Leistungs- und erfolgsorientierte Entgelte im Angestelltengesetz
Leistungs- und erfolgsorientierte Entgelte im Angestelltengesetz
Allgemeines zur Provision und Gewinnbeteiligung im AngG
Zur historischen Entwicklung der Regelungen
Bestehende Regelungen und möglicher Reformbedarf
Resümee
Es ist nicht selbstverständlich, dass das AngG als ein den Arbeitsvertrag und die Arbeitsvertragsverhältnisse bestimmter Gruppen von AN regelndes Gesetz Entgeltsvorschriften wie die der §§ 10-12 und 14 AngG* enthält. Denn die in den §§ 10-12 geregelte Provision ist eine meist in Prozenten ausgedrückte Beteiligung am Wert jener Geschäfte, die durch die Tätigkeit (Vermittlung oder Abschluss) des Geschäftsvermittlers zustande gekommen sind,* und immer schon als spezifische Form des Entgelts für Geschäftsvermittlungsdienstleistungen selbständig agierender Unternehmer diente.
Noch deutlicher ist der handelsrechtliche Bezug bei der im § 14 AngG eher nur kursorisch angesprochenen, aber inhaltlich gar nicht näher geregelten Gewinnbeteiligung, weil das Gewinnbezugsrecht seit jeher ein zentrales Element der vermögensrechtlichen Beteiligung von Gesellschaftern einer unternehmerisch tätigen (Handels-)Gesellschaft bildet. Wenn und soweit aber arbeitsvertraglich (auch) eine Gewinnbeteiligung vereinbart ist, so besteht doch ein gewisser Bedarf nach Schutzvorschriften, um zu gewährleisten, dass die persönlich abhängigen AN ohne die sonst im Gesellschaftsrecht vorgesehenen Mitverwaltungsrechte von Gesellschaftern auch tatsächlich in den Genuss der zugesagten und korrekt berechneten Gewinnbeteiligungsrechte kommen können.
§ 10 AngG enthält nicht per se einen gesetzlichen Anspruch von angestellten Geschäftsvermittlern 96 auf Provision, sondern eine Reihe von Sondervorschriften bloß für den Fall, dass als Arbeitsentgelt – zumindest auch – Provisionen vereinbart sind,* wobei die entsprechenden allgemeinen Regeln noch durch §§ 11 und 12 AngG ergänzt bzw modifiziert werden. Insgesamt handelt es sich – da es letztlich um besondere Entgeltsfragen geht – um speziellere Regelungen zu § 6 Abs 1 und auch § 15 AngG. Kurz zusammengefasst gilt Folgendes:
§ 10 Abs 1 stellt bei Fehlen einer Vereinbarung zur Provisionshöhe für den nach § 6 Abs 1 primär maßgebenden Ortsgebrauch auf die für den betreffenden Geschäftszweig am Ort der Niederlassung übliche Provision ab, für die der Angestellte tätig ist.
§ 10 Abs 3 legt mangels abweichender Vereinbarung fest, dass bei Verkaufsgeschäften der Provisionsanspruch erst mit Eingang der Zahlung und nur im Verhältnis des eingegangenen Betrages als erworben gilt, bei anderen Geschäften dagegen schon mit dem Abschluss des (vermittelten) Geschäftes.
§ 10 Abs 4 bestimmt – abermals dispositiv – den Zeitpunkt der Abrechnung und damit zugleich die (von § 15 abweichende) Fälligkeit der (bereits verdienten) Provision: Die Abrechnung findet mit Ende jedes Kalendervierteljahres statt, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf eines Kalendervierteljahres jedoch mit dem Vertragsende.
Abs 5 gewährt dem Angestellten als Mittel zur Kontrolle der Provisionsabrechnung zwingend (wie sich aus § 40 ergibt) einen Anspruch auf Buchauszug über die durch seine Tätigkeit zustande gekommenen Geschäfte.
Ergänzend zu § 10 gilt nach § 11, dass sich mangels abweichender Vereinbarung die Provisionsabrede auch auf Direktgeschäfte mit der zugewiesenen oder vom Angestellten zugeführten Kundschaft (Abs 1) und im Falle eines vereinbarten Gebietsschutzes auch auf Direktgeschäfte in diesem Gebiet bezieht (Abs 2).
Nach § 11 Abs 3 wird der Provisionsanspruch auch dann erworben, wenn die Ausführung infolge Verhaltens des AG ganz oder teilweise unterblieben ist, ohne dass hiefür wichtige Gründe in der Person des vermittelten Kunden vorlagen. Trotz der Diktion als Schutzvorschrift wird diese Regelung nicht im Katalog der relativ zwingenden Normen des § 40 AngG genannt. Weiters vermindern gem § 11 Abs 4 vom AG gewährte Nachlässe den Provisionsanspruch nur dann, wenn dies arbeitsvertraglich so bestimmt ist oder einer Verkehrsübung des betreffenden Geschäftszweiges entspricht, oder wenn der Nachlass mit dem Kunden schon bei Geschäftsabschluss vereinbart worden ist.
§ 12 sieht (zwingend gem § 40) einen Anspruch auf angemessene Entschädigung vor, wenn der Angestellte vertragswidrig gehindert wird, Provisionen (oder auch Taggelder bzw Diäten) im vereinbarten oder nach den getroffenen Vereinbarungen zu erwartenden Umfang zu verdienen.
Was schließlich den § 10 Abs 2 betrifft, so handelt es sich dabei materiell um eine den § 1016 ABGB ergänzende Sonderregelung zur möglichen Sanierung vollmachtslos geschlossener Geschäfte und hat demnach mit dem eigentlichen Provisionsrecht nichts zu tun.*
Die Gewinnbeteiligung hat, wie bereits erwähnt, ihre Wurzel in der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an einem Unternehmen und ist daher an sich keine arbeitsvertragstypische Entlohnungsform. Die Möglichkeit einer Gewinnbeteiligung des AN kann gleichwohl für sich genommen kein Grund für die Annahme eines Gesellschafts- statt eines Arbeitsverhältnisses sein.* § 14 Abs 1 begnügt sich letztlich damit, dass bei entsprechender Vereinbarung einer Gewinnbeteiligung im Arbeitsvertrag und mangels genauerer vertraglicher Regelungen die Abrechnung für das jeweils abgelaufene Geschäftsjahr auf Grund der „Bilanz“ zu erfolgen hat.* Wesentlich bedeutsamer ist freilich der Abs 2 des § 14, der dem Angestellten zwingend – wie sich aus § 40 ergibt – ein Recht auf Büchereinsicht gibt, „soweit dies zur Prüfung der Richtigkeit der Abrechnung erforderlich ist“.*
Wenngleich sich § 14 darauf bezieht, dass die Gewinnbeteiligung „bedungen“ ist und damit offenbar eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung zwischen AG und AN anspricht, gibt es keinen Grund, die vorgesehenen Rechtsfolgen auf diesen Fall zu beschränken. Vielmehr gelten sie genauso, wenn Rechtsgrundlage der Gewinnbeteiligung nicht der Arbeitsvertrag, sondern der KollV* oder eine BV* ist.
Vorweg ist festzuhalten, dass ganz wesentliche Inhalte des AngG nicht neu konzipiert, sondern aus dem Vorläufergesetz, dem Handlungsgehilfengesetz vom 16.1.1910, RGBl 1910/20 (HGG), übernommen worden sind. Dies zeigt sich ganz deutlich auch schon in der ersten, bereits 1921 erschienenen kommentierten Gesetzesausgabe des AngG, wo die beiden Herausgeber Felix Mayer-Mallenau 97 und Siegmund Grünberg im Vorwort ua Folgendes anmerken: „Die vorliegende Gesetzesausgabe ... bildet im wesentlichen die vierte Auflage der von den Herausgebern seinerzeit besorgten Ausgabe des Handlungsgehilfengesetzes. Das Handlungsgehilfengesetz ist zwar formell außer Kraft gesetzt worden. Allein ein sehr bedeutender Teil seines Inhaltes ist in das Angestelltengesetz übergegangen, so daß das Studium des letzteren ohne Kenntnis des Werdens des Handlungsgehilfengesetzes nicht gut möglich ist.“
*
Die damit angesprochene Übernahme von Regelungen des HGG betrifft in ganz besonderem Maße auch die hier zu behandelnden Provisionen und Gewinnbeteiligungen. Denn die §§ 10 bis 12 und 14 HGG finden sich nahezu wörtlich in den §§ 10 bis 12 und 14 AngG wieder. Wortlautänderungen ergaben sich vor allem durch die Ersetzung des Begriffes „Dienstnehmer“ durch den Begriff „Angestellter“. Die Einfügung des neuen § 10 Abs 2 AngG (und die damit verbundene Neunummerierung der bisherigen Abs 2 bis 4 auf 3 bis 5) betrifft nur die hier ohnehin nicht näher zu behandelnde rein vertretungsrechtliche und nicht entgeltrechtliche Regelung. § 10 Abs 3 (vorher Abs 2) ist wohl im Wortlaut umformuliert, in der Sache aber inhaltlich nicht verändert worden. Im § 10 Abs 4 (vorher Abs 3) wurde die Pflicht zur periodischen Provisionsabrechnung (mangels anderweitiger Vereinbarung) vom jeweiligen Halbjahresende auf das jeweilige Ende des Kalendervierteljahres umgestellt. In § 11 wurde lediglich ein neuer Abs 4 eingefügt, wo es um den Schutz des Angestellten vor nicht vereinbarten Abzügen im Falle von Nachlässen für Kunden geht.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts findet man das Provisionsentgelt praktisch ausschließlich im Kaufmannsrecht und nicht im Recht der reisenden Kaufmannsgehilfen.* Dies zeigte sich besonders deutlich noch in der 1861 beschlossenen großen Handelsrechtskodifikation des ADHGB,* das 1862 (bzw 1863) auch in Österreich als AHGB eingeführt wurde.* Denn dort wurde das Provisionsentgelt insb beim Kommissions- sowie Speditionsgeschäft in den Art 371 Abs 2, 376 Abs 2, 381 Abs 1 ausdrücklich vorgesehen. In der Sache gab es die Provisionsentlohnung auch noch bei den „Handelsmäklern oder Sensalen“
, wo freilich in den Art 82 f von „Mäklergebühr“
bzw „Sensarie“
gesprochen wurde, aber letztlich doch die Provision im noch heute üblichen Verständnis gemeint war. Von diesen speziellen kaufmännischen Berufen abgesehen bestimmte vor allem Art 290 Abs 1 des ADHGB bzw AHGB ganz allgemein: „Ein Kaufmann, welcher in Ausübung des Handelsgewerbes einem Kaufmanne oder Nichtkaufmanne Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne vorherige Verabredung Provision ... nach den an dem Orte gewöhnlichen Sätzen fordern.“
Diese letztgenannte Regelung wurde in der Folge auch in den § 354 Abs 1 des deutschen HGB aus 1897* übernommen und erlangte in dieser Form mit Wirkung von 1.3.1939 kraft Übernahme des deutschen HGB durch die Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften* auch in Österreich Geltung.* Ausdrückliche Provisionsregelungen für Handelsmakler, Komissionäre und Spediteure wurden vom ADHGB bzw AHGB auch in das dHGB und damit später ebenso in das österreichische HGB übernommen. Zu verweisen ist insofern namentlich auf die §§ 99,* 396, 409 und 412 f HGB.
Kehrt man nun zu den Angestellten zurück, so ist aus historischer Sicht festzuhalten, dass es neben den erwähnten, teilweise sehr alten kaufmännischen Geschäftsvermittlerberufen auch schon seit dem Mittelalter den Beruf des reisenden Handlungsgehilfen gab, dessen Dienstverhältnis jedoch im Rahmen strenger Zunftwirtschaft und Reglementierung des Handels von einer völligen Unterordnung unter den Prinzipal geprägt war. Für die geleisteten Dienste erhielt er Unterhalt, fixen Geldlohn und eine gewisse Fürsorge bei Krankheit und im Alter.* Die Vergütungsform der Provision war insoweit nicht vorgesehen. Auch noch im 19. Jahrhundert gab es zunächst den Typus des reisenden Handlungsgehilfen mit Provisionsentlohnung noch nicht. Dies zeigt besonders deutlich das ADHGB bzw AHGB, wo sich – noch auf dem Boden voller Vertragsfreiheit* – zwar der 6. Titel des 1. Buches (Art 57-65) 98 ganz allgemein den „Handlungsgehülfen“
widmete, in der Entgeltsfrage aber nur die „Ansprüche ... auf Gehalt und Unterhalt“
behandelt wurden, ohne irgendwie auf Fragen eines möglichen Provisionsentgeltes einzugehen. Ein Bedürfnis nach solchen Regelungen sah man also damals – offenbar mangels praktischer Relevanz – noch nicht.
Andererseits gab es aber mit der Ablösung des Zunftzwanges durch die Gewerbefreiheit, dem Abbau der Binnenzölle und den Begleiterscheinungen der industriellen Revolution eine deutliche Zunahme von eigenunternehmerisch und bloß gegen Provision tätigen Handelsagenten bzw Handelsvertretern. Letztere rekrutierten sich in zunehmendem Maße auch aus bisherigen reisenden Handlungsgehilfen, die sich damit aus den Zwängen der völligen Eingliederung in das Unternehmen ihres Prinzipals lösen wollten.* Der damit einhergehende Wechsel von fixer zu vermittlungserfolgsbezogener Entlohnung eröffnete ihnen unter Umständen deutlich höhere Verdienste, dies freilich nur unter Inkaufnahme des damit verbundenen Absatzrisikos, das auch in die Gegenrichtung ausschlagen konnte. Gerade diese Überwälzung des wirtschaftlichen Risikos auf selbständige Vermittler statt der Beschäftigung von angestellten Handlungsreisenden mit entsprechend hohen Fixkosten* war – insb in den Gründerjahren – auch ein wesentlicher Grund für Fabrikanten und Kaufleute, bisherige als unselbständige Handlungsreisende tätige Handlungsgehilfen geradezu in die Selbständigkeit „hineinzudrängen“.* Diese Entwicklung wurde in der Folge einerseits durch die starke Zunahme von Kleinhandelstreibenden mit gesteigertem Bedarf nach kostengünstigen Absatzmittlern und andererseits vor allem durch die beginnende Sozialgesetzgebung – namentlich auch durch die neuen Sozialversicherungsgesetze – entscheidend verstärkt, die wohl für die Handlungsgehilfen wesentliche Verbesserungen ihrer abhängigen Stellung brachten, nicht hingegen für die selbständigen Handelsvertreter. Bei diesen kam es daher in erheblichem Ausmaß zur Problematik der „Scheinselbständigkeit“, was jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter zu vertiefen ist.*
Für die hier zu behandelnde Thematik ist dagegen wesentlich, dass letztlich mit der Zunahme der mehr oder weniger selbständigen „Handlungsagenten“
oder „Handelsagenten“
bzw „Handelsvertreter“
, deren normale Entgeltform die Provisionsentlohnung war, eine solche – wohl meist neben einem Fixentgelt – auch in die Entlohnung unselbständiger Handlungsreisender Eingang fand und jedenfalls zum Ende des 19. Jahrhunderts schon so weit verbreitet war, dass auch ein entsprechender arbeitsrechtlicher Regelungsbedarf gegeben war.
In der Denkschrift zum Entwurf eines HGB und EinfG* findet man dazu im Zusammenhang mit der erstmaligen umfassenden Regelung des Rechts der Handlungsagenten und der in der Praxis oft schwierigen Abgrenzung zu den Handlungsgehilfen den Hinweis, dass der Agent regelmäßig nur Provision erhalte, „der Handlungsgehilfe dagegen festes Gehalt, daneben freilich oft auch Provision oder Tantieme“
.* Zu den Regelungen über Handlungsgehilfen wurde angesichts dessen als Regelungsdefizit festgehalten, dass das bisherige ADHGB keine besonderen Vorschriften für den Fall enthalte, „daß der Handlungsgehülfe nicht oder nicht ausschließlich mit festem Gehalt, sondern gegen Provision angestellt“
sei.* Wörtlich heißt es weiter: „Es fehlt namentlich an Bestimmungen darüber, wie die Provision zu berechnen ist, wann sie verdient ist, wann die Abrechnung zu geschehen hat, und welche Nachweisungen hierbei von dem Prinzipal zu geben sind. Besonders für die Handlungsreisenden sind diese Fragen von erheblicher Bedeutung. Der Entwurf (§ 64)* füllt die bezeichnete Lücke in der Weise aus, daß er die im folgenden Abschnitt über den Provisionsanspruch der Handlungsagenten getroffenen Vorschriften auf den Anspruch der Handlungsgehülfen der Hauptsache nach für anwendbar erklärt. Die für die gesetzliche Regelung in Betracht kommenden Gesichtspunkte sind in Ansehung beider Arten von Personen im Wesentlichen dieselben; auch empfiehlt sich die Anerkennung übereinstimmender Grundsätze schon mit Rücksicht auf die oft schwer erkennbare Grenze zwischen den Agenten und Gehülfen.“
An alledem erkennt man deutlich, dass die Provisionsentlohnung im Angestelltenrecht letztlich dem Recht selbständiger Kaufleute entstammt und bei diesen aus wirtschaftlicher Sicht die Funktion hat, das Risiko der Aufwandskosten für den Absatz weitestgehend auf einen anderen Unternehmer, nämlich den selbständig tätigen Geschäftsvermittler, zu überwälzen.* Aus Sicht des Absatzmittlers macht die Provisionsentlohnung freilich nur dann Sinn, wenn er nicht nur formal, sondern auch effektiv eigenunternehmerisch tätig sein und daher den Absatz selbständig und weisungsfrei organisieren kann. Da dies im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gerade auch bei vielen an sich selbständigen (oft für nur einen Geschäftsherrn tätigen) Handelsagenten nicht wirklich der Fall war, sah man sich angesichts des Problems einer verbreiteten Scheinselbständigkeit veranlasst, bei der Kodifikation 99 des neuen deutschen HGB selbst für diese als Geschäftsvermittler tätige Kaufleute angemessene neue Regelungen zu schaffen, wenngleich das dHGB insoweit doch im Grunde am Prinzip der Vertragsfreiheit festhielt und daher nahezu kein zwingendes Schutzrecht vorsah.*
All das zeigt, dass an sich die Provisionsentlohnung bei (echten) Handlungsgehilfen von Anfang an einen Fremdkörper darstellte, weil im Prinzip die Überwälzung von unternehmerischen Risken des DG mit der das Vertragsverhältnis prägenden persönlich abhängigen Stellung nicht oder jedenfalls nur schwer vereinbar ist. Die damit verbundenen Probleme wurden freilich im Zusammenhang mit der die Provisionsentlohnung erstmals berücksichtigenden Handlungsgehilfenregelung des dHGB noch nicht wirklich angesprochen oder gar iS konkreter zwingender Schutzvorschriften sachgerecht gelöst. Vielmehr begnügte man sich in § 65 dHGB mit folgender Regelung: „Ist bedungen, daß der Handlungsgehilfe für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt werden, Provision erhalten solle, so finden die für die Handlungsagenten geltenden Vorschriften des § 88 und des § 91 Satz 1 Anwendung.“
Damit ging der Entgeltschutz für Handlungsgehilfen im Falle vereinbarter Provisionsentlohnung nicht weiter als für selbständige Handlungsagenten.
Ganz wesentlich für die Entwicklung des Provisionsrechts im österreichischen AngG ist der Umstand, dass letztlich die Provisionsvorschriften des dHGB für Handlungsagenten (und kraft Verweises eben auch für Handlungsgehilfen) Vorbildwirkung für die erste diesbezügliche gesetzliche Regelung im HGG hatten. So wurde schon in der 1. RV zum HGG zum damaligen § 8 Abs 1 des Entwurfs (entsprach in der Folge dem § 10 Abs 1 HGG bzw AngG) davon gesprochen, dass eine „dem deutschen Handelsgesetzbuche nachgebildete Bestimmung“ vorliege und zum § 8 Abs 2 (entsprach nachfolgend dem § 10 Abs 2 HGG bzw § 10 Abs 3 AngG), dass „eine noch engere Beziehung zum deutschen Reichsrecht erzielt“ werde.* Der später erfolgte sehr gründliche Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses resümierte dementsprechend zu § 8 der 1. RV wie folgt:* „Die Regelung der aus dem Provisionsverhältnisse sich ergebenden Rechte der Angestellten ist in der Regierungsvorlage im großen und ganzen im Sinne der herrschenden Praxis und nach den Grundsätzen des deutschen Handelsgesetzbuches unternommen worden.“
Damit wurde letztlich die damals neue Handlungsagentenregelung des dHGB hinsichtlich der Provisionsregelungen nicht nur in wesentlichen Teilen in das deutsche Handlungsgehilfenrecht übernommen, sondern hatte auch starken Einfluss auf entsprechende Regelungen des etwas späteren österreichischen Handlungsgehilfenrechtes im HGG, wenngleich es dort auch einige Neuerungen gab. So wurde beispielsweise die im deutschen Handlungsgehilfenrecht nicht übernommene Regelung betreffend Anspruch auf Provision für Direktgeschäfte von für einen bestimmten Bezirk bestellten Handelsagenten* zwar noch nicht im Entwurf der 1. RV, wohl aber dann bei den Abänderungen im Ausschussbericht (AB) entsprechend berücksichtigt und sogar noch erweitert: „Die betreffende, in § 89 des deutschen Handelsgesetzbuches enthaltene Bestimmung ist zwar gleichfalls für den Handlungsagenten, also den nicht im Dienstverhältnisse stehenden, sondern durch Agenturvertrag mit dem Geschäftsherrn verbundenen selbständigen Unternehmer gedacht; allein diese Vorschrift beansprucht ihre Geltung ebenso auch für den im Dienstverhältnisse stehenden Angestellten, sofern er von dem Dienstgeber für einen bestimmten Bezirk als Vertreter bestellt ist und für die in diesem Gebiete abgeschlossenen oder vermittelten Geschäfte Provision beziehen soll.... Es empfiehlt sich, diese Lücke im Gesetze, die dadurch hervorgerufen ist, daß das Handelsgesetzbuch* Bestimmungen über das Agentenrecht überhaupt nicht enthält, im Sinne der herrschenden Praxis und in Übereinstimmung mit dem deutschen Handelsgesetzbuche auszufüllen und den Rechtssatz aufzustellen, daß dem für einen bestimmten Bezirk bestellten alleinigen Vertreter des Dienstgebers die Provision im Zweifel auch für alle direkten Geschäfte gebührt.“
* In diesem Zusammenhang wurde – ohne Vorbild im dHGB – überdies als vergleichbare Neuerung auch noch des Falles gedacht, dass dem DN im Zweifel die Provision auch noch für solche Geschäfte gebühren soll, die ohne seine unmittelbare Mitwirkung zwischen der von ihm zugeführten Kundschaft und dem DG zustandegekommen sind.* Alle diese Regelungen fanden dann Eingang in das HGG und nachfolgend fast unverändert in das AngG.
Ähnlich wie im Falle der Provision enthält § 14 AngG keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung, sondern bezieht sich darauf nur für den Fall, dass eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag getroffen worden ist. Trifft das zu, wobei auf verschiedene mögliche Vereinbarungen betreffend Ausmaß und Berechnung der Gewinnbeteiligung Bezug genommen wird, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung zunächst, dass auch insoweit von einem „Entgelt“ iSd in § 6 Abs 1 AngG grundgelegten allgemeinen Begriffes auszugehen ist. Des weiteren bestimmt Abs 1, dass mangels abweichender Vereinbarung die Abrechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr „auf Grund der Bilanz“
stattzufinden habe, ohne dies freilich zu konkretisieren. Der 100 eigentliche Kern der gesetzlichen Regelung ist aber erst die – gem § 40 AngG zugunsten des AN zwingende – Anordnung des Abs 2, dass der Angestellte die „Einsicht der Bücher verlangen“
kann, „soweit dies zur Prüfung der Richtigkeit der Abrechnung erforderlich ist“
.
Fragt man, wie und warum diese Regelung seinerzeit Eingang in das AngG gefunden hat, so wird man letztlich auf die (abgesehen vom Begriff „Angestellter“) wortidente Regelung des § 14 HGG und die dazu ergangenen Gesetzesmaterialien verwiesen. Einschlägig ist hier vor allem die 1. RV zum HGG,* wo – ziemlich unbestimmt und in der Sache nicht recht klar – ausgeführt wird, dass die „Gewährung eines Gewinnanteiles (Tantieme) an den Bediensteten (commis interéssé)“ „ein dem Provisionswesen verwandtes Gebiet sei“
. Dem folgt der Hinweis, dass das dHGB (das ja hinsichtlich der Provisionsregelungen als Vorbild diente) auf eine gesetzliche Regelung dieser Frage verzichtet habe, da sich durch eine übereinstimmende Praxis ohnehin einheitliche Grundsätze herausgebildet hätten. Doch sei diese Behauptung nicht unwidersprochen geblieben und fänden sich in der österreichischen Judikatur nur höchst spärliche Fälle, die zur Lösung der einschlägigen Fragen Anlass geboten hätten. Demnach sei es wünschenswert, „wenigstens die Hauptfragen auf sichere Grundlage zu stellen“
.
Dies sollte dadurch geschehen, dass der Entwurf „die Zulässigkeit des Tantiemeverhältnisses überhaupt außer Zweifel“
stellte und ihm dahingehend eine „feste Gestalt“
verlieh, „dass er die Tantieme ausdrücklich als einen Teil der Vergütung erklärt, also dem nach Art und Umfang der Dienstleistungen bestimmten Entgelt gleichstellt und damit die in manchen Beziehungen nicht unbedenkliche Anwendung der Sozietätstheorie auf solche Verhältnisse ausschließt“
. Dann hieß es weiter: „Sodann fixiert der Entwurf den Umfang, in dem es dem Dienstnehmer gestattet sein soll, in Ermanglung besonderer Übereinkunft Einsicht in die Bücher zu verlangen, schaltet aber das Recht auf Bilanzabschrift vollkommen aus, da das Interesse des Dienstnehmers daran kaum groß genug sein dürfte, um die von einigen Kammern erhobenen gewichtigen Bedenken gegen ein so weitgehendes Recht zu überwinden.“
Im späteren AB* wurde insoweit im Zusammenhang mit den Kontrollrechten des provisionsberechtigten Handlungsgehilfen ausgeführt, dass diesem mit dem Recht auf Buchauszug ausreichend gedient sei, da sein Interesse nur auf das einzelne Geschäft beschränkt sei, „während der tantiemeberechtigte Angestellte an dem ganzen Bilanzergebnisse beteiligt ist und daher das unbedingte Recht der Büchereinsicht erhalten muß“
. Dem entsprach dann auch die Zwingendstellung dieses Büchereinsichtsrechts im letztlich Gesetz gewordenen § 40 HGG.*
An sich kommt man mit den bestehenden Provisionsregelungen der §§ 10 bis 12 AngG und auch mit der sehr knappen Bezugnahme des § 14 AngG auf Gewinnbeteiligungen in der arbeitsrechtlichen Praxis wohl einigermaßen gut zurecht. Anders wäre kaum erklärbar, dass diese Regelungen nunmehr schon 100 bzw unter Berücksichtigung auch des HGG bereits 111 Jahre unverändert in Geltung stehen und als solche bis heute eigentlich nie eine besondere Reformdiskussion ausgelöst haben. Freilich darf insoweit nicht außer Betracht bleiben, dass auch für provisions- und gewinnbeteiligte Angestellte in den allermeisten Fällen die modernen Schutzstandards der jeweils einschlägigen Kollektivverträge* und dabei namentlich auch die jeweiligen Mindestentgeltvorschriften und zwingenden Arbeitszeitregelungen verhindern, dass sich die weitgehende Dispositivität der gesetzlichen Provisionsregelungen nicht allzu sehr zu Lasten der betreffenden Angestellten auswirken können. Dennoch ergeben sich bei näherer Betrachtung einige Problemfelder, die im Zuge einer allfälligen Reformdiskussion des Angestelltenrechts auch im Zusammenhang mit Provisionen und Gewinnbeteiligung aufgegriffen werden könnten.
Dies betrifft zunächst einmal die gesamte Problematik um mögliche vom AG veranlasste gravierende Änderungen bei Verkaufspreisen oder Produkten und damit zusammenhängende, vorweg nicht zu erwartende erheblich nachteilige Auswirkungen auf Provisionsverdienste.* Auch wären einigermaßen rechtssichere Lösungen für die Reichweite des einseitigen Gestaltungsspielraumes des AG bei Änderungs- und Widerrufsvorbehalten in Provisions- und Gewinnbeteiligungssystemen gefragt.*
Eine echte Regelungslücke besteht wohl für Kapitalbeteiligungen von AN am Unternehmen des AG, da solche auf gesellschaftsrechtliche Beteiligungen gerichtet sind und daher weit über die von § 4 AngG rein arbeitsrechtlich (durch Arbeitsvertrag, KollV oder BV) geregelten Gewinnbeteiligungen hinausgehen.* Aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht gerade hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 2a AVRAG, die entgegen der normalen Schutzfunktion des Arbeitsrechts vorsieht, dass Vorteile aus derartigen Unternehmensbeteiligungen – offenbar trotz ihrer im weiten Sinne verstandenen Entgeltfunktion – gerade nicht in die Bemessungsgrundlagen für Entgeltfortzahlungsansprüche und Beendigungsansprüche einzubeziehen sind.*101
Bei einigen weiteren schwierigen Rechtsanwendungsfragen betreffend Provisionen könnte vielleicht durch zwingendes AN-Schutzrecht Einiges an Rechtssicherheit gewonnen werden. Dies gilt etwa für den Fall, dass der KollV die Provisionsentlohnung nicht eigens bedenkt und daher geprüft werden muss, ob und inwieweit ein vereinbartes Provisionsentgelt iSd § 3 ArbVG ausreichend „güns tig“ ist, um das zwingende kollektivvertragliche Zeit-Mindestentgelt zu verdrängen.* Ähnlich hilfreich könnte eine gesetzliche Regelung vielleicht auch bei den Fragen im Verhältnis der Provisionsentlohnung zum Überstundenentgelt* und zur Entgeltfortzahlung* sowie zur Einbeziehung von Aufwandsersätzen in die Provision* sein.
All das soll hier aus Platzgründen nicht weiter vertieft werden. Ein wirklich dringender Reformbedarf ergibt sich aber wohl daraus, dass das Provisionsrecht des AngG – wenn man allein vom Wortlaut des § 40 ausgeht – weitgehend dispositiv ist, da letztlich nur § 10 Abs 5 betreffend den Anspruch auf Buchauszug und § 12 über den Anspruch auf angemessene Entschädigung bei vertragswidriger Verhinderung eines dem Vertrag gemäßen Provisionsverdienstes zugunsten des Angestellten zwingend gestellt ist.* Demgegenüber zeigt sich, dass das in Sachfragen seit jeher weitgehend mit dem Provisionsrecht der Angestellten übereinstimmende Handelsagenten- bzw in der neueren Terminologie Handelsvertreterrecht für selbständige Unternehmer sehr viel weitergehende Schutzvorschriften kennt, was jedenfalls eine genauere Befassung mit dieser Thematik lohnt.
Schon die oben unter 2. näher ausgeführte historische Analyse der Provisionsvorschriften in Deutschland und Österreich hat gezeigt, dass sich bei angestellten Geschäftsvermittlern und selbständigen Handelsvertretern bezogen auf die Provisionsentlohnung gleichartige Sachfragen stellen und letztlich schon in der Vergangenheit von der jeweiligen Gesetzgebung oft auch gleichartige Regelungen getroffen worden sind. So enthielt das Handlungsgehilfenrecht des ADHGB (des AHGB in Österreich) ursprünglich überhaupt noch keine Provisionsvorschriften. Erstmals im dHGB aus 1897 kam es in den §§ 88 ff zu einer näheren Regelung für die „Handlungsagenten“
. ISd „Anerkennung übereinstimmender Grundsätze“
* wurden auch für die Handlungsgehilfen im § 65 im Wege eines Verweises einige wesentliche provisionsbezogene Bestimmungen aus dem Handlungsagentenrecht für Handlungsgehilfen anwendbar gemacht. Eben diese Regelungsansätze waren in der Folge in Österreich für die ersten gesetzlichen Provisionsregelungen der Handlungsgehilfen in den §§ 10 ff HGG – und damit nachfolgend auch in den §§ 10 ff AngG, wo diese Vorschriften nahezu unverändert übernommen worden sind – prägend, wurden dort aber entsprechend der in Österreich geführten Reformdiskussion doch teilweise modifiziert und auch ergänzt.
Da aber zu diesem Zeitpunkt in Österreich noch immer das AHGB in Geltung stand und daher ein spezielles österreichisches Handelsagentenrecht völlig fehlte, gab es auch insoweit schon längst entsprechende Reformbemühungen,* die aber erst am 24.6.1921 zur Beschlussfassung über das „Handelsagentengesetz“* (und damit kurz nach Erlassung des AngG am 11.5.1921)* führten. Für die Zwischenzeit ist von Interesse, dass gleich nach Inkrafttreten des HGG in der ersten Kommentierung von Mayer/Grünberg die Frage der analogen Anwendung des Provisionsrechts des HGG auf Handelsagenten durchaus bedacht worden ist: „Für Provisionsgeschäfte selbständiger Agenten, die überhaupt nicht unter dieses Gesetz fallen, gelten diese Bestimmungen nicht. ... Eine andere Frage ist es, ob und wie weit die Sätze der §§ 10 bis 14 auf das Verhältnis der selbständigen Agenten analoge Anwendung finden können.“* Solche Analogien drängten sich schon deshalb auf, weil – wie gezeigt – im Grunde wesentliche Vorschriften des Provisionsrechts des HGG letztlich dem Provisionsrecht der „Handlungsagenten“ des deutschen HGB entstammten.
Diese sachlichen Übereinstimmungen waren in der Folge auch für die inhaltliche Gestaltung des späteren HAG von erheblicher Bedeutung und führten dazu, dass die Provisionsvorschriften des HGG bzw AngG wesentliche Vorbildwirkung für das österreichische Handelsagentenrecht entfaltet haben und – vielfach sogar wörtlich – übernommen worden sind.* Aus heutiger Sicht ist hier jedoch zu bedenken, dass sich das seinerzeitige „Handelsagentengesetz“ 1921 (ab 1960 „Handelsvertretergesetz“) im Zuge der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Handelsvertreter-Richtlinie (RL 86/653/ EWG) entscheidend in dem Sinne weiterentwickelt hat, dass im HVertrG 1993 gerade auch im Provisionsrecht 102 verstärkt zwingendes Recht zugunsten der Handelsvertreter geschaffen worden ist.55) Trotz der im Vergleich zu selbständigen Unternehmern typischerweise höheren Schutzwürdigkeit von persönlich abhängigen Provisionsvermittlern hat diese Fortentwicklung des Handelsvertreterrechtes im AngG bislang keine Parallele gefunden. Gleichwohl werden aber die diesbezüglichen Wertungen zumindest bei der Inhaltskontrolle von Vereinbarungen, die von angestelltenrechtlichen Provisionsregelungen abweichen, nicht unberücksichtigt bleiben können. Man könnte uU sogar noch einen Schritt weiter gehen und zumindest teilweise von einer nachträglichen, ausfüllungsbedürftigen Lücken haftigkeit des § 40 AngG sprechen, soweit dort Zwingendstellungen fehlen, die in vergleichbarer Weise für selbständige Handelsvertreter im § 27 Abs 1 HVertrG durchaus vorgesehen sind.
Beispielhaft sei hier auf folgende Regelungen verwiesen, in denen ein entsprechender legislativer Anpassungsbedarf bestünde:
Für Provisionsansprüche des Angestellten aus eigener Vermittlungstätigkeit fehlt eine Vorschrift für den Fall, dass der Geschäftsabschluss und/oder die Kundenzahlungen erst nach Arbeitsvertragsende erfolgen. Ein Gegenschluss aus § 11 Abs 1 und 2 AngG, wonach bei Direktgeschäften (also Folgegeschäften oder Geschäften aus dem zugewiesenen Bezirk bzw Kundenkreis) Provision nur „während der Dauer des Dienstverhältnisses“ gebührt, läge durchaus nahe. Doch wurde auch überlegt, ob aus § 10 Abs 4, wonach die Provisionsabrechnung spätestens zum Dienstvertragsende stattzufinden habe, abzuleiten sei, dass zu diesem Zeitpunkt eben alle Provisionsvoraussetzungen schon erfüllt sein müssen.* Entscheidend sollte aber sein, dass in den Parallelvorschriften des Handelsvertreterrechts § 11 Abs 1 HVertrG 1993 bestimmt wird, dass für Geschäfte, die erst nach Beendigung des Handelsvertretervertragsverhältnisses zustande gekommen sind, dem Handelsvertreter eine Provision gebührt, wenn und soweit entweder das Geschäft überwiegend auf seine vor Vertragsende entfaltete Tätigkeit zurückzuführen ist und der Abschluss binnen angemessener Frist nach Beendigung zustande gekommen ist, oder die verbindliche Vertragserklärung des Dritten noch vor Beendigung des Vertretervertragsverhältnisses dem Unternehmer zugegangen ist. In Abs 2 wird auch des Falles gedacht, dass zusätzlich ein nachfolgender Handelsvertreter eingeschaltet wird und dafür angeordnet, dass diesem kein Provisionsanspruch zusteht, außer wenn die Umstände eine Provisionsteilung zwischen ihm und seinem Vorgänger rechtfertigen. Hier ist offenkundig, dass bei diesen Fragen die Interessenlage zwischen selbständigen Handelsvertretern und angestellten Provisionsvertretern völlig gleich geartet ist und jeder Sachgrund für eine diesbezügliche Schlechterstellung angestellter Provisionsvertreter fehlt. Dies indiziert die analoge Rechtsanwendung des § 11 HVertrG 1993 auch auf angestellte Provisionsvertreter.*
Im Recht der Provisionsangestellten gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf Provisionsvorschuss. Daher müsste ein solcher entweder einzelvertraglich oder auch zwingend durch KollV oder BV (§ 97 Abs 1 Z 3 ArbVG) eingeräumt werden. Zu beachten ist freilich, dass § 14 Abs 2 HVertrG einen sogar zwingend zu Gunsten des Handelsvertreters eingeräumten Anspruch auf „einen seinen entstandenen Forderungen aus Provision und Auslagen entsprechenden Vorschuss“ vorsieht. Die sachliche Rechtfertigung dafür wird im Bedarf nach Ausgleich für die verhältnismäßig langen Abrechnungszeiträume gesehen, was aber wohl beim angestellten Provisionsvertreter nicht anders ist. Auch hier lässt sich die gesetzliche Benachteiligung im Vergleich zu den selbständigen Handelsvertretern nur schwer rechtfertigen.*
Nach dem Wortlaut des § 10 Abs 4 AngG gilt die Pflicht des AG zur Provisionsabrechnung zum jeweiligen Ende des Kalendervierteljahres bzw zum Ende des Arbeitsverhältnisses nur „mangels Vereinbarung“, weshalb der Abrechnungszeitraum sowohl verkürzt als auch verlängert werden kann. Doch erscheint eine zu Lasten des Angestellten gehende weitreichende Verlängerung bedenklich.* Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Handelsvertreterrechts: Während nämlich im alten § 14 Abs 1 HVG ebenfalls nur dispositiv eine Abrechnung jeweils zum Ende des Kalendervierteljahres vorgesehen war, bestimmt nunmehr § 14 Abs 1 HVertrG zwingend zu Gunsten des Handelsvertreters, dass jeweils „spätestens am letzten Tag des Monats, der auf das Quartal folgt, in dem der Provisionsanspruch entstanden ist, abzurechnen“ ist. Da für eine sachliche Differenzierung zu Lasten von Provisionsangestellten kein Grund besteht, muss eine Verlängerung des Abrechnungszeitraumes des § 10 Abs 4 AngG über das im § 14 Abs 1 HVertrG hinausgehende Maß jedenfalls als grobe Verletzung von ANInteressen iSd § 879 Abs 1 ABGB gewertet und damit als sittenwidrig und (teil-)nichtig angesehen werden.
Auch bei den Kontrollrechten des Provisionsangestellten erscheint § 10 Abs 5 AngG im Vergleich zum HVertrG in Ansehung des Bucheinsichtsrechts lückenhaft, weshalb man analog zu § 16 Abs 2 bis 6 HVertrG 1993 ein eigenständiges materiellrechtliches Büchereinsichtsrecht auch des provisionsberechtigten Angestellten dann annehmen muss, wenn dieser glaubhaft macht, dass der Buchauszug unrichtig oder 103 unvollständig ist oder ihm die Mitteilung eines Buchauszuges überhaupt verweigert wurde.*
Besonders problematisch erscheint die fehlende ausdrückliche Zwingendstellung des § 11 Abs 3, weil der dort verankerte Schutz des Provisionsangestellten vor Provisionsverlust bei Nichtausführung des Geschäfts ohne wichtigen Grund beim vermittelten Dritten schon von seiner Intention her offenbar gegen willkürliches Verhalten des AG zu Lasten der Provision des AN gerichtet ist. So gesehen könnte man eigentlich trotz der Nichterwähnung in § 40 bereits aus dem offensichtlichen Regelungszweck eine relativ zwingende Wirkung zugunsten des Angestellten ableiten. Ganz entscheidend bestätigt wird diese Beurteilung aber auch dadurch, dass die Parallelregelung des § 9 Abs 3 iVm § 27 Abs 1 HVertrG zwingend zugunsten der Handelsvertreter ausgestaltet worden ist und keine Sachgründe ersichtlich sind, einen Angestellten schlechter zu schützen als einen selbständigen Handelsvertreter. Letzteres spricht daher ganz klar für eine analoge Rechtsanwendung;* man könnte und sollte das aber auch im AngG selbst klar regeln.
Die Regelungen des AngG 1921 zu Provision (§§ 10 ff) und Gewinnbeteiligung (§ 14) wurden nahezu vollständig aus dem HGG 1910 übernommen und bis heute nicht mehr novelliert. Die Arbeitsrechtspraxis kommt mit den Regelungen offenbar gut zurecht, weshalb nie ein dringender Reformbedarf artikuliert worden ist. Gleichwohl gibt es Problemlagen, die eine rechtssichere und den heutigen arbeitsrechtlichen Schutzstandards gemäße Neuerung und Ergänzung der bestehenden Normen rechtfertigen würden. Insoweit ist vor allem zu beachten, dass wesentliche Teile des Provisionsrechts seinerzeit aus dem Handlungsagentenrecht des (deutschen) HGB übernommen worden sind. Während aber das ursprünglich auf dem HGG aufbauende österreichische Handelsagenten- und nunmehrige Handelsvertretergesetz (vor allem im Zuge der Umsetzung von unionsrechtlichen Vorgaben) in seinen Schutzstandards für selbständige Unternehmer wesentlich weiterentwickelt worden ist, hinkt das Angestelltenrecht insoweit völlig hinterher und kann nur durch entsprechende Analogien einigermaßen aktuell gehalten werden. Hier wären einige der Rechtssicherheit und dem notwendigen AN-Schutz dienende Verbesserungen der nunmehr schon 111 Jahre unverändert in Kraft stehenden Normen wohl angebracht. 104