Konzernstrukturen und Arbeitsrecht – Arbeitsrecht in Konzernen mit Matrixorganisation*

CLAUDIASCHUBERT (HAMBURG)
Matrixorganisationen sind insb in internationalen Konzernen verbreitet und dienen einer unternehmensübergreifenden Organisation von Arbeitsabläufen. Der Beitrag geht auf die zentralen Fragen der Arbeitsvertragsgestaltung ein und erläutert die Folgen für die soziale Gestaltungspflicht des AG bei betriebsbedingten Kündigungen. Zudem werden die Auswirkungen des konzerndimensionalen AN-Einsatzes für die betriebliche Mitbestimmung dargestellt und Vorschläge für die Weiterentwicklung des geltenden Rechts aufgezeigt.
  1. Einleitung

  2. Unternehmensübergreifende Beschäftigung im Konzern

    1. Arbeitsvertragsgestaltung

      1. Einzelarbeitsverhältnis, mehrere Arbeitsverhältnisse, einheitliches Arbeitsverhältnis

      2. Unternehmensübergreifender Arbeitnehmereinsatz

    2. (Keine) Arbeitnehmerüberlassung

    3. Folgefragen zum Kündigungsschutz

  3. Konzerndimensionaler Arbeitseinsatz und Betriebsverfassung

    1. Abgrenzung von Betrieben und Betriebsteilen als betriebsratsfähige Einheit

    2. (Doppelte) Betriebszugehörigkeit

    3. Zuständigkeit des Betriebsrats beim drittbezogenen Personaleinsatz

    4. Informationsrecht des Betriebsrats als Voraussetzung der Interessenvertretung

    5. Gestaltungsbedarfe – für den Gesetzgeber, für die Sozialpartner

  4. Zusammenfassung

1.
Einleitung

Das Arbeitsrecht in Österreich ist ebenso wie in Deutschland auf das Arbeitsverhältnis als Rechtsverhältnis zwischen dem AN und dem AG als natürliche oder juristische Person bezogen. Die Tätigkeit von AN im Konzern stößt damit an die Grenzen des arbeitsrechtlichen Koordinatensystems. Damit ergeben sich zusätzliche Rechtsprobleme, sobald AN unternehmensübergreifend tätig werden oder die Organisation der unternehmerischen Tätigkeit auf Seiten des AG durch ein Zusammenwirken mehrerer juristischer Personen im Konzern erfolgt.*

Die Matrixorganisation ist eine betriebswirtschaftliche Organisationsform – eine Organisationsstruktur –, deren Eigenart darin besteht, dass die Unternehmung nicht primär hierarchisch organisiert wird, sei es innerhalb der juristischen Person, sei es im Unterordnungskonzern. Vielmehr wird die unternehmerische Tätigkeit in mehrere Linien gegliedert, die nicht hierarchisch gestuft sind, sondern parallel nebeneinander bestehen.* Anders als Konzerne, die in den 1990er-Jahren noch neun oder zehn Hierarchieebenen hatten, kommen viele Matrixorganisationen mit drei bis vier Ebenen aus. Regelmäßig werden zentrale Unternehmensbereiche, wie Personal, IT und Finanzen, in sogenannten Funktionsbereichen gebündelt, die über 407 entsprechende Berichtslinien durch den Vorstand bzw das zuständige Vorstandsmitglied geführt werden.* Unabhängig davon hat der Konzern mehrere Geschäftsbereiche, die nach Produkten, Märkten oder Kunden zugeschnitten sein können.* Soweit bei der Unternehmensführung Entscheidungen zu fällen sind, die sowohl einen Funktions- als auch einen oder mehrere Geschäftsbereich/e betreffen (zB Personalentwicklung, Einstellung), sind alle Verantwortlichen in diesen Bereichen zu beteiligen. Die Matrixorganisation stellt damit erhöhte Anforderungen an die unternehmensinterne Kommunikation und die Führungskompetenz der GeschäftsleiterInnen, leitenden Angestellten und MatrixmanagerInnen.

Die Organisation bewegt sich zudem nicht entlang der Grenzen der juristischen Personen, sondern integriert diese in eine unabhängig davon gedachte Organisationsstruktur. Das erlaubt es, insb Zukäufe von Gesellschaften mit geringen gesellschaftsrechtlichen Anpassungen in ein Unternehmen zu integrieren. Auch steuerrechtliche Gestaltungen sind damit von der Organisation des operativen Geschäfts und den unternehmensübergreifend organisierten Unternehmensfunktionen unabhängig. Die Flexibilität der Organisation macht sie in einer globalisierten Wirtschaft besonders geeignet, zumal die Organisation des operativen Geschäfts unabhängig von Ländergrenzen ist. Verbreitung hat die Matrixorganisation aber auch wegen ihrer vergleichsweise einfachen Einführung und Änderbarkeit sowie ihrer Kombinierbarkeit mit hierarchischen oder divisionalen Organisationen gefunden.* Sie gilt daher als geeignet, um eine optimale Anpassung an das Marktgeschehen und die Arbeitsabläufe zu bewirken. Insofern verwundert es nicht, dass Konzerne mit Matrixorganisation ihre Struktur auch im Geschäftsbericht nicht anhand der einzelnen Konzerngesellschaften, sondern anhand der Geschäftsbereiche vornehmen, die das operative Geschäft des Konzerns ausmachen.

2.
Unternehmensübergreifende Beschäftigung im Konzern
2.1.
Arbeitsvertragsgestaltung
2.1.1.
Einzelarbeitsverhältnis, mehrere Arbeitsverhältnisse, einheitliches Arbeitsverhältnis

Die individualarbeitsrechtliche Umsetzung der Matrixorganisation als Unternehmensorganisation kann bei der Beschäftigung von AN in Konzernen in unterschiedlicher Form erfolgen. Für die Leitung der Geschäftsbereiche ist insoweit entscheidend, dass die Verantwortlichen – die MatrixmanagerInnen – die zum Geschäftsbereich gehörenden AN durch Weisung führen können. In der Regel bleibt es dabei, dass der AN einen Arbeitsvertrag mit einem Konzernunternehmen schließt. MatrixmanagerInnen anderer Konzernunternehmen werden lediglich ermächtigt, das Weisungsrecht des Vertrags-AG gegenüber dem AN auszuüben, soweit dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist.*

Letztere haben zur Folge, dass die AG nicht nur Mit- oder GesamtgläubigerInnen der Arbeitsleistung sind, sondern auch GesamtschuldnerInnen der Vergütung. Das ist in der Regel nicht gewollt. Erforderlich ist vor allem die Übertragung von Weisungsrechten der zu führenden AN. Zudem bedarf es bei der Aufhebung der Matrix, zB anlässlich einer Betriebs- oder Unternehmensveräußerung, gegebenenfalls einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem der AG. Erforderlich sind daher die Erklärungen der Vertragsparteien oder klare Anhaltspunkte dafür, dass ein einheitliches bzw mehrere Arbeitsverhältnisse geschlossen werden sollten. Sonst käme es zu einer Fiktion, die zu willkürlichen Ergebnissen führte.

Der bloße Einsatz von AN als MatrixmanagerInnen, die unternehmensübergreifend tätig sind, erlaubt jedenfalls nicht den Schluss, dass der AN mit allen beteiligten Unternehmen in einem Arbeitsverhältnis steht.* Das angestrebte Ziel lässt sich durch die Ermächtigung zur Weisung der unternehmensfremden AN bewirken, so dass es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass sich die am Geschäftsbereich mitwirkenden Unternehmen weitergehend als Vertrags- AG des Matrixmanagers binden wollten.

Praktisch dominiert weiterhin das Einzelarbeitsverhältnis. Die AN stehen in Matrixorganisationen aber nicht nur ihrem Vertrags-AG gegenüber. Fachliche Weisungen erteilen regelmäßig die Vorgesetzten im Geschäftsbereich, die nicht notwendig derselben juristischen Person angehören oder im Inland tätig sind. Zur Steuerung der Arbeitsabläufe in der Matrixstruktur wird der Matrixmanager im Innenverhältnis durch den Vertrags-AG zur Ausübung des Weisungsrechts gegenüber dem AN ermächtigt. Im Außenverhältnis zum AN agiert der Matrixmanager als Stellvertreter des Vertrags-AG.* Seine 408 Weisungen sind damit dem Vertrags-AG zuzurechnen, was sowohl im Kündigungsschutzrecht als auch im Betriebsverfassungsrecht Bedeutung erlangt.

2.1.2.
Unternehmensübergreifender Arbeitnehmereinsatz

Daneben ist es für Matrixorganisationen charakteristisch, dass AN unternehmensübergreifend eingesetzt werden. Dies kann einen Teil, aber auch die gesamte geschuldete Arbeitsleistung des AN erfassen. Zur Umsetzung erfolgen eine Versetzung und eine Übertragung von Weisungsrechten an den Betriebsinhaber bzw den Matrixmanager des Einsatzbetriebs. Der Arbeitsvertrag besteht mit dem Vertrags-AG fort. Dies führt zur Aufspaltung des Weisungsrechts zwischen dem Vertrags-AG (sogenanntes disziplinarisches Weisungsrecht) und dem Vorgesetzten im Einsatzbetrieb (sogenanntes fachliches Weisungsrecht).* Damit geht wie bei der Leiharbeit eine Aufspaltung der AG-Stellung einher.

Typische Probleme ergeben sich in solchen Fällen daraus, dass (1.) die Gefahr besteht, dass der Vertrags-AG keine vollständigen Informationen hat (insb bei der Leistungsbeurteilung), (2.) dass sich die beiden Vorgesetzten durch ihre Weisungen widersprechen oder (3.) dass durch die mangelnde Koordinierung der Vorgesetzten der Arbeitsschutz (iS eines Belastungsschutzes) nicht gewährleistet ist. Diesen Problemen lässt sich durch vertragliche Gestaltung oder durch Betriebsvereinbarungen abhelfen. Zum einen kann die Koordinierung der Vorgesetzten im Rahmen der Service Agreements zwischen den Gesellschaften bzw im Rahmen der Ermächtigung aufgenommen werden (Festlegung einer Hierarchie der Weisungen der Vorgesetzten untereinander, Festlegung eines Konfliktlösungsmechanismus, Vorgaben zur Informationsweitergabe für die Leistungsbeurteilung).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Übertragung von Weisungsrechten und die Aufspaltung der AG-Stellung zentrale Ursache für eine Vielzahl von Rechtsfragen bei der arbeitsrechtlichen Handhabung der Matrix sind. Die dabei gängige Unterscheidung zwischen dem fachlichen und dem disziplinarischen Weisungsrecht ist rechtlich nur teilweise determiniert. Im deutschen wie im österreichischen Recht ist die AG-Stellung an sich nicht übertragbar (§ 1153 ABGB).* Eine Ermächtigung zur Ausübung des Weisungsrechts muss angesichts der zulässigen Stellvertretung mE ohne spezielle Matrixklausel möglich sein, wenn die zentralen Entscheidungen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses beim Vertrags-AG verbleiben.* Dieses Verständnis ist im deutschen Recht streitig,* so dass in den Arbeitsvertrag vorsichtshalber eine sogenannte Matrixklausel* aufgenommen werden sollte, die eine Übertragung fachlicher Weisungsrechte erlaubt. Für einen unternehmensübergreifenden AN-Einsatz bedarf es in jedem Fall einer Versetzungsklausel, die mit der Matrixklausel verbunden werden kann. Diese unterliegen selbstverständlich der Kontrolle nach dem Maßstab des § 879 Abs 1 ABGB sowie der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB.* Der Ausübung des Weisungsrechts als einseitigem Leistungsbestimmungsrecht ziehen in Deutschland wie in Österreich die Billigkeit und die Fürsorgepflicht des AG Grenzen.*

2.2..
(Keine) Arbeitnehmerüberlassung

Der unternehmensübergreifende Einsatz von AN und die Aufspaltung der AG-Stellung macht diese Tätigkeit der AN indes nicht automatisch zu einer vom AÜG erfassten AN-Überlassung. Diese besteht in der Beschäftigung von AN zur Erbringung einer Arbeitsleistung ausschließlich im Interesse eines Dritten (vgl § 3 Abs 1 bis 3 AÜG).* Eine unternehmerische Zusammenarbeit, bei der beide Unternehmen durch den AN-Einsatz jeweils ihren Betriebszweck verfolgen, ist hingegen keine AN-Überlassung, unabhängig davon, ob ein gemeinsamer Betrieb vorliegt.*

Die Weisungen des externen Matrixmanagers machen die Arbeitsleistung des AN nicht zu einer Tätigkeit (ausschließlich) im Dienst eines anderen Konzernunternehmens.* Er nimmt nur das fachliche Weisungsrecht wahr.* Selbst der unternehmensübergreifende Einsatz führt nicht zwingend zur Anwendung des AÜG. Die Tätigkeit erfolgt in der Matrix wegen ihres kooperativen Ansatzes zumindest auch im Interesse des Vertrags-AG. Das operative Geschäft wird von den Konzernunternehmen grundsätzlich gemeinsam, jeweils im Eigeninteresse, betrieben. Insb der Umstand, dass der AN ursprünglich beim Vertrags-AG einen Arbeitsplatz hatte* und seine Tätigkeit im Einsatzbetrieb auch dem Betriebszweck des Vertrags-AG im Rahmen des Geschäftsbereichs entspricht, lässt sich gegen das Vorliegen einer AN-Überlassung anführen. Im Einzelfall ist genau zu prüfen, ob der AN seine Arbeitsleistung nur im Interesse bzw zur Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke des Einsatzbetriebs oder auch des Vertrags-AG erbringt. Indizien können sich aus der Art und dem Umfang des AN-Einsatzes und der Kostentragung ergeben.409*

Die Unsicherheiten dieser Abgrenzung, die bisher keine Bestätigung in der Rsp gefunden hat, belasten zumindest dort nicht, wo das Konzernprivileg in § 1 Abs 3 Nr 4 AÜG sicherstellt, dass das AÜG nicht zur Anwendung kommt. Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Privilegierung der konzerninternen AN-Überlassung bestehen in Österreich nicht in gleicher Weise wie in Deutschland,* zumal das Privileg im AÜG auf eine vorübergehende Überlassung beschränkt ist. Lediglich für die Konzessionspflicht nach § 135 Abs 2 Nr 4 GewO besteht ein allgemeines Konzernprivileg unabhängig von der Dauer der Überlassung.*

Die zeitliche Beschränkung des Konzernprivilegs im AÜG auf die vorübergehende Überlassung von AN hat zur Folge, dass sich Abgrenzung zur AN-Überlassung nicht erübrigt. Der Begriff der „vorübergehenden Überlassung“ ist bei seiner Konkretisierung derselben Kontroverse ausgesetzt wie die frühere Gesetzesfassung des § 1 des deutschen AÜG.*

2.3..
Folgefragen zum Kündigungsschutz

Das eingangs geschilderte Dilemma des Arbeitsrechts, das auf Arbeitsverhältnisse bezogen ist und unternehmensübergreifende Sachverhalte nicht ohne weiteres erfasst, zeigt sich deutlich beim Kündigungsschutz, präziser: der Anfechtung von Kündigungen nach § 105 Abs 3 Nr 2b ArbVG. AN werden zwar unternehmensübergreifend in der Matrixorganisation eingesetzt, bei der Kündigung wegen betrieblicher Erfordernisse durch den Vertrags-AG besteht ein Anfechtungsgrund indes nur, wenn eine Weiterbeschäftigung des AN im Betrieb oder Unternehmen möglich ist. Damit tut sich eine Kluft zwischen der Flexibilität des AN-Einsatzes im Interesse des AG und dem Kündigungsschutz auf, die in Deutschland wie in Österreich zu Überlegungen geführt hat, ob und unter welchen Voraussetzungen sich die Obliegenheit des AG zur Weiterbeschäftigung auf andere Konzernunternehmen erstrecken kann.*

Überwiegend wird eine betriebsübergreifende* bzw unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungsobliegenheit verneint,* wenn der AN nur in einem Konzernunternehmen tätig ist. Selbst wenn man die Weiterbeschäftigung iS von § 105 Abs 3 Nr 2b ArbVG weit versteht und sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten einbezieht, so muss gerade der Vertrags-AG diese Handlungsmöglichkeiten haben, sonst kann er gegebenenfalls weder die Weiterbeschäftigung bewirken noch wirksam kündigen.* Anders gewendet: Jede Erweiterung der sozialen Gestaltungspflicht betrifft nur den Vertrags-AG; die anderen Konzernunternehmen sind Dritte.* Daher ist eine weitergehende Obliegenheit des AG nur gerechtfertigt, wenn er die Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen rechtlich durchsetzen kann.*

Darüber hinaus wird eine Erweiterung der sozialen Gestaltungspflicht nur in Fällen einer sogenannten qualifizierten Konzernierung erwogen, bei der mehrere Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung stehen und die Arbeitsverträge Konzernversetzungsklauseln enthalten oder es tatsächlich zu einem unternehmensübergreifenden Einsatz der AN kommt.* Zum Teil wird auch ein Schutz vor gezielter Umgehung des Kündigungsschutzes durch strukturelle Veränderungen gefordert.*

Eine unternehmensübergreifende soziale Gestaltungspflicht besteht wegen des Drittbezugs nur, wenn der Arbeitsvertrag des AN eine Konzernversetzungsklausel enthält und sich das oder die anderen Konzernunternehmen zur Beschäftigung von AN verpflichtet haben.* Das ergibt sich aber nicht konkludent aus den Service Agreements zwischen den Konzernunternehmen, zumal wenn diese zeitlich befristet sind und es um die Kündigung eines unbefristet beschäftigten AN geht. Eine Weiterbeschäftigung ist daher in der Regel nur möglich, wenn der Vertrags-AG Konzernobergesellschaft oder eine Zwischenkonzernspitze ist, die eigene Weisungsrechte gegenüber den abhängigen Gesellschaften hat und insoweit auch die Weiterbeschäftigung anweisen kann.*

Jenseits dieser Fallgruppe ergibt sich weder aus gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten noch vertraglichen Nebenpflichten oder dem Verbot des Rechtsmissbrauchs eine zusätzliche Weiterbeschäftigungsobliegenheit ieS. Unabhängig von der Begründung von Treuepflichten zwischen Konzernunternehmen gilt, dass die Konzernunternehmen in der Matrix im Rahmen ihres Unternehmensinteresses und nach Maßgabe der Konzernobergesellschaft kooperieren. Im Gegensatz zum gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen besteht keine gemeinsame Leitung in Personalangelegenheiten.*AN-Einsatzes und der Kostentragung ergeben Daran ändern auch Service Agreements nichts.410

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Parallele zur Durchgriffshaftung in der juristischen Person wegen Vermögensvermischung.* Diese Rsp entzieht der juristischen Person als rechtlich verselbständigtem Vermögen die Privilegierung und erlaubt den Durchgriff auf den Inhaber wegen missbräuchlicher Verwendung der juristischen Person. Damit sind die Folgen der Unternehmenskooperation in einer Matrix nicht vergleichbar.

Eine Erweiterung der sozialen Gestaltungspflicht des AG muss sich vor allem auf dessen Verhältnis zum AN stützen. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Vertrags-AG den AN in der Vergangenheit wiederholt unternehmensübergreifend eingesetzt hat.* Das Unternehmen, bei dem die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht, trifft aber keine Rechtspflicht zur Weiterbeschäftigung. Insofern kann den Vertrags-AG nicht mehr als eine Obliegenheit treffen, sich um die Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen in den Grenzen des Zumutbaren zu bemühen. Sofern sich das betreffende Konzernunternehmen weigert, den AN zu beschäftigen, wäre damit weiterhin die Kündigung durch den Vertrags-AG unanfechtbar.

3.
Konzerndimensionaler Arbeitseinsatz und Betriebsverfassung

Eine Matrixorganisation, die unabhängig von den juristischen Personen Arbeitsabläufe organisiert, gerät auch mit der auf den Kategorien Betrieb, Unternehmen und Konzern fußenden Betriebsverfassung in Konflikt. Allerdings waren Änderungen der Arbeits- und Unternehmensorganisation schon immer eine Herausforderung für die Betriebsverfassung. Die seit 100 Jahren bestehende AN-Repräsentation durch Betriebsräte ist mit all dem bei nur sparsamer Gesetzesänderung fertig geworden. Das gilt auch für die Matrixorganisation.

Die Herausforderungen für die Betriebsverfassung ergeben sich bei Matrixorganisationen daraus, dass es zu einer Aufspaltung des AG in fachliche und disziplinarische Vorgesetzte kommt, eine betriebs- bzw unternehmensübergreifende Kooperation erfolgt und ein hohes Maß an Flexibilität und Varianz besteht, während die Betriebsverfassung auf eine mittelfristig stabile Organisation angewiesen ist. Das belegt bereits die fünfjährige Amtszeit der Betriebsratsmitglieder.

Daraus ergeben sich für die Rechtsanwendung folgende Problemfelder: (1.) die Abgrenzung der Betriebe (vor der Betriebsratswahl und zur Abgrenzung der Zuständigkeiten) und (2.) das Bestehen doppelter Betriebszugehörigkeit für AN, die in einem anderen Einsatzbetrieb als dem des Vertrags- AG arbeiten. Zudem (3.) setzt die Betriebsverfassung, damit sie ihr Ziel erreichen kann, ein hohes Maß an Information und Mitwirkung des Betriebsinhabers voraus. Auch hierbei zeigen sich in der Matrixorganisation Defizite. Das gilt umso mehr als die Entscheidungswege im Konzern von der Lokalisierung der AN-Repräsentation im Betrieb abweichen.

3.1.
Abgrenzung von Betrieben und Betriebsteilen als betriebsratsfähige Einheit

Der Betriebsbegriff, der in Deutschland und Österreich gleichermaßen auf die prägenden Arbeiten von Jacobi aus dem Jahr 1927 zurückgeht,* zielt auf die Abgrenzung einer dauerhaften Organisationseinheit, in der (kollektive) Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten für die Belegschaft getroffen werden. Der BR als AN-Repräsentant steht einem Betriebsinhaber mit Leitungsbefugnissen gegenüber, auf dessen Entscheidungen er einwirken kann. Insofern ist der Betrieb vor allem funktional abzugrenzen, weniger nach räumlicher Nähe, auch wenn diese für die Abgrenzung Bedeutung behält.* Dennoch ist die Mitwirkung der AN-Vertreter im Interesse der AN-Nähe auf den Betrieb ausgerichtet.

Bereits vorab lässt sich daher festhalten, dass der Geschäftsbereich als Untergliederung der Matrix grundsätzlich kein Betrieb iS von § 34 ArbVG ist.* Geschäftsbereiche bündeln Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf ein Produkt, einen spezifischen Markt oder Kundenkreis. Maßgebend für die Betriebsabgrenzung ist indes die Entscheidungsbefugnis in personellen und sozialen Angelegenheiten. Selbst wenn einzelne Befugnisse in diesen Angelegenheiten auf das Management des Geschäftsbereichs übertragen werden, so scheidet die Abgrenzung von Untereinheiten des Geschäftsbereichs als Betriebe nicht aus. Die Entscheidungen der Matrixmanager (als Stellvertreter) werden dem Betriebsinhaber zugerechnet. Zudem sind die Geschäftsbereiche unternehmensübergreifend. Das Geschäftsbereichsmanagement wäre daher nur Betriebsinhaber iS von § 34 ArbVG, wenn die Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten einheitlich erfolgt. Das ist grundsätzlich nicht gewollt, zumal die Entscheidungskompetenzen in der Matrix bewusst aufgespalten werden.

Matrixorganisationen neigen allerdings zur Zentralisierung von Entscheidungen im Konzern. Das führt aber keineswegs dazu, dass es nur noch unternehmensweite Betriebe gibt. Eine Arbeitsstätte wird nicht nur dann zum Betrieb, wenn alle wesentlichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten beim Betriebsinhaber liegen. Auch wenn Entscheidungen zur Personalplanung und Einstellung unter Mitwirkung der Konzernobergesellschaft fallen, so verbleiben dem Betriebsinhaber in der Regel eigene Entscheidungsbefugnisse.*411 Die Praxis zeigt, dass die Arbeitszeitgestaltung, die Urlaubsplanung, gegebenenfalls auch die konkrete Einsatzplanung und der technische Arbeitsschutz weiterhin Sache des Betriebsinhabers sind. Damit ist die AN-Repräsentation auf dieser Ebene weiter erforderlich. Die Mitwirkung der AN-Vertreter auf Unternehmens- und Konzernebene kann durch die Delegation von Kompetenzen an den Zentral- oder Konzern-BR erfolgen, soweit keine originäre Zuständigkeit besteht.

Sollte die Zentralisierung von Entscheidungskompetenzen doch dazu führen, dass eine Mehrzahl von Arbeitsstätten betriebsverfassungsrechtlich zu einem Betrieb zusammengefasst wird, so wird die AN-Repräsentation durch die großen räumlichen Entfernungen geschwächt. Das ArbVG bietet ebenso wie das BetrVG aber genug Instrumente, um dem abzuhelfen: die Errichtung von entscheidungsbefugten Betriebsausschüssen nach den §§ 69, 70 ArbVG und die einem Betrieb gleichgestellte Arbeitsstätte nach § 35 ArbVG. Im Ergebnis macht die Matrixorganisation eine Anpassung des Betriebsbegriffs nach § 34 ArbVG nicht erforderlich.* Die Leistungsfähigkeit des Betriebsbegriffs reicht trotz seiner Unschärfe in den Randbereichen aus, um ganz überwiegend zu sachgerechten und handhabbaren Ergebnissen zu kommen.

Abschließend ein Hinweis für den Umgang mit grenzüberschreitenden Sachverhalten: Es wird immer wieder vorkommen, dass im Inland Arbeitsstätten verbleiben, deren Leitung in einem anderen Staat gelegen ist. Daher findet das ArbVG infolge des Territorialitätsprinzips keine Anwendung, wenn die inländische Arbeitsstätte nicht über ein Minimum an Leitung verfügt, dem ein BR gegenüberstehen kann. Die deutsche Rsp ist insoweit sehr großzügig, um die Anwendung des BetrVG so weit wie möglich zu erhalten, so dass es ausreicht, wenn zumindest ein Vorgesetzter im Inland vorhanden ist.*

3.2.
(Doppelte) Betriebszugehörigkeit

Neben der Betriebsabgrenzung ist die Betriebszugehörigkeit der AN zentrales Kriterium für die Organisation der Betriebsverfassung, hängen doch die Wahlbeteiligung, die Zuständigkeit des BR und der Anwendungsbereich von Betriebsvereinbarungen davon ab. Die Aufspaltung der AG-Stellung in Matrixorganisationen führt aber nicht immer zu Veränderungen. Das gilt für die Fälle der Delegation des Weisungsrechts auf einen Matrixmanager, während der AN im Betrieb des Vertrags-AG bleibt. Dadurch wird die Eingliederung in die Betriebsstätte und die Belegschaftszugehörigkeit nicht berührt. Umgekehrt besteht eine doppelte Betriebszugehörigkeit auf jeden Fall, wenn die Beschäftigung in der Matrixorganisation individualarbeitsrechtlich dergestalt umgesetzt wird, dass der AN in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis zu mehreren Unternehmen steht oder mehrere Arbeitsverhältnisse mit den Konzernunternehmen geschlossen hat, selbst wenn eines davon ruhend gestellt wird.

Genauer Betrachtung bedarf die Betriebszugehörigkeit, wenn der AN aufgrund einer Matrix- oder Versetzungsklausel im Einsatzbetrieb einer anderen Konzerngesellschaft eingegliedert ist, während sein Arbeitsverhältnis mit dem Vertrags-AG fortbesteht. Das deutsche Betriebsverfassungsrecht tut sich mit dieser Form des drittbezogenen Personaleinsatzes schwerer als das österreichische.* Ursache ist im deutschen Recht die Abhängigkeit der Betriebszugehörigkeit vom Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber.* § 36 ArbVG legt hingegen einen weiten AN-Begriff zugrunde. AN sind einerseits alle Beschäftigten, die in einem Arbeitsverhältnis stehen;* eine Abhängigkeit vom Arbeitsvertrag besteht andererseits nicht.* Die Betriebszugehörigkeit folgt vor allem der Eingliederung des AN, also der organisatorischen Einbindung in den Betrieb.*

Zudem ist die Rechtsstellung der Leih-AN, die ähnlich den AN in der Matrixorganisation in einem anderen Betrieb als dem des Vertrags-AG eingesetzt sind, in der deutschen Betriebsverfassung anders ausgestaltet als in Österreich. § 14 Abs 1 des deutschen AÜG bestimmt, dass Leih-AN betriebsverfassungsrechtlich (nur) zum Überlasserbetrieb gehören.* Zur Schließung von Mitbestimmungslücken bestehen ergänzende gesetzliche Regelungen (zB das Wahlrecht in § 7 S 2 BetrVG). Zudem werden die Beteiligungsrechte zum Schutz der Leih-AN im Einsatzbetrieb analog angewandt.*

In Österreich wird hingegen seit Inkrafttreten des AÜG, das keine entsprechende Regelung enthält, über eine doppelte Betriebszugehörigkeit der Leih-AN und eine Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Betriebsräten des Überlassers und 412 des Beschäftigers diskutiert.* Der Leih-AN bleibt unstreitig betriebszugehörig im Betrieb des Überlassers als Vertrags-AG.* Von Betriebszugehörigkeit beim Beschäftiger geht der OGH zumindest aus, wenn ein Arbeitseinsatz für längere Zeit geplant ist, weil dann wesentliche, wenngleich nicht alle AG-Funktionen auf den Beschäftiger übergehen.* Das Ergebnis ist eine doppelte Betriebszugehörigkeit.* Dieses Verständnis lässt sich auf den drittbezogenen Personaleinsatz in Matrixorganisationen übertragen. Die betriebliche Mitbestimmung reagiert auf die einseitige Weisungsunterworfenheit der AN und ihre Einbindung in die betriebliche Organisation des AG. Dies ist beim drittbezogenen Personaleinsatz grundsätzlich in beiden Betrieben der Fall. Beim Vertrags-AG lockert sich zwar die tatsächliche Einbindung infolge der räumlichen Entfernung. Der Arbeitsvertrag und alle Entscheidungen über dessen Inhalt und Bestand bleiben aber beim Vertrags-AG, so dass der BR des Betriebes, in den der AN zuvor eingegliedert war, zuständig bleibt. Die tatsächliche Eingliederung im Einsatzbetrieb führt ebenfalls zur Betriebszugehörigkeit. Eine Ablehnung der doppelten Betriebszugehörigkeit ignoriert, dass der BR Interessenvertreter der zusammenarbeitenden Betriebsbelegschaft ist. Er muss von allen eingegliederten AN durch Wahl legitimiert werden.

Allerdings bleibt ein Punkt zu klären: Der OGH hat bisher offengelassen, ob die doppelte Betriebszugehörigkeit der Leih-AN von der Dauer der Überlassung abhängt.* Das ist bereits für die AN-Überlassung auf Widerspruch gestoßen, und es wird eine Betriebszugehörigkeit mit der Eingliederung präferiert.* Richtig daran ist, dass die Entscheidungen und Weisungen des Beschäftigers den Leih-AN unabhängig von der Dauer der Überlassung treffen. Wegen der umfassenden Wirkung der Betriebszugehörigkeit auf die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung wäre zumindest für AN im drittbezogenen Personaleinsatz de lege ferenda denkbar, dass sie erst nach Ablauf einer Mindestfrist die volle Betriebszugehörigkeit erlangen, zuvor aber zumindest vom BR vertreten werden, so dass keine Lücke in der Repräsentation besteht.* Die fehlende Legitimation wiegt angesichts der kurzzeitigen Betriebszugehörigkeit nicht schwer.

Die Mitwirkung an der Wahl scheint vor allem angezeigt, wenn es nicht nur um einen kurzfristigen Einsatz geht, zumal der AN – anders als befristet beschäftigte AN – einen „Heimatbetrieb“ hat, dessen Betriebszugehörigkeit bestehen bleibt. Auch eine Beschränkung der Wählbarkeit (de lege ferenda) kann der Funktionsfähigkeit der Betriebsverfassung – angesichts der fünfjährigen Amtszeit – Rechnung tragen. Eine Mindesteinsatzzeit von sechs Monaten – wie im bereits zitierten Fall des OGH* – scheint hierfür zwar relativ kurz, passt sich aber zumindest gegenwärtig an die Wählbarkeitsvorschrift nach § 53 Abs 1 ArbVG an. Sachgerechter erscheint angesichts der vorübergehenden Tätigkeit im Einsatzbetrieb eine Beschränkung des passiven Wahlrechts auf AN, die mehr als 24 Monate im Betrieb tätig werden sollen. Zugleich spricht die entfallende tatsächliche Verbindung zur Belegschaft im Betrieb dafür, das aktive Wahlrecht auf den Einsatzbetrieb zu beschränken.

Unter diesen Prämissen fällt es nach geltendem Recht leicht, die bestehende Rsp des OGH für die Leiharbeit auf den drittbezogenen Personaleinsatz in Matrixorganisationen zu übertragen. Ein aktives Wahlrecht besteht zumindest ab einer Einsatzdauer von mehr als sechs Monaten und das passive Wahlrecht mit sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit. Allerdings sollten die Beteiligungsrechte des BR für solche MitarbeiterInnen – und eigentlich auch für Leih-AN – ab der Eingliederung in den Einsatzbetrieb entsprechend gelten. Sofern der Gesetzgeber eine Weiterentwicklung der Rechtslage anstrebt, sollte das Wahlrecht und die Wählbarkeit von AN mit gespaltener AG-Stellung eigens und mit Rücksicht auf die Funktionsfähigkeit der Betriebsverfassung sowie die angemessene Legitimation des BR geregelt werden.

3.3.
Zuständigkeit des Betriebsrats beim drittbezogenen Personaleinsatz

Die doppelte Betriebszugehörigkeit macht eine Abgrenzung der Zuständigkeit der beiden Betriebsräte erforderlich. Diese ergibt sich – abstrakt gesprochen – daraus, welche Entscheidungen in Bezug auf den AN weiterhin vom Vertrags-AG getroffen werden und welche im Einsatzbetrieb fallen. Die Mitbestimmung erfolgt jeweils bezogen auf den Betriebsinhaber als Entscheidungsträger. Bei den Leih-AN wird in der Literatur zum Teil zwischen arbeitsvertragsbezogenen und betriebsbezogenen Angelegenheiten differenziert,* was aber zu keinem anderen Ergebnis führt.413

Diese Zuständigkeitsverteilung unterliegt gegebenenfalls einer normativen Korrektur, die sich aus dem Zweck des jeweiligen Beteiligungsrechts ergeben kann. Die Mitbestimmung des BR ist nicht notwendig auf die individuellen Interessen des AN, sondern zum Teil auf die Interessen der Belegschaft bezogen, was zu anderen Ergebnissen führen kann. Das gilt insb für Einstellungen und Versetzungen, bei denen eine Mitwirkung des BR insb im Interesse der vorhandenen Belegschaft erfolgt.*

Konkret erfolgt die Mitbestimmung bei Abmahnung und Kündigung stets durch den BR beim Vertrags-AG.* Das Gleiche gilt für Vergütungsangelegenheiten sowie die Änderung der materiellen Arbeitsbedingungen, soweit es nicht um vorübergehende Anpassungen an den Einsatzbetrieb geht (vgl §§ 96 Abs 1 Nr 4, 97 Abs 1 Nr 1, 3, 4, 7, 16, 18, 22 ArbVG).*

Alle Angelegenheiten des Einsatzbetriebs betreffen hingegen dessen BR. Das sind die betriebliche Ordnung, der Beginn und das Ende der Arbeitszeit, die Urlaubsgewährung, die sozialen Einrichtungen des Betriebs, der Arbeitsschutz und die Unfallverhütung sowie die menschengerechte Arbeitsgestaltung (vgl §§ 96 Abs 1 Nr 3, 97 Abs 1 Nr 1, 2, 8, 9, 10, 13 ArbVG).* Die Entscheidungsmacht liegt bei dessen Betriebsinhaber, so dass der BR im Einsatzbetrieb zuständig ist. Das gilt mE auch für die vorübergehende Verkürzung und Verlängerung der Arbeitszeit im Einsatzbetrieb, obwohl es um eine materielle Arbeitsbedingung geht. Es handelt sich um temporäre betriebsbezogene Anpassungen.

Diese Zuständigkeitsaufteilung ähnelt sehr dem Diskussionsstand, den das österreichische Betriebsverfassungsrecht bereits für die Leiharbeit erreicht hat. Diese Parallele ist angesichts der vergleichbaren Aufspaltung der AG-Stellung plausibel. Analog zur Aufteilung der Zuständigkeiten bei den Beteiligungsrechten ist über die Anwendung von Betriebsvereinbarungen zu entscheiden. Betriebsvereinbarungen finden auf die AN im Einsatzbetrieb Anwendung, soweit sie dessen Tätigkeit temporär vor Ort betreffen, nicht hingegen Entgeltbedingungen. Diese haben inhaltlich zu wenig Bezug zum Einsatzbetrieb (abgesehen von Akkordbedingungen).

Jenseits der horizontalen Zuständigkeitsverteilung zwischen den Betriebsräten erfolgt die vertikale Zuständigkeitsverteilung im Verhältnis zum Zentral- und Konzern-BR nach den allgemeinen Maßgaben des ArbVG. Die Matrixorganisation bewirkt nicht ohne weiteres, dass der Zentral- oder Konzern- BR zuständig ist. Sofern mitbestimmungsfreie Organisationsentscheidungen dazu führen, dass eine bestimmte Maßnahme betriebs- oder unternehmensübergreifend vorgenommen werden soll, zieht dies die Zuständigkeit des Zentral- bzw Konzern-BR nach sich.

3.4.
Informationsrecht des Betriebsrats als Voraussetzung der Interessenvertretung

Ein besonders wesentlicher Punkt jeder Matrixorganisation sind die Informationen über das operative Geschäft und dies in mehrfacher Hinsicht. Die Entscheidungsfindung erfolgt nicht entlang der juristischen Personen bzw hierarchischen Strukturen, sondern entlang von Berichtslinien, die davon abweichen (können). Informationen bündeln sich daher nicht mehr bei den Geschäftsleitern der juristischen Personen oder den Betriebsinhabern, sondern verteilen sich auf die Weisungsberechtigten. Das birgt für die Geschäftsleiter Haftungsrisiken;* zugleich greift dies die Beteiligungsrechte des BR an, die eine Unterrichtung durch den Betriebsinhaber voraussetzen.

Das ArbVG enthält – ebenso wie das deutsche BetrVG – Informationsansprüche des BR. Die Ansprüche aus § 91 Abs 1 bzw § 108 ArbVG gegenüber dem Betriebsinhaber greifen aber zu kurz, wenn dem Betriebsinhaber Informationen fehlen und er durch die Rechtsordnung nicht – in den Grenzen des Zumutbaren – gehalten ist, sich diese Informationen zu verschaffen.* Darüber hinaus hat auch das für die Betriebsverfassung geltende Territorialitätsprinzip zur Folge, dass dem BR die notwendigen Informationen fehlen, um die Interessen der AN nach Maßgabe des ArbVG effektiv wahrzunehmen. Matrixorganisationen sind regelmäßig grenzüberschreitend gestaltet und die Matrixmanager sind in ausländischen Betrieben tätig. Selbst wenn sie also Adressat eines Informationsanspruchs wären, bindet das ArbVG sie wegen des Territorialitätsgrundsatzes nicht.

Informationsbeschaffungspflichten hat der EuGH zwar aus Art 4 Abs 4 RL 2009/38/EG (EBR-RL) abgeleitet,* das überformt aber nicht zwangsläufig das gesamte Betriebsverfassungsrecht der Mitgliedstaaten, sondern führte bisher nur zu punktuellen Veränderungen. Die Erweiterung der Informationsrechte des BR zu Informationsverschaffungsansprüchen, die dem Betriebsinhaber die Informationsbeschaffung in den Grenzen des Zumutbaren aufgeben, ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung einer effektiven AN-Repräsentation. Insoweit kann § 174 Abs 2 S 1 ArbVG als Vorlage dienen.

Das österreichische Betriebsverfassungsrecht weist die Besonderheit auf, dass der Konzern-BR nach § 113 Abs 5 ArbVG Informationsansprüche gegenüber der Konzernobergesellschaft hat. Das hilft aber nur dann weiter, wenn die Konzernobergesellschaft 414 in Österreich gelegen ist. Das dürfte ähnlich selten sein wie bei einer Vielzahl in Deutschland gelegener Konzerngesellschaften. Insofern vermag § 113 Abs 5 ArbVG dem aufgezeigten Informationsdefizit nicht abzuhelfen. Damit bleibt es bei der Forderung an den Gesetzgeber, die Informationsansprüche effektiver zu gestalten.

3.5.
Gestaltungsbedarfe – für den Gesetzgeber, für die Sozialpartner

Wenn man die Eigenarten der Matrixorganisation und die Rechtsanwendungsprobleme der Betriebsverfassung vor Augen hat, ist schließlich die Möglichkeit oder die Notwendigkeit einer besseren Ausgestaltung der Betriebsverfassung zu erwägen. Die österreichische Betriebsverfassung ist ebenso wie die deutsche zweiseitig zwingendes Recht, erlaubt aber – anders als das BetrVG – weder den Sozialpartnern noch den Betriebsparteien eine Gestaltung der Organisationsverfassung. Sogenannte freie Betriebsvereinbarungen erlangen, ungeachtet aller dogmatischen Streitigkeiten, nur als Änderung des Arbeitsvertrages Wirkung.*

(Verbindliche) Regelungen, wie die Vereinbarung über die Weisungsrechte, deren Verteilung auf mehrere Vorgesetzte sowie Konfliktlösungsmechanismen für den Fall widersprüchlicher Weisungen, sind auf diesem Wege möglich, ebenso wie durch Kollektivverträge. Spezifische betriebsverfassungsrechtliche Regelungen sind indes ausgeschlossen. Das lässt sich hinnehmen, weil die geltende Betriebsverfassung im Wesentlichen funktionsfähig bleibt. Zentrales Problem sind vor allem die Informationsansprüche.

Allerdings muss es den Betriebsparteien selbst bei einer zwingenden Betriebsverfassung möglich sein, ihr bilaterales Verhältnis klarstellend zu regeln, um die Grundlagen der Zusammenarbeit iS von § 39 Abs 1 ArbVG abzusichern. Dabei handelt es sich nicht um eine BV, sondern um einen KollV sui generis. Solche Regelungen können sich auf Betriebsabgrenzungen, Betriebszugehörigkeiten und Zuständigkeiten erstrecken. Sofern die Abreden vom zwingenden Recht abweichen, wären sie allerdings nichtig. Solche Unsicherheiten werden die Sozialpartner und die Betriebsparteien eher davon abschrecken, Vereinbarungen zu schließen, so dass ein Eröffnen von Spielräumen durch den Gesetzgeber hilfreich und sachgerecht wäre.

Darüber hinaus ist eine grundsätzliche Reform der Betriebsverfassung durch den Gesetzgeber nicht erforderlich, zumal die Veränderungen der Arbeitsorganisation (zu) kurzfristig sein können und die wiederholte Anpassung der AN-Repräsentation zu aufwändig ist. Das gilt in Österreich wegen der längeren Amtszeit der Betriebsräte noch mehr als in Deutschland. Koordinierungsbedarf zwischen Konzernunternehmen an einem Standort kann auch durch einen Ausschuss des Konzern-BR erfüllt werden.

Dennoch ist die Eröffnung von Regelungsmöglichkeiten für Sozialpartner bzw Betriebsparteien eine sachgerechte Ergänzung der gesetzlichen Betriebsverfassung. Diese ist grundsätzlich organisationsakzessorisch, so dass sich Umsetzungsschwierigkeiten daraus ergeben, dass die Struktur der Betriebsverfassung und die Arbeitsorganisation erheblich voneinander abweichen. Betriebs- und Sozialpartner verfügen über die entscheidende Sachnähe, um im Einzelfall eine sinnvolle und zielgerichtete Anpassung vorzunehmen. Die rechtsstaatlichen Anforderungen an den Gesetzgeber können dadurch erfüllt werden, dass das Ziel der Regelung (Anpassung an die Unternehmensorganisation, Verbesserung der Interessenvertretung der AN) klar bestimmt wird.

4.
Zusammenfassung

1. Die Matrixorganisation als Unternehmensstruktur betrifft nicht nur die gesellschaftsrechtliche Gestaltung und die Haftung der Geschäftsleiter, sondern auch das Arbeitsrecht in seiner individual- und kollektivrechtlichen Dimension. Das Individualarbeitsrecht erlaubt deren Umsetzung durch die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages. Schutzbedarfe zeigen sich vor allem beim Kündigungsschutz, deren Schließung nur durch den Gesetzgeber erfolgen kann.

2. Die Betriebsverfassung lässt sich trotz der Unterschiede zwischen der Matrix und der dem ArbVG zugrunde liegenden Vorstellung von einer mittelfristig stabilen hierarchischen Organisation im Wesentlichen weiter handhaben. Für den drittbezogenen Personaleinsatz ist die Leiharbeit eine Parallele, die für die Matrixorganisation trägt.

3. Handlungsbedarf besteht vor allem bei den Informationsansprüchen. Zudem sollte über eine Öffnung der Betriebsverfassung für die Gestaltung der Betriebs- oder Sozialpartner nachgedacht werden. Die spezifische korporatistische Verfassung Österreichs legt insb eine Öffnung der Betriebsverfassung zugunsten sozialpartnerschaftlicher Gestaltung nahe.415