier nicht vor, zumal mit der Feststellung, dass sich die Betriebsratsmitglieder mit der Zustimmung zur Kündigung „rächen“ wollten, nach dem Gesamtzusammenhang nur die Reaktion des BR auf den Umstand beschrieben wurde, dass verschiedene Äußerungen und Handlungen des Kl in einem Zeitraum von fünf Jahren zur Unzufriedenheit in der Belegschaft geführt hatten. Dass mit der Zustimmung die Anfechtbarkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit verhindert werden sollte, unterstreicht im vorliegenden Zusammenhang, dass sich der BR der gesetzlichen Folgen der Zustimmung zur Kündigung nach § 105 Abs 6 ArbVG bewusst war.
Danach ist aber auch die vom Kl begehrte Prüfung der Zustimmungserklärung des BR dahin, ob ihr eine adäquate Interessenabwägung zugrunde lag, ausgeschlossen. Auch sie liefe nämlich auf die richterliche Nachprüfung der demokratischen Willensbildung eines Organs der Betriebsverfassung hinaus (vgl auch RIS-Justiz RS0051052; Neumayr in
3. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor: Das Berufungsgericht hat den Kl nicht als leitenden Angestellten angesehen, sondern die Tatsache, dass leitende Angestellte mit wesentlichem Einfluss auf die Betriebsführung überhaupt vom allgemeinen Kündigungsschutz ausgenommen sind, in seine Erwägungen mit einfließen lassen.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.319
Die Ausführungen des OGH sind – der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision durchaus angemessen – recht kurz ausgefallen. Die auf das „Sperrrecht“ des BR bezogenen Rechtssätze folgen dabei im Wesentlichen der wohl hA und sind auch in der Sache beifallswert. Gleichwohl verbleiben bei deren Anwendung auf den entschiedenen Rechtsstreit einige Unklarheiten und Zweifel, die eine genauere Analyse nahe legen. Darüber hinaus soll auch kurz auf gesetzeskritische Stellungnahmen eingegangen werden, die das „Sperrrecht“ des BR als mit der EMRK sowie neuerdings auch mit der Charta der Grundrechte der EU (nachfolgend GRC) unvereinbar ansehen.
Die erwähnten Unklarheiten und Zweifel im entschiedenen Fall beginnen schon bei der in ein Hauptbegehren auf Unwirksamerklärung der Kündigung (wegen Sozialwidrigkeit) und ein (auf § 879 ABGB gestütztes) Eventualbegehren auf Feststellung der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit der Kündigung gegliederten Klage sowie der daraufhin erfolgten Erlassung eines das Hauptbegehren abweisenden Teilurteils durch das Erstgericht. Da nämlich eine Kündigungsanfechtung als Rechtsgestaltungsklage auf Unwirksamerklärung der ausgesprochenen Kündigung gerichtet ist, kann eine nichtige Kündigung von vornherein gar nicht angefochten werden. Die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung war hier also eine wesentliche Vorfrage für das Hauptbegehren, so dass ganz offensichtlich schon die Reihenfolge von Haupt- und Eventualbegehren materiellrechtlich verfehlt war.
Dies hätte wohl bereits in der ersten Instanz aufgegriffen werden sollen, wobei jedoch das Erstgericht zweifellos nicht in der Lage war, das Klagebegehren von sich aus zu korrigieren. Immerhin hätte Anlass bestanden, schon für die Frage der Anfechtbarkeit die Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen und damit in einem auch das Eventualbegehren vorweg einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Freilich war es – rein logisch betrachtet – trotzdem möglich, statt der Frage der Wirksamkeit der Kündigung einfach vorweg eine weitere Anfechtungsvoraussetzung (nämlich das Nichtvorliegen einer wirksamen Zustimmung des BR zur Kündigung) in den Blick zu nehmen und mit deren Verneinung (also mit der Annahme einer wirksamen Ausübung des Sperrrechts) das Anfechtungsbegehren als jedenfalls unbegründet abzuweisen. Zweckmäßig war diese Vorgangsweise aber gewiss nicht, zumal im entschiedenen Fall die Frage der Wirksamkeit oder Nichtigkeit der Zustimmung des BR zur Kündigung offenkundig sachlich eng mit der Frage zusammenhing, ob nicht das Betriebsratsmotiv für die Ausübung des Sperrrechts auch den AG im Hinblick auf ein mögliches „kollusives“ Zusammenwirken belastet hat.
Da aber nun das Erstgericht trotz allem mit Teilurteil die Anfechtungsklage abweisend entschieden und das Berufungsgericht einen Verfahrensmangel verneint hat, war der OGH nicht mehr in der Lage, diese rein verfahrensrechtliche Problematik aufzugreifen. Umso bemerkenswerter erscheint jedoch der einleitende Satz des OGH zur eigenen rechtlichen Beurteilung: „Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass seine Kündigung aufgrund der festgestellten Absicht und der fehlenden Interessenabwägung durch den Betriebsrat nichtig sei.
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Gerade die Nichtigkeit der Kündigung war jedoch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, sondern allein die mit Teilurteil erfolgte Abweisung des Anfechtungsbegehrens. Tatsächlich beschäftigt sich der OGH in den nachfolgenden Rechtssätzen auch keineswegs mit der möglichen Nichtigkeit der Kündigung als solcher, sondern nur mehr mit der Wirksamkeit der Betriebsratszustimmung. Zum Eventualbegehren weist er bloß darauf hin, dass eben noch kein Urteilsspruch vorliege.
In seinen kurzen Rechtsausführungen greift der OGH dann letztlich zwei unterschiedliche Ansätze auf, die freilich argumentativ nicht deutlich genug getrennt werden: Zum ersten stellt er klar, dass die Rechtswirksamkeit eines die mitgeteilte Kündigungsabsicht betreffenden Zustimmungsbeschlusses des BR an einer „Kollusion“ scheitern könne, was jedoch in casu auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht zutreffe. Zum zweiten scheint der OGH die Wirksamkeit der zustimmenden Stellungnahme des BR auch einfach darauf stützen zu wollen, dass der AG auf die vom Vorsitzenden des BR übermittelte zustimmende Stellungnahme des BR vertrauen habe dürfen, da die Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, wonach der AG Einblick in eine rechtsmissbräuchliche Willensbildung des BR gehabt habe oder haben hätte müssen.
Was zunächst die mögliche Nichtigkeit einer Betriebsratszustimmung zur Kündigung betrifft, verweist der OGH auf seine Vorentscheidung vom 11.10.2007, 8 ObA 58/07y, wonach die Rechtswirksamkeit eines Zustimmungsbeschlusses des BR an einer „Kollusion“ zwischen BR und AG scheitern könne. Was man darunter genau verstehen soll, bleibt freilich unbeantwortet. In der zitierten Vorentscheidung wurde nur allgemein auf ein Vorbringen des Anfechtenden Bezug genommen, „der Betriebsrat habe in sittenwidriger Weise mit dem DG zusammengewirkt, um – in Schädigungsabsicht – dem DN eine Anfechtungsmöglichkeit abzuschneiden
“. Warum freilich für die Annahme der Nichtigkeit der Betriebsratszustimmung eine Mitwirkung des AG erforderlich sein soll, erscheint unklar. Denn im Grunde müsste die Betriebsratszustimmung schon dann nichtig sein, wenn sie ohne jeden Sachgrund nur zu dem Zweck erfolgt, den zu kündigenden AN zu schädigen. Die Teilnahme des AG an dieser absichtlichen sittenwidrigen Schädigung des AN begründet für die Beurteilung der Betriebsratszustimmung wohl kein zusätzliches Unwerturteil. Allenfalls könnte man im „Kollusionsfall“ von einer sittenwidrigen missbräuchlichen Ausübung des Kündigungsrechts durch den AG selbst ausgehen, dann wäre aber schon die Kündigung als solche sittenwidrig und nichtig und der auch seinerseits nichtige Zustimmungsbeschluss des BR letztlich gegenstandslos. 320
Ganz in diesem Sinne hat das OLG Linz in seiner (hier nicht abgedruckten) Berufungsentscheidung ausdrücklich festgehalten: „Sittenwidrigkeit der Zustimmung des Betriebsrats kommt nur dann in Betracht, wenn der Zustimmungsbeschluss – gemessen an den der Gesamtheit der Arbeitnehmerschaft gegenüber bestehenden Interessenwahrungspflichten – gänzlich unsachlich ist, etwa allein in zu missbilligenden persönlichen Motiven oder in einem diesen Interessen widerstreitenden Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber begründet ist.
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Bei dieser Formulierung (mit den durch „oder“ getrennten beiden Varianten) ist klar, dass im Hinblick auf die allgemeine Interessenvertretungsaufgabe des BR schon die allein aus gänzlich unsachlichen und rein persönlichen Motiven von Betriebsratsmitgliedern erfolgte Betriebsratszustimmung mit dem primären Zweck, den zu kündigenden AN zu schädigen, als sittenwidrig und nichtig anzusehen ist. Dass gleiches natürlich auch dann gilt, wenn der BR zur Erreichung seiner sittenwidrigen Schädigungsabsicht zusätzlich noch die Mithilfe des AG sucht und erhält, versteht sich von selbst.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass auch noch ganz andere rechts- und sittenwidrige Motive vorstellbar sind, die eine Nichtigkeit der Betriebsratszustimmung zur Folge haben können. Dies gilt namentlich für die im § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG aufgezählten verwerflichen Motive. Praktisch war das vor allem nach der alten Rechtslage relevant, als sich das „Sperrrecht“ des BR dem Gesetzeswortlaut nach auch noch auf die Motivanfechtung von Kündigungen bezog (vgl dazu vor allem Firlei, Motivkündigungen von Arbeitnehmern und kollektivrechtliche Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes, in FS Rabofsky [1976] 139, 156 ff; Trost, Die rechts- oder sittenwidrige Kündigung,
ff; Floretta, wbl 1987, 79 f). Seit BGBl 1990/411 vermag die Zustimmung des BR zur Kündigung von vornherein nur noch die Sozialwidrigkeitsanfechtung zu „sperren“. Unabhängig davon ist aber nach wie vor davon auszugehen, dass dann, wenn der BR aus einem der in § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG aufgezählten Motive (zB wegen eines vom BR abgelehnten Beitritts des zu Kündigenden zu Gewerkschaften oder weil der BR eine Bewerbung des zu Kündigenden bei der nächsten Betriebsratswahl verhindern will) und somit ohne jeden aus seiner Interessenvertretungsaufgabe heraus nachvollziehbaren Sachgrund einer Kündigung seine Zustimmung gibt, diese als sittenwidrig und nichtig auch einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit nicht entgegensteht. Gleiches wird auch für eine allfällige Betriebsratszustimmung aus rechtswidrigen Motiven iS unzulässiger Diskriminierungen nach dem GlBG bzw dem BEinstG gelten müssen. In all diesen Fällen kommt es in keiner Weise darauf an, ob zusätzlich auch noch der AG „kollusiv“ mitgewirkt hat oder einfach aus ganz anderen Gründen die Kündigung ausgesprochen hat.Bei alledem muss man sich freilich noch fragen, ob und inwieweit eine Sittenwidrigkeit der Betriebsratszustimmung im Rahmen der Kündigungsanfechtung überhaupt geltend gemacht werden kann, da doch nach gesicherter und wohl zutreffender hA (wie der OGH auch in der vorliegenden E betont) die Prüfung der Zustimmungserklärung des BR dahin, ob ihr eine adäquate Interessenabwägung zugrunde liegt, an sich ausgeschlossen ist, weil dies auf die richterliche Nachprüfung der demokratischen Willensbildung eines Organs der Betriebsverfassung hinausliefe. Indessen geht es insoweit nicht um eine richterliche Überprüfung der Sachgründe für die Betriebsratszustimmung, sondern allein um die Prüfung, ob nicht jeder Sachgrund fehlt und die Zustimmung allein wegen rechts- oder sittenwidriger Motive erfolgt ist. Will sich die Rechtsordnung nicht selbst aufgeben, muss eine solche Kontrolle eines Betriebsratsbeschlusses jedenfalls möglich bleiben, zumal eine absichtliche sittenwidrige Schädigung auch unter dem Aspekt einer „demokratischen Willensbildung“ nicht tolerierbar ist (vgl ganz in diesem Sinne mwN etwa Weiß, DRdA 2011, 571 f, dem im gegenständlichen Verfahren auch das Berufungsgericht ausdrücklich gefolgt ist). In diesem Rahmen sind daher jedenfalls auch Betriebsratsbeschlüsse gerichtlich überprüfbar und ist überdies davon auszugehen, dass im Kündigungsanfechtungsprozess einschlägige Sachverhaltsfeststellungen nicht von den Betriebsratsmitgliedern unter Verweis auf ihre (ohnehin stets unter dem Vorbehalt von Interessenabwägungen stehende; vgl nur Resch in
Letzteres ist auch im gegenständlichen Verfahren nicht geschehen, vielmehr sind die maßgebenden Motive für die Betriebsratszustimmung vom Erstgericht durchaus konkret festgestellt worden. Diese gingen dahin, dass die einzelnen Betriebsratsmitglieder mit der Tätigkeit des Kl als Director Human Resources unzufrieden waren, sich durch die Zustimmung für verschiedene Maßnahmen, die er in dieser Funktion gesetzt hatte, und für verschiedene von ihm getätigte Äußerungen „rächen“ und solcherart verhindern wollten, dass er die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten kann. Mag auch das Wort „Rache“ schon per se nach unsachlicher Entscheidungsfindung klingen (das Erstgericht hat auch genau das angenommen, glaubte aber dennoch, dass vom Gericht die demokratische Willensbildung des BR nicht überprüft werden dürfe), so hat vorliegend schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Unzufriedenheit der Betriebsratsmitglieder mit der Art der früheren Ausübung von Personalkompetenzen durch den Kl zu Lasten der Belegschaft und auch mit verschiedenen Äußerungen gegenüber den Betriebsratsmitgliedern keineswegs als gänzlich unsachlich angesehen werden kann und auch für eine absichtliche sittenwidrige Schädigung keine zureichenden Sachverhaltsfeststellungen vorliegen. Ganz in diesem Sinne betont auch der OGH, dass von einer rechtsmissbräuchlichen Willensbildung des BR nicht gesprochen werden kann, wenn mit der Feststellung, dass sich die Betriebsratsmitglieder mit der Zustimmung zur Kündigung „rächen“ wollten, nach dem Gesamtzusammenhang nur die Reaktion des BR auf den Umstand beschrieben wird, dass verschiedene Äußerungen und Handlungen des Kl in einem Zeitraum von fünf Jahren zur Unzufriedenheit in der Belegschaft geführt hatten. Im Ergebnis war also im entschiedenen Fall von einer ausreichend sachlich geleiteten und damit wirksamen Ausübung des „Sperrrechts“ des BR auszugehen. 321
War also die Zustimmung des BR zur Kündigung des Kl wirksam, hätte sich eigentlich die weitere Frage nach einem möglichen Vertrauensschutz des AG bezüglich der Mitteilung von sittenwidrigen und damit nichtigen Betriebsratsbeschlüssen erübrigt. Da der OGH gleichwohl näher darauf eingegangen ist, soll die Frage auch hier angesprochen werden. Der OGH verweist dazu auf seine stRsp, wonach ein außenstehender Dritter – insb auch der AG – die Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden jedenfalls dann als rechtswirksame Stellungnahme des Betriebsratskollegiums ansehen könne, wenn ihm die dabei allenfalls unterlaufene Verletzung der Vorschriften über die Willensbildung des Betriebsratskollegiums nicht bekannt gewesen sei und auch nicht auffallen habe müssen. Der AG sei insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des BR bzw die beschlussmäßige Deckung anzustellen. Offenbar will der OGH diese Grundsätze auch auf den Fall eines möglichen sittenwidrigen und daher an sich nichtigen Betriebsratszustimmungsbeschlusses anwenden, denn er betont in der Folge, dass laut festgestelltem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Bekl Einblick in eine rechtsmissbräuchliche Willensbildung des BR gehabt habe oder haben hätte müssen.
Folgt man dieser Auffassung, hätte das zur Folge, dass auch eine erwiesenermaßen sittenwidrige und nichtige Betriebsratszustimmung doch die Rechtswirkung des Ausschlusses der Anfechtbarkeit wegen Sozialwidrigkeit entfalten könnte. Das erscheint aber doch problematisch, weil das allfällige Vertrauen des AG darauf, dass die von ihm dann ausgesprochene Kündigung nicht wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden kann, in keiner Weise das Interesse des (bezogen auf den Betriebsratsbeschluss ebenfalls „außenstehenden“) AN aufzuwiegen vermag, nicht in sittenwidriger Weise geschädigt zu werden. Wesentlich sachgerechter erscheint hier die vom OGH in der vorliegenden E leider nicht mehr erwähnte, in Anlehnung an Trost (in
... ist aber die Zustimmung zur Kündigung sittenwidrig, ohne dass dem AG dies bekannt wäre oder bekannt sein müsste, so muss differenziert werden: Der AG kann bezüglich der Rechtzeitigkeit des Kündigungsausspruchs auf das Vorliegen der Stellungnahme vertrauen und die Kündigung bleibt weiterhin wirksam. Inhaltlich ist die Stellungnahme aber dann als ‚nicht erfolgt‘ anzusehen. Der AN kann die Kündigung gleichartig wie beim Stillschweigen des BR anfechten.“
Schon seit jeher wurde das „Sperrrecht“ des BR beim allgemeinen Kündigungsschutz als grundrechtswidrig kritisiert, wobei namentlich auf die Verfahrensgarantie des Art 6 Abs 1 EMRK (bzw des Art 83 Abs 2 B-VG) sowie auch den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art 2 StGG und Art 7 Abs 1 B-VG) verwiesen wurde (siehe namentlich Steininger, Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses [1969] 79 ff, insb 84 f; Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht [1970] 122 f; Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung [1982] 92 ff). Dem wurde vor allem entgegengehalten, dass es im Arbeitsvertragsrecht keinen individuellen allgemeinen Kündigungsschutz gebe, sondern dieser als Mitwirkungsrecht der Belegschaft ausgestaltet sei, weshalb mangels entsprechender individueller Rechte weder die grundrechtliche Rechtsschutzgarantie verletzt werde, noch gleichheitsrechtliche Bedenken bestünden (vgl dazu mit umfassenden Nachweisen namentlich Floretta, Das „Sperrecht“ des Betriebsrates im Lichte der jüngsten VfGH-Erkenntnisse, wbl 1987, 77, 78 f). Mit der Bestätigung der kollektivrechtlichen Sichtweise durch den VfGH (B 370/83 VfSlg 10.297) war die diesbezügliche Diskussion im Wesentlichen abgeschlossen, wie auch noch die jetzt aktuellen Standarddarstellungen im Fachschrifttum zeigen (vgl etwa Gahleitner in
Zuletzt wurde allerdings die Diskussion mit Blick auf Art 30 GRC (betreffend den „Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung“) neu belebt. So meint etwa Marhold, Die Bedeutung der Grundrechtecharta und der EMRK für das österreichische Arbeitsrecht, EuZA 2013, 146, 158 f, dass das sogenannte „Sperrrecht des BR“ mit dem Art 30 GRC „nicht vereinbar sein“ werde: Art 30 GRC ziele auf ein anderes Konzept des Kündigungsschutzes, als es derzeit nach österreichischem Recht bestehe. Diese These ist freilich schon nach dem Wortlaut der GRC-Regelung schwer nachvollziehbar, da es dort zwar um den Schutz der einzelnen AN „vor ungerechtfertigter Entlassung“ geht, für die Konkretisierung dessen, was als „ungerechtfertigte Entlassung“ anzusehen ist, aber ausdrücklich auf das Gemeinschaftsrecht und die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ verwiesen wird. Damit lässt sich aber – abgesehen von den unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten, die ohnehin im GlBG und BEinstG als individuelle Kündigungsschutznormen umgesetzt sind – nicht nur ein allgemeiner individueller Kündigungsschutz als unionsrechtskonform ansehen, sondern auch eine kollektivrechtliche Konzeption des allgemeinen Kündigungsschutzes, wie sie seit jeher den österreichischen „Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten“ entspricht.
Im Übrigen hat vor allem Rebhahn, Der Einfluss der Europäischen Grundrechtecharta auf das österreichische Arbeitsrecht, in
Abschließend bleibt nur noch klarzustellen, dass die hA von der kollektivrechtlichen Konzeption des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 105 ArbVG ungeachtet gewisser individueller Rechtspositionen des Gekündigten nach wie vor zutreffend ist. Historischer Kern des allgemeinen Kündigungsschutzes war zunächst allein der Schutz vor Kündigungen, die den Zweck hatten, die Ausübung des Koalitionsrechts der AN zu beeinträchtigen (vgl mwN Trost in
Dem stehen freilich Auffassungen gegenüber, die sich – mit zum Teil recht wortgewaltiger Polemik – auf die im Laufe der Zeit vermehrt gesetzlich verankerten individualrechtlichen Aspekte des allgemeinen Kündigungsschutzes (wie insb bei Widerspruch des BR, wenn dieser dann die Kündigung nicht anficht oder die erfolgte Anfechtung später zurückzieht, weiters bei fehlender Stellungnahme des BR sowie dann, wenn im betriebsratspflichtigen Betrieb ein BR gar nicht besteht) berufen und daraus – auch für Österreich – eine individualrechtliche Konzeption des Kündigungsschutzes vertreten (siehe namentlich Steininger, Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses 79 ff; Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung 95 ff). Dieser Deutung ist freilich zu entgegnen, dass die individuellen Anfechtungsmöglichkeiten des AN keinesfalls zwangsläufig dazu führen, aus dem kollektivrechtlich konzipierten Kündigungsschutz ein Individualschutzkonzept zu machen. Vielmehr muss man sich vor Augen halten, dass es auch sonst bei vielen Mitwirkungsrechten der Belegschaft dazu kommt, dass die Rechtsfolgen der Missachtung individualrechtlich ausgestaltet werden und dass mitunter durch Einbeziehung der einzelnen AN die Effizienz der Belegschaftsmitwirkung gesteigert werden kann, ohne dass sich deshalb ein Belegschaftsmitwirkungsrecht zum Individualrecht wandelt.
Aus der Fülle möglicher Beispiele seien hier nur angeführt: Wenn der BR einer verschlechternden Versetzung entgegen § 101 ArbVG nicht zugestimmt hat, ist es trotzdem Sache des betroffenen AN, sich auf die Unwirksamkeit der Versetzung zu berufen, ohne dass deshalb das Mitbestimmungsrecht der Belegschaft zum Individualrecht wird. Gleiches gilt für die Unwirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme, wenn die Mitbestimmung des BR iSd § 102 ArbVG nicht eingehalten worden ist. In ähnlicher Weise wird der einzelne AN sein 323„Recht zur Lüge“ geltend machen können und aus faktischen Zwängen oft auch müssen, wenn der BR einem vom AG verwendeten qualifizierten Personalfragebogen iSd § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG nicht zugestimmt hat. Schließlich ist noch besonders auf die Mitbestimmung bei Kontrollmaßnahmen und technische Systeme zur Kontrolle der AN in § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG zu verweisen, wo einerseits neben den Möglichkeiten des BR zur Rechtsdurchsetzung mittels Unterlassungs- und Beseitigungsklage durchaus auch Rechtsschutzmöglichkeiten der einzelnen AN anzuerkennen sind und andererseits bei Fehlen einer Belegschaftsvertretung die Mitbestimmung der Belegschaft durch § 10 AVRAG ausdrücklich in die Hände der einzelnen betroffenen AN gelegt wird. Besonders im letztgenannten Fall geht es keinesfalls an, aus dem ergänzenden Individualrechtsschutz abzuleiten, dass die AN ganz allgemein diesen Individualschutz haben und daher eine allfällige Zustimmung des BR nach § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG eine materiellrechtliche Position der einzelnen AN ohne individuellen gerichtlichen Rechtsschutz ließe.
Ausgehend von der Vielfalt der kollektivrechtlich konzipierten Befugnisse der Belegschaft gibt es keinen überzeugenden Grund, gerade für die §§ 105 bis 107 ArbVG anderes anzunehmen. Auch dort bildet der Grundgedanke, dass es sich sowohl im Kündigungsvorverfahren als auch im Anfechtungsverfahren um Mitwirkungsrechte der Belegschaft handelt, den maßgebenden Ausgangspunkt. Gerade dabei hat sich aber der Gesetzgeber zu einer wesentlichen Effizienzsteigerung der Mitbestimmung entschlossen, indem er die Anfechtungsbefugnis der Belegschaft vermehrt dem betroffenen Gekündigten selbst überlässt, und zwar immer dann, wenn der BR die Anfechtungsbefugnis nicht (durch ausdrücklichen Widerspruch und rechtzeitige gerichtliche Anfechtung) an sich zieht oder – für den Bereich möglicher Sozialwidrigkeit – die Kündigung nicht durch ausdrückliche Zustimmung billigt. Diese Effizienzsteigerung ändert aber nichts daran, dass die Anfechtungsbefugnis originär eine Belegschaftsbefugnis bleibt. Der Einwand, dass der AN bei Selbstanfechtung doch nur die eigenen Interessen und nicht Belegschaftsinteressen geltend mache, liegt insofern neben der Sache, als es gerade bei der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten auch aus der Sicht der Belegschaft sehr häufig und primär um die Wahrung persönlicher Interessen betroffener AN gehen wird, weshalb insoweit kein wirklicher Widerspruch vorliegt. Vielmehr liegt offenbar gerade darin, dass die betriebliche Interessenvertretung in personellen Angelegenheiten vielfach die Wahrung persönlicher Interessen betroffener AN zugleich als Wahrung der Interessen der Gesamtbelegschaft empfindet, der maßgebende Grund für die genannte Effizienzsteigerung der Mitbestimmung durch ergänzende Anfechtungsbefugnisse der Gekündigten selbst.