Die Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe nach § 12b ARG

WALTERJ.PFEIL (SALZBURG)
Die Änderungen im Arbeitszeitrecht durch BGBl I 2018/53haben große Diskussionen – auf politischer wie rechtlicher Ebene – ausgelöst. Dabei stehen die Ausweitungen des zulässigen Überstundenausmaßes („12-Stunden-Tag“ bzw „60-Stunden-Woche“) zwar mit Recht im Fokus. Andere der seit 1.9.2018 möglichen Flexibilisierungen werfen aber ebenfalls Fragen auf, so auch die neue Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe nach § 12b ARG, die in der Folge näher betrachtet werden soll. Dieser Beitrag basiert auf Teilen eines Gutachtens zur Novelle zum AZG (Arbeitszeitgesetz) und ARG (Arbeitsruhegesetz), das gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Elias Felten (Linz/Salzburg) im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich verfasst und im Dezember 2018 vorgelegt wurde.
  1. Problemstellung

  2. Grundkonzept und systematische Einordnung der neuen Regelung

  3. Voraussetzungen und Grenzen für die Annahme

    1. Vorübergehend auftretender besonderer Arbeitsbedarf

    2. Nur vier Ausnahmen pro AN und Jahr

    3. Die Zusatzerforderungen „wiederkehrende Ereignisse“ und „Anlass“ in Abs 4

  4. Flankierungen

  5. Zusammenfassung

1.
Problemstellung

Die am 1.9.2018 in Kraft getretenen Änderungen im AZG und ARG durch BGBl I 2018/53 haben einige weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten gebracht. Neben der Ausweitung der zulässigen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit geht es dabei nicht zuletzt um eine Verschiebung der diesbezüglichen Gestaltungsmöglichkeiten von der Zulassung durch Kollektivverträge hin zur betrieblichen und einzelvertraglichen Ebene. Das ist auch der Ansatz des neu ins ARG eingefügten § 12b, durch den bei „vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf“ über die bisherige Rechtslage hinaus gehende Ausnahmen von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe möglich gemacht werden sollen. Nach Abs 1 dieser Bestimmung kann dies durch BV „an vier Wochenenden oder Feiertagen pro Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer und Jahr“, aber „nicht an vier auf einander folgenden Wochenenden“ erfolgen, wobei nach deren Abs 2 „Verkaufstätigkeiten nach dem Öffnungszeitengesetz“ ausdrücklich ausgeschlossen sind. Sehr wohl möglich sind dagegen Ausnahmen für einen vorübergehenden Bedarf, der auch öfter auftreten kann. Für derart „wiederkehrende Ereignisse“ ist nach Abs 4 aber der „Anlass [zu] umschreiben“.

Gibt es keinen BR und kann daher keine BV abgeschlossen werden, können nach § 12b Abs 3 die entsprechenden Durchbrechungen auch „schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vereinbart werden“. Die AN können aber „solche Wochenend- und Feiertagsarbeit ohne Angabe von Gründen“ ablehnen und „dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung“. Werden sie „deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten“, wobei dafür ein bloßes Glaubhaftmachen wie in § 105 Abs 5 ArbVG ausreicht.

Wie die anderen arbeitszeitrechtlichen Neuerungen geht auch § 12b ARG zum Großteil auf einen Initiativantrag zurück (303/A 26. GP). Das zuletzt angesprochene Ablehnungsrecht wurde im Zuge der parlamentarischen Beratungen noch verstärkt und in der gleichen Weise wie im neuen § 7 Abs 6 AZG im Hinblick auf über eine Arbeitszeit von 10 Stunden pro Tag bzw 50 Stunden pro Woche hinausgehende Überstunden gestaltet. Auch die Formulierungen in Bezug auf den Motivkündigungsschutz bei Ablehnung derartiger Arbeitsleistungen, und zwar unabhängig von Verhalten oder Existenz eines BR, entsprechen den in § 7 Abs 6 Satz 3 und 4 AZG getroffenen Regelungen.

Die Bedeutung und Reichweite dieser Flankierungen haben schon einige Debatten ausgelöst, die in der Folge vertieft werden sollen (4.). Zuvor ist freilich eine grundsätzliche Verortung der neuen Ausnahme im System des ARG vorzunehmen (2.) und sind die Voraussetzungen und Grenzen für die25nun möglichen Durchbrechungen der Wochenend- bzw Feiertagsruhe zu klären (3.)

2.
Grundkonzept und systematische Einordnung der neuen Regelung

Das ARG kannte schon bisher eine Reihe von Ausnahmen von der in seinem § 3 vorgesehenen Wochenendruhe von grundsätzlich 36 Stunden und der Feiertagsruhe von grundsätzlich 24 Stunden nach § 7. Diese Ausnahmen beruhen, soweit sie nicht überhaupt auf explizite Sonderbestimmungen zurückgehen (§§ 16 ff), zunächst direkt auf dem Gesetz, das dabei auf bestimmte Tätigkeiten (§ 10) oder Arbeitssituationen (§§ 10a, 11) abstellt. Dazu kommen Ausnahmen auf Grund genereller Regelung durch Verordnung (§§ 12, 13 bzw 14) oder durch KollV (§ 12a), sowie in Einzelfällen durch Bescheid (§ 15). All diese Durchbrechungen einer ununterbrochenen Ruhezeit an Wochenenden und Feiertagen sind an – mehr oder weniger streng formulierte – Voraussetzungen geknüpft, die durchwegs auf die Besonderheiten der jeweiligen Tätigkeiten und/oder einen besonderen Bedarf abstellen.

Das tut nun auch § 12b ARG mit dem gleich zu Beginn in Abs 1 formulierten Erfordernis „bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf“. Abgesehen davon, dass dieses Kriterium sehr unbestimmt ist (näher dazu 3.1), fällt vor allem auf, dass nach dieser Regelung erstmals Ausnahmen von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe durch BV und – bei Fehlen eines BR – sogar durch schriftliche Einzelvereinbarung mit den betreffenden AN möglich sind. Diese Verschiebung wiegt umso schwerer, als die in § 12b vorgesehenen Voraussetzungen weniger streng scheinen als bei den im Umfeld dieser Regelung angesiedelten Ausnahmen. Da die neue Bestimmung – abgesehen von den in Abs 2 ausdrücklich ausgeschlossenen Bereichen, die dem Öffnungszeitengesetz unterliegen – keine Einschränkungen auf bestimmte Branchen oder Tätigkeiten erkennen lässt und, wie aus seinem Abs 3 deutlich wird, auch nicht auf eine bestimmte Betriebsgröße abstellt, muss hier zunächst der Vergleich mit den allgemeinen, dh für alle Betriebe in Betracht kommenden Ausnahmen interessieren.

Um solche handelt es sich vor allem bei §§ 11 bzw 12a ARG. Nach der erstgenannten Bestimmung ist eine Beschäftigung von AN während der Wochenend- und Feiertagsruhe nur „in außergewöhnlichen Fällen“ und mit „vorübergehenden und unaufschiebbaren Arbeiten“ zulässig, soweit einer der in Abs 1 Z 1 und 2 beschriebenen Notfälle vorliegt. Deren Intensität erlaubt die Ausnahme auch ohne weitere (insb vorherige) Zustimmung der betroffenen AN oder ihrer (betrieblichen oder überbetrieblichen) Interessenvertretung. Dafür bedarf es aber einer nachträglichen Information an das Arbeitsinspektorat, eine Verpflichtung, deren Nichterfüllung ebenfalls dem Straftatbestand des § 27 Abs 1 ARG unterliegt. Für die Ausnahmen nach § 12a ARG ist das Arbeitsinspektorat nicht einzubinden. Allerdings ist hier eine Einigung der Kollektivvertragsparteien gefordert, die nur zulässig ist, wenn die Ausnahmen „zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteils sowie zur Sicherung der Beschäftigung erforderlich“ sind.

Die Ausnahme in § 13 ARG kommt zwar nicht schlechthin für alle Branchen bzw Betriebe in Betracht, die dort vorgesehene Verordnungsermächtigung für den/die jeweilige/n Landeshauptmann/-frau soll aber offenkundig Wochenend- und Feiertagsarbeit über die in § 12 genannten Bereiche hinaus ermöglichen. Von einer solchen Ausnahme-Verordnung können freilich zum einen Verkaufsstellen nach dem Öffnungszeitengesetz 2003 nicht erfasst werden, zum anderen ist eine solche Regelung nur zulässig, wenn „ein außergewöhnlicher regionaler Bedarf für Versorgungsleistungen gegeben ist“. Noch stärker ist die Anforderung an eine nach § 14 ARG ebenfalls im Verordnungsweg zuzulassende Ausnahme von der Wochenend- oder Feiertagsruhe, wird doch dort „das öffentliche Interesse infolge besonders schwerwiegender Umstände“ verlangt.

Auf die Details all dieser schon bisher bestehenden Ausnahmemöglichkeiten kann hier nicht eingegangen werden.* Schon auf den ersten Blick ist aber erkennbar, dass trotz schwer auszumachender Kohärenz der Regelungen in allen Fällen – bei §§ 12, 13 und 14 sogar in Form des verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzips – ein Zusammenspiel von materiellen Anforderungen an die Zulassung einer Ausnahme auf der einen und Vorkehrungen im Hinblick auf deren Zustandekommen oder zumindest auf die Nutzung dieser Ausnahmen auf der anderen Seite vorgesehen ist. Dabei sind durchwegs die materiellen Voraussetzungen strenger, je weniger Einflussmöglichkeiten die betroffenen AN bzw ihre Vertretungen auf die Gestaltung der Ausnahme haben.

Anerkennt man das aber als ein generelles Prinzip und damit als Maßstab für die Beurteilung der verschiedenen Ausnahmen, die ja vom neuen § 12b unberührt bleiben, müssten für eine Gestaltung durch BV oder gar auf einzelvertraglicher Ebene strengere inhaltliche Anforderungen vorgesehen sein. Das lässt sich freilich der Formulierung „bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf“ kaum entnehmen. Daraus könnten durchaus Zweifel an der sachlichen Rechtfertigung – und damit an der Verfassungsmäßigkeit – der Konzeption des § 12b ARG abgeleitet werden, weil ohne besondere sachliche Rechtfertigung vom Grundmodell abgewichen wird, das den anderen Ausnahmemöglichkeiten innewohnt. In der Tat scheint diese Abweichung nicht allzu gewichtig begründet, wenn nach den Materialien lediglich „lange Vorlaufzeiten“ verhindert werden sollen und den Betrieben statt dessen ermöglicht werden soll, „sehr kurzfristig auf einen vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf reagieren zu können“.*

Den somit durchaus möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vorliegende Rege-26lung kann allerdings zum einen entgegengehalten werden, dass bereits die bisherigen Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe wenig kohärent sind. Zum anderen enthält § 12b auch Begrenzungen, welche die Unbestimmtheit der Voraussetzungen für die gegenständliche Ausnahme ausgleichen könnten, die sonst ebenfalls gegen die Sachlichkeit der Konstruktion sprechen würde. Diese Begrenzungen betreffen zunächst den Ausschluss des – wie nicht nur § 13a, sondern auch die Regelungen in §§ 22 f ARG belegen – offenbar besonders sensiblen Bereichs des Einzelhandels, auf den sich das Öffnungszeitengesetz 2003 ja vorrangig bezieht. Dazu kommt die Einbindung des BR bzw die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung für Einzelvereinbarungen in betriebsratslosen Betrieben und das Recht der AN, „solche Wochenend- und Feiertagsarbeit ohne Angabe von Gründen abzulehnen“. Schließlich und vor allem enthält § 12b Abs 1 eine strikte Begrenzung der Ausnahmen auf „vier Wochenenden oder Feiertagen pro AN ... und Jahr“.

Trotz dieser Vorkehrungen ist aus dem systematischen Zusammenhang, in den § 12b ARG eingebettet ist, und zur Vermeidung sonst sachlich kaum zu rechtfertigender Differenzierungen im Vergleich zu den anderen Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe wohl – zumindest im Zweifel – eine enge Auslegung der Grundvoraussetzungbei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf“ geboten.* Diese Sichtweise wird durch die allgemeine und auch § 12b einschließende Anordnung in § 2 Abs 2 ARG bekräftigt, dass während der Wochenend- bzw Feiertagsruhe nur die unumgängliche notwendige Anzahl von AN beschäftigt werden darf.

3.
Voraussetzungen und Grenzen für die Ausnahme
3.1.
Vorübergehend auftretender besonderer Arbeitsbedarf

Diese Grundvoraussetzung für die neue Ausnahme wurde aus der früheren Regelung für „Sonderüberstunden“ in § 7 Abs 4 AZG (idF vor BGBl I 2018/53) übernommen.* Zur Auslegung dieser Bestimmung gab es soweit ersichtlich außer einer punktuellen Ausnahme keine Judikatur. In der Literatur wurde zunächst einhellig davon ausgegangen, dass dieser damals einzigen Regelung, durch die zusätzliche Überstunden durch BV bzw – nach Maßgabe des früheren § 7 Abs 4a AZG – sogar durch Einzelvertrag zugelassen werden konnten, Ausnahmecharakter zugekommen ist.* Dies wurde nicht nur durch die nun in § 12b Abs 1 ARG übernommene Wendung zum Ausdruck gebracht, sondern auch durch die zusätzlichen Anforderungen der „Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils“ bzw dass „andere Maßnahmen nicht zumutbar sind“.

Von diesen Kriterien, die im Übrigen durch die Pflicht zur Übermittlung der betreffenden BV an das Arbeitsinspektorat und die zuständigen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der AG und der AN flankiert wurde, enthält § 12b Abs 1 ARG freilich nur das erste. Der Hinweis in den Materialien, dass die Voraussetzungen für den Abschluss einer solchen BV jenen entsprächen, die für eine BV gem § 7 Abs 4 AZG vorgesehen waren, findet somit im Gesetzeswortlaut keine hinreichende Deckung. Damit erscheint kaum vorstellbar, die beiden „verloren gegangenen“ Kriterien im Wege der Auslegung auch in § 12b ARG einzubauen.*Mittelbar könnten sie aber doch insoweit beachtlich werden, als die Materialien zumindest den schon oben (2.) herausgearbeiteten Befund bestätigen, dass die nunmehrige zusätzliche Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe eng ausgelegt werden muss.

Dies gilt für beide Tatbestandsmerkmale im ersten Halbsatz des Abs 1 dieser Bestimmung. Der Arbeitsbedarf muss zum einen ein „besonderer“ sein. Das kann zunächst nur so verstanden werden, dass er sonst nicht besteht. Noga spricht plakativ davon, dass sich dieser Arbeitsbedarf vom normalen ganzjährigen Verlauf abheben müsse.* Insofern wird es in der Tat keinen Unterschied machen können, welche Ursache der besondere Bedarf hat: Er könnte also sowohl von „außen“, etwa durch kurzfristige und dringend zu erledigende Aufträge, als auch von innen kommen, etwa durch Personalengpässe auf Grund von Krankenständen.*

Ob aber auch Personalengpässe auf Grund urlaubsbedingter Abwesenheiten ausreichen,* erscheint indes sehr fraglich. Dass AN zu bestimmten Zeiten auf Urlaub sind, dem der AG zugestimmt haben muss (vgl § 4 Abs 1 UrlG), ist eine regelmäßige Situation und kann daher nicht als besonderer Bedarf qualifiziert werden, der für sich genommen Ausnahmen von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe rechtfertigen würde. In diesem Fall müsste der Bedarf vielmehr durch zusätzliche Umstände, also insb kurzfristige und dringend zu erledigende Aufträge, ausgelöst sein.

Das ist durchaus kompatibel mit der mit § 12b ARG offenbar bezweckten Abkehr von dem aus dem früheren § 7 Abs 4 AZG ableitbaren Kriterium der Unvorhersehbarkeit.* Dass die Frage der Vorhersehbarkeit des Bedarfes grundsätzlich keine Rolle mehr spielen soll, zeigt schon die Regelung in § 12b Abs 4 ARG im Hinblick auf wiederkeh-27rende Ereignisse* (dazu unten 3.3.). Dennoch muss betont werden, dass die neue Bestimmung Wochenend- bzw Feiertagsarbeit zulassen will, die bisher rechtlich gerade nicht möglich war. Insofern muss der besondere Arbeitsbedarf – auch im Lichte der allgemeinen Beschränkung nach § 2 Abs 2 ARG – doch so gestaltet sein, dass er nur durch sonst nicht zulässige Wochenend- bzw Feiertagsarbeit bewältigt werden kann. Damit könnte das nicht ins ARG übernommene Kriterium aus § 7 Abs 4 AZG alt, dass andere Maßnahmen nicht zumutbar sein dürfen,* doch wieder gewisse Bedeutung erlangen, und bekommt auch der Verweis in den Materialien auf eben diese Bestimmung wieder Sinn.

Dieselben Überlegungen sind zum zweiten Kriterium zur Konkretisierung des nach § 12b ARG erforderlichen Arbeitsbedarfs anzustellen. Wenn dieser „vorübergehend“ zu sein hat, ist ein dauernder Bedarf ausgeschlossen. Auch jene Autoren, die für die Neuregelung einen großen Gestaltungsspielraum sehen, orten hier Einschränkungen: So schließt Noga eine dauernde Ausweitung der Produktion aus und will nur kurzfristige Erhöhungen oder Spitzenzeiten während der Saison zulassen.* Für diesen saisonalen Aspekt spricht in der Tat auch § 12b Abs 4 ARG mit der Bezugnahme auf „wiederkehrende Ereignisse“. Eine Grenze, ab der nicht mehr von „vorübergehend“ gesprochen werden kann, sieht Schrank grundsätzlich in der 13-Wochen-Frist, die für den Schutz bei dauernden Versetzungen in § 101 ArbVG vorausgesetzt wird.* Da dieser Zeitraum regelmäßig auch als wesentliche Orientierung für die Auslegung der sachlich noch näher liegenden Betriebsvereinbarungsermächtigung zur Anordnung vorübergehender Arbeitszeitänderungen nach § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG genannt wird,* wird man auch im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls einen über drei Monate hinaus durchgehenden Bedarf nicht mehr als „vorübergehend“ bezeichnen können.

Ein großzügigeres Verständnis dieser Zeitspanne wird im Übrigen schon daran scheitern, dass der Gesetzgeber in § 12b Abs 1 ARG nicht nur lediglich vier Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe pro AN und Jahr zulässt, sondern auch Ausnahmen an vier auf einander folgenden Wochenenden ausschließt (dazu sogleich 3.2.). Da die Anwendbarkeit der neuen Ausnahmemöglichkeit nicht auf eine bestimmte Betriebsgröße abstellt,* wie aus der Erweiterung auf betriebsratslose Betriebe in Abs 3 deutlich wird, kann die Wendung „vorübergehend“ auch nicht unterschiedlich ausgelegt werden, je nachdem, wie groß der Betrieb ist und für wie viele AN insgesamt Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe zulässig sind.

Der „vorübergehende Arbeitsbedarf“ ist daher nach der insoweit eindeutigen Formulierung und Konzeption des § 12b ARG auf den Betrieb als solchen zu beziehen und nicht auf einzelne AN. Damit sind auch Konstruktionen ausgeschlossen, die einen mehr oder weniger ständigen Wochenend- und Feiertagsbetrieb ermöglichen, wenn und weil genügend AN vorhanden sind, bei denen zwar jeweils das Limit von höchstens vier Wochenend- und Feiertagsdiensten eingehalten wird, die aber in Summe einen ganzjährig durchgängigen Betrieb auch an Wochenenden und Feiertagen erlauben würde. Somit kann auch die bei Peschek/Unterrieder als „typischer Anlass“ genannte Kundenhotline im Beratungsbereich, die nun auch am Wochenende ständig möglich wäre,* definitiv nicht in Betracht kommen.

3.2.
Nur vier Ausnahmen pro AN und Jahr

§ 12b ARG sieht zwei Möglichkeiten für eine über die bisherigen Ausnahmen hinausgehende Durchbrechung der Wochenend- bzw Feiertagsruhe vor. Vorrangig ist die Regelung durch BV, durch die zunächst nur eine Zulassung entsprechender Wochenend- bzw Feiertagsarbeit bewirkt wird, aber noch keine diesbezügliche Verpflichtung. Diese könnte ebenfalls durch BV begründet werden, namentlich auf Grundlage der schon erwähnten Bestimmung des § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG im Hinblick auf eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit. In beiden Fällen handelt es sich übrigens um eine fakultative und nicht auch bei der Schlichtungsstelle erzwingbare BV.* Die BV nach § 12b Abs 1 ARG ist aber insoweit auch eine notwendige, als bei Betrieben mit einem (gemeint wohl für die betreffende AN-Gruppe auch zuständigen*) BR die Zulassung eben nur durch BV erfolgen kann. Wird darüber keine Einigung erzielt, sind die entsprechenden Wochenend- und Feiertagsdienste nicht zulässig und nach § 27 Abs 1 ARG auch strafbar.

Besteht aber eine BV, ist Wochenend- bzw Feiertagsarbeit in dem dort vorgesehenen Rahmen und in dem in § 12b Abs 1 zugelassenen Maximalausmaß erlaubt. Inwieweit dazu auch eine Verpflichtung besteht, hängt wiederum vom jeweiligen Einzelvertrag ab. Findet sich dort nichts, kann eine ausnahmsweise Verpflichtung der AN auf Grund ihrer „Treuepflicht“ nicht in Betracht kommen: Eine solche wird zu Recht nur in Notfällen angenommen, für deren Vorliegen auf die gesetzlichen Vorkehrungen für außergewöhnliche Fälle abgestellt wird.* Dafür besteht im Bereich des ARG28allerdings in § 11 eine ausdrückliche Regelung, so dass diesbezüglich keine Anwendungsmöglichkeit und auch kein Bedarf für die zusätzliche Ausnahme nach § 12b besteht.

Die Pflicht zur Wochenend- oder Feiertagsarbeit muss sich daher auf eine Vereinbarung zwischen AG und AN gründen. Für diese bestehen keine besonderen Formvorschriften. Solche können auch nicht aus § 12b Abs 3 ARG abgeleitet werden: Durch die dort offenkundig als Gültigkeitsvoraussetzung* vorgesehene Schriftlichkeit der Vereinbarung* soll erkennbar – wie etwa bei Gleitzeitvereinbarungen nach § 4b AZG – das Fehlen des sonst durch den Betriebsvereinbarungsvorbehalt gewährleisteten Schutz teilweise kompensiert werden.

Eine schriftliche Vereinbarung mit den einzelnen AN ist nach § 12b Abs 3 ARG nur erforderlich, wenn es keinen (im obigen Sinn zuständigen) BR gibt, mit dem eine BV nach Abs 1 abgeschlossen werden könnte. Im Hinblick auf solche einzelvertraglichen Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe spricht das Gesetz nicht von einer Zulassung, sondern von einer Vereinbarung. Daraus ist – auch aus Gründen der Praktikabilität – zu schließen, dass durch diese Willenserklärung die Erlaubnis für entsprechende Arbeitsleistungen an Wochenenden und Feiertagen und gleichzeitig die Verpflichtung dazu begründet wird.*

Für diese Verpflichtung der AN bestehen zwei gesetzliche Grenzen. Die erste betrifft die Zahl der Dienste und gilt nach Wortlaut, Systematik und Zweck unzweifelhaft sowohl für die Zulassung durch BV als auch einzelvertragliche Regelungen. In beiden Fällen sind nach § 12b Abs 1 ARG pro AN nur vier Wochenend- oder Feiertagsdienste im Jahr zulässig, wobei nach dem letzten Satz dieser Bestimmung die Inanspruchnahme dieser Ausnahmen nicht an vier aufeinander folgenden Wochenenden erlaubt ist.

Das wirft zumindest zwei Fragen auf: Zum einen ist unklar, ob diese Beschränkung nur insgesamt vier zusätzliche Ausnahmen erlaubt oder ob jeweils vier Wochenend- und vier Feiertagsdienste möglich sind oder ob es nur vier Wochenendausnahmen oder vier Feiertagsausnahmen geben kann. Die letzte Variante wird schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil der vorübergehend auftretende besondere Arbeitsbedarf wohl kaum einzig auf Wochenenden oder ausschließlich auf Feiertage beschränkt sein wird.* Gegen die zweite Deutungsmöglichkeit spricht bereits der Umstand, dass hier eine zusätzliche Ausnahme eröffnet wird, die gerade im Kontext der anderen Regelungen des ARG eng verstanden werden muss.* Dies deckt sich mit den Materialien, die in diesem Kontext von einer Beschränkung sprechen.* Und schließlich würden acht Ausnahmen pro Jahr und AN kaum mit einem bloß vorübergehenden Bedarf vereinbar sein. Insofern wird zwar auch eine Kombination von Wochenend- und Feiertagsarbeit möglich sein, in Summe sind aber nach § 12b ARG nur vier Ausnahmefälle pro Jahr zulässig.*

Damit ist die zweite Frage anzusprechen, wie nämlich dieser Jahreszeitraum zu verstehen ist. Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten, das Kalenderjahr, das individuelle Arbeitsjahr oder ein Beobachtungszeitraum, der mit der ersten Ausnahme zu laufen beginnt oder von der jeweils beabsichtigten Ausnahme zurückzurechnen ist. Tomandl plädiert für das Kalenderjahr, weil die Regelung auch für Feiertage gelte, die jeweils nur in einem Kalenderjahr anfielen.* Dem kann freilich entgegengehalten werden, dass die Ausnahme pro Jahr und AN gilt, was bei AN mit einem unterjährigen Beschäftigungsbeginn zu merkwürdigen, wenn nicht unsachlichen Ergebnissen führen könnte.* Insofern liegt bereits näher, auf das individuelle Arbeitsjahr abzustellen,* wenngleich sich auch hier Probleme ergeben könnten, insb wenn das Arbeitsjahr durch unbezahlte Freistellungen unterbrochen ist.* Diese Probleme könnten allenfalls durch eine Aliquotierung, dh durch Reduktion der Zahl der zulässigen Ausnahmen entsprechend des Anteils, der vom betreffenden Jahr zur Verfügung steht, in ähnlicher Weise gelöst werden wie im Hinblick auf den viermonatigen Rumpfzeitraum vom Inkrafttreten der Neuregelung bis zum Jahresende im Falle einer auf das Kalenderjahr bezogenen Durchrechnung.*

All diese Varianten bergen somit gewisse Unstimmigkeiten in sich. Vor allem aber tragen sie dem erklärten Zweck der neuen Ausnahmemöglichkeit nicht Rechnung. Insofern spricht wohl wesentlich mehr dafür, auch bei der Bestimmung des Jahreszeitraums möglichst flexibel vorzugehen. Das bedeutet, dass das „Jahr“ zu laufen beginnt, wenn der/die AN erstmals zu einem auf diese Bestimmung gestützten, also „nur“ durch einen vorübergehend auftretenden besonderen Arbeitsbedarf ausgelösten Wochenend- oder Feiertagsdienst herangezogen wird. Umgekehrt ist eine solche Ausnahme unzulässig, solange die letzten vier Durchbrechungen der Wochenend- und Feiertagsruhe nach § 12b ARG nicht länger als ein Jahr zurückliegen.*

Diese Betrachtungsweise spielt allerdings nur dann eine Rolle, wenn die BV nach § 12b Abs 1 ARG oder die schriftliche Einzelvereinbarung nach29Abs 3 dieser Bestimmung keine Regelung zu dieser Frage enthält. Insofern scheint es nicht zuletzt im Lichte der Rechtssicherheit – auch für den/die AG* – höchst zweckmäßig, dazu in der BV oder in der Einzelvereinbarung Klarstellungen zu treffen. Dafür, wie das zu geschehen hat, eröffnet das Gesetz einen weiten Spielraum, da hier in der Tat nicht eine gleichmäßige Verteilung dieser Sonderbedarfsdienste das Regelungsziel ist, sondern die Abdeckung des vorübergehenden besonderen Bedarfs, sofern es zu einer entsprechenden Einigung kommt.*

Was dagegen in keinem Fall – also auch weder durch BV noch durch Einzelvereinbarung – zulässig ist, sind nach dem letzten Satz in § 12b Abs 1 ARG Ausnahmen an vier auf einander folgenden Wochenenden. Diese Beschränkung kommt unabhängig davon zur Anwendung, wie der Jahreszeitraum berechnet wird.* Sie erlaubt aber auch den Schluss, dass die Verteilung der Sonderbedarfsdienste nicht gleichmäßig zu erfolgen hat.*

Diese Bestimmung stellt im Übrigen nur auf Wochenenddienste ab. Damit scheinen zusätzliche Feiertagsdienste zulässig, wenn sie innerhalb des hier maßgebenden Zeitraums von vier Kalenderwochen liegen.* Angesichts der eben herausgearbeiteten Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung von Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe scheitert das aber ohnedies wieder an der Gesamtzahl von vier pro Jahr.

3.3.
Die Zusatzanforderungen „wiederkehrende Ereignisse“ und „Anlass“ in Abs 4

Der „vorübergehend auftretende besondere Arbeitsbedarf“ wird häufig nicht vorhersehbar sein, sondern erst kurzfristig entstehen bzw erkennbar sein. Es wurde schon (oben 3.1.) darauf hingewiesen, dass sich vor allem aus § 12b Abs 4 ARG ergibt, dass die Vorhersehbarkeit höchstens ein mittelbares Kriterium für die Zulässigkeit von zusätzlichen Durchbrechungen der Wochenend- und Feiertagsruhe darstellt. In dieser Regelung geht der Gesetzgeber sogar davon aus, dass die BV nach Abs 1 bzw die Einzelvereinbarung nach Abs 3 gerade „für wiederkehrende Ereignisse abgeschlossen wird“. In diesem Fall ist aber der Anlass für die – dann regelmäßigen – zusätzlichen Ausnahmen zu umschreiben.

Das gesetzgeberische Konzept erlaubt offenbar beide Regelungsansätze, den auf einen konkreten singulären Anlass bezogenen ebenso wie den grundsätzlichen, der auf wiederkehrende und daher typisierbare Sonderbedarfe abstellt. Diese Möglichkeit bestand grundsätzlich auch schon bei der früheren Regelung des § 7 Abs 4 AZG, die ja in den Materialien als Vorbild für den neuen § 12b ARG genannt wird. Während eine Zulassung der dortigen Sonderüberstunden durch eine „BV auf Vorrat“ abgelehnt wurde, weil die Prüfung des Sonderbedarfs konkret erfolgen müsse,* wurde eine allgemeine Regelung für grundsätzlich möglich gehalten, insb wenn sie typische Fallkonstellationen umfasst und ausreichend konkretisiert hat.* Strittig war dagegen, ob eine solche „Grundsatzvereinbarung“ allein ausreicht oder ob es dazu noch einer „Aktivierungsvereinbarung“ bedarf.*

Angesichts der Formulierung und der erkennbaren Zielsetzung des § 12b Abs 4 ARG wird eine Konstruktion, die eine solche zusätzliche Aktivierung im Anlassfall verlangt, zwar nicht verboten, aber auch nicht notwendig sein.* Eine pauschale Vereinbarung ohne nähere Präzisierung ist dagegen auch weiterhin nicht zulässig (argmuss ... den Anlass umschreiben“), erfordert doch auch diese zusätzliche Ausnahme von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe zumindest ein Mindestmaß an Planbarkeit und Berechenbarkeit für die betroffenen AN.

Während bei auf einen einzelnen konkreten Anlass (zB in Form eines wichtigen und dringenden Auftrags, der ohne Durchbrechung der Wochenend- bzw Feiertagsruhe nicht erledigt werden kann) bezogenen Vereinbarungen die erforderliche Präzisierung bereits der BV bzw der Einzelvereinbarung innewohnen wird, gewinnt in den anderen – und vermutlich praktisch häufigeren – Fällen die Auslegung der Tatbestandselemente „wiederkehrende Ereignisse“ und „Anlass“ zentrale Bedeutung. Diese Kriterien machen – zumal im Lichte des Ausnahmecharakters gerade des § 12b ARG – nur dann Sinn, wenn sie nicht als bloße Information gesehen werden, sondern ihnen normative Bedeutung zukommen soll. Dh zum einen, dass bei Definition eines solchen Anlasses die Zulässigkeit der Ausnahme von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe nicht in Betracht kommt, wenn der besondere Arbeitsbedarf in concreto gar nicht besteht.*

Zum anderen müssen sich diese Kriterien an den anderen Elementen des § 12b ARG messen lassen. Daher scheidet zunächst etwa ein zu erwartender Käuferansturm in Handelsbetrieben aus, weil die vorliegende Bestimmung nach ihrem Abs 2 in diesem Bereich nicht anwendbar ist.* Die praktisch wichtigere, aber viel heikler festzumachende Grenze wird freilich dort liegen, wo Ereignisse so häufig und regelmäßig wiederkehren, dass30sie nicht mehr als bloß vorübergehender Bedarf anzusehen sind. Das ist daher nicht erst bei Abweichungen vom normalen ganzjährigen Verlauf der Fall,* sondern bereits, wenn dieser Sonderbedarf nicht nur mehrmals, sondern auch in einer höheren Frequenz vorkommt. Gerade im Lichte der (oben in 3.2. erörterten) Begrenzung auf weniger als vier Wochenenddienste hintereinander pro AN werden daher „Sonderbedarfe“, die jedes Monat Sonntagsarbeit notwendig machen, kein zulässiges wiederkehrendes Ereignis darstellen, für das eine Pauschalvereinbarung getroffen werden kann. Wo wirklich die Untergrenze liegt, ist angesichts der vagen gesetzlichen Vorgaben nicht präzise auszumachen. Alle drei Monate, gerade an einem Sonntag erforderliche Inventurarbeiten,* werden aber ebenso unbedenklich sein wie etwa Tätigkeiten vor oder bei besonderen wiederkehrenden Ereignissen (zB Weihnachten, Festspiele, Sportevents).

In diesem Zusammenhang scheint es auch noch wesentlich, auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen des Vorliegens eines zu häufig „wiederkehrenden Ereignisses“ und der fehlenden oder nicht ausreichend präzisen Umschreibung für den „Anlass“ hinzuweisen. Ist ersteres der Fall, sind die Ausnahmen nach § 12b ARG nicht zulässig; wenn AN dennoch an Wochenenden oder Feiertagen beschäftigt werden, erfüllt dies den Straftatbestand des § 27 Abs 1 dieses Gesetzes. Wird hingegen nur der Anlass nicht (präzise genug) umschrieben, könnten solche Verwaltungsstrafen noch ad-hoc durch eine entsprechende BV oder – in betriebsratslosen Betrieben – Einzelvereinbarung vermieden werden.

4.
Flankierungen

Angesichts der bisher dargestellten weiten Spielräume für die Zulassung von zusätzlichen Ausnahmen von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe könnte den Vorkehrungen in § 12b Abs 3 Satz 2 bis 5 ARG besondere Bedeutung zukommen. Ebenso wie im neuen § 7 Abs 6 AZG bei über 10 Stunden pro Tag oder über 50 Stunden pro Woche hinausgehenden Überstunden wird den AN das Recht eingeräumt, „solche Wochenend- und Feiertagsarbeit ohne Angabe von Gründen abzulehnen“. Dieses Ablehnungsrecht bezieht sich aber – anders als jenes im AZG und abweichend vom ursprünglichen Initiativantrag – nicht erst auf Überstunden, sondern auf jede Wochenend- und Feiertagsarbeit, auch wenn sie im Rahmen der Normalarbeitszeit erbracht wird.* Gleiches gilt für die Flankierungen des Ablehnungsrechts durch ein Benachteiligungsverbot und einen unabhängig vom Bestehen eines BR geltenden spezifischen Motivkündigungsschutz (arg jeweils „deswegen“). In diesem Zusammenhang stellen sich vor allem drei Fragen.

Zum einen sollen diese Vorkehrungen nach dem Gesetzeswortlaut nurin diesem Fall“ gelten, was angesichts der Systematik nur auf die Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe bezogen werden kann, die auf Grund einer Einzelvereinbarung ermöglicht werden. Das hätte auch eine gewisse Logik, weil bei einer Zulassung durch BV der Schutz einzelner AN nicht so dringend erscheinen könnte,* und zudem die Beschränkung auf vier Sonderbedarfsdienste in jedem Fall gilt. Auch die Materialien wollen nur diesen AN „gewissen Schutz“ zubilligen, wobei freilich den Erläuterungen hier nicht allzu große Bedeutung beigemessen werden darf, da die Sätze 2 bis 5 erst im Zuge der Behandlung im Parlamentsplenum in § 12b Abs 3 ARG eingefügt wurden.

Ein solches Verständnis würde im Ergebnis bedeuten, dass sich AN bei Zulassung von zusätzlichen Wochenend- und Feiertagsdiensten durch BV de facto nicht wehren könnten. Der bloßen Zulassung durch BV würde damit eine Wirkung zukommen, die ihr der Gesetzgeber nicht beigemessen hat, und den AN in Betrieben mit BR würden nicht nur Verpflichtungen auferlegt werden, die für AN in betriebsratslosen Betrieben nicht in Betracht kommen.* Sie würden vielmehr auch einem strengeren Maßstab unterworfen sein als bei allen anderen Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe, die stets nur eine Zulassung, aber keine individuelle Verpflichtung begründen können. Diese Differenzierung, die auch durch den möglichen Hinweis auf den allfälligen Motivkündigungsschutz nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht kompensiert wird, scheint sachlich nicht gerechtfertigt und lässt – zur Vermeidung sonstiger Verfassungswidrigkeit – eine analoge Erstreckung des grundlosen Ablehnungsrechts auch bei durch BV nach § 12 Abs 1 ARG erfolgter Zulassung geboten erscheinen.*

Genau genommen geht es hier eigentlich nicht um die Frage, wann ein Ablehnungsrecht besteht, sondern – und damit ist das zweite Problem angesprochen – wann die Schutzvorkehrungen nach § 12b Abs 3 Satz 3 bis 5 ARG greifen sollen, wenn AN nicht zur Wochenend- und Feiertagsarbeit bereit sind. Die Formulierung „Ablehnung“ legt an sich nahe, dass es bereits eine Verpflichtung zu entsprechenden Leistungen gibt, welche regelmäßig nur durch Einzelvereinbarung begründet werden kann (vgl oben 3.2.). Insofern könnte das Ablehnungsrecht nur auf die Leistung der konkreten Dienste und nicht auch auf die Zulassungsvereinbarung bezogen werden.* Abgesehen davon, dass bei kurzfristig auftretendem Arbeitsbedarf zumindest bei Fehlen eines BR Zulassung und Verpflichtungserklärung zusammenfallen werden, ist nicht einsichtig, warum die Flankierungen nicht auch jenen31AN zu Gute kommen sollte, die den Abschluss einer Vereinbarung nach Abs 3 Satz 1 verweigern. Wenn schon eine Ablehnung trotz grundsätzlich bestehender Verpflichtung geschützt ist, gebietet bereits ein Größenschluss, dass dies umso mehr gelten muss, wenn sich die „Ablehnung“ in der Verweigerung einer Zustimmung zu der vom AG „angebotenen“ atypischen Arbeitszeitgestaltung manifestiert.

Diese Form der Ablehnung wird praktisch vor allem bei einem kurzfristig auftauchenden besonderen Arbeitsbedarf eine Rolle spielen. Wenn nun auch die Ablehnung kurzfristig erfolgt, tritt als dritte im vorliegenden Zusammenhang zu erörternde Frage das Problem auf, wie diese Ablehnung zu beurteilen ist, wenn der/die AN der Ausnahme von der Wochenend- bzw Feiertagsruhe bereits grundsätzlich oder auch für den konkreten Anlassfall zugestimmt hat. MaW geht es also um die „Bindungswirkung“ einer solchen Zustimmung.

Für die Beurteilung dieser Frage ist zunächst davon auszugehen, dass das ARG – ebenso wie die Parallelbestimmung in § 7 Abs 6 AZG – keine Vorgaben formuliert, wann die Ablehnung ausgesprochen werden muss. Angesichts der Zielsetzung und des Fehlens inhaltlicher Einschränkungen („ohne Angabe von Gründen“) kann es grundsätzlich auch keine Frist geben, in der die Ablehnung nur bzw noch möglich ist. Insofern können auch bereits konkret zugesagte Überstunden kurzfristig abgelehnt werden, wobei in der Tat nahe liegt, dass „ablehnen“ mehr sein muss als bloßes Nichterscheinen zur erwarteten Arbeit an einem Wochenende oder Feiertag.* In Ermangelung weiterer Vorgaben wird man dennoch mit den üblichen Anforderungen an eine Willenserklärung (arg § 863 Abs 1 ABGB: „mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen“) das Auslangen finden (müssen).

Insofern kann es auch keine Rolle spielen, dass der Gesetzgeber „kein Widerrufsrecht in Bezug auf eine wirksame Vereinbarung“ vorgesehen hat,* da ein solches bei einem jederzeitigen und grundlosen Ablehnungsrecht nicht erforderlich ist. Das hier berührte Problem, dass der AG auf bereits abgegebene Zusagen vertrauen können bzw die Möglichkeit für alternative Dispositionen haben muss,* ist aber durchaus anzuerkennen: Es wäre wohl rechtsmissbräuchlich, würde der/die AN eine – vielleicht sogar erst vor kurzem – abgegebene Zusage plötzlich widerrufen, ohne dass es dafür einen beachtlichen Grund gäbe. Insofern ist die Situation nicht unähnlich der Konstellation in § 6 Abs 2 AZG, nach der schon bisher Überstunden nicht zulässig waren, wenn berücksichtigungswürdige AN-Interessen entgegenstehen.* Auch wenn es vorliegend nicht (notwendigerweise) um Überstunden geht, legt die Parallele zu § 7 Abs 6 AZG doch nahe, die oben angeführte Regelung auch als Maßstab für die Beurteilung eines kurzfristigen Widerrufs einer Zusage nach § 12b Abs 3 ARG einzusetzen.

Im Rahmen der daher anzustellenden Interessenabwägung wird es zum einen auf die besonderen – kurzfristig geänderten – Umstände auf AN-Seite und deren Gewicht ankommen. Bei der Beurteilung der AG-Interessen wird zum anderen die Grundvoraussetzung eines besonderen Arbeitsbedarfes zwar vorliegen müssen, aber nicht ausreichen, weil ohne sie die Ausnahme nach § 12b gar nicht zulässig ist. Viel eher wird es darauf ankommen, als wie schutzwürdig das Vertrauen des/der AG auf die ursprüngliche Zusage des/der AN einzustufen ist. Das wird umso höher sein, je weniger Zeit seit dieser Zusage vergangen ist bzw je konkreter der Anlass bei wiederkehrenden Ereignissen umschrieben ist. Liegt diese aber schon länger zurück, insb wenn es sich um eine Grundsatzvereinbarung handelt, und ist sie vielleicht noch dazu vage, kann auch eine kurzfristige Ablehnung von konkreter Wochenend- oder Feiertagsarbeit nicht unzulässig und schon gar nicht rechtsmissbräuchlich sein.

5.
Zusammenfassung

Die Ergebnisse der vorstehenden Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • § 12b ARG bringt eine Erweiterung der bisher möglichen Durchbrechungen der Wochenend- und Feiertagsruhe. Diese lässt sich nur schwer in den Katalog der bisherigen Ausnahmen einordnen, zumal diese vom Gesetzgeber nicht verändert wurden. Das erweckt Zweifel an der sachlichen Rechtfertigung der neuen Ausnahme, gebietet aber in jedem Fall eine strenge Auslegung der Voraussetzungen nach § 12b, was auch durch § 2 Abs 2 ARG bekräftigt wird.

  • Die Kernvoraussetzung für diese Ausnahme („bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf“) ist zwar großzügiger gefasst als die offenbar als Vorbild dienende Regelung im früheren § 7 Abs 4 AZG. Die anders als dort in § 12b ARG nicht mehr vorgesehenen Kriterien („Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils“ bzw „andere Maßnahmen nicht zumutbar“) können nur mittelbar, aber insofern doch noch eine Rolle spielen.

  • Auch ein – Ausnahmen nun grundsätzlich ermöglichender – vorhersehbarer Bedarf muss daher so gestaltet sein, dass er nur durch Wochenend- bzw Feiertagsarbeit bewältigt werden kann.

  • Von einem „vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf“ kann bei einem (nahezu) ganzjährig durchgängigen Betrieb auch an Wochenenden oder Feiertagen nicht mehr gesprochen werden. Daher ist die Organisation ganzjähriger Dienste unzulässig, auch wenn für die einzelnen AN die Höchstzahl von vier Ausnahmen eingehalten wird.32

  • Diese Begrenzung bezieht sich auf insgesamt vier Wochenend- und Feiertagsdienste pro AN und Jahr. Der Jahreszeitraum ist flexibel zu verstehen und beginnt mit der ersten, auf § 12b ARG gestützten Durchbrechung der Wochenend- bzw Feiertagsruhe. Abweichende Regelungen für Beginn bzw Ende dieses Zeitraums durch BV oder Einzelvertrag sind möglich und zweckmäßig.

  • Die Ausnahme nach § 12b ARG kann auf einen konkreten einzelnen Anlass oder einen wiederkehrenden und daher typisierbaren Sonderbedarf bezogen werden. Im zweiten Fall muss aber nach Abs 4 dieser Bestimmung der Anlass genau umschrieben werden.

  • Das dem/der AN eingeräumte Ablehnungsrecht „ohne Angabe von Gründen“ gilt nicht nur für Überstundenarbeit und wird vor allem bei wiederkehrenden Ereignissen eine Rolle spielen. Die dieses Recht flankierenden Vorkehrungen in Form des Benachteiligungsverbots und eines besonderen Motivkündigungsschutzes gelten nicht nur bei Fehlen eines BR (§ 12 Abs 3 ARG), sondern – zur Vermeidung sonstiger verfassungsrechtlicher Probleme – analog auch bei Zulassung von Ausnahmen durch BV nach Abs 1 dieser Bestimmung.

  • Für die Ablehnung bestehen weder besondere formale Anforderungen (§ 863 ABGB) noch zeitliche Begrenzungen. Der Widerruf einer – zumal erst vor kurzem – abgegebenen Zusage durch eine/n AN kann aber im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein. Hier ist eine Interessenabwägung ähnlich wie bei § 6 Abs 2 AZG anzustellen, bei der dem/der AG aber in der Regel ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann zugebilligt werden kann, wenn seit der ursprünglichen Zusage des/der AN wenig Zeit vergangen ist bzw der Anlass bei wiederkehrenden Ereignissen konkret umschrieben wurde.33