Ende der Betriebsratsfunktionsperiode durch Vergleich über Wahlanfechtung? – Ein Beitrag zur möglichen Lückenhaftigkeit des § 62 ArbVG*

THOMASMATHY/BARBARATROST (LINZ)
Ausgangspunkt für die vorliegende Abhandlung ist die jüngste E des OGH zur vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR, deren Kernaussagen sich, wie folgt, zusammenfassen lassen:
  • § 62* enthält eine taxative Aufzählung der Tatbestände, die eine vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode bewirken;

  • offenbar aus diesem Grund prüft der OGH nicht das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit, und lässt daher einen Analogieschluss nicht zu;

  • von § 62 Z 5 (Ungültigerklärung der Betriebsratswahl) wird ein gerichtlicher Vergleich nicht erfasst, sodass ein solcher die Funktionsperiode nicht vorzeitig beendet.

Die nachfolgende Betrachtung widmet sich den drei grundsätzlichen Problemen, die dieser E zugrunde liegen: Der Unterscheidung in demonstrative und taxative Aufzählungen an sich; der vermeintlich taxativen Aufzählung der Beendigungstatbestände des § 62 und deren Folgen; sowie schließlich der Frage, ob eine Beendigung der Funktionsperiode auch durch gerichtlichen Vergleich eintreten kann.
  1. Taxative Aufzählung – was ist das?

  2. Lückenhaftigkeit des § 62? – Dargestellt am Beispiel des nachträglichen Unterschreitens der Mindestbelegschaftsstärke

    1. Von den Betriebsrätegesetzen zum ArbVG

    2. Der Übergang zum ArbVG

    3. Meinungsstand in Judikatur und Schrifttum

    4. Zwischenergebnis

  3. Gerichtlicher Vergleich als Beendigungstatbestand?

    1. Allgemeines

    2. Der gerichtliche Vergleich im ASGG

    3. Die Dispositionsbefugnis

      1. Der Anfechtungsberechtigte

      2. Der Betriebsrat

  4. Zusammenfassung

1.
Taxative Aufzählung – was ist das?

Getreu eines in Lehre und Rsp mittlerweile mit großer Gleichförmigkeit mehrheitlich wiedergegebenen Bekenntnisses*) behauptet der OGH auch in der Begründung zur vorliegenden E den taxativen381Charakter der Aufzählung in § 62. Diese Auffassung hat erst in jüngerer Zeit Fuß gefasst, wohingegen die ältere Lehre in weitem Umfang von einer demonstrativen Aufzählung ausgegangen ist.*

Wäre das Ergebnis im vorliegenden Fall ein anderes gewesen, hätte man angenommen, die Aufzählung der Beendigungstatbestände in § 62 sei eine demonstrative? Wohl nicht, denn die Ergänzung einer Liste demonstrativ aufgezählter Tatbestände bedarf nach einhelliger Meinung einer Zugrundelegung des Zwecks der Regelung, und es hat die Ergänzung in enger Anlehnung an die demonstrativ aufgelisteten Tatbestände zu erfolgen.* So wird für demonstrative Aufzählungen festgehalten, es sei eine Ergänzung nach Maßgabe der methodologisch anerkannten Schlussverfahren (Größenschluss, Ähnlichkeitsschluss, etc) angemessen.* Umgekehrt kann bei Fehlen eines Tatbestandsmerkmales nicht unter Berufung auf den „bloß“ demonstrativen Charakter der Aufzählung ein zusätzlicher (abgeschwächter) Tatbestand ergänzt werden. Es gilt daher, den Zweck der Norm zu ermitteln und im Rahmen dieses Zwecks dann eine Ergänzung vorzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Gesetzgeber, hätte er die nötige Voraussicht walten lassen, diesen Tatbestand ausdrücklich in den Katalog aufgenommen hätte. Faktisch ergibt sich damit, dass für die zulässige Ergänzung einer demonstrativen Aufzählung genau jene Voraussetzungen gelten, welche auch einer Lückenschließung durch Analogie zugrunde liegen.

Stellt man der demonstrativen Aufzählung die taxative gegenüber, so ergibt sich ein eigentümliches Bild: Zwar wird zunächst behauptet, die taxative Aufzählung unterscheide sich von der demonstrativen dadurch, dass „andere Tatbestände im Zweifel nicht die an die aufgezählten geknüpfte Rechtsfolge nach sich ziehen“,* doch erkennen hL und Rsp mittlerweile mit Recht, dass auch die taxative Aufzählung nicht per se die Annahme einer Lücke und mithin die Möglichkeit einer Analogie ausschließt.*

HIER
Da somit die Ergänzung einer Aufzählung, unabhängig davon, ob sie nun demonstrativ oder taxativ ist, die Durchführung der gleichen methodologischen Schlussverfahren verlangt, um eine planwidrige Unvollständigkeit festzustellen und zu beseitigen, sind die Unterschiede zwischen beispielhafter und abschließender Aufzählung – jedenfalls was die Rechtsfolgen betrifft – unsichtbar geworden.

In der Tat ist lediglich nach der Genesis der genannten Aufzählungsvarianten ein Unterschied zu orten: Während bei der taxativen Aufzählung der Gesetzgeber die Einschätzung kundtut, man sei überzeugt, hiermit alles geregelt zu haben, erklärt der Gesetzgeber mit demonstrativen Aufzählungen, man habe sich zwar Mühe gegeben, das Wesentliche zu erfassen, maße sich aber nicht an, zu behaupten, man habe tatsächlich alle Eventualitäten erfasst. Während also bei taxativen Aufzählungen dennoch vorhandene Lücken entweder gewollt oder planwidrig sind, bringt der Gesetzgeber mit demonstrativen Aufzählungen zum Ausdruck, dass man bewusst in Kauf genommen habe, etwas Wesentliches übersehen zu haben.*

Hätte man jemals diesen Unterschied als überaus wesentlich betrachtet, hätte sich eine faktische Angleichung der Rechtsfolgen verboten. Geht man aber mit der hA von einer solchen aus, erhebt sich zwangsläufig die Frage, welcher Zweck einer Unterscheidung in demonstrative und taxative Aufzählungen noch verbleibt. In Anbetracht der oben dargelegten zutreffenden hA, wonach taxative Aufzählungen lückenhaft sein können und gemäß dem Telos der Norm einer Analogie zugänglich sind, und der ebenfalls hA, wonach umgekehrt bei demonstrativen Aufzählungen nicht nach Belieben, sondern nur gemäß dem Telos der Norm ergänzt werden dürfe, erübrigt sich daher mittlerweile diese begriffliche und typologische Unterscheidung. Vor dem Hintergrund der zahlreichen nachgewiesenen Fälle, in denen eine taxative Aufzählung einer analogen Erweiterung bedarf (zB § 105 Abs 3 Z 1,*) § 82 GewO 1859,* § 15a Abs 8 BAG,* § 6 IESG,* § 9 AngG, § 1156 ABGB*), scheint selbst die von der hA angenommene Zweifelsregel wenig überzeugend. Stattdessen ist uE wie allgemein für die Frage, ob ein Analogieschluss oder ein Schluss e contrario geboten ist, auf das „relative Gewicht der jeweiligen Argumente im Einzelfall“ abzustellen,* sofern nicht – wie bspw im Strafrecht (nulla poena sine lege) – besondere Auslegungsregeln gelten. Dies findet im Übrigen auch in zahlreichen Entscheidungen des OGH Deckung, in denen der abschließende Charakter eines Rechtssatzes im Zweifel nicht vermutet382wird, sondern vielmehr gefordert wird, dass dieser besonders erwiesen wird.*

Was aber bedeutet dies im Kontext der gegenständlichen E? Eine Aufzählung einzelner Tatbestände, wie eben jene in § 62, kann jedenfalls lückenhaft sein, uzw gleichgültig, ob man sie von vornherein als demonstrativ oder – wie der OGH und die dort zitierten Meinungen – als taxativ begreift, oder ob man – wie hier – den begrifflichen und typologischen Unterschied zwischen demonstrativer und taxativer Aufzählung überhaupt negiert. Es ist also unabhängig vom konkreten Sachverhalt zunächst zu fragen, ob die Aufzählung in § 62 unvollständig ist.*

2.
Lückenhaftigkeit des § 62? – Dargestellt am Beispiel des nachträglichen Unterschreitens der Mindestbelegschaftsstärke

Ob die Aufzählung des § 62 lückenhaft ist, wurde bislang zumeist anhand zweier Thematiken diskutiert, nämlich einerseits der Frage, ob das dauernde Absinken der AN-Zahl* unter 5 in analoger Anwendung des § 62 zu einem vorzeitigen Ende der Funktionsperiode führen müsse, und andererseits jener, ob mit festgestelltem Nichtbestehen eines Betriebs (§ 34 Abs 2)* die Funktionsperiode endet. Eine Auseinandersetzung mit dem Fall des festgestellten Nichtbestehens eines Betriebs muss hier aus Gründen des Umfangs ausgespart werden. Die dogmatische Durchdringung dieser grundsätzlichen Problematik erweist sich indes als notwendig, zumal der OGH die gesamte Begründung zur gegenständlichen E gestützt auf die nunmehr hL auf der (nicht mehr näher geprüften) Prämisse aufbaut, der (angeblich) taxative Charakter des § 62 schließe eine Erweiterung aus.

2.1.
Von den Betriebsrätegesetzen zum ArbVG

Das BRG 1919 sah in § 7 Abs 1 eine nur einjährige Tätigkeitsdauer des BR vor. Eine Aufzählung vorzeitiger Endigungsgründe war dem BRG 1919 noch fremd. Lediglich aus den Tatbeständen, die den Wahlvorstand zur (unverzüglichen) Ausschreibung einer Neuwahl verpflichtet haben, lassen sich Rückschlüsse auf die Umstände ziehen, die zu einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer geführt haben.* Dabei fällt auf, dass bereits § 17 BR-WO 1928 (BGBl 1928/143) eine Erweiterung (freiwilliger Rücktritt, dauernde Funktionsunfähigkeit) gegenüber § 3 BR-WO 1919 (StGBl 1919/342) und der dazu ergangenen Rsp brachte. Das BRG 1947 erhöht in § 8 Abs 1 die Funktionsperiode zunächst auf zwei, später (BGBl 1965/235) auf drei Jahre. Wohl auch deshalb werden in § 13 Abs 2 BRG 1947 vorzeitige Endigungstatbestände explizit aufgezählt. Die Aufzählung umfasst nur vier Tatbestände: (a) die dauernde Einstellung des Betriebs; (b) das Absinken der Mitgliederzahl unter die Hälfte; (c) den Rücktrittsbeschluss und (d) die Enthebung durch die Betriebsversammlung. Die Materialien geben keinen Aufschluss darüber, ob es Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, die Fälle der vorzeitigen Beendigung abschließend zu regeln.* Sie deuten jedoch eher darauf hin, dass man auf aufgetretene Probleme (freiwilliger Rücktritt) klarstellend reagieren wollte.

Vor diesem Hintergrund erkennen Floretta/Strasser* zu Recht, dass die Regelung nur den Anschein einer taxativen Aufzählung erweckt, jedoch noch weitere Tatbestände ein vorzeitiges Ende der Funktionsperiode bewirken. Dabei wird als wichtigster, in § 13 Abs 2 BRG 1947 nicht enthaltener Beendigungsgrund eine erfolgreiche Wahlanfechtung gem § 9 Abs 8 BRG 1947 genannt. Wenn Floretta/Strasser* als einen weiteren Fall einer möglichen Lücke in § 13 Abs 2 BRG 1947 Auswirkungen der Veränderung der AN-Zahl prüfen, so kann dies nur in systematischer Zusammenschau mit den einwirkenden Normen verstanden werden. Die damalige Rechtslage hat sich wie folgt dargestellt: (a) In Betrieben ab 5 AN waren Organe zu bilden (§ 4 BRG 1947); (b) zwischen (dauernd mindestens) 5 und 19 AN waren die Vertretungsorgane Vertrauensmänner (§ 19 BRG 1947); (c) erst ab dauernd mindestens 20 AN war ein BR zu bilden (§ 7 BRG 1947); (d) betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse einzelner AN, welche auch für Betriebe unterhalb der genannten Mindestbelegschaftsstärke vorgesehen gewesen wären (wie etwa vergleichbar heute § 37 Abs 2), waren im BRG 1947 nicht (!) verankert; und (e) gem § 9 Abs 9 BRG 1947 (idF BGBl 1971/319) war als einziges Beispiel (arginsbesondere“) für eine nichtige Betriebsratswahl eine Wahl in einem Betrieb, in dem nicht dauernd mindestens fünf AN beschäftigt werden, angeführt. Zu letzterem ist anzumerken, dass in der ursprünglichen Fassung des BRG 1947 (BGBl 1947/97) eine Regelung der Nichtigkeit nicht enthalten war.*

Auf dieser gesetzlichen Grundlage befassen sich Floretta/Strasser mit der Frage, ob im Falle des dauernden Absinkens der AN-Zahl eine Veränderung im Bestand des Organs eintreten könne. Diese Frage war an anderer Stelle im Gesetz angesprochen: § 7 Abs 7 letzter Satz BRG 1947 normiert, dass eine Änderung der AN-Zahl auf die Betriebsratsmitgliederzahl während der Funktionsperiode keinen Einfluss hat.* Hierzu erwägen die Kommentatoren, ob es nun einen Unterschied machen383könne, ob sich die Zahl der dauernd im Betrieb beschäftigten AN auf unter 20, jedoch über 5, oder aber noch darunter reduziere.* Im ersten Fall wären nämlich nach der damaligen Rechtslage die Voraussetzungen für eine Betriebsratswahl zwar nicht mehr gegeben gewesen, wohl aber jene für eine Vertrauensmännerwahl gem § 19 BRG 1947. Da sich „an der Geltung des BRG“ dadurch nichts ändere, sei – so Floretta/Strasser* – eine Anwendung des § 7 Abs 7 BRG 1947 einer analogen Anwendung des § 13 Abs 2 BRG 1947 vorzuziehen, mit dem Ergebnis übrigens, dass durch ein solches Absinken auch nicht die Betriebsratsmitglieder zu Vertrauensmännern würden.* Sinkt jedoch die Zahl der dauernd beschäftigten AN unter 5, gerate der Betrieb überhaupt „aus dem Geltungsbereich des BRG“. Es sei die bis dahin bestehende Belegschaftsvertretung „keine mehr im Sinne des BRG“.* Diese Geltungsbereichseinschränkung erschließen die Autoren nicht aus § 1 BRG 1947, sondern eben aus § 19 Abs 1 BRG 1947.* Der Rückschluss, dass das Nichterfüllen der Mindestbelegschaftsstärke zur Nichterfüllung der Geltungsbereichsvoraussetzungen des BRG 1947 führe, ist für dieses Gesetz absolut schlüssig. Es stehen nämlich die Organisation der Belegschaft und die an die Organbildung geknüpften Folgen beim BRG sogar so sehr im Mittelpunkt, dass diese in die Namensgebung des Gesetzes Eingang gefunden haben. Eine Regelung hinsichtlich betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten aller in einem Betrieb agierender Personen ungeachtet der jeweiligen Betriebsgröße war sowohl dem BRG 1919 als auch dem BRG 1947 fremd. Es war daher der Schluss, ein dauerndes Absinken der AN-Zahl unter die Mindestbelegschaftsstärke für die Bildung von Organen führe zur Nichtgeltung des BRG an sich, sachlich begründet, nachvollziehbar und richtig. Die weitere Konsequenz, dass eben in solchen Kleinstbetrieben dennoch durchgeführte Organbildungen nichtig seien, hat der Gesetzgeber ohnehin 1971 in § 9 Abs 9 BRG ausdrücklich dargelegt. Aus dieser Zusammenschau ergab sich aber die weitere logische Folge, dass der Katalog der Beendigungstatbestände in § 13 Abs 2 BRG 1947 diesbezüglich lückenhaft und um den Fall des dauernden Absinkens der Belegschaftsstärke unter 5 zu ergänzen war.

2.2.
Der Übergang zum ArbVG

Dieser Befund wurde von der damals hL auch hinsichtlich der Regelung im ArbVG aufrechterhalten.* Da sich mittlerweile der Gesetzgeber um die damals zum BRG monierten Lücken tlw gekümmert hat, nämlich durch Aufnahme des Tatbestands des § 62 Z 5,* spricht Floretta* nur noch von „einem“ nicht erwähnten Beendigungstatbestand, nämlich jenem des dauerhaften Absinkens der AN-Zahl unter 5. Rückschauend betrachtet, wäre mit einer offeneren Sicht den späteren Entwicklungen mehr gedient gewesen. Die Unvollständigkeit der Aufzählung der vorzeitigen Beendigungsgründe wird ohnehin durch § 62 Z 2 vor Augen geführt: Im Hinblick darauf, was zur dauernden Funktionsunfähigkeit des BR führen kann, wird nur der Fall des Absinkens der Zahl der Betriebsratsmitglieder unter die Hälfte der durch § 50 Abs 1 festgelegten Mitgliederzahl beispielhaft erwähnt. Bereitwillig hat es das Schrifttum übernommen, diesen Endigungstatbestand durch vergleichbare, vom Gesetzgeber nicht bedachte Sachverhaltskonstellationen (zB dauerhaftes Scheitern der Neuwahl eines Vorsitzenden sowie eines Stellvertreters nach Rücktritt der vorherigen Funktionäre*) zu ergänzen. Weiters wurde bereits von Dusak nachgewiesen, dass aus der befristeten Anfechtbarkeit einer unzulässigen Betriebsratswahl unter Umständen Vertretungsdefizite für beträchtliche Teile der Belegschaft eines Betriebs resultieren können,* was vom Gesetzgeber offenkundig ebenso wenig bedacht wurde wie eine Kollision von Betriebsratsgremien;* diese Sachverhaltskonstellationen lassen sich mitunter wohl tatsächlich nur durch eine Erweiterung der Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer in Einklang mit den Grundwertungen des ArbVG bringen. Einen verhängnisvollen Fehler begeht Floretta mit der Übernahme der Argumentation für die Beendigung der Funktionsperiode im Falle des dauernden Absinkens unter die Mindestbelegschaftsstärke aus den früheren Ausführungen zum BRG 1947. Mit diesem Absinken gerate – so Floretta* – der „Betrieb aus dem Geltungsbereich der Betriebsverfassung des ArbVG“. Diese Begründung konnte schon von Beginn an für das ArbVG so nicht mehr aufrechterhalten werden, da nach dem ArbVG zwischen dem Geltungsbereich der Betriebsverfassung an sich (§§ 33-36*) sowie den Grundvoraussetzungen für die Organbildung samt dem damit verbundenen Ausschluss der Bildung einer auf den II. Teil des ArbVG gestützten Betriebsratsorganisation in Kleinstbetrieben (§ 40 Abs 1) zu trennen ist. Zwischen diesen liegt nämlich nunmehr (ua) § 37, dessen Anwendbarkeit – wie sich aus der Genese der Bestimmung ergibt – nicht von einer Mindestanzahl von AN im Betrieb abhängt:*384

Während § 21 BRG 1947 einzelne betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse einzelner AN aufzählte, deren Ausübung durch das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot geschützt war,* hat sich das Verbot in der ursprünglichen Fassung der RV zum ArbVG* bereits ausdrücklich auf sämtliche betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse bezogen. Ein individuelles (betriebsverfassungsrechtliches) Interventionsrecht war in der RV noch nicht enthalten, wenn auch im Stadium der Vorentwürfe zum ME in diese Richtung gehende Regelungen bereits angedacht bzw gefordert wurden.* Die letztendliche Version des § 37, ausgestattet mit drei Absätzen, war schließlich das Ergebnis von Sozialpartnerverhandlungen.* Hierzu ist anzumerken, dass das individuelle Interventionsrecht des § 37 Abs 2 den Ansatz einer Vorgängerregelung in § 24 BRGO 1947 hatte. Allerdings nicht in allen Punkten: Während die VO lediglich die Intervention bei den Betriebsratsmitgliedern (bzw beim BR als Organ, arg S 2) vorgesehen hatte, ist in § 37 Abs 2 die mit konstitutiver Wirkung ausgestattete* Intervention beim BI hinzugekommen. Diese durchaus mit einer wichtigen Bedeutung und Wirkung ausgestattete Norm wurde vom Gesetzgeber im unmittelbaren Anschluss an § 36 platziert! Freilich ist nicht immer zwingend aus dem Platz einer Norm im Gesamtgefüge ein für die Interpretation relevanter Rückschluss zu ziehen. Hat sich aber – wie hier – der Standort der Norm, noch dazu verbunden mit einem gerade in diesem Kontext maßgeblichen Aspekt des Inhalts von der Vorgängerregelung zur nun geltenden Regelung auf so bedeutungsvolle Weise geändert, so verdient dieser Umstand schon nach den Grundregeln der systematisch-logischen Interpretation unbedingt Beachtung. Während nämlich die noch ausschließlich auf die „betriebsverfassungsrechtlichen“ Befugnisse im engsten Sinn bezogene Regelung des § 21 BRG systematisch nach die Regelungen über die Organisation der Belegschaft gesetzt wurde, hat der Gesetzgeber nun den deutlich stärker auf die individuellen Befugnisse bezogenen und um das Interventionsrecht beim BI ergänzten § 37 genau vor die Regelungen über die Organisation gesetzt, insb eben auch vor § 40.

Geht man also davon aus, dass § 37 nicht völlig unbedacht vor § 40 angesiedelt wurde, spricht dies dafür, dass eben genau für die Anwendung des § 37 die Erfüllung der Voraussetzungen des § 40 Abs 1 nicht erforderlich sind. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass es de facto keinen Anwendungsbereich für § 37 außerhalb der Reichweite des § 40 geben könne, weil es ja in dieser Norm um „betriebsverfassungsrechtliche“ Befugnisse des Einzelnen ginge, diese aber wiederum nur nach Bestehen von Organen relevant werden könnten. Dies trifft seit der Schaffung des individuellen, jedoch vom Gesetzgeber als „betriebsverfassungsrechtliches“* eingestuften Interventionsrechtes gem § 37 Abs 2 nicht mehr zu. Die Wahrnehmung dieses Interventionsrechtes – uzw in der Ausgestaltungsvariante „gegenüber dem BI“ – ist losgelöst von jeglicher Organisation möglich – und wohl auch vom Gesetzgeber als konstitutive Befugnis so gewollt.

Wenn also der OGH (auch) in der gegenständlichen E (gestützt durch einen großen Teil der Lehre) argumentiert, der Betrieb falle nicht „aus dem Geltungsbereich der Betriebsverfassung“, nur weil die AN-Zahl unter 5 sinke, so steht dies im Einklang mit den hier gewonnenen Erkenntnissen: Weil eben der Betrieb iSd Betriebsverfassung nicht erst mit fünf dauernd beschäftigten AN beginnt, gibt es auch betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse im Kleinstbetrieb, namentlich solche gem § 37. Nicht in Betracht kommen für den Kleinstbetrieb freilich alle AN-Befugnisse, die mit der Organisation zu tun haben, wohl aber das Interventionsrecht beim BI. Da es sich bei diesem aber (arg insb auch § 37 Abs 3 e contrario) um eine „betriebsverfassungsrechtliche“ Befugnis handelt, gilt für diese auch das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot gem § 37 Abs 1.

Die Erkenntnis, dass § 40 Abs 1 keine Geltungsbereichsregelung für die Betriebsverfassung ist, ändert freilich nichts an der großen Bedeutung dieser Regelung. § 40 Abs 1 regelt nämlich (zweiseitig zwingend) die Voraussetzungen für die Organbildung und schließt damit die Errichtung einer auf den II. Teil des ArbVG gestützten Betriebsratsorganisation in Kleinstbetrieben aus. Zwar hat der Gesetzgeber für gewisse Verletzungen der Organbildungspflicht (zB Bildung eines gemeinsamen BR entgegen § 40 Abs 3) in § 59 Abs 2 bloße Anfechtbarkeit vorgesehen und damit in Kauf genommen, dass die grundsätzlich zweiseitig zwingenden Bestimmungen mangels Anfechtung uU (letztlich sanktionslos) verletzt werden. Daneben hat der Gesetzgeber aber auch den Fall der nichtigen Betriebsratswahl ins Auge gefasst; hierzu war in der Vergangenheit immer schon – wohl durch die Vorgängerregelung des § 9 Abs 9 BRG 1947 (idF BGBl 1971/319) beeinflusst – erkannt worden, dass einer der wenigen wirklich unzweifelhaften Anwendungsfälle für § 60 jener der Betriebsratswahl im Betrieb mit dauernd unter fünf AN, gewesen war. Wenn hierfür argumentiert wurde – und wird –, solche Betriebe fielen „aus dem Geltungsbereich der Betriebsverfassung“,* so kann damit, unter der Geltung des ArbVG die Nichtigkeit dieser Wahlen nicht mehr begründet werden. Das bedeutet uE keinesfalls, dass Betriebs-385ratswahlen in Betrieben mit dauernd unter fünf AN bloß anfechtbar wären! Selbstverständlich ist der Fall der Betriebsratswahl im Kleinstbetrieb nach wie vor der Fall der Nichtigkeit schlechthin.* Dies folgt eben daraus, dass in § 40 Abs 1 der Ausschluss der Errichtung einer auf den II. Teil des ArbVG gestützten Betriebsratsorganisation in Kleinstbetrieben normiert wird. Während daher für geringfügigere Mängel das Tor zur Sanierung durch Abwarten der Anfechtungsfrist offengelassen wurde, bleibt für die mangels Erfüllung der Grundvoraussetzung einer auf den II. Teil des ArbVG gestützten Organbildung das Instrument der Geltendmachung der Nichtigkeit gem § 60. Das bestätigt auch eine historische Analyse: Zwar ist in § 60 das Beispiel aus § 9 Abs 9 BRG 1947 (idF BGBl 1971/319) nicht mehr enthalten und geben die Materialien nicht explizit Auskunft, ob damit dem Einwand von Floretta/Strasser* gegen dieses Beispiel Rechnung getragen werden sollte oder eine Änderung der Rechtslage angestrebt war. Die RV* betont lediglich, es könne in Betrieben, auf welche der Entwurf keine Anwendung finde (zB Verwaltungsstellen), eine unzulässige Wahl nicht durch Nichtanfechtung saniert werden. Wollte man dem Gesetzgeber mit der Wahl dieses Beispiels in den Materialien unterstellen, er habe nun für die Nichtigkeit nur mehr die „Nichtgeltung des Betriebsverfassungsrechts“ und nicht mehr die „Nichtgeltung des Rechts und der Pflicht zur Organbildung“ im Auge gehabt, übersähe man, dass im Stadium der RV die gesamte oben dargelegte Spezifikation des § 37, insb dessen Ergänzung um einen Abs 2, zwar in Diskussion, aber noch nicht im Text gewesen war. Die feine Differenzierung zwischen „Geltungsbereich der Betriebsverfassung“ und „zwingenden Voraussetzungen für die Organbildung“ war daher zur Zeit der RV noch nicht für eine Begründung derselben reif gewesen.

Wird also ein Organ gebildet, obwohl die Voraussetzungen für die Organbildung – sprich: die Mindestbelegschaftsstärke des § 40 Abs 1 – nicht gegeben sind, so ist diese Organbildung unzulässig, verstößt gegen den zweiseitig zwingenden Kern des Betriebsverfassungsrechts.* Wenn wir also hier der dazu bestehenden nahezu einhelligen Meinung beitreten, dass eine solche Wahl der Nichtigkeit anheimfällt, so ausschließlich deshalb, weil eine solche Organbildung außerhalb der gesetzlichen Pflicht, aber auch des Rechts zur Organbildung, somit außerhalb des „Geltungsbereichs der Regelungen über die Organbildung“, erfolgt, nicht aber, weil ein solcher Betrieb nicht in den „Geltungsbereich der Betriebsverfassung“ fiele.

Trotz der dahingehenden einhelligen Meinung hat der VwGH bereits 1987* die Konsequenz hinsichtlich der Beendigung der Betriebsratstätigkeitsdauer bei nachträglichem, dauerhaftem Absinken der AN-Zahl unter 5 nicht gezogen und eine teleologische Ergänzung des § 62 nicht angenommen. Blickt man auch hierzu wieder in die Entwicklungsgeschichte der Norm, so ist für die Interpretation aus der RV* zu § 62 hierfür nichts zu gewinnen. Im Ausschuss* wird § 62 überhaupt nicht erwähnt. Was auf dieser Basis den VwGH dazu bewogen hat, bei grundsätzlicher Anerkennung der Nichtigkeit einer Wahl im Betrieb unter dauernd fünf AN gleichzeitig für den Fall des späteren Absinkens unter diese Grenze nicht eine teleologische Ergänzung des § 62 vorzunehmen, ist teilweise in der Lehre schon früh auf Unverständnis gestoßen, vor allem, weil man so nun auch die Nichtigkeit solcher Wahlen in Frage stellen hätte können.*

2.3.
Meinungsstand in Judikatur und Schrifttum

Blickt man nach der gebotenen Sicht auf die Anfänge auf das Bild, das sich aufgrund der den Auslöser für diese Betrachtungen bildenden E des OGH bietet, so lässt sich dieses, wie folgt, zusammenfassen:

Der OGH verweist auf die früher vertretene Ansicht,* dass die Aufzählung in § 62 eine demonstrative sei, schließt sich sodann seiner später vertretenen Ansicht,* die Aufzählung sei eine taxative, an, und erklärt bestätigend, dies sei mittlerweile auch in der Literatur herrschend. Eine mögliche Lückenhaftigkeit der „taxativen“ Aufzählung ist nicht mehr Thema. Es wäre daher eine Analogie nach dem OGH wohl selbst dann nicht in Frage gekommen, wenn der gegenständliche Sachverhalt danach verlangt hätte. Ausgehend von dem oben gewonnenen Befund, wonach die Unterscheidung in demonstrative und taxative Aufzählungen entbehrlich ist, jedenfalls aber auch eine als taxativ gedachte Aufzählung lückenhaft sein kann und schließlich die gegenständliche Regelung des § 62 schon nach ihrem historischen Werdegang als potentiell lückenhaft nachgewiesen wurde, erhebt sich die Frage, welche neuen Erkenntnisse allenfalls anderes belegen könnten.

Die wesentliche Argumentation der vom OGH für seine Auffassung zitierten Autoren stellt sich so dar:

Kallab* widerlegt zunächst zutreffend die nicht der aktuellen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtslage entsprechende Begründung bei Floretta* ohne dabei freilich auf den Unterschied zwischen Geltungsbereich der Betriebsverfassung und Geltungsbereich von Organisationsrecht und -pflicht einzugehen. Das Argument, mit dem Kallab indes unter Berufung auf eine E des OLG Wien*386nachzuweisen versucht, dass keine planwidrige Lücke vorliegen könne, dass nämlich der Gesetzgeber die Problematik des „Absinkens“ kenne, was sich aus § 63 Z 2 (bei Kallab fälschlicherweise § 62 Z 2) ableiten lässt, weil § 63 (Fortsetzung der Tätigkeitsdauer des BR mittels Beschlusses der Betriebsversammlung) nicht auf eine Mindestanzahl von AN abstellt, trifft jedoch nicht zu. Mit der Bestimmung des § 63 wird der Belegschaft lediglich die Möglichkeit eingeräumt, von der (aufwendigen) Neuwahl eines BR – in deren Rahmen (bei sonstiger Nichtigkeit der Wahl) das Erfordernis des § 40 Abs 1 mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnungen jedenfalls zu beachten wäre – Abstand nehmen zu können und den „alten“ BR mittels Beschlusses wieder zu reaktivieren (arg: „an Stelle von Neuwahlen“);* folglich kann am Erfordernis der Mindest-AN-Zahl im Rahmen des § 63 nicht gezweifelt werden.* Diese Möglichkeit der „Reaktivierung“ des BR besteht also nur dann, wenn auch eine Betriebsratswahl zulässigerweise durchgeführt werden könnte. Damit zeigt sich aber, dass die Mindest-AN-Zahl des § 40 Abs 1 auch während der Funktionsperiode von Bedeutung ist: Die durch eine Einstellung bzw Einschränkung des Betriebs bewirkte vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer ist ja aufgrund der Möglichkeit eines Beschlusses nach § 63 bloß eine auflösend bedingte.* Es wäre nun aber tatsächlich unverständlich, warum für die Fortsetzung der Funktionsperiode eines BR eine Mindest-AN-Zahl gefordert wird, wenn diese nicht auch für das Ende der Funktionsperiode gelten würde.

Radner/Preiss* stellen am Ende ihres Plädoyers für die taxative Aufzählung und gegen das Vorliegen einer Lücke die Frage, warum Schwankungen in der Belegschaft nach § 50 Abs 2 erst bei der nächsten Wahl zu berücksichtigen seien, das Absinken unter 5 aber sofort. Dies lässt sich leicht beantworten: § 50 Abs 2 handelt vom Verhältnis der Belegschaftsstärke zur Mitgliederzahl des Organs und der Frage, ob das eine auf das andere Auswirkungen hätte; demgegenüber bedeutet das dauernde Absinken unter fünf AN ein Ausscheiden aus dem Geltungsbereich der in § 40 Abs 1 gesondert geregelten Organbildungspflicht einschließlich des damit verbundenen Rechtes. Wenn von Radner/Preiss ebenso wie von Pacic* für die These, dass das dauernde Absinken unter fünf AN keinen Endigungsgrund darstelle, vorgebracht wird, dass andernfalls ein Wertungswiderspruch zu § 63 entstehe, da dieser zwar die Fortsetzung der Tätigkeitsdauer des BR für den Fall der Wiederaufnahme eines eingeschränkten sowie eines stillgelegten Betriebs vorsehe, jedoch keine Regelung für das Wiederansteigen der AN-Zahl auf dauernd zumindest 5, führt dies in unzulässiger Weise das zu Begründende in die Begründung ein: Es wird nämlich vorausgesetzt, dass das Wiederansteigen der AN-Zahl nicht unter den Begriff der Wiederaufnahme eines eingeschränkten Betriebs subsumiert werden kann. Man kommt dabei aber wohl nicht umhin festzustellen, dass das dauernde Absinken der AN-Zahl unter 5 viel eher dem Kern des Begriffes „eingeschränkter Betrieb“ entspricht, als der dafür im Schrifttum zitierte § 62 Z 2 – dauernde Funktionsunfähigkeit des BR, welche auch gegeben ist, wenn bloß mehr als die Hälfte der Betriebsratsmitglieder aus dem Betrieb ausscheiden, sich die AN-Zahl innerhalb der Belegschaft aber insgesamt nur marginal verändert. Insofern ist es auch bezeichnend, dass etwa Floretta* das Wiederansteigen der AN-Zahl unproblematisch unter § 63 subsumiert. Wo Radner/Preiss* die OGH-Judikatur und die ihr folgende Lehre referieren, knüpfen auch sie am Betriebsbegriff an und bleiben damit an der Frage des Geltungsbereichs der Betriebsverfassung hängen. Zutreffend führen sie aus, dass der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff nicht an der AN-Zahl hängt, was jedoch für die gegenständliche Frage nicht relevant ist. Die Schwierigkeiten hinsichtlich der Ermittlung des Zeitpunktes, ab dem Befugnisse nicht mehr ausgeübt werden können, die Radner/Preiss* am Ende ihrer Ausführungen vorbringen, treiben die rechtsdogmatische Beurteilung der Problematik nicht voran: Wenn es nämlich allein um den Wert „Rechtssicherheit“ ginge, dürfte es nichtige Betriebsratswahlen überhaupt nicht geben.* Letztlich wird mit diesen primär faktischen Erwägungen die eigentliche rechtskonstruktive Frage übersehen: Die Belegschaft als juristische Teilperson entsteht nur dann, wenn einerseits der Geltungsbereich der Betriebsverfassung sowie andererseits das Erfordernis des § 40 Abs 1 erfüllt ist.* Durch die vorgesehene Organbildung erlangt die Belegschaft ihre volle Handlungsfähigkeit, kann also die ihr durch ihr Entstehen zugeordneten subjektiven Rechte ausüben. Ob nun aber „dauernd mindestens fünf stimmberechtigte (§ 49 Abs 1) Arbeitnehmer“ beschäftigt werden und deshalb die Belegschaft als Rechtsträgerin entstanden ist, ist eine von den Beteiligten im Einzelfall zu lösende Frage. Warum soll nun das, was für das Entstehen der Belegschaft als juristische Person gilt, nicht auch für deren Erlöschen und das damit verbundene Ende ihrer Organe gelten? Grießer* vermeint387die Antwort für eine derartige Unterscheidung in dem Beobachtungszeitraum zu erblicken, der bei der Bildung des BR zur Verfügung stehe, nicht jedoch hinsichtlich des Erlöschens des BR. Dem ist entgegenzuhalten, dass es seit jeher unbestritten ist, dass ein bloß vorübergehendes Absinken der AN-Zahl unter 5 auf den Bestand des BR keinen Einfluss hat. Der Beobachtungszeitraum ist daher im Hinblick auf das Entstehen der Belegschaft und dem damit verbundenen Recht, einen BR zu wählen, der gleiche wie im Hinblick auf das Erlöschen der Belegschaft als juristische Person und dem damit verbundenen Wegfall ihrer Organe. Diese Sichtweise ist auch insofern geboten, als die Frage der Ausübbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse mitunter nicht an das Bestehen eines BR anknüpfen, sondern bloß an das Vorliegen eines betriebsratspflichtigen Betriebes wie dies zB bei § 107 der Fall ist oder wie dies verbreitet auch für die der Mitbestimmung des § 96 unterworfenen Tatbestände vertreten wird.* In Kleinstbetrieben, die sich an der Grenze des § 40 Abs 1 bewegen und in denen ein BR nicht bzw nicht wirksam errichtet wurde, obliegt es also unzweifelhaft dem Rechtsanwender in jedem Einzelfall festzustellen, ob ein betriebsratspflichtiger Betrieb vorliegt oder nicht vorliegt. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch § 62b Abs 1 Satz 3: Die Beibehaltung des Zuständigkeitsbereichs des bisherigen BR für verselbstständigte Betriebsteile kommt nicht zur Anwendung, „wenn in einem verselbstständigten Betriebsteil ein Betriebsrat nicht zu errichten ist“. Da in einem Betrieb, in dem dauernd weniger als fünf AN beschäftigt werden, kein BR zu errichten ist, scheiden solche Betriebsteile durch eine rechtliche Verselbstständigung aus dem Zuständigkeitsbereich des BR aus.* Das Problem der Feststellung, ob die Mindestbelegschaftsstärke gem § 40 Abs 1 erreicht wird, ist jedoch bei der rechtlichen Verselbstständigung von Betriebsteilen das Gleiche wie bei einem „normalen“ dauernden Absinken der AN-Zahl. Es lässt dies den Schluss darauf zu, dass der Gesetzgeber allfällige Unsicherheiten, die sich aus dem Vorliegen der Mindestbelegschaftsstärke des § 40 Abs 1 ergeben, dem Rechtsanwender zumutet.

Pacic* widmet sich methodisch der Frage nach dem Vorliegen einer taxativen Aufzählung und sodann dem allfälligen Vorliegen einer Lücke. Zum Thema der Art der Aufzählung stellt er hA und Mindermeinung gegenüber, kommt zu dem Schluss, dass es außerhalb der Liste des § 62 lediglich im Gesetz selbst aufgezählte Tatbestände (§§ 61 Abs 2a, 62b Abs 1, 62c) gäbe. Auch Pacic repliziert auf den bereits mehrfach angesprochenen Fehler von Floretta und stützt sich zur Ablehnung jener Meinung hauptsächlich darauf, dass eben der Betriebsbegriff an sich richtigerweise keine Mindest-AN-Zahl verlange. Auf die übrigen Argumente (§ 63, § 50 Abs 2) wurde bereits oben eingegangen.

Soweit diese in der jüngsten E zitierten Stellungnahmen bereits in Vorauflagen von den jeweiligen AutorInnen vertreten worden waren, sind sie in die vom OGH nun in der Hauptsache herangezogene E aus dem Jahr 2006* eingeflossen. Nach eingehender Darstellung des Meinungsstandes entscheidet der OGH schließlich im Wesentlichen unter Zugrundelegung der oben referierten Argumente und hier wiederum im Wesentlichen unter Berufung auf Preiss*, Schneller*, Kallab* und Grießer* gegen das Vorliegen einer Lücke und für den Weiterbestand des unzulässig gewordenen BR. Anzumerken ist, dass in der Begründung der E diese bekannten Argumente nicht merklich weiterentwickelt wurden, sodass auch hierzu der oben dargelegten Entkräftung der Argumente nichts mehr anzufügen ist.

Teilweise, wenn auch letztlich nicht ganz konsequent, findet sich profunde Kritik an der seinerzeitigen Begründung des OGH bereits bei Rebhahn/Kietaibl.* In ihrer Rezension widerlegen sie zunächst die These von der großen Bedeutung der (uE ohnehin nicht haltbaren) Behauptung, die Aufzählung in § 62 sei eine taxative. Sie nehmen sodann der Berufung auf den angeblichen Wertungswiderspruch zu § 50 Abs 2 die Kraft, um schließlich auch dem Argument der Rechtssicherheit mit dem Hinweis auf die Unwägbarkeiten der Betriebsratswahl im Kleinstbetrieb überhaupt entgegenzutreten. Es sprächen in Summe also Gründe sowohl für als auch gegen die E des OGH. Genau besehen sind freilich in der Rezension deutlich mehr und überzeugendere Argumente zu finden, welche gegen die Richtigkeit der E des OGH sprechen. Warum am Ende, letztlich wohl in der Hauptsache gestützt auf die Erwägung, dass der OGH hier eben „in Organisationsfragen der Kontinuität Vorrang* gäbe, der E zugestimmt wird, erschließt sich dem Leser nicht unbedingt aus den voranstehenden dogmatischen Darlegungen.

2.4.
Zwischenergebnis

Bezüglich der Frage, ob auch das dauernde Absinken der Belegschaftszahl unter 5 einen vorzeitigen Beendigungstatbestand analog zu § 62 darstellt, haben sich Rsp und Lehre auf zwei Grundpositionen festgesetzt, nämlich, dass das Absinken keinen solchen Endigungstatbestand darstelle und dass überdies ohnehin in § 62 eine taxative und wohl offenbar auch nicht der – sonst in solchen Fällen unbestrittenen – Möglichkeit einer Erwei-388terung durch Analogie zugänglich wäre. Beide Thesen erscheinen indes nicht haltbar. Besonders problematisch ist daran, dass die beiden Themen während der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte miteinander vermischt wurden. Übersehen wurde dabei, dass das dauernde Absinken der AN-Zahl nichts mit dem Herausfallen des Betriebs aus dem Geltungsbereich der Betriebsverfassung zu tun hat, sondern ausschließlich mit den gesetzlich verbindlich festgelegten Voraussetzungen für die Organbildung. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass es einen unverständlichen Wertungswiderspruch darstellt, wenn ein Umstand, dessen anfängliches Fehlen trotz des Vorrangs, den das ArbVG zugunsten der Rechtssicherheit dem Bestand des BR einräumt, nach hA zur Nichtigkeit der Wahl führt, während dessen nachträglicher Eintritt auf den Bestand des BR keinen Einfluss haben soll.*

Losgelöst von diesem einen Fall einer von der neueren Lehre und Rsp nunmehr abgelehnten Analogie wäre stets aber auch die Frage nach der prinzipiellen Erweiterungsfähigkeit des § 62 zu stellen gewesen – was aber spätestens seit der E des OGH aus 2006 offenbar nicht mehr geschieht. Sieht man allerdings die Norm in ihrem historischen Kontext, so ist aufgefallen, dass schon die sukzessive Entwicklung der Aufzählung über die Jahrzehnte hin viel mehr für die (mögliche) Lückenhaftigkeit als für die Endgültigkeit einer abschließenden Regelung spricht, hat doch der Gesetzgeber im Laufe der Zeit immer wieder neuen praktischen Regelungsbedarf aufgegriffen, nicht zuletzt auch im Rahmen der §§ 62b und 62c sowie des § 61 Abs 2a. Anders als manche meinen,* weist gerade die sukzessive Anpassung an diverse Sachverhalte darauf hin, dass eben ein unumstößlicher Plan a priori nicht vorhanden gewesen war, sondern vielmehr die Lückenhaftigkeit und Auffüllungsbedürftigkeit der Norm im Laufe der Zeit auch vom Gesetzgeber immer wieder erkannt worden ist. Es wird daher auch in Zukunft bei jedem allenfalls vergleichbaren auftretenden Problem die Frage zu stellen sein, ob die Voraussetzungen für eine interpretative Erweiterung des § 62 durch Analogie gegeben sind. Für die Annahme einer eine Lücke ausschließenden taxativen Aufzählung konnten weder durch den OGH noch in der Lehre überzeugende Argumente geboten werden.

3.
Gerichtlicher Vergleich als Beendigungstatbestand?
3.1.
Allgemeines

Auslöser des Rechtsstreites, in dem die vorliegende E des OGH ergangen ist, war die Beendigung des „Vorprozesses“ über die Anfechtung der Betriebsratswahl mittels gerichtlichen Vergleichs. Es galt zu beurteilen, ob ein solcher die Funktionsperiode beendet. Der OGH hat dazu ausgeführt, dass bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl den Parteien die Rechtsgestaltung mittels Vergleichs verwehrt ist, diese sei wegen des öffentlichen Interesses dem Richter vorbehalten. Sofern dies zutrifft, kann bereits aus diesem Grund ein Vergleich nicht die Beendigung der Funktionsperiode herbeiführen, womit Überlegungen zu einer Ergänzung der Gründe des § 62 hinfällig sind. Im Hinblick darauf, dass die gesamte E somit auf der Berufung auf ein nicht näher determiniertes öffentliches Interesse aufbaut, bedürfen die Gründe, welche für und wider die Zulässigkeit eines gerichtlichen (ebenso wie eines außergerichtlichen) Vergleichs sprechen, einer maßgeblichen Vertiefung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Fragenkomplex „Betriebsratswahl und Vergleich“ die Rsp nicht das erste Mal beschäftigt: Schon das Einigungsamt (EA) Wien* war mit einer ähnlichen Problematik konfrontiert. Die Kontroverse, die sich im Anschluss an diese E entspann, drehte sich in erster Linie um die Auslegung der durch das EA protokollierten Erklärung, die Vertretungsmacht des Betriebsratsvorsitzenden und die Möglichkeit eines bedingten Rücktrittsbeschlusses des BR.* Inwiefern über die Anfechtung einer Betriebsratswahl überhaupt ein (materiellrechtlicher) Vergleich geschlossen werden kann, wurde explizit offen gelassen.* Auch sonst wurde diese Thematik nur am Rande gestreift.* Die bislang ausführlichste Stellungnahme stammt von Kuderna:* Im Hinblick auf die Rechte und Rechtsverhältnisse, die die Parteien aus den absolut zwingenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechtes ableiten, müsse danach unterschieden werden, inwieweit sie über diese disponieren können sollen. Die Dispositionsmöglichkeit bestimme sich nach den in den absolut zwingenden Bestimmungen des ArbVG den Parteien überlassenen Freiräumen. Die Möglichkeit eines Vergleichs für Streitigkeiten aus dem allgemeinen Kündigungsschutz oder dem besonderen Bestandschutz für Betriebsratsmitglieder war bereits im Verfahren vor dem EA anerkannt und habe umso mehr auch für die Rechtslage nach ASGG zu gelten. Dem ist grundsätzlich zu folgen, lässt sich doch bereits aus § 105 Abs 4 ableiten, dass es dem AN anheimgestellt ist, ob der Rechtsgestaltungsanspruch des § 105 geltend gemacht wird,* bzw entspricht es hA, dass eine gegen den besonderen Bestandschutz eines Betriebsratsmitgliedes389verstoßende Beendigungserklärung lediglich relativ nichtig ist.* Hingegen werde – so Kuderna weiter – ein Vergleich über die Anfechtung einer Betriebsratswahl „kaum oder äußerst selten in Betracht kommen.* In welchen Konstellationen ein solcher Vergleich möglich ist, bleibt offen.

3.2.
Der gerichtliche Vergleich im ASGG

Der gerichtliche Vergleich ist nach hA eine doppelfunktionale Parteihandlung mit Doppeltatbestand, dh er besteht grundsätzlich aus einem materiellrechtlichen Vertrag und einer Prozesshandlung. Das ASGG enthält für arbeitsrechtliche Streitigkeiten keine die allgemeine Regelung zum gerichtlichen Vergleich (§§ 204 ff ZPO) modifizierenden Bestimmungen, in §§ 11a Z 2, 59 ASGG werden lediglich verfahrensrechtliche Detailregelungen getroffen. Aufgrund der subsidiären Geltung der ZPO (§ 2 ASGG)* kommen daher die §§ 204 ff ZPO über den gerichtlichen Vergleich zur Anwendung. Es könnte allenfalls zweifelhaft erscheinen, ob dies auch für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten (§ 50 Abs 2 ASGG) gilt. Diese sind gem § 9 Abs 2 ASGG nicht schiedsfähig, was insofern von Bedeutung sein könnte, als der gerichtliche Vergleich auch Elemente eines Schiedsspruchs aufweist. Ersterer ist nämlich idealtypisch in zwei Varianten denkbar, die sich praktisch vermischen: Einerseits als beurkundete Parteieneinigung, andererseits als ein vom Richter vorgeschlagener und von den Parteien freiwillig akzeptierter Schiedsspruch.* Da § 582 Abs 1 Satz 2 ZPO bestimmt, dass die Schiedsfähigkeit nicht vermögensrechtlicher Ansprüche – worunter auch die Anfechtung einer Betriebsratswahl zu subsumieren ist – nur insoweit gegeben ist, als die Parteien fähig sind, über den Gegenstand des Streites einen Vergleich abzuschließen, könnte aus § 9 Abs 2 ASGG der Schluss gezogen werden, dass betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche nicht vergleichsfähig sind. Eine solche Lesart verbietet jedoch bereits eine systematische Interpretation: Bezüglich der Sozialrechtssachen, denen in § 9 Abs 2 ASGG ebenfalls die Schiedsfähigkeit abgesprochen wird, stellt der Gesetzgeber in § 75 Abs 3 ASGG explizit klar, dass der Abschluss eines Vergleichs zulässig ist. Die Notwendigkeit dieser expliziten Regelung ergab sich für den Gesetzgeber nicht wegen der Einschränkung der Schiedsfähigkeit dieser Ansprüche, sondern um klarzustellen, dass die einschränkende Judikatur des OLG Wien über die Zulässigkeit des Vergleichs in Leistungsstreitigkeiten nicht aufrechterhalten werden solle.* Auch den Materialien zu § 9 ASGG lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber über den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit hinaus weitere Regelungsziele verfolgt hat.*

3.3.
Die Dispositionsbefugnis

Steht damit fest, dass hinsichtlich betriebsverfassungsrechtlicher Streitigkeiten ein Vergleich nach Maßgabe der allgemeinen Schranken dieses Rechtsinstitutes zulässig ist, gilt es, den Blick auf diese zu richten. Wirksamkeitsvoraussetzung für den materiellrechtlichen Vergleich ist insb, dass dieser nicht über Gegenstände geschlossen wird, die der Verfügung der Vertragsparteien entzogen sind. Dies ergibt sich bereits aus den §§ 1382 ff ABGB, wo unter der Rubrik „Ungültigkeit eines Vergleichs in Rücksicht des Gegenstandes“ solche Fälle, wie zB der Streit über die Gültigkeit einer Ehe (§ 1382 ABGB, § 27 EheG) oder über den Inhalt einer letztwilligen Verfügung vor deren Bekanntmachung (§ 1383 ABGB), explizit aufgezählt werden. Eine Einschränkung der Verfügungsmacht der Parteien ergibt sich aber auch aus anderen zwingenden Normen, wobei diesbezüglich neben typischen Statusangelegenheiten (Abstammung eines Kindes) regelmäßig auch auf zwingende Normen des Miet-, Kapitalgesellschafts- sowie Arbeitsrechts verwiesen wird.* Allein der Umstand, dass die Parteien den Vergleich vor Gericht geschlossen haben, ändert nichts an der Notwendigkeit der Dispositionsbefugnis der Parteien für die angestrebte Rechtsgestaltung: Die Rechtsgestaltungswirkung des Vergleichs ergibt sich ausschließlich aus der Parteieneinigung, maW dem materiellrechtlichen Vertrag.* Damit entscheidet insb die Reichweite der Dispositionsbefugnis der Parteien des Rechtsstreites darüber, welche Auswirkung einer Einigung zwischen den Parteien zukommen kann. Ganz iSv Kuderna gilt es festzustellen, welche Dispositionsbefugnisse das absolut zwingende Organisationsrecht hinsichtlich der Anfechtung der Betriebsratswahl erlaubt. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass innerhalb der juristischen Teilperson Belegschaft kein Organ zuständig ist, über die Gültigkeit der Betriebsratswahl zu entscheiden. Die Belegschaftsorgane können einer gerichtlichen Aufhebung der Wahl allenfalls zuvorkommen. So kann der BR seinen Rücktritt beschließen (§ 68 Abs 3 iVm § 62 Z 4) bzw die Betriebsversammlung den BR entheben (§§ 42 Abs 1 Z 4, 49 Abs 2 iVm § 62 Z 3). Das tatsächliche oder bloß vermeintliche Bestehen eines Wahlanfechtungsgrundes stellt dabei lediglich das rechtlich grundsätzlich unbeachtliche Motiv dar, aufgrund dessen die Beschlussfassung erfolgt ist.* Es lässt sich daher festhalten, dass im Rahmen der Belegschaft keinem Organ eine Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Gültigkeit der Betriebsratswahl zukommt. Entscheidend ist jedoch, dass die Anfechtung der Betriebsratswahl nicht auf die390Ungültigerklärung der Wahl als solche gerichtet ist, was wohl eine ex tunc-Wirkung des Rechtsgestaltungsurteils implizieren würde, sondern auf die vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode (§ 62 Z 5). Dies spiegelt sich insb darin wider, dass die Rechtshandlungen, die vom BR zwischenzeitlich gesetzt wurden, unberührt bleiben (§ 61 Abs 3 ArbVG; § 62 Abs 3 ASGG).* MaW: Rechtsfolge der gerichtlichen Ungültigerklärung der Betriebsratswahl ist die vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR; den Organen der Belegschaft kommt aber eine Befugnis, über die vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode zu verfügen, zweifellos zu. Dass der betriebsverfassungsrechtliche Gesamtakt „Betriebsratswahl“ bzw die Funktionsperiode des BR einer rechtsgeschäftlichen Einwirkung, welche der angestrebten Rechtsgestaltung einer gerichtlichen Ungültigerklärung der Wahl entspricht, generell entzogen ist, kann daher nicht gesagt werden. Es ist folglich zu prüfen, welche Dispositionsmöglichkeiten die Parteien eines Anfechtungsprozesses haben.

3.3.1.
Der Anfechtungsberechtigte

Eine Dispositionsbefugnis der potentiellen Anfechtungskläger mit Wirkung ex nunc rechtsgeschäftlich über den betriebsverfassungsrechtlichen Gesamtakt „Betriebsratswahl“ bzw die vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR zu verfügen, ist nicht gegeben.* Jedenfalls ist es nicht ausreichend, dass dem einzelnen AN in seiner Rolle als Mitglied der Betriebsversammlung sowie uU als Mitglied des BR eine Befugnis zur Mitentscheidung über die vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode zukommt. Die gegenteilige Ansicht würde verkennen, dass die Entscheidungsbefugnis dem jeweiligen Organ zugeordnet ist und dessen Tätigwerden an Ordnungsvorschriften gebunden ist, die sicherstellen sollen, dass der wahre Wille des Gremiums zum Ausdruck kommt.* Gegen diesen Befund hinsichtlich einer Dispositionsbefugnis der Anfechtungsberechtigten könnte der Einwand erhoben werden, dass die Betriebsratswahl insofern der Disposition der Genannten unterliegt, als durch eine einverständliche Nichtanfechtung eine vom an sich starren Konzept des ArbVG abweichende Organisation der Belegschaft geschaffen werden kann, sofern die Abweichungen nicht das Gewicht eines Nichtigkeitsgrundes erreichen.* Die beiden Fallgestaltungen sind jedoch sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht nicht miteinander vergleichbar:

  • (a)

    In objektiver Hinsicht liegt der Unterschied darin, dass es sich einerseits um die Nicht-Beseitigung einer den Idealvorstellungen des ArbVG zwar nicht entsprechenden, jedoch von diesem tolerierten Belegschaftsvertretung handelt, andererseits die Beseitigung einer solchen vom ArbVG tolerierten Belegschaftsvertretung bezweckt wird.

  • (b)

    In subjektiver Hinsicht liegt der Unterschied darin, dass die Dispositionsmöglichkeit das Zusammenwirken aller Anfechtungsberechtigten (zumindest durch deren Untätigkeit) erfordert, während für einen Vergleich hinsichtlich der Anfechtung einer Betriebsratswahl bereits ein Anfechtungsberechtigter genügt.*

Eine Dispositionsbefugnis kann im Hinblick auf die Anfechtungsberechtigten daher nur insoweit angenommen werden, als diese über das jeweilige subjektive Recht zur Geltendmachung eines allfälligen Wahlmangels disponieren. Ein Vergleich wäre zB dergestalt vorstellbar, dass der Kl auf seinen Anspruch auf Geltendmachung allfälliger Wahlmängel verzichtet und die eingebrachte Klage zurücknimmt, sich im Gegenzug der BR (rechtstechnisch der Betriebsratsfonds) zur Tragung der bisher angefallenen Kosten verpflichtet.* Schon aus dem Umstand, dass ein Vergleich als Vertrag nur zwischen den daran beteiligten Parteien unmittelbar wirkt, und grundsätzlich nicht über fremde Rechte disponiert werden kann, folgt aber, dass ein solcher Vergleich nicht das Recht der übrigen Anfechtungsberechtigten zur Geltendmachung der Mangelhaftigkeit der Betriebsratswahl einschränken kann.*

3.3.2.
Der Betriebsrat

Wendet man sich jedoch dem BR zu, der im Verfahren über die Anfechtung der Betriebsratswahl Bekl ist,* kann der letztlich vom OGH vertretenen Auffassung, dass es aus Gründen des öffentlichen Interesses den Parteien eines Prozesses über die Anfechtung einer Betriebsratswahl verwehrt ist, die vom Kl letztlich angestrebte Rechtsgestaltung (vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode) herbeizuführen, nicht gefolgt werden. Gem § 62 Z 4 iVm § 68 Abs 3 ist dem BR die Möglichkeit eingeräumt, ein vorzeitiges Ende der Funktionsperiode zu beschließen, und dies nach der Rsp des OGH auch während des Prozesses über die Anfechtung einer Betriebsratswahl.* Welches öffentliche Interesse eine auf vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR gerichtete Rechtsgestaltung im Wege der Einbeziehung eines Rücktrittsbeschlusses in einen Vergleich verbieten soll, ist nicht ersichtlich. Der vom OGH in den Raum gestell-391ten – nicht näher spezifizierten – Gefahr eines möglichen Missbrauchs lässt sich mit allgemeinen zivilrechtlichen Normen (insb §§ 879, 1295 Abs 2 ABGB) hinreichend Rechnung tragen.* Hält man sich vor Augen, dass die Rechtsgestaltung letztlich auf den Rücktrittsbeschluss des BR zurückzuführen ist, handelt es sich bei der „Missbrauchsgefahr“ jedenfalls um keine, die sich aus dem Vergleich als solchem ergibt. Es ist dem OGH in seinen Ausführungen daher nur darin zu folgen, dass ein gerichtlicher Vergleich die Funktionsperiode nicht gem § 62 Z 5 beendet, eine Beendigung durch § 62 Z 4 als Folge eines Vergleichs ist dagegen durchaus möglich. Die Schwierigkeit im Hinblick auf die Einbeziehung eines Rücktrittsbeschlusses in den Abschluss eines Vergleichs besteht wohl eher darin, dass Voraussetzung für die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses lediglich die wirksame Fassung desselben ist.* Zwar besteht analog § 57 eine Verständigungspflicht,* deren Verletzung hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Beschlusses;* sofern bereits Klage eingebracht wurde, hat sich mit dem durch den Rücktritt bewirkten Wegfall des Bekl der Rechtsstreit erübrigt (Zurückweisung der Klage, Aufhebung etwaiger bereits ergangener Entscheidungen).* Die Einbeziehung (eines bereits gefassten) Rücktrittsbeschlusses in einen Vergleich ist daher nur dann möglich, wenn dessen rechtsgestaltende Wirkung aufgeschoben wird. Dies ist nach hA auch möglich: Seit jeher ist unbestritten, dass ein Rücktrittsbeschluss aufschiebend befristet gefasst werden kann.* Der OGH hat auch eine aufschiebende Bedingung (Wirkung des Rücktritts, sobald sich ein neuer BR konstituiert hat) für zulässig angesehen und dies ua darauf gestützt, dass Normen fehlen, welche die Gestaltungsfreiheit des BR in diesem Punkt einschränken.* Es scheinen daher auch der Fassung eines Rücktrittsbeschlusses, der zB von der Bedingung der Zurücknahme der eingebrachten Anfechtungsklage und der Übernahme der bisher angefallenen Kosten durch den Kl abhängig gemacht wird, keine grundlegenden Einwände entgegenzustehen.* Wiederum entfaltet die zwischen BR und Anfechtungsberechtigten erfolgte Einigung über den Verzicht auf die Geltendmachung des Wahlmangels nur Wirkungen zwischen diesen beiden und erfasst nicht auch andere Anfechtungsberechtigte. Erga omnes-Wirkung hat erst die durch den Rücktrittsbeschluss bewirkte vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer.

Schwieriger zu beurteilen ist der Fall, dass der BR in einem Vergleich den Rücktritt verspricht, maW der Anfechtungsberechtigte einen Anspruch auf Fassung eines Rücktrittsbeschlusses des BR erwerben soll. Würde dies in einem gerichtlichen Vergleich versprochen, gälte gem § 367 EO die Willenserklärung des BR hinsichtlich seines Rücktritts nämlich bereits mit dem Zeitpunkt als abgegeben, zu dem (gäbe es § 367 EO nicht) ein Antrag auf Exekutionsbewilligung gestellt werden könnte (Abs 1) bzw die erforderliche Gegenleistung erbracht worden ist (Abs 2). Aber auch im Hinblick auf diese gesetzliche Fiktion braucht man eine solche Konstruktion nicht von vornherein für ausgeschlossen anzusehen. Es ist ausreichend, wenn man die Zulässigkeitsschranke der Dispositionsmöglichkeit des BR über die Dauer seiner Funktionsperiode (dh insb § 68 Abs 3) bereits auf die Abstimmung über das Vergleichsangebot im BR bezieht. Folgt man dem, so hat Gleiches auch für einen außergerichtlichen Vergleich zu gelten, der dem Berechtigten ja letztlich die Möglichkeit einräumt, eine Klage auf Abgabe der versprochenen Willenserklärung (Rücktrittsbeschluss) zu erheben. Willigt daher der Betriebsratsvorsitzende aufgrund eines solchen mit erhöhtem Quorum gefassten Beschlusses in einen Vergleich ein, in dem der BR seinen Rücktritt verspricht, wird man gegen die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung wohl nichts vorbringen können. Im Hinblick auf die Rechtstellung der übrigen Anfechtungsberechtigten kann sinngemäß (dh insb unter Berücksichtigung des § 367 EO) auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

4.
Zusammenfassung
  • Eine Unterscheidung in „demonstrative“ und „taxative“ Aufzählungen erweist sich wegen der in beiden Fällen gleichen Konsequenzen als obsolet.

  • § 40 Abs 1 ist keine „Geltungsbereichsregelung“ für die Betriebsverfassung – diese Norm beinhaltet die zweiseitig zwingend festgelegten Voraussetzungen für die Organbildung und sollte daher als Regelung des „Geltungsbereichs des Rechts und der Pflicht zur Organbildung“ bezeichnet werden.

  • Der Geltungsbereich der Betriebsverfassung ist weiter als die in § 40 Abs 1 festgelegten Voraussetzungen für die Organbildung. Er umfasst auch die betriebsverfassungsrechtlichen Individualrechte einzelner AN gem § 37. Das Interventionsrecht gegenüber dem BI (und allenfalls bei außerhalb des Betriebs gelegenen Stellen) sowie das sich darauf beziehende Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot gelten auch in Betrieben, in denen die Mindestbelegschaftsstärke des § 40 Abs 1 nicht erreicht wird.

  • Betriebsratswahlen in Betrieben mit dauernd weniger als fünf AN sind wegen der Verletzung der zwingenden Voraussetzungen des392§ 40 Abs 1 und des darin zum Ausdruck kommenden Ausschlusses einer auf den II. Teil des ArbVG gestützten Betriebsratsorganisation in Kleinstbetrieben nichtig.

  • Die (vermeintlich) taxative Aufzählung des § 62 kann nach wie vor Lücken aufweisen. Als eine solche Lücke konnte festgestellt werden: Das dauernde Absinken der AN-Zahl unter 5.

  • Die „Reaktivierung“ eines BR gem § 63 ist nur möglich, wenn die Mindestbelegschaftsstärke des § 40 Abs 1 erreicht wird (arg aus § 63: „an Stelle von Neuwahlen“). Die durch eine Einstellung bzw Einschränkung des Betriebs bewirkte vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode ist im Hinblick auf die Möglichkeit eines Beschlusses nach § 63 bloß eine auflösend bedingte. Die Mindestbelegschaftsstärke ist folglich auch während der Funktionsperiode von Bedeutung.

  • Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, die unter Verletzung des § 40 Abs 1 durchgeführt wird, lässt ebenso wie § 62b Abs 1 Satz 3 (keine Beibehaltung des Zuständigkeitsbereichs bei rechtlicher Verselbstständigung eines Betriebsteils, in dem zB dauernd weniger als fünf AN beschäftigt werden) den Schluss darauf zu, dass der Gesetzgeber allfällige Unsicherheiten, die sich aus dem Vorliegen der Mindestbelegschaftsstärke des § 40 Abs 1 ergeben, dem Rechtsanwender zumutet.

  • Die Rechtsgestaltungswirkung eines Vergleichs ergibt sich – unabhängig davon, ob er vor Gericht geschlossen wird oder nicht – aus der Parteieneinigung (materiellrechtlicher Vertrag). Ob ein Vergleich die von ihm angestrebte Rechtsgestaltung herbeiführt, hängt daher insb davon ab, dass der Gegenstand, über den der Vergleich geschlossen wird, der Disposition der Parteien unterliegt.

  • Dem BR kommt gem §§ 62 Z 4, 68 Abs 3 die Möglichkeit zu, die vorzeitige Beendigung seiner Funktionsperiode herbeizuführen, was der mit der Klage auf Anfechtung der Betriebsratswahl angestrebten Rechtsgestaltung entspricht. Dem OGH ist darin zu folgen, dass der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs die Funktionsperiode nicht nach § 62 Z 5 beendet. Es kann aber in einen Vergleich ein Rücktrittsbeschluss des BR miteinbezogen werden, der die Funktionsperiode gem § 62 Z 4 beendet.393