Mitwirkungspflichten in der Sozialversicherung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage nach dem Sozialrechts-Änderungsgesetz (SRÄG) 2012

HELMUTIVANSITS/MURATIZGI (WIEN)
Leistungsansprüche in der SV hängen in erster Linie vom Gesundheitszustand der Versicherten ab. Um feststellen zu können, ob ein Leistungsanspruch (fort)besteht, müssen Anspruchswerber und Anspruchsberechtigte an den vom Versicherungsträger angeordneten Untersuchungen mitwirken (Untersuchungspflicht). Davon ist die Pflicht zur Mitwirkung an Maßnahmen der Krankenbehandlung oder der Rehabilitation zu unterscheiden (Behandlungspflicht). Im Kern geht es dabei um die Frage, unter welchen Bedingungen Geldleistungen der SV darauf geprüft werden dürfen, ob sie durch eine besondere „Anspannung“ des Versicherten durch diagnostische und vor allem therapeutische Maßnahmen vermieden werden können. Beide Mitwirkungspflichten sollen die Versicherungsgemeinschaft vor Aufwendungen schützen, die der Risikosphäre des Versicherten zuzuordnen und daher nicht über den Risikoausgleich von der SV zu tragen sind. Die Nichtbefolgung dieser Pflichten ist mit dem Verlust von Geldleistungen verbunden; ausgeübt wird daher im Ergebnis ein „indirekter Zwang“ zu Behandlungen. Sachleistungen (Krankenbehandlung, medizinische Rehabilitation) können nicht Gegenstand von Mitwirkungspflichten sein.
  1. Einleitung

  2. Die rechtspolitische Legitimation von Mitwirkungspflichten

  3. Zur rechtsdogmatischen Begründung von Mitwirkungspflichten im österreichischen Sozialversicherungsrecht

    1. Rechtsanalogie

    2. Gesetzesanalogie: Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB

    3. Ergebnis der Analyse

    4. Alternative Begründungen

  4. Typologie der Störungen des Leistungsverhältnisses: Versagung, Ruhen, Verwirkung und Entziehung von Leistungen

  5. Duldung ärztlicher Untersuchungen zur Feststellung der Leistungsberechtigung (Untersuchungspflicht)

  6. Mitwirkung an Heilbehandlungen (Behandlungspflicht)

  7. Grenzen der Zumutbarkeit von Mitwirkungspflichten

  8. Aufforderungspflicht des Versicherungsträgers zur Mitwirkung

  9. Mitwirkungspflichten in der medizinischen und beruflichen Rehabilitation

    1. Medizinische Rehabilitation

    2. Berufliche Rehabilitation

  10. Schlussfolgerungen

1.
Einleitung

Mitwirkungspflichten gelten nach hL als Nebenpflichten des Versicherten im Leistungsverhältnis,*90 sie werden jedoch als „Rechtspflichten minderer Stufe“ bewertet, weil ihre Einhaltung nicht unmittelbar erzwungen werden kann. In dieser Logik stellen sie Obliegenheiten dar, bei deren Verletzung Sanktionen wirksam werden, die zu einer Störung des Leistungsverhältnisses führen. Schrammel* beschreibt sie zutreffend als „vom Leistungsträger nicht unmittelbar erzwingbare Pflichten im Rahmen eines entstehenden oder bereits bestehenden Sozialrechtsverhältnisses“.

Die österreichischen Sozialversicherungsgesetze kennen zwar eine Reihe besonderer Untersuchungs- und Behandlungspflichten, sehen aber – im Unterschied zur deutschen Rechtslage – keine generelle gesetzliche Regelung iS von „allgemeinen Mitwirkungspflichten“* vor. Während für Untersuchungspflichten ausreichende gesetzliche Regelungen bestehen, wird die Rechtsgrundlage für allgemeine Behandlungspflichten im Wege der Rechts- bzw Gesetzesanalogie durch richterliche Rechtsfortbildung gewonnen. Eine Legalisierung wurde offenbar nicht für notwendig erachtet, was darauf hindeutet, dass sich der Gesetzgeber mit der höchstgerichtlichen Judikatur und deren Ergebnissen arrangiert hat. Lehre und Judikatur abstrahieren von den wenigen einschlägigen Tatbeständen in den Sozialversicherungsgesetzen „besondere Mitwirkungspflichten“ mit ihren spezifischen Anwendungsfeldern und erstrecken die Pflicht zur Mitwirkung auf beantragte und gewährte Leistungen, was bei einem Teil der Lehre bezüglich der rechtsdogmatischen Herleitung der Mitwirkungspflichten zwar auf Kritik, in rechtspolitischer Hinsicht jedoch auf breite Zustimmung gestoßen ist.

Es ist davon auszugehen, dass Mitwirkungspflichten in Zukunft an Bedeutung gewinnen, weil auch Versicherungsträger, die ihnen in der Vergangenheit eher zurückhaltend gegenüber gestanden sind, zunehmend von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen werden.* Dazu kommt, dass im SRÄG 2012 spezifische Mitwirkungspflichten für die medizinische und berufliche Rehabilitation eingeführt wurden.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit Mitwirkungspflichten im Leistungsrecht der SV. Die Autoren gehen davon aus, dass zumutbare Mitwirkungspflichten mit den Grundsätzen der SV vereinbar sind. Substantiell in Frage gestellt wird jedoch die rechtsdogmatisch verfehlte Herleitung allgemeiner Mitwirkungspflichten im Wege der Lückenfüllung. Im Unterschied zu diesem von Lehre und Judikatur befürworteten Ansatz spricht sich der Beitrag stattdessen für klare gesetzliche Regelungen in den Sozialversicherungsgesetzen aus, um die Rechtssicherheit zu erhöhen. Zwecks Ausgestaltung der zukünftigen gesetzlichen Bestimmungen wird der Rechtsbestand (inklusive der „neuen“ Mitwirkungspflichten im Bereich der Rehabilitation) erhoben, um zu prüfen, was davon übernommen werden kann. Im Mittelpunkt stehen dabei die Zumutbarkeitskriterien und die Frage des Entstehens von Mitwirkungspflichten. Im Zuge dessen wird auch auf einige Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht.

2.
Die rechtspolitische Legitimation von Mitwirkungspflichten

Die Pflicht zur Mitwirkung an Untersuchungen und Behandlungen zur Minimierung des Versicherungsrisikos wird in der Literatur vor allem auf das Prinzip der Eigenverantwortung gestützt.* Menschen sollen auf ihr Eigeninteresse bedacht, letztlich aber auch für die nachteiligen Folgen ihres Handelns verantwortlich sein. Daher müssen sie Unfällen und Krankheiten möglichst ausweichen und sich rechtzeitig gegen ökonomische Folgen absichern. Auch wenn es sich bei privater Vorsorge um freiwillige, in der SV um obligatorische Zusammenschlüsse handelt, liegt allen Versicherungen der Gedanke des solidarischen Risikoausgleichs zugrunde, der in der SV noch durch einen solidarischen Ausgleich erweitert wird, der nur eine begrenzte Verschuldensprüfung im Leistungsrecht erlaubt. Je stärker dieses Finalprinzip ausgeprägt ist, desto geringer ist auch die Verantwortung des Einzelnen, an der Vermeidung von Leistungen mitzuwirken.

Die österreichische SV macht nur bei der Verwirkung von Leistungen durch vorsätzliche Herbeiführung von Versicherungsfällen und eben in den Fällen der Mitwirkung eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Verwirkung und Mitwirkung können daher als jene gesetzlichen Tatbestände gelten, die das Verhältnis zwischen Eigenverantwortung und Solidarität in der österreichischen SV regeln. Die österreichische Sozialrechtsordnung geht somit von einer sehr restriktiven Konzeption von Eigenverantwortung aus. Die Entlassung von potenziellen Leistungsempfängern aus dem Risikoausgleich der SV wegen solidaritätswidrigem Verhalten („Ausnützen der SV“) ist daher nur sehr beschränkt zulässig.* Würde man umgekehrt das Prinzip der Eigenverantwortung in der SV stärker verankern, wären Kranke von Geldleistungen ausgeschlossen, wenn sie sich weder an der Vorbeugung von Krankheiten noch nach Kräften an der Beseitigung des Leistungsgrundes beteiligen.* Sie müssten demnach iS einer „Schadensverhinderungspflicht“* von sich91 aus alles zur Prävention vor allem verhaltensbedingter Gesundheitsstörungen unternehmen und sich stets allen erforderlichen Behandlungen unterziehen, um im Falle der Beantragung von Krankengeld oder einer Pension den Vorwurf mangelnder Mitwirkung abwehren zu können. Die meisten Menschen wären überfordert, nur einen Teil dieser Auflagen zu erfüllen. Die Kassen müssten Kontrollsysteme einrichten, Beweisfragen und damit auch Vollziehungsprobleme würden eine maßgebliche Bedeutung im Leistungsgeschehen erhalten. In der Frage der notwendigen Mitwirkung haben sich daher Lehre und Judikatur für einen Mittelweg zwischen Eigenverantwortung und Solidarität entschieden. Sie fordern nicht Schadensverhinderung, sondern die Befolgung von Mitwirkungspflichten iS von Mitverantwortung* statt rigoroser Eigenverantwortung.

Auf der anderen Seite wird wiederholt in der einschlägigen Literatur betont, dass Mitwirkungspflichten in einem Spannungsverhältnis zwischen den ökonomischen Interessen der Versichertengemeinschaft (an einem effizienten Ressourceneinsatz) und dem durch Beiträge erworbenen Rechtsanspruch des Versicherten auf Versicherungsleistungen auf der einen und dem Persönlichkeits- und Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auf der anderen Seite stehen. Zur Versachlichung der Diskussion wird deren Begründung aber nicht so sehr in ideologisch konnotierten Verhaltenspflichten gesehen, sondern eher pragmatisch auf einfache und unmittelbar einleuchtende Effizienzerwägungen reduziert: Versicherungsträger sind in ihrer Gebarung an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gebunden. Aus diesem organisationsökonomischen Blickwinkel haben sie gleichsam als Treuhänder der Versicherungsgemeinschaft* die Versicherung nach diesen Grundsätzen in der Weise zu organisieren, dass der Anspruch der Versicherungsgemeinschaft auf einen wirtschaftlichen Umgang mit den Versicherungsbeiträgen gewahrt wird. In dieser Funktion müssen sie letztlich auch von den Versicherten verlangen können, in einer ihnen zumutbaren Weise zur Begrenzung des durch die SV zu tragenden sozialen Risikos (Versicherungsfalles) mitzuwirken,* um die Versicherungsgemeinschaft vor finanziellen Nachteilen zu bewahren.* Besteht die Möglichkeit, die Arbeitsfähigkeit beispielweise durch eine Operation wiederherzustellen, dann ist es auch Aufgabe des Versicherungsträgers, den Versicherten nicht bloß auf diese Möglichkeit hinzuweisen, sondern diese Behandlung auch anordnen zu können und Leistungswerber und Leistungsbezieher ganz oder teilweise von Leistungen auszuschließen, wenn sie diese Anordnungen nicht befolgen.*

Zur Auflösung dieses Interessengegensatzes bedarf es ohne Zweifel gesetzlicher Regelungen. Unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsträger seine Leistungen wegen Nichtbefolgung von Mitwirkungspflichten mit allenfalls leistungsbefreiender Wirkung einschränken kann, muss sich klar aus dem Gesetz ergeben. Verwaltungshandeln iSd Legalitätsprinzips setzt voraus, dass diese Pflichten und die Rechtsfolgen einer Nichtbefolgung eine rechtsnormative Grundlage haben.*

3.
Zur rechtsdogmatischen Begründung von Mitwirkungspflichten im österreichischen Sozialversicherungsrecht

Die Lehre betrachtet das Sozialversicherungsverhältnis als ein gesetzliches Schuldverhältnis, das sich aus dem Versicherungs- und dem Leistungsverhältnis zusammensetzt.* Im Leistungsverhältnis gewährt der Versicherungsträger Versicherungsleistungen, im Gegenzug obliegt es den Leistungsbeziehern, den Leistungsbezug frei von Störungen zu halten. Zu diesen Störungen zählt auch die Nichtbefolgung von Mitwirkungspflichten.

Mitwirkungspflichten müssen danach unterschieden werden, ob sie Anspruchswerber und oder bereits Anspruchsberechtigte treffen. Solange vom Versicherungsträger nicht festgestellt ist, ob der Gesundheitszustand so weit beeinträchtigt ist, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, kann noch von keinem Leistungsverhältnis, sondern allenfalls von einem „entstehenden Leistungsverhältnis“ (Zeit zwischen der Antragstellung und der Entscheidung über den Leistungsanspruch) gesprochen werden. Untersuchungspflichten im Leistungsverhältnis, aber auch im entstehenden Leistungsverhältnis sind für beide Personengruppen in § 366 iVm § 99 Abs 2 ASVG umfassend geregelt. Dagegen sucht man vergeblich nach einer ähnlichen Grundregel für Behandlungspflichten in den Sozialversicherungsgesetzen.

Dennoch hat der Gesetzgeber in mehreren Gesetzesstellen (ua in den §§ 143a Abs 5, 144 Abs 2 und 197 ASVG) nicht auf Behandlungspflichten verzichten wollen. Daraus aber zu folgern, dass er gleichsam „planwidrig“ auf eine allgemeine gesetzliche Regelung von Behandlungspflichten vergessen hat, wodurch eine über Analogie zu schließende „Rechtslücke“ entstanden ist, ist zu bezweifeln.

Trotzdem haben Lehre und Judikatur Mitwirkungspflichten mit Hilfe von Analogien generiert.* Diese werden zum einen aus einzelnen teleologisch ähnlich gelagerten Tatbeständen des ASVG92 (Rechtsanalogie), zum anderen aus der Schadensminderungspflicht des § 1304 ABGB (Gesetzesanalogie) abgeleitet.*

3.1.
Rechtsanalogie

Zu den analogiefähigen Mitwirkungspflichten werden insb die §§ 88 Abs 1, 99 Abs 1a und Abs 2, 142 Abs 1, 143a Abs 5, 144 Abs 2 iVm 143 Abs 6, 197 Abs 1, 307b* und 366 Abs 2 und 4 ASVG gezählt. Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, Versicherte mittelbar durch Androhung eines Geldleistungsverlustes zu bewegen, das von der SV und damit von der Versichertengemeinschaft zu tragende Risiko so gering wie möglich zu halten.* Daher wird aus der Gesamtheit der oben angeführten gesetzlichen Regelungen eine allgemeine Rechtspflicht zur Mitwirkung an der Besserung des Gesundheitszustandes abgeleitet. Dabei wird übersehen, dass sich in dieser Aufzählung auch Regelungen über Mitwirkungspflichten zu Untersuchungen finden, die an sich ausreichend gesetzlich determiniert sind.

Bei näherer Betrachtung des „Konzepts der Mitverantwortung“ im österreichischen Sozialversicherungsrecht zeigt sich die zentrale Bedeutung des § 88 Abs 1 ASVG (Verwirkung von Leistungsansprüchen) für die Abgrenzung der Risikosphären von Versicherungsgemeinschaft und Versicherten in der SV. Diese Bestimmung schließt den Anspruch auf Geldleistungen aus, wenn Versicherte vorsätzlich den Versicherungsfall durch Selbstbeschädigung herbeiführen oder ihn durch die Verübung einer mit Vorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Leistung veranlasst haben.* Diese allgemeine leistungsrechtliche Bestimmung legt fest, dass der Leistungsanspruch nur dann dem Grund nach nicht zusteht, wenn Versicherten ein schuldhaftes Verhalten am Zustandekommen des Versicherungsfalles zum Vorwurf gemacht werden kann. Hier handelt es sich ihrem Wesen nach aber gar nicht um die Verletzung von Behandlungspflichten, sondern um die originäre Vernichtung des Anspruchs wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten bewirkt hingegen keinen Anspruchsverlust, sondern lediglich einen (partiellen) Leistungsverlust, der so lange dauert, bis die Blockade der Mitwirkung aufgegeben wird. Außerdem verlangen die vorhandenen gesetzlichen Regelungen, dass Leistungsbezieher vorher auf die Folgen der Verweigerung hingewiesen werden. Das wiederum impliziert, dass eine Rechtsanalogie, die einer Leistungsversagung das Wort reden würde, jedenfalls überzogen wäre.

Zu den Behandlungspflichten zählt auch § 144 Abs 2 iVm § 143 Abs 6 ASVG. Nach § 144 Abs 2 ASVG obliegt es Versicherten, sich einer Anstaltspflege zu unterziehen, wenn die Art der Krankheit eine Behandlung oder Pflege erfordert, die bei häuslicher Pflege nicht gewährleistet ist oder wenn das Verhalten oder der Zustand des Erkrankten seine fortgesetzte Beobachtung erfordert. Die Verletzung dieser Pflicht berechtigt den Versicherungsträger, das Krankengeld auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit zur Gänze oder teilweise ruhend zu stellen. Eine solche Verfügung ist auch möglich, wenn der Versicherte einer Ladung zum Kontrollarzt ohne wichtigen Grund nicht Folge leis tet oder Anordnungen des behandelnden Arztes nicht befolgt.

Zu den Behandlungspflichten gehört schließlich auch noch § 197 ASVG im Bereich der UV.* Dazu kommt seit dem 1.1.2014 der Verlust von Rehabilitationsgeld bei Verweigerung und Verzögerung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, aber auch von Anordnungen zur Krankenbehandlung durch das Case-Management (§§ 143a Abs 5 iVm § 99 Abs 2 ASVG und § 99 Abs 1a ASVG). Somit reduziert sich die Zahl der analogiefähigen Tatbestände, die Behandlungspflichten zum Gegenstand haben, auf einige wenige Bestimmungen, die aufgrund ihrer vom Gesetzgeber bewusst „reservierten“ Anwendungsfelder für eine Lückenfüllung untauglich sind. Sichtbar wird diese Problematik vor allem in der KV, wo der OGH wiederholt deutlich gemacht hat, dass im Interesse der Versicherungsgemeinschaft umfassende Mitwirkungspflichten (zB zum Alkoholentzug) bestehen.* Betrachtet man jedoch die einschlägigen krankenversicherungsrechtlichen Regelungen (§§ 144 Abs 2 und 143 Abs 6 ASVG), sind aufgrund der klaren Regelungsabsicht erhebliche Zweifel angebracht, ob dem Gesetzgeber wirklich so einfach unterstellt werden kann, auf eine Regelung darüber hinausgehender Mitwirkungspflichten vergessen zu haben.

3.2.
Gesetzesanalogie: Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB

Die für den Bereich des Sozialversicherungsrechts bestehenden Mitwirkungspflichten zu medizinischen Behandlungen werden von Lehre und Rsp aus der zivilrechtlichen Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB abgeleitet.* Nach dieser Bestimmung ist einem Geschädigten der Schadenersatz des Schädigers soweit zu verwehren, als er nach Möglichkeit in der Lage war, den Schaden durch entsprechende Mitwirkung so gering wie möglich zu halten.* Der OGH wendet die zivilrechtlichen Kriterien der Schadensminderungspflicht nach § 1304 ABGB auch93 auf Mitwirkungspflichten in der SV an. Ebenso wie eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht zum Verlust oder zur Kürzung des Anspruchs auf Schadenersatz im Zivilrecht führt, ist auch im Bereich der SV nur eine schuldhafte Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten für den Fortbestand der Leistung von Bedeutung.

Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass das Verhältnis zwischen Versicherten und dem Versicherungsträger in der SV ein grundsätzlich anderes als zwischen Schädigern und Geschädigten im Schadenersatzrecht ist. Es gründet nicht auf Verschulden,* sondern auf sozialem Versicherungsschutz, sowie – im Unterschied zur Minderung des Schadens im Privatrecht – auf dem Grundsatz des Alles-oder-Nichts-Prinzips. Zudem spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber jene Fälle, in denen Verschulden in der SV leistungsrelevant ist, erschöpfend geregelt hat und § 1304 ABGB deshalb nicht analogietauglich ist. Umso bedenklicher ist es daher, dass Lehre und Judikatur in diesem Zusammenhang immer öfter vom „allgemeinen Grundsatz“ sprechen, dass eine versicherte Person die Interessen des Versicherungsträgers und damit der Versicherten in ihm zumutbarer Weise zu wahren hat,* will sie keine Ansprüche verlieren. Anscheinend wird die Schadensminderungspflicht als natürlicher Rechtsgrundsatz iSd § 7 letzter Satz ABGB begriffen, was aber nicht zulässig ist, weil die Schadensminderungspflicht nicht zu den „allgemeinsten Wertprinzipien“ der Rechtsordnung zu zählen ist.* Schließlich passt § 1304 ABGB systematisch insofern nicht in die SV, als es sich gar nicht um einen Anwendungsfall der Schadensminderungspflicht handeln kann, weil diese bekanntlich den Geschädigten trifft, die Mitwirkungspflicht aber den Versicherten. Zwar ist es richtig, dass die SV durch ihr Verlangen nach Mitwirkung den Schaden für sich mindert, der Versicherte selbst kommt aber dadurch nicht in den Genuss eines geringeren Schadenersatzes, sondern verliert möglicherweise seine Leistung.

3.3.
Ergebnis der Analyse

Beide „Analogieoptionen“ zur Begründung von Mitwirkungspflichten sind daher alles andere als zwingend. Das soll aber nicht heißen, dass es in Zukunft in der SV überhaupt keine Behandlungspflichten außer jenen geben kann, die jetzt schon im Gesetz vorgesehen sind. Wie oben dargelegt, kommt die rechtspolitische Rechtfertigung solcher Pflichten auch ohne juristische Analogien aus. Der OGH beruft sich wiederholt auf die §§ 60 bis 65 SGB I, die umfassende Mitwirkungsobliegenheiten im deutschen Sozialrecht (nicht nur in der SV) normieren.* Der Verweis auf deutsche Normen durch österreichische Gerichte zur Begründung von Rechtspflichten im Geltungsbereich der österreichischen Sozialrechtsordnung sowie implizit auf die einschlägige deutsche Judikatur ist freilich (verfassungs-)rechtlich mehr als fragwürdig. Der OGH hält die Grenzen der Zumutbarkeit in jenen Fällen für überschritten, in denen das auch in § 65 SGB I vorgesehen ist.* Wenn der OGH schon allgemeine Mitwirkungspflichten kreiert, so hat er diese tunlichst auf die österreichische und nicht auf die deutsche Rechtslage zu stützen. Bezeichnend ist, dass der OGH willkürlich aus einer Vielzahl von kulturell durchaus vergleichbaren Rechtsordnungen gerade jene ausgesucht hat, die Mitwirkungspflichten aufweist. Daher halten wir es für dringend erforderlich, Mitwirkungspflichten zu legalisieren.*

3.4.
Alternative Begründungen

Mitwirkungspflichten verlangen von Versicherten, sich bestimmten ärztlichen Untersuchungen oder Heilbehandlungen zu unterziehen. Sie könnten als Ausfluss des Grundsatzes von „Treu und Glauben“ gesehen werden,* der es Leistungsempfängern gebietet, die Interessen der SV und der Versicherten angemessen zu schützen.* Dieser Ansatz genießt in Deutschland hohes Ansehen – dort werden Mitwirkungspflichten auch aus dem verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip deduziert* –, in Österreich wird er in jüngeren Entscheidungen des OGH nicht mehr verfolgt. Grundsätzlich ist fraglich, ob es in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis einen solchen aus der Zivilrechtslehre stammenden Grundsatz geben kann.* Dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ wohnt außerdem ein Unrechtsvorwurf („Rechtsmissbrauch“) inne, der jedenfalls im Sozialversicherungsrecht keine Deckung hat.* Erneut sei angemerkt, dass Leistungswerbern nicht unter den Generalverdacht gestellt werden dürfen, ihre Leistungen rechtsmissbräuchlich, also mit dem Vorsatz, die Rechte anderer verletzen zu wollen, beziehen zu wollen.

Ein weiterer Versuch der rechtlichen Begründung von Mitwirkungsobliegenheiten in der SV stützt94 sich auf die „objektive Besserungsfähigkeit“ des Gesundheitszustandes. Ausgangspunkt ist die These, dass bei allen Leistungen in der SV darauf Bedacht zu nehmen ist, ob eine Besserungsfähigkeit durch Mitwirkung möglich ist. Ganz augenfällig wird das bei einem Antrag auf eine Invaliditätspension, wo der Versicherungsfall zwar eingetreten ist, aber unter Berücksichtigung der potenziellen Besserungsfähigkeit noch die Möglichkeit besteht, durch eine entsprechende Behandlung den bereits herabgesunkenen Gesundheitszustand wieder so weit zu bessern, dass am Ende keine Invalidität mehr vorliegt. Wo sozusagen vorweg ein Besserungspotenzial besteht, ist schlicht die Leistung zu versagen. Die Judikatur verlangt allerdings für das Zustandekommen von Mitwirkungsobliegenheiten ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers. Der Versicherungsträger muss überdies eine angemessene Frist zur Überlegung, Vorbereitung und Vornahme der Maßnahme setzen (zumeist handelt es sich um Rehabilitationsgeld, sofern die Invalidität mindestens sechs Monate dauert), zugleich aber – sofern die Mitwirkung nicht ohnehin gleich verweigert wird – zur finanziellen Absicherung für diese Zeit eine Leistung zuzusprechen.

Stellt sich bei der Überprüfung im Kompetenzzentrum heraus, dass die Mitwirkung verweigert wurde, kann die Leistung nach Ansicht des OGH gem § 99 Abs 1 ASVG entzogen werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich in diesen Fällen der Gesundheitszustand eben gerade nicht gebessert hat.* Dennoch bringt der OGH den § 99 Abs 1 ASVG mit der Begründung zur Anwendung, dass zwar die relevante Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten ist, aber durch eine dem Versicherten zumutbare ärztliche Behandlung herbeigeführt hätte werden können. Verweigert der Versicherte die Mitwirkung schuldhaft, müsse dies als ein „neuer Umstand“ zu werten sein, der zu einer Entziehung berechtigt;* der Leistungsanspruch bestehe nämlich ab dem Zeitpunkt nicht mehr, zu dem die Behandlung zu einer Besserung des Gesundheitszustandes geführt hätte.

Der OGH könnte sich beim Rehabilitationsgeld auch auf die Entziehung nach § 143a Abs 2 letzter Satz berufen, der jedoch ausdrücklich nur für den Fall der Verweigerung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation beim Rehabilitationsgeld, also nicht bei einer Dauerleistung, in Frage kommt, und schon deshalb ausscheidet, weil diese Bestimmung auf § 99 ASVG verweist. § 99 ASVG stellt aber darauf ab, dass die Leistungsvoraussetzungen „nicht mehr“ vorhanden sind. In Wahrheit fehlt für die Möglichkeit der Entziehung ein spezieller gesetzlicher Versagenstatbestand.

Müller* geht ebenfalls von der Besserungsfähigkeit aus und schlägt vor, sie bei objektiv besserungsfähigen Krankheiten, die zu einer Leistung der SV führen werden oder schon geführt haben, als Anspruchsvoraussetzung (und zwar gleichsam als integrierender Bestandteil des Versicherungsfalles) zu betrachten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es gar „keiner Konstruktion einer positiven Mitwirkungs- und Duldungspflicht“, sehr wohl aber eine Grenze, „bis zu der eine Heilbehandlung rechtlich zumutbar mitgedacht werden kann“. Dieser Ansatz kommt ohne Mitwirkungspflichten aus, die Grenzen der Zumutbarkeit ergeben sich aus den Grundrechten und sind unter den Gesichtspunkten des Gefährdungsgebotes und der Selbstbestimmung zu beurteilen.*

Müller räumt zwar ein, dass sich seine Analyse im Ergebnis nicht wesentlich von jener des OGH unterscheidet, glaubt aber, von den in erster Linie ideologisch motivierten, juristisch eher fragwürdigen Begründungskonstruktionen abstrahieren zu können. Konsequenterweise müsste die im Kompetenzzentrum festgestellte und vom Versicherungsträger eingeforderte Mitwirkungspflicht zur Ablehnung des Antrages führen, weil aus diesem Blickwinkel die Leistung jedenfalls erst dann gebühren kann, wenn die Mitwirkung tatsächlich erfolgt ist. Dieser Konsequenz hat aber die Judikatur insofern einen Riegel vorgeschoben, als sie es prinzipiell zulässt, dass Leistungen zuerkannt und später, wenn es an der vom Versicherten eingeforderten Mitwirkung fehlt, wieder entzogen werden können.

In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage, ob Leistungen zurückgezahlt werden müssen, wenn der Anspruchswerber oder der Leistungsbezieher trotz Aufforderung des Versicherungsträgers seine Mitwirkungspflicht verletzt hat. Stellt der Versicherte einen Leistungsantrag und wird ihm die Leistung mit der Auflage gewährt, sich bis zum nächsten Termin im Kompetenzzentrum einer Heilbehandlung zu unterziehen, kann ihm nach Ansicht des OGH die Leistung ex nunc entzogen werden, wenn er dieser Aufforderung nicht nachkommt. Auch die Rückforderung der bis dahin bezogenen Leistung nach § 107 ASVG sollte möglich sein, zumal der Leistungsempfänger bei vorheriger Aufklärung erkennen hätte müssen, dass ihm die Leistung ohne seine Mitwirkung eigentlich gar nicht zustand.

4.
Typologie der Störungen des Leistungsverhältnisses: Versagung, Ruhen, Verwirkung und Entziehung von Leistungen

Dem Gesetzgeber ist es bisher nicht gelungen, das Recht der Störungen im Leistungsverhältnis konsistent zu systematisieren.* Folgt man der von der Lehre entwickelten Typologie, fällt die Verletzung von Behandlungspflichten in jene Fallgruppe, in der trotz eines entstandenen Anspruches keine Leistungspflicht des Versicherungsträgers besteht. Sinnvollerweise sollte die Verletzung95 dieser Obliegenheiten zur gänzlichen oder teilweisen, auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit vom Versicherungsträger ausgesprochenen Versagung von Leistungen führen, um sie terminologisch und in den Rechtsfolgen von anderen Formen des Leistungsausschlusses abzugrenzen. Diese Störung sollte vor allem in Abgrenzung zur Entziehung als Versagung der Leistung bezeichnet werden, weil im Unterschied zur Entziehung die Versagung nicht zur Vernichtung des Anspruchs,* sondern zum Leistungsausschluss (teilweise bzw auf Zeit) führt, solange die Mitwirkung verweigert wird.* So sieht § 143 Abs 6 Z 3 ASVG ein Versagen der Leistung vor, wenn beispielsweise der Versicherte eine Anordnung des behandelnden Arztes verletzt. Von der Versagung unterscheidet sich die Verwirkung dadurch, dass der Leistungsanspruch überhaupt nicht entsteht (siehe § 88 ASVG), vom Ruhen dadurch, dass zwar ein Anspruch entstanden ist, aber wegen des vorübergehenden Wegfalls des sozialen Sicherungsbedürfnisses sistiert wird (siehe zB §§ 89, 90 ASVG).

Hält man sich an diese Typologie, ist beispielsweise § 99 Abs 2 ASVG (oder eben auch § 143 Abs 6 Z 1 ASVG) nicht der Entziehung, sondern materiell der Versagung von Leistungen zuzuordnen.* Der Leistungsausschluss tritt in diesen Fällen nicht ex lege (wie bei der Verwirkung) ein, sondern bedarf einer entsprechenden Verfügung des Versicherungsträgers. Es bleibt zu hoffen, dass diese Überlegungen auch im Gesetz ihren Niederschlag finden. Es wäre wünschenswert, die Rechtsfolgen von verletzten Mitwirkungsobliegenheiten einheitlich unter dem Titel „Versagung von Leistungen“ zu regeln.

5.
Duldung ärztlicher Untersuchungen zur Feststellung der Leistungsberechtigung (Untersuchungspflicht)

§ 366 Abs 1 ASVG verpflichtet Anspruchswerber und Anspruchsberechtigte, sich einer ärztlichen Untersuchung oder Beobachtung in einer Krankenanstalt zu unterziehen, die der Versicherungsträger anordnet, um das Vorliegen und den Grad von gesundheitlichen Schädigungen festzustellen, die Voraussetzung für den Anspruch auf eine Leistung sind. Er bezieht sich ausdrücklich nur auf Untersuchungen, nicht auch auf Heilbehandlungen. Das bedeutet, dass es in § 366 Abs 1 ASVG zumindest für Untersuchungs-Duldungspflichten, also für den Anspruch und für das Fortbestehen einer Leistung erforderliche Untersuchung beim Versicherungsträger bereits eine im Wesentlichen ausreichende gesetzliche Grundlage gibt.

§ 366 Abs 1 ASVG* stellt eine verfahrensrechtliche Verpflichtung dar, die für Leistungen aus allen Versicherungszweigen gilt. Für den Fall der Verweigerung der Mitwirkung (insb zur ärztlichen Begutachtung) sieht § 366 Abs 2 ASVG nur mittelbare Beugemaßnahmen vor, die iVm § 99 Abs 2 ASVG zum Leistungsausschluss führen können.* Kann aber auf Grund der Verweigerung die für den Anspruch bzw die Leistung maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigung nicht nachgewiesen werden, ist davon auszugehen, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.* Wird demnach einer Anordnung, sich einer ärztlichen Untersuchung oder einer Beobachtung zu unterziehen, nicht entsprochen, so kann der Versicherungsträger der Entscheidung über den Leistungsanspruch den bis dahin festgestellten Sachverhalt (ohne Untersuchung) zugrunde legen. Dies darf jedoch nur dann geschehen, wenn die Anordnung unter Androhung der Säumnisfolgen und mit Setzung einer angemessenen Frist vorgenommen wird.* Der Versicherungsträger kann zwar auch weiterhin versuchen, den Sachverhalt zu klären, muss sich aber, wenn er das unterlässt, nicht vorwerfen lassen, falsch ermittelt zu haben.

In diesem Prozess kann das Ermittlungsverfahren bei Verweigerung von Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Bei Anspruchswerbern kommt entweder die Zuerkennung oder die Abweisung des Antrags in Betracht, je nachdem, ob die durchgeführten Sachverhaltsfeststellungen ergeben, dass der Versicherungsfall eingetreten ist oder nicht. Für Leistungsberechtigte kann der Versicherungsträger die Leistung nach § 99 Abs 2 ASVG entziehen. Sie kann auf Zeit ganz oder zum Teil entzogen werden, wenn sich der Anspruchsberechtigte nach Hinweis auf diese Folge einer Nachuntersuchung oder Beobachtung entzieht. § 99 Abs 2 ASVG liegt ein bedingter Leistungsanspruch (arg: ganz oder teilweise, auf Zeit) zugrunde, was eher auf eine partielle Leistungsversagung als auf eine völlige Anspruchsvernichtung hinweist.

Die Pflicht zur Duldung einer Untersuchung entfällt, wenn Versicherten kein Verschulden vorwerfbar* ist und ihnen die Untersuchung nicht zugemutet werden kann. Die Grenze des Zumutbaren wird überschritten, wenn die zur Anwendung kommende Untersuchungsmethode nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft für Versicherte nicht gefahrlos ist, die Gesundheit beeinträchtigt ist und als Eingriff in den Bestand oder die Unversehrtheit des Körpers mit wesentlichen Schmerzen verbunden ist.* Ohne Aufforderung durch den Versicherungsträger kann keine Verletzung von Untersuchungspflichten vorliegen.96

6.
Mitwirkung an Heilbehandlungen (Behandlungspflicht)

Von der Mitwirkung an ärztlichen Untersuchungen ist die Duldung von medizinischen Therapien und vorgelagerten diagnostischen Maßnahmen zu unterscheiden. Auch wenn die Minderung der Arbeitsfähigkeit bereits eingetreten ist, muss dies kein bleibender Zustand sein, sondern einer, der durch Mitwirkung des Leistungsbeziehers geheilt oder wenigstens gebessert werden kann. Behandlungsobliegenheiten dürfen aus grundrechtlichen Erwägungen nicht auf Zwangsmaßnahmen, sondern auf die Erzeugung von Druck (positiver formuliert: von Anreizen) auf Leistungsbezieher gerichtet sein, um von sich aus die Behandlung vorzunehmen, widrigenfalls die Leistung durch Versagung verloren ginge.

Zum Teil aus der Grundrechtsjudikatur, zum Teil auch aus rechtspolitischen Erwägungen und mit Bezug auf die deutsche Rechtslage wurde vom Höchstgericht eine Spruchpraxis entwickelt, die zwar Behandlungs-Duldungspflichten anerkennt, dies allerdings nicht unbegrenzt, sondern innerhalb der Zumutbarkeitsgrenzen.* Um die Effizienz des Verwaltungshandelns zu erhöhen, könnte auf allfällige Behandlungspflichten nicht erst vor dem Sozialgericht, sondern von den Pensionsversicherungsträgern bereits im Anstaltsverfahren Bedacht genommen werden. In dieser Logik wären die Versicherungsträger schon in einem neuen § 366 Abs 4 Z 5 ASVG zu verpflichten, sich zu allfälligen Mitwirkungspflichten zu äußern. Unter diesem Blickwinkel würde sich allerdings auch der Adressatenkreis der Mitwirkungspflicht verändern. Adressaten wären nicht mehr nur die Versicherten, sondern auch die Träger, die derzeit nicht in allen Fällen zur Entziehung (Versagung) der Leistung verpflichtet sind, sondern zum Teil auch nach Ermessen vorgehen dürfen. Ermessensmöglichkeiten erleichtern eine flexible Administration von Mitwirkungsverletzungen.

Im Hinblick auf eine gesetzliche Fundierung von allgemeinen Mitwirkungspflichten soll im Folgenden auf die von der Judikatur entwickelten Grundsätze der Zumutbarkeit der Mitwirkung und der Aufforderung des Versicherungsträgers zur Mitwirkung eingegangen werden.

7.
Grenzen der Zumutbarkeit von Mitwirkungspflichten

Der OGH hat ausführlich die Kriterien dargelegt,* nach denen im Einzelfall im Rahmen einer Interessenabwägung* zu beurteilen ist, ob ein Eingriff zur Verbesserung des Gesundheitszustandes (im besten Fall zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit) zumutbar, verhältnismäßig und zweckmäßig ist und mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass eine Aussicht auf Erfolg besteht,* sodass die Behandlung zu einer finanziellen Entlastung der SV führt. Zur Beurteilung dieser Kriterien ist medizinische Expertise state of the art erforderlich.*

Bezüglich der Zumutbarkeit der Behandlung werden die objektive und die subjektive Seite der Zumutbarkeit unterschieden. Zu den objektiven Zumutbarkeitskriterien zählen die Heilbehandlung selbst (Gefährlichkeit, Dauer, Schwere des Eingriffs, Schmerzen) und die persönlichen Verhältnisse des Versicherten, während es sich bei den subjektiven Kriterien um persönliche körperliche und psychische Eigenschaften handelt.*

Hinsichtlich der Gefährlichkeit wird die Zumutbarkeit bejaht, wenn für die Maßnahme nach dem Stand der ärztlichen Wissenschaft im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist auch das Fehlen von beträchtlichen und dauerhaften Schmerzen von Bedeutung.* Die Heilbehandlung muss eine angemessene Aussicht auf Erfolg haben oder in einer sinnvollen Relation zum Erfolg stehen.* Die früher von der Judikatur vertretene Auffassung,* wonach mit Sicherheit eine beträchtliche Besserung der Leistungsfähigkeit durch die Behandlung zu erwarten sein muss, um eine völlige Wiederherstellung oder wenigstens eine erhebliche Steigerung der Erwerbsfähigkeit zu erzielen, wurde revidiert, weil es eine „sichere Aussicht“ auf Heilung oder Besserung nicht geben kann. Somit wurde die Anforderung an den Behandlungserfolg auf eine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ bzw auf eine „angemessene Aussicht“ auf Heilung beschränkt.*

Wie auch nach § 65 Abs 1 Z 1 SGB I sollte die Verhältnismäßigkeit* (Adäquanz, in Deutschland auch: Äquivalenz) der Mitwirkung geprüft werden,* wonach das Ausmaß der Mitwirkung in einem (auch finanziell) angemessenen Verhältnis zur begehrten Leistung stehen muss.* Je geringer der Leistungsumfang, desto geringer sind auch die Anforderungen, an den Maßnahmen mitzuwirken, deren Aufwand nicht „gleichwertig“ mit97 der begehrten Leistung ist.* Je gravierender der durch die in Frage stehende Heilbehandlung oder Operation bedingte Eingriff ist, umso mehr muss das Recht des Versicherten auf körperliche Integrität in den Vordergrund treten und die Duldung von Eingriffen beschränken.*

Auch die voraussichtliche Dauer eines allfälligen Krankenhausaufenthaltes, die Gefahr einer Verschlechterung des Zustandes infolge der Operation und die Erforderlichkeit einer Nachbehandlung sind relevant.* Als besondere Verweigerungsgründe kommen körperliche und seelische Eigenschaften des Versicherten und eine allfällige Verminderung der Willenskraft in Frage. Besonders zu berücksichtigen sind die Familienverhältnisse,* darüber hinaus auch die sonstigen Lebensumstände, insb der Beruf. Auch das Lebensalter des Versicherten spielt für die Beurteilung der Zumutbarkeit eine wichtige Rolle,* weil mit steigendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Komplikationen wie auch die Dauer der Rekonvaleszenz zunimmt.* Auf die persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kommt es hingegen nicht an.*

Die geforderte Behandlung muss zweckmäßig sein.* Das setzt voraus, dass die Behandlung nicht übermäßig sein darf (Übermaßgebot)* und eine objektive medizinische Risikominimierungsprognose (Erfolgsaussicht) vorliegt.* Die Pflicht zur Mitwirkung kann nur dann gefordert werden, wenn auch die Chance besteht, dass durch die eingeleitete Maßnahme das von der Versichertengemeinschaft zu tragende Risiko vermindert wird. Generell gilt, dass ein Versicherter seine Mitwirkungspflichten solange nicht verletzen kann, als er sich einer ärztlichen Behandlung unterzieht und die vom Versicherungsträger angeordnete Therapie durchführt, wobei er auf deren aus ärztlicher Sicht festgestellten Zweckmäßigkeit vertrauen darf.*

Alles in allem ergibt der Überblick über die in der Judikatur zur Anwendung kommenden Zumutbarkeitskriterien eine durchaus taugliche Grundlage für eine gesetzliche Regelung. Die Detailprobleme der Zumutbarkeit können hier nicht behandelt werden.

8.
Aufforderungspflicht des Versicherungsträgers zur Mitwirkung

Schon früh wurde die Frage aufgeworfen,* ob und gegebenenfalls ab wann Versicherte rechtlich verpflichtet sind, sich zu bemühen, ihren Gesundheitszustand zu bessern und nach Möglichkeit ihre Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen. Es setzte sich die Auffassung durch, dass die Pflicht zur Heilbehandlung mit dem entsprechenden Verlangen des Versicherungsträgers entsteht. Versicherte müssen auch nicht nach anderen, möglicherweise zweckmäßigeren Behandlungsmethoden suchen oder andere Fachärzte konsultieren, zumal freie Arztwahl herrscht.* Dabei verweist die Judikatur auf § 63 SGB I, der das Verlangen des Leistungsträgers ausdrücklich als konstitutives Element der Mitwirkungspflicht nennt. Das wird regelmäßig auch aus den §§ 366, 197 und 144 Abs 2 ASVG erschlossen. Im Ergebnis ist dieser Ansicht des OGH zuzustimmen.*

Folgt man dieser Ansicht, hat der Versicherte bis zur Aufforderung durch den Versicherungsträger de iure keine Kenntnis von der Verpflichtung zur Mitwirkung, wodurch er auch keine Sanktionen vor Eintritt des Versicherungsfalles (Krankheit, Invalidität) befürchten muss. Das Verlangen kann sowohl im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch während des gerichtlichen Verfahrens gestellt werden.* Aus diesem ausreichend bestimmten schriftlichen Verlangen muss überdies hervorgehen, dass Missachtung zum Leistungsverlust führt.* Eine Überlegungsfrist zur Vornahme der Heilbehandlung von vier Wochen wird vom OGH für angemessen betrachtet (bezogen auf die Umstände des Einzelfalles wird diese Frist wohl auch länger sein können).*

Allerdings ist der OGH diesem Grundsatz zuletzt doch wieder untreu geworden. Versicherte sind zwar im Rahmen der Mitwirkungspflicht verhalten, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um wieder arbeiten zu können. Besteht aber das Hindernis nur darin, dass sie sich das hierzu benötigte einfache Hilfsmittel (Brillen mit undurchsichtigem Glas, Blutzuckermessgeräte etc) nicht angeschafft haben, ist nach einer jüngst ergangenen E des OGH* keine Aufforderung zur Mitwirkung mehr erforderlich. In Anbetracht der nicht unerheblichen Rechtsfolgen, die den betroffenen Leistungsbeziehern drohen, ist diese Kehrtwendung sachlich nicht nachvollziehbar.

9.
Mitwirkungspflichten in der medizinischen und beruflichen Rehabilitation

Der vorliegende Aufsatz befasst sich auch mit Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der98 Gewährung medizinischer* und beruflicher Rehabilitation. Nach den §§ 303 bis 307b in der PV und § 198 Abs 2 Z 1 ASVG in der UV gebührt für die Sicherung des Lebensunterhaltes während der Maßnahmen Übergangsgeld.* Das Übergangsgeld kommt jedoch seit dem Inkrafttreten des SRÄG 2012 am 1.1.2014 nur mehr subsidiär zur Anwendung. Das durch diese Novelle eingeführte Rehabilitationsgeld gebührt vorübergehend invaliden (berufsunfähigen) Personen, wenn berufliche Maßnahmen der Rehabilitation weder zweckmäßig noch zumutbar sind. Die Leistung ist mit einer umfassenden Unterstützungspflicht der Krankenkassen im Rahmen des Case-Managements (§ 143b ASVG) verbunden. Während der Durchführung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation wird nach der neuen Rechtslage Umschulungsgeld nach § 39b AlVG gewährt. Mit der Gewährung von medizinischen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen entstehen für Rehabilitanden besondere Mitwirkungsobliegenheiten.

9.1.
Medizinische Rehabilitation

Für den Fall der Vereitelung oder der Verzögerung der im Rahmen des Case-Managements vorgesehenen Abläufe und Maßnahmen (Versorgungsplan) kann der Krankenversicherungsträger nach § 143a Abs 5 ASVG ein Ruhen des Rehabilitationsgeldes auf Dauer oder auf bestimmte Zeit ganz oder teilweise verfügen; zuvor muss er auf diese Rechtsfolge ausdrücklich aufmerksam gemacht haben. Diese Bestimmung regelt nicht nur den Fall, dass die zu rehabilitierende Person während des Rehabilitationsgeldbezuges im Rahmen des Case-Managements der medizinischen Rehabilitation die Mitwirkung vereitelt, sondern umfasst auch die Pflicht, sich in Verbindung mit einem Case-Management einer sonst zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen.

Dem gegenüber sieht § 99 Abs 1a ASVG die vollständige Entziehung des Rehabilitationsgeldes durch den Pensionsversicherungsträger vor, wenn sich Leistungsbezieher nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigern, an ihnen zumutbaren Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation mitzuwirken. In diesem Fall ist dem Versicherungsträger keine Ermessensausübung erlaubt, sondern es ist bei Erfüllung der Voraussetzungen die vollständige Entziehung der Leistung vorgeschrieben. Außerdem betrifft die Sanktion ausschließlich die Verweigerung der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Der Grund für die Herauslösung des § 143a ASVG aus § 99 Abs 1a ASVG besteht darin, dass der das Rehabilitationsgeld vollziehende Krankenversicherungsträger flexibel auf eine temporäre Verweigerung reagieren und erst bei anhaltender Verweigerung (gleichsam auf der „zweiten Eskalationsstufe“) mit einer Entziehung reagieren können soll.* Entziehen sich Versicherte den Maßnahmen der zumutbaren Rehabilitation oder vereiteln bzw verzögern sie diese, ist das Übergangsgeld nach § 307b ASVG zu versagen. Am Gesetz ist einmal mehr die mangelnde Stringenz in der Verwendung von Begriffen wie „Ruhen“ und „Entziehung“ statt von „Versagung“ zu kritisieren. Nach der geltenden Rechtslage bewirkt die Entziehung einer Leistung den Verlust des Anspruchs, dh die Leistung gebührt erst wieder, wenn sie neu beantragt wird.

Beim Ruhen nach § 143a Abs 5 ASVG ist auch die „finanzielle Zumutbarkeit“ zu beachten,* weil für die Psychotherapie, die in der KV der Krankenbehandlung gleichgestellt ist, eine relativ hohe Kostenbeteiligung vorgesehen ist, außer die Psychotherapie wird von den Kassen ohnehin über Versorgungsvereine kostenfrei („auf Krankenschein“) zur Verfügung gestellt. Um das zu vermeiden, müsste die Psychotherapie generell als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der PV behandelt werden. Das würde eine entsprechende gesetzliche Klarstellung erfordern.

9.2.
Berufliche Rehabilitation

Für nach dem 1.1.1964 geborene Personen werden nach der neuen Rechtslage die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation nunmehr als Pflichtleistungen des AMS gewährt. Im Bereich des ASVG ist für den Fall einer Verweigerung der Mitwirkung an Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation eine Entziehung des Rehabilitationsgeldes nach § 99 Abs 1a ASVG vorgesehen. § 366 Abs 4 ASVG bezieht sich hingegen auf die Rechtsfolgen mangelnder persönlicher Mitwirkung an der Klärung der Frage, ob berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nach § 303 Abs 4 ASVG zumutbar sind und welches Berufsfeld für die versicherte Person in Frage kommt. Können mangels Mitwirkung keine entsprechenden Feststellungen getroffen werden, gilt der Pensionsantrag als bloßer Feststellungsantrag nach den §§ 255a bzw 273a ASVG. Anstelle dieser Konversion könnte bei Verweigerung einer medizinischen Untersuchung de lege ferenda die Heranziehung des § 366 Abs 2 ASVG erwogen* und in dieser Logik der bisher ermittelte Sachverhalt der Entscheidung über den Leistungsanspruch zugrunde gelegt werden.

Während der Umschulungsmaßnahmen gebührt Versicherten das Umschulungsgeld nach § 39b Abs 1 AlVG. IVm dieser Bestimmung geht der Anspruch nach § 10 Abs 1 Z 2 AlVG „verloren“, wenn Versicherte nicht bereit sind, „bei der Auswahl, Planung und Durchführung der Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation aktiv mitzuwirken“. Kommen sie dieser Verpflichtung ohne wichtigen Grund nicht nach, erfüllen sie den Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 3 AlVG, was den vorübergehenden Verlust des Anspruches auf Umschulungsgeld für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der folgenden sechs Wochen (im Wiederholungsfall von acht Wochen) zur Folge hat.99

10.
Schlussfolgerungen

Betrachtet man die österreichische Rechtslage, fällt auf, dass die Sozialversicherungsgesetze an sich ausreichende Bestimmungen zur Duldung von Untersuchungen (Beobachtungen in Krankenanstalten, Nachuntersuchungen) für Anspruchswerber und Leistungsbezieher enthalten (§§ 366 Abs 1, 99 Abs 2 ASVG), und dass zwar gesetzliche Sonderregelungen bestehen, aber allgemeine gesetzliche Regelungen für die Duldung von zumutbaren Heilbehandlungen fehlen. Da es sich um für Versicherte durchaus einschneidende Rechtsfolgen handeln kann, ist zum Schutz des verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzips eine normative Grundlage für Mitwirkungspflichten in der SV geboten. Eine bloß durch die Spruchpraxis des Höchstgerichtes geschaffene Rechtslage reicht aus den genannten Gründen nicht aus.

Gesetzlich neu zu regeln wäre daher insb die Behandlungspflicht in allen Zweigen der SV. Das könnte beispielsweise in einem neuen § 93 ASVG erfolgen. Wer wegen einer Krankheit oder wegen Invalidität (Berufsunfähigkeit) Leistungen aus der SV beantragt hat oder erhält, soll sich nach ausdrücklichem schriftlichen Verlangen des zuständigen Versicherungsträgers und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Verweigerung einer zumutbaren und verhältnismäßigen Heilbehandlung unterziehen, wenn eine angemessene Aussicht auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes besteht und mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Behandlung zu einer finanziellen Entlastung der SV führt. Der Versicherte soll seiner Mitwirkungspflicht innerhalb einer angemessenen vom Versicherungsträger zu setzenden Frist nachkommen. Wird die Mitwirkung schuldhaft verweigert, kann die Leistung auf Zeit ganz oder teilweise bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt werden.

Es sollte kein Unterschied gemacht werden, ob die Leistung bereits bezogen wird oder ob sie originär am Mangel fehlender Mitwirkung leidet. Bei einer Verletzung von Behandlungspflichten sollte in Zukunft von einem „Versagen der Leistung“ gesprochen und alle Versagensfälle mit denselben Rechtsfolgen (vorübergehender Leistungsverlust bis zur Aufgabe der Verweigerung) versehen werden. Bei konsequenter Umsetzung dieser Überlegungen könnte auf eine Reihe von Bestimmungen (zB die §§ 143a Abs 5 und 99 Abs 1a ASVG) verzichtet werden. Unverzichtbar sind indes ein entsprechendes Verlangen des zuständigen Versicherungsträgers und eine angemessene Fristsetzung für die Mitwirkungshandlung. Außerdem muss konstitutiv auf die Folgen einer Verzögerung oder Vereitelung der geforderten Mitwirkung hingewiesen werden. Mit Auslaufen der Frist ist die Leistung zu versagen. Solange die Mitwirkung schuldhaft verweigert wird, sollte der Versicherungsträger iSd § 143a Abs 5 ASVG einen Ermessensspielraum für das zu versagende Leistungsausmaß haben. Vorwerfbar soll die Verweigerung der Mitwirkung in Anlehnung an § 366 Abs 2 letzter Satz ASVG jedenfalls dann nicht sein, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass die betroffene Person durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis unverschuldet verhindert war, der Anordnung des Versicherungsträgers fristgerecht nachzukommen.

Außerdem sollten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit ihrem Wesen nach konkretisiert werden. Naheliegend wäre es, zu diesem Zweck vorher die diesbezügliche Spruchpraxis des OGH unter Einbeziehung einschlägiger deutscher Judikatur zu analysieren und darauf aufbauend das Mitwirkungsrecht in der SV zu normieren. Im Mittelpunkt sollte dabei eine inhaltliche Bewertung der von der Judikatur entwickelten Zumutbarkeitskriterien stehen.100