Die Weltanschauung im Spannungsfeld zwischen Betriebsverfassungsrecht und Antidiskriminierungsrecht
Die Weltanschauung im Spannungsfeld zwischen Betriebsverfassungsrecht und Antidiskriminierungsrecht
Einleitung
Tatbestand
Allgemeines
Weltanschauung
AN-Organisation
Zwischenfazit
Rechtfertigungsgründe
Allgemeines
Diskriminierungsverbot vs Koalitionsfreiheit
Diskriminierungsverbot vs Organisationsautonomie
Zusammenfassung
Mit dem GlBG (BGBl I 2004/66) erfuhr das österreichische Antidiskriminierungsrecht in zweifacher Hinsicht eine maßgebliche Weiterentwicklung: Zum einen erfolgte eine Ausweitung der Diskriminierungsmerkmale, denn während sich das GleichbG (BGBl 1979/108) auf Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts beschränkte, erfasst das GlBG darüber hinaus auch Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung (§ 17 GlBG). Zum anderen verschafft das GlBG seinen Diskriminierungsverboten nicht nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen Geltung (§§ 3, 17 GlBG), sondern erstreckt diese – unter dem Oberbegriff „sonstige Arbeitswelt“ – auch auf die Berufsberatung und Berufsbildung, die Mitgliedschaft und Mitwirkung in berufsbezogenen Organisationen (AN-Organisationen, AG-Organisationen, Organisationen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören) sowie die selbständige Erwerbstätigkeit (§§ 4, 18 GlBG).*
Gerade an den Rändern des Geltungsbereichs des GlBG führten die Diskriminierungsverbote bislang allerdings ein Schattendasein. Dieser Befund gilt insb auch im Bereich der Mitgliedschaft und Mitwirkung in berufsbezogenen Organisationen.*2) Angesichts der im Vordringen befindlichen Auffassung, welche den BR als AN-Organisation versteht,* scheint es jedoch dringend geboten, diese in Bezug auf das betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht bestehende Lücke zu schließen. Am Beispiel des besonders problembehafteten Diskriminierungsmerkmals der Weltanschauung soll daher im Folgenden die Reichweite des Tatbestands geklärt sowie Rechtfertigungsgründe aufgezeigt werden.*20
Gem § 17 Abs 1 iVm § 18 Z 2 GlBG werden sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen aufgrund der Weltanschauung bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer AN-Organisation verboten. Um die Reichweite dieses Diskriminierungsverbotes und seine Bedeutung für das betriebsverfassungsrechtliche Organisationsrecht zu erfassen, gilt es zunächst, zu einem festen Begriffsverständnis zu gelangen. Denn gerade die Begriffe „Weltanschauung“ und „AN-Organisation“ erweisen sich als in hohem Maße auslegungsbedürftig. Dabei genügt es allerdings nicht, die Bedeutung dieser beiden Begriffe in der österreichischen Rechtsordnung zu erforschen: Diese wurden nämlich aus der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (RL 2000/78/EG) übernommen und müssen dementsprechend auch im Lichte des Unionsrechtes und der Judikatur des EuGH ausgelegt werden.
Der schillernde Begriff der Weltanschauung erfährt weder im Unionsrecht noch im GlBG eine Definition. Die bereits damit einhergehende Rechtsunsicherheit wird durch den Umstand noch zusätzlich verschärft, dass die in den übrigen Sprachfassungen der RL 2000/78/EG gewählte Terminologie deutlich geringere Anforderungen an dieses Diskriminierungsmerkmal zu stellen scheint. Diese gebrauchen nämlich allesamt Ausdrücke, welche sich mit „Glaube“ oder „Überzeugung“ ins Deutsche übersetzen lassen.* Obwohl ein solch eindeutiges Überwiegen des Sinngehalts eines Begriffes in den unterschiedlichen Sprachfassungen ein erstes (gewichtiges) Indiz für dessen Auslegung bildet,* beansprucht dennoch das Prinzip Geltung, dass unionsrechtliche Begriffe autonom auszulegen sind.*7) Nicht das nationale Verständnis eines bestimmten Begriffes erweist sich daher als maßgeblich, vielmehr bilden die einzelnen Sprachfassungen eines Begriffes bloß die Ausgangsbasis für die Interpretation, wobei – besonders bei divergierenden Sprachfassungen – systematische und teleologische Erwägungen ausschlaggebend sind.*
Anlässlich einer jüngeren E sah sich der EuGH erstmals veranlasst, zum Diskriminierungsmerkmal der Weltanschauung Stellung zu beziehen: Während dieser zunächst seine Judikatur, dass Religion und Weltanschauung als „die zwei Seiten ein und desselben Diskriminierungsgrundes“ anzusehen seien,* ausdrücklich bestätigte,* führte er weiters aus, dass „politische oder gewerkschaftliche Überzeugungen“ nicht zu den durch die RL 2000/78/ EG geschützten Diskriminierungsmerkmalen zählen würden.* Zur Begründung dieser restriktiven Auffassung verwies der EuGH auf den Wortlaut des Art 21 GRC: Dieser kenne neben dem Diskriminierungsmerkmal „der Religion oder der Weltanschauung“ auch jenes „der politischen oder sonstigen Anschauung“, weshalb ersteres auf religiöse, weltanschauliche (iSv philosophische) oder spirituelle Überzeugungen zu beschränken sei.* Diese Auffassung vermag allerdings nicht zu überzeugen. Ungeachtet dessen, dass der EuGH – entgegen seiner ansonsten betont extensiven Interpretation des Antidiskriminierungsrechtes – mit keinem Wort auf naheliegende teleologische Argumente eingeht, welche für eine weite Auslegung sprechen (zB die Zielbestimmungen des Art 3 Abs 3 UAbs 2 EUV und des Art 10 AEUV),* geht auch die ins Treffen geführte systematische Interpretation ins Leere: Nicht nur, dass die Unterscheidung zwischen nicht geschützten „politischen Überzeugungen“ auf der einen Seite und geschützten „weltanschaulichen (iSv philosophischen) Überzeugungen“ auf der anderen Seite in Bezug auf die grundlegenden politischen Ideologien (Sozialismus, Konservativismus, Liberalismus) versagt, zumal diesen in zahlreiche Lebensbereiche hineinwirkenden Wertesystemen der Charakter als Weltanschauung wohl kaum abgesprochen werden kann.* Vielmehr geht die Begründung des EuGH bereits im Ansatz fehl: Mit den Begriffen Religion und Weltanschauung knüpft Art 21 GRC nämlich an die Terminologie der Religions- und Weltanschauungsfreiheit gem Art 10 GRC an. Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff der (politischen oder sonstigen) Anschauung in Art 21 GRC nicht auf die Weltanschauungsfreiheit des Art 10 GRC, sondern auf die Meinungsfreiheit des Art 11 GRC. Dies zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit an den anderen Sprachfassungen der GRC: Während die deutsche Sprachfassung mit „Anschauung“ einen Begriff in den Wortlaut des Art 21 GRC einführt, den diese weder im Rahmen der Weltanschauungsfreiheit noch im Rahmen der Meinungsfreiheit kennt, greifen insb die englische sowie die französische Sprachfassung im Rahmen des Art 21 GRC die Terminologie der Weltanschauungsfreiheit (belief [englisch], conviction [französisch]) sowie der Meinungsfreiheit (opinion [englisch], opinion [französisch]) auf. Damit 21 erfolgt letztlich nichts anderes als die Bezugnahme auf die etablierte Terminologie der EMRK. Auch dort bedienen sich sowohl die englische als auch die französische Sprachfassung* im Rahmen des akzessorischen Diskriminierungsverbotes des Art 14 EMRK jener Begriffe, die auch bei der Gewährleistung der Weltanschauungsfreiheit auf der einen Seite sowie der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite gebraucht werden. Die Abgrenzung zwischen einer bloßen Meinung (opinion) und einer Weltanschauung (belief, conviction) erfolgt jedoch nicht durch den pauschalen Ausschluss bestimmter Lebensbereiche (zB Politik). Letztere hebt sich vielmehr dadurch ab, dass diese ein bestimmtes Maß an Stichhaltigkeit, Ernsthaftigkeit, Kohärenz und Bedeutung erreicht.* Dementsprechend gilt für Art 21 GRC ebenso wie für Art 14 EMRK, dass der Umstand, dass im Rahmen des Diskriminierungsverbotes aufgrund der Meinung die politische Meinung besonders hervorgehoben wird, keinen Rückschluss darauf erlaubt, dass im Rahmen des Diskriminierungsverbotes aufgrund der Weltanschauung politische Weltanschauungen ausgeschlossen wären.*Der tragende Pfeiler der Argumentation des EuGH beruht daher auf einem Fehlschluss.
Allenfalls vermag sich die restriktive Interpretation des EuGH auf die Genese der RL 2000/78/EG zu berufen, zumal offenbar das Vorhaben bestand, Diskriminierungsverbote wegen der politischen Gesinnung sowie der gewerkschaftlichen Betätigung in einer anderen Richtlinie zu verankern.* Der diesbezügliche historische Wille des Richtliniengebers erweist sich allerdings spätestens seit dem Inkrafttreten der GRC als überholt: Denn Art 52 Abs 3 GRC ordnet einen Gleichlauf zwischen den Gewährleistungen der GRC und den korrespondierenden Rechten der EMRK an. Das lässt sich auch für die Auslegung des Antidiskriminierungsrechtes nutzbar machen: So stellt der EuGH zur Auslegung des Begriffs der Religion iSd Art 1 RL 2000/78/EG auf Art 10 GRC ab,* der aufgrund des Art 52 Abs 3 GRC durch Art 9 EMRK determiniert wird.*
Gleiches muss für den Begriff der Weltanschauung gelten: Gem Art 52 Abs 3 GRC liegt der Weltanschauungsfreiheit nach Art 10 GRC und jener nach Art 9 EMRK der gleiche Weltanschauungsbegriff zugrunde. Nachdem die GRC den Begriff der Weltanschauung nicht nur im Rahmen der Weltanschauungsfreiheit (Art 10 GRC), sondern auch im Rahmen des Diskriminierungsverbotes (Art 21 GRC) verwendet, folgt bereits aus systematischen Erwägungen (Einheit der Rechtssprache*), dass die Bedeutung des Begriffes „Weltanschauung“ in beiden Artikeln der Gleiche ist.* Schließlich ist iS einer wertungskohärenten Interpretation der Weltanschauungsbegriff der Art 10, 21 GRC auch für die sekundärrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinien maßgeblich, zumal der EuGH diese als Konkretisierung der primärrechtlichen Diskriminierungsverbote begreift.*
Der durch Art 52 Abs 3 GRC angeordnete Gleichlauf umfasst neben dem Text der grundrechtlichen Verbürgungen auch die Judikatur der Straßburger Kontrollorgane.* Gerade diese zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass keine überzogenen Anforderungen an den Begriff der Weltanschauung gestellt werden: Die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR) definierte diese als „some coherent views on fundamental problems“.* Auch der EGMR bekennt sich grundsätzlich zu dieser Definition. Zumindest dürfte er die Anforderungen an eine Weltanschauung nicht höher ansetzen. Das legt jedenfalls die E in der Rs Blumberg nahe, die diese Definition im Singular verwendet.* Den Anforderungen an eine Weltanschauung iSd EMRK genügten bislang insb der Pazifismus,* der Säkularismus*sowie der Veganismus;* zudem wurde die Ablehnung körperlicher Gewalt im Rahmen der Schulerziehung als weltanschauliche Überzeugung iSd Art 2 1. ZP EMRK anerkannt.* Dies veranschaulicht, dass die Anforderungen an eine Weltanschauung nicht überspannt werden dürfen.
Es erweist sich daher als ausreichend, dass sich Anschauungen zu zumindest einer grundsätzlichen (Lebens-)Frage, wie zB die zulässigen Mittel der Streitaustragung (Pazifismus), das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen (Säkularismus), der gebotene Umgang mit Tieren (Veganismus) oder die Art und Weise der Kindererziehung (Ablehnung körperlicher Gewalt), zu einem in sich stimmigen System vereinen, ohne dass ein vollwertiges iSv umfassendes Gedankensystem gefordert wäre.* Vor diesem Hintergrund wird man nicht nur den grundlegenden politischen Ideologien, sondern auch den aus deren Versatzstücken bestehenden Programmen der politischen Parteien, die Zielvorstellungen für eine Vielzahl von Lebensbereichen definieren, die Qualifikation als Weltanschauung nicht absprechen können.*22Ungeachtet der – mE wenig überzeugenden – restriktiven Auslegung, welcher der EuGH dem Begriff der Weltanschauung zukommen lässt, wird durch die RL 2000/78/EG eine bloße Mindestharmonisierung herbeigeführt. Ein über die Mindestvorgaben hinausgehendes Schutzniveau steht damit im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben (Art 8 RL 2000/78/EG). Selbst wenn man daher mit dem EuGH die politische Gesinnung nicht unter den Begriff der Weltanschauung iSd Art 1 RL 2000/78/EG subsumiert, ist das nicht gleichbedeutend damit, dass diese nicht durch das GlBG geschützt wird.* Tatsächlich weisen die Materialien zum GlBG darauf hin, der Begriff der Weltanschauung sei eine „Sammelbezeichnung für alle religiösen, ideologischen, politischen, uä. Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis“
.* Vor diesem Hintergrund hat sich sowohl in der Judikatur* als auch im Schrifttum*die Auffassung durchgesetzt, dass die politische Gesinnung als Unterfall der Weltanschauung iSd GlBG zu begreifen ist.
Auch der Begriff der AN-Organisation entbehrt sowohl auf der Ebene des Unionsrechtes als auch auf der Ebene des nationalen Rechtes einer näheren Umschreibung. Das Verhältnis dieses in § 4 Z 2
§ 18 Z 2 GlBG und § 7b Abs 1 Z 9 BEinstG verankerten Tatbestandes zum betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsrecht war lange Zeit alles andere als ausgelotet. Zwar hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, dass auch Betriebsvertretungen – wie die Arbeitnehmerschaft als durch das ArbVG eingerichtete juristische (Teil-) Person und damit auch der BR als ihr Organ – unter den Begriff der AN-Organisation zu subsumieren sind,* eine vertiefte Auseinandersetzung erfolgt bislang jedoch nur am Rande.*
Aus Wortlaut und Systematik lässt sich zunächst ableiten, dass unter einer AN-Organisation ein nach dem Grundsatz der Gegnerfreiheit aufgebauter Zusammenschluss zu verstehen ist. Dabei gelangt hinsichtlich des Maßstabes, welcher zur Beurteilung der Gegnerfreiheit anzulegen ist, der weite ANBegriff des GlBG zur Anwendung. Dieser erfasst neben Heimarbeitern auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte (§ 1 Abs 3, § 16 Abs 3 GlBG). Bereits deshalb erweist es sich in Bezug auf die Qualifikation der Arbeitnehmerschaft als AN-Organisation als unschädlich, dass auch dem Betriebsverfassungsrecht ein AN-Begriff zugrunde liegt, der über jenen des Arbeitsvertragsrechtes hinausgeht.* Vor dem Hintergrund, dass der EuGH den denkbaren Einwand, das Antidiskriminierungsrecht sei nicht anwendbar, wenn die Besetzung aufgrund einer politischen Wahl erfolgt, bereits ausdrücklich verworfen hat,* verbleiben im Kern zwei denkbare Argumente gegen eine Subsumtion unter den Begriff der AN-Organisation: Diese könnte daran scheitern, dass die Arbeitnehmerschaft nicht auf freiwilligem Zusammenschluss beruht, sondern ex lege errichtet wird, bzw dass sich die Tätigkeit der Arbeitnehmerschaft nicht auf die überbetriebliche Ebene der Interessenvertretung erstreckt. Tatsächlich trägt jedoch keiner dieser beiden Einwände: Nachdem die einhellige Meinung auch die Arbeiterkammern – die ebenso wie die Arbeitnehmerschaft auf dem Grundsatz der ex lege Mitgliedschaft beruhen – als AN-Organisationen qualifiziert,*erweist sich die fehlende Freiwilligkeit des Zusammenschlusses jedenfalls nicht als Ausschlusskriterium.*
Gleiches gilt in Bezug auf die fehlende Überbetrieblichkeit der Organisation. Es ist unbestritten, dass Koalitionen als AN-Organisationen (Gewerkschaften) bzw als AG-Organisationen (AG-Berufsvereinigungen) iSd Antidiskriminierungsrechtes anzusehen sind;* da aber auch Betriebsgewerkschaften den Koalitionsbegriff erfüllen können,* werden folglich auch diese als AN-Organisationen erfasst. Weder die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses noch die Beschränkung des Tätigkeitsbereichs auf die betriebliche Ebene stehen daher der Qualifikation als AN-Organisation entgegen.*
Vielmehr ist der Umstand, dass sich der Richtliniengeber des farblosen Begriffes der AN-Organisation bedient hat, ein wesentliches Indiz dafür, die Arbeitnehmerschaft und damit auch den BR als AN-Organisation zu erfassen. Denn in Bezug auf die AN-Interessenvertretung auf der Ebene des Betriebes weisen die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen eine historisch gewachsene Vielfalt unterschiedlichster Strukturen auf.* Das legt den 23 Schluss nahe, dass der Richtliniengeber sich des Begriffes AN-Organisation deshalb bedient, um mit einem Oberbegriff diese Vielfalt betrieblicher AN-Interessenvertretungen zu erfassen.* Dies entspricht nicht nur der vom EuGH in Bezug auf den Geltungsbereich der RL 2000/78/EG geforderten weiten Auslegung,* sondern erlaubt gleichzeitig dem – auch vom EuGH – hergestellten Zusammenhang zwischen den Diskriminierungsverboten der RL 2000/78/EG und jenem des Art 8 Abs 1 AN-Freizügigkeits-VO 2011/492/EU Rechnung zu tragen.* Letzteres erstreckt sich nämlich ausdrücklich auch auf die Vertretung von AN-Interessen auf der betrieblichen Ebene. Nachdem bei der Interpretation von Sekundärrecht nach Möglichkeit innere Kohärenz anzustreben ist,* gleichzeitig aber kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung ersichtlich ist, gilt es, den Geltungsbereich der durch die RL 2000/78/EG normierten Diskriminierungsverbote auf die betriebliche Ebene der Interessenvertretung zu erstrecken.* Dies ist bei der gebotenen richtlinienkonformen Interpretation des GlBG zu beachten.
Aber auch in den Materialien zum GlBG finden sich zwei Ansatzpunkte, die – konsequent zu Ende gedacht – für die Erfassung der Arbeitnehmerschaft als AN-Organisation sprechen: Zum einen verwenden die Materialien als Abkürzung für die Wortfolge „Arbeitnehmer/innen/– oder Arbeitgeber/innen/organisation oder [...] Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören“
den Begriff „Interessenvertretungen“;* den Charakter der Arbeitnehmerschaft als Instrument zur Verfolgung von AN-Interessen stellt jedoch bereits die Interessenvertretungsaufgabe des § 38 ArbVG klar.* Zum anderen halten die Materialien fest, dass durch das GlBG die „gesamte Arbeitswelt“
diskriminierungsfrei gestellt werden soll.*Mit Blick auf den Einfluss, welchen der BR auf die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ausübt, lässt sich gewiss nicht leugnen, dass dieser Teil der Arbeitswelt ist.*
Wenn das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung zum einen die politische Gesinnung erfasst und sich zum anderen auch auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung im BR erstreckt, zeitigt dies mitunter tiefgreifende Auswirkungen. Denn bei den Betriebsratswahlen treten vielfach Wahlvorschläge an, die ein besonderes Naheverhältnis zu einer der politischen Fraktionen des ÖGB aufweisen und sich auf diese Weise einer der etablierten politischen Parteien zuordnen lassen.* Die Regelungen über die Geschäftsführung des BR stehen damit im Spannungsverhältnis mit dem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung: Einerseits wird es für die Annahme einer Diskriminierung als ausreichend angesehen, dass das geschützte Merkmal im Rahmen eines „Motivbündels“ bloß mitursächlich gewesen ist;* es genügt daher, wenn die Fraktionszugehörigkeit bloß neben anderen Entscheidungskriterien zur Anwendung gebracht wurde. Andererseits erweist sich die Zugehörigkeit zu einer „parteinahen Institution“ bzw „Vorfeldorganisation“ (meist) als hinreichendes Indiz für das Bestehen einer bestimmten politischen Gesinnung;* dies spiegelt sich nicht zuletzt in zahlreichen Gutachten des II. Senats der B-GBK wider, in denen die bestehende oder fehlende Zugehörigkeit zu einer bestimmten politischen Fraktion des ÖGB regelmäßig zentrale Bedeutung für die Annahme einer Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung erlangt.*
Unabhängig davon, welche Reichweite man dem Begriff der Weltanschauung iSd Art 1 RL 2000/78/ EG beimisst, müssen sich jene zahlreichen Normen des betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsrechtes, welche darauf abstellen, dass ein Betriebsratsmitglied auf dem Wahlvorschlag einer bestimmten wahlwerbenden Gruppe in den BR gewählt wurde,* an höherrangigem Recht messen lassen: entweder am Verbot der Diskriminierung aufgrund der politischen Gesinnung (als Unterfall der Weltanschauung) oder (bloß) am Verbot unsachlicher Differenzierungen nach dem Gleichheitssatz gem Art 7 B-VG.* Dabei darf der Unterschied in Bezug auf die anzulegende Prüfdichte nicht überbewertet werden: Nachdem der Gesetzgeber im ArbVG ohnehin nicht unmittelbar auf eine bestimmte politische Gesinnung abstellt, sondern auf Merkmale (zB jene Listenkurie, die bei der Betriebsratswahl die meisten Stimmen auf sich vereinigt hat), die lediglich uU mit einer bestimmten politischen Gesinnung korrelieren,* liegt allenfalls eine mittelbare Diskriminierung vor. Eine solche lässt sich jedoch durch ein legitimes Ziel, das auch mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt wird, rechtfertigen (Art 2 Abs 2 lit b RL 2000/78/EG). Diesen Anforderungen genügen die Regelungen des ArbVG, welche auf die Fraktionszugehörigkeit abstellen, 24 um damit die Rückführbarkeit der betriebsrätlichen Interessenvertretungstätigkeit auf den Willen der AN zu gewährleisten.* Wenn aber sogar den Vorgaben des Antidiskriminierungsrechtes Genüge getan ist, wird damit erst recht auch jenen des Art 7 B-VG entsprochen.
Ungleich größere Schwierigkeiten als ein Abstellen auf die Fraktionszugehörigkeit durch den Gesetzgeber bereitet ein solches durch den BR selbst: Sofern der BR bei der Ausgestaltung seiner Handlungsorganisation – dh zB bei der Wahl seiner Funktionäre (Betriebsratsvorsitzender, Stellvertreter, Kassaverwalter, Schriftführer) oder bei der Entscheidung über eine permanente Freistellung – auf die Fraktionszugehörigkeit abstellt, steht dies immer dann im Spannungsverhältnis mit den Vorgaben des Diskriminierungsverbotes aufgrund der Weltanschauung, wenn im BR zumindest eine Fraktion ein Naheverhältnis zu einer der politischen Fraktionen des ÖGB aufweist. Denn mit dem Abstellen auf die Fraktionszugehörigkeit wird unweigerlich das Bestehen oder Fehlen einer bestimmten politischen Gesinnung zum Entscheidungsmerkmal erhoben. Damit liegt aber – sofern keine Ausnahmetatbestände n – eine unmittelbare Diskriminierung vor.*
Anders als bei mittelbaren Diskriminierungen, bei denen das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Unterscheidung in den Tatbestand integriert wurde, sind unmittelbare Diskriminierungen nach hA keiner Rechtfertigung durch ungeschriebene rechtmäßige Ziele zugänglich.*Umso größer ist daher die Bedeutung jener Ausnahmetatbestände, welche ein unmittelbares Anknüpfen an ein geschütztes Diskriminierungsmerkmal erlauben. Hinsichtlich weltanschaulicher Diskriminierungen kommt neben dem für alle Diskriminierungsmerkmale zur Anwendung gelangenden Ausnahmetatbestand gem Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG bzw § 20 Abs 1 GlBG auch der speziell auf Diskriminierungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung durch Kirchen und religiöse bzw weltanschauliche Organisationen zugeschnittene Art 4 Abs 2 RL 2000/78/ EG bzw § 20 Abs 2 GlBG in Betracht. Nachdem diese beiden Tatbestände jedoch gleichermaßen auf das Vorliegen einer beruflichen Tätigkeit bzw einer beruflichen Anforderung abstellen, gilt es als erstes der Frage nachzugehen, ob die Betriebsratstätigkeit überhaupt als berufliche Tätigkeit und die Fraktionszugehörigkeit als berufliche Voraussetzung verstanden werden können.
Dabei ist zunächst darauf zu verweisen, dass der durch Art 1 RL 2000/78/EG erfasste Diskriminierungsbereich („in Beschäftigung und Beruf“) durch Art 3 RL 2000/78/EG näher ausgedeutet wird. Dementsprechend versteht die RL 2000/78/ EG die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer AN-Organisation auch als eine berufliche Betätigung. Neben diesem begrifflichen Argument wird diese Auffassung auch durch teleologische Erwägungen erhärtet: Denn der Zweck des Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG bzw § 20 Abs 1 GlBG besteht darin, die Leistungsfähigkeit in Bezug auf die zu erbringende Tätigkeit zu gewährleisten,* während Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG bzw § 20 Abs 2 GlBG auf die Wahrung des Ethos von Kirchen sowie religiösen und weltanschaulichen Organisationen abzielt.* Eine extensive Auslegung des Geltungsbereichs der Diskriminierungsverbote schlägt sich demnach zwangsläufig in einem erweiterten Anwendungsbereich der Ausnahmen nieder;* jede andere Interpretation müsste dem Antidiskriminierungsrecht unterstellen, es würde dazu zwingen, eine nicht ordnungsgemäße Leistungserbringung bzw die Verletzung des Ethos religiöser und weltanschaulicher Organisationen in Kauf zu nehmen.*
Vor dem Hintergrund, dass das Spannungsverhältnis zwischen dem betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsrecht und dem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung seinen Ausgang regelmäßig in der Verflechtung zwischen den an der Betriebsratswahl teilnehmenden wahlwerbenden Gruppen und den politischen Fraktionen des ÖGB nimmt, gilt es, zu dessen Auflösung auch an dieser Stelle anzusetzen. Dabei muss zunächst untersucht werden, ob es den wahlwerbenden Gruppen gestattet ist, bei der Auswahl der auf ihrem Wahlvorschlag kandidierenden Wahlwerber auf die politische Gesinnung abzustellen. Dies setzt voraus, die Rechtsnatur der wahlwerbenden Gruppe zu bestimmen. Ungeachtet der im Allgemeinen bloß rudimentären Regelung, welche die wahlwerbenden Gruppen durch das Betriebsverfassungsrecht erfahren, werden diese in § 20 Abs 1 BRGO als „Wählergruppen, die Wahlwerber aufzustellen beabsichtigen [...]“
definiert. Damit knüpft das Betriebsverfassungsrecht an ein Spezifikum des österreichischen Wahlrechtes an: die wahlwerbende Partei (§ 2 Z 2 PartG 2012). Dieser – von der politischen Partei (§ 1 Abs 2 PartG 2012) zu unterscheidende – Zusammenschluss hat eine auf die Teilnahme an der Wahl und ihre etwaige Bekämpfung beschränkte Rechtsfähigkeit;* Gleiches ist in Bezug auf die wahlwerbende Gruppe iSd Betriebsverfassungsrechtes anzunehmen.* Dieses klare Konzept wird jedoch dadurch verdunkelt, 25 dass sich der Gesetzgeber im ArbVG mitunter des Begriffs der wahlwerbenden Gruppe bedient, wenn dieser eigentlich die Listenkurie, dh die Gesamtheit jener Betriebsratsmitglieder, die auf dem Vorschlag einer bestimmten wahlwerbenden Gruppe in den BR gewählt wurden, ansprechen will. Diese terminologische Unschärfe tritt in § 110 Abs 2 und Abs 2b ArbVG besonders offenkundig zu Tage.* Im Gegensatz zu den Listenkurien, die sich als bloße Untergliederungen des BR darstellen, handelt es sich bei den wahlwerbenden Gruppen um iSd § 52 ArbVG aktiv wahlberechtigte AN, die sich zusammenschließen, um mittelbar ANInteressen zu verfolgen: nämlich durch das Aufstellen von Wahlwerbern für die Betriebsratswahl, die letztlich auf die Interessenvertretungstätigkeit des BR Einfluss nehmen sollen. Angesichts der niederschwelligen Anforderungen, welche Art´ 11 EMRK in Bezug auf den Begriff der Koalition aufstellt,* ist die wahlwerbende Gruppe als eine solche zu qualifizieren.* Damit gelangt die wahlwerbende Gruppe aber auch in den Genuss der durch Art 11 EMRK garantierten koalitionsspezifischen Rechte: Dies umfasst ua die Autonomie in inneren Angelegenheiten und schützt damit die freie Wahl von Mitgliedern und Repräsentanten (vgl Art 3 ILO-Übk Nr 87),* was auch vom EuGH in Bezug auf Art 12 GRC anerkannt wird.*
Aufgrund der historischen Verflechtung zwischen Gewerkschaftsbewegung und politischen Parteien sieht der EGMR vom Recht auf Autonomie in inneren Angelegenheiten auch eine Auswahl von Mitgliedern und Repräsentanten nach Maßgabe der politischen Gesinnung als erfasst an.* Damit liegt aber – zumindest vordergründig – ein Gesetzeswiderspruch vor: Auf der einen Seite verbietet das Antidiskriminierungsrecht eine Auswahl nach der politischen Gesinnung, während dies auf der anderen Seite durch Art 11 EMRK ausdrücklich erlaubt wird. Dieses Spannungsverhältnis besteht im Übrigen unabhängig davon, ob man die politische Gesinnung vom Begriff der Weltanschauung iSd Unionsrechtes erfasst sieht oder nicht: Während sich im ersten Fall die Frage nach einem verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den konfligierenden Grundrechten auf Nichtdiskriminierung (Art 21 GRC) und auf Koalitionsfreiheit (Art 12, 52 Abs 3 GRC iVm Art 11 EMRK) stellt, wird im zweiten Fall die Frage danach aufgeworfen, ob der mit dem Diskriminierungsverbot wegen der politischen Gesinnung bestehende Eingriff in die Koalitionsfreiheit Deckung in dessen Gesetzesvorbehalt (Art 52 Abs 1 und Abs 3 GRC iVm Art 11 Abs 2 EMRK) findet. Nachdem auch der EGMR den Spagat zwischen der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit und dem (akzessorischen) Diskriminierungsverbot bewältigen muss, erweist sich dessen Judikatur zu den Grenzen des aus der Koalitionsfreiheit abgeleiteten Rechtes auf Autonomie in inneren Angelegenheiten als aufschlussreich: Die von einer Gewerkschaft aufgestellten Regeln betreffend die Auswahl von Mitgliedern und Vertretern müssen zunächst ein Mindestmaß an Sachlichkeit aufweisen. Diese dürfen nämlich weder völlig unvernünftig noch willkürlich sein,* wobei das Abstellen auf die politische Gesinnung dieser Anforderung genügt.* Die Autonomie in inneren Angelegenheiten wird zudem noch in zweifacher Weise beschränkt. Einerseits ist die Gewerkschaft an die von ihr selbst aufgestellten Regeln gebunden, sodass sie zu einem kohärenten Vorgehen verpflichtet ist. Andererseits findet das Recht auf Autonomie in inneren Angelegenheiten eine Schranke, wenn daraus eine außergewöhnliche Härte (zB Arbeitsplatzverlust) resultiert.*Im Kern gilt es letztlich, einen unverhältnismäßigen Eingriff in einzelne Konventionsrechte zu vermeiden bzw einen angemessenen Ausgleich zwischen widerstreitenden Konventionsrechten zu finden.*
Diese vom EGMR vorgezeichnete Abwägungslösung entspricht nicht nur der Judikatur des EuGH, welcher den mit dem Diskriminierungsverbot wegen des Alters verbundenen Eingriff in die Koalitionsfreiheit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzog,*sondern vielmehr auch der Struktur sowohl der RL 2000/78/EG als auch des GlBG: Obwohl die RL 2000/78/EG in ihrem ErwG 5 zunächst festhält, die Vereinigungsfreiheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht zu berühren, erstreckt Art 3 Abs 1 lit d RL 2000/78/EG die Diskriminierungsverbote auch auf die Mitgliedschaft und Mitwirkung in Gewerkschaften und beschränkt damit deren Recht auf Autonomie in inneren Angelegenheiten. Für einen vergleichbaren Kollisionsfall, nämlich dem Zusammenstoß zwischen dem Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion oder der Weltanschauung und dem Recht religiöser bzw weltanschaulicher Gemeinschaften auf Autonomie in inneren Angelegenheiten, normieren Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG sowie § 20 Abs 2 GlBG Ausnahmetatbestände, die darauf abzielen, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herbeizuführen. Voraussetzung ist, dass die Religion bzw Weltanschauung angesichts der konkreten Tätigkeit „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“
darstellt;*letztlich nimmt der EuGH dabei eine Differenzierung zwischen verkündungsnahen und verkündungsfernen Tätigkeiten vor, wobei an das Erfordernis der Kohärenz ein 26 strenger Maßstab angelegt wird.*Um die gebotene Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Koalitionsfreiheit zu gewährleisten, gilt es, die Regelung, welche zur Wahrung des Rechtes auf Autonomie in inneren Angelegenheiten von religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften (Art 10 GRC, Art 9 EMRK) normiert wurde, analog auch auf Koalitionen (Art 12 GRC, Art 11 EMRK) anzuwenden.*
Am sinngemäß angewendeten Maßstab des Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG bzw des § 20 Abs 2 GlBG erweist sich das Abstellen auf die politische Gesinnung bei der Auswahl der Wahlwerber durch die wahlwerbenden Gruppen jedoch als zulässig: Denn den Wahlwerbern kommt die Aufgabe zu, die Werte sowie das Programm der jeweiligen wahlwerbenden Gruppe gegenüber den stimmberechtigten AN zu vertreten und zu bewerben. Die Entfaltung glaubwürdiger Wahlwerbungsaktivitäten für eine wahlwerbende Gruppe, die ihre politische Gesinnung nach außen hin zum Ausdruck bringt, verlangt jedoch, dass sich deren Wahlwerber auch mit dieser politischen Gesinnung identifizieren. Auch die Verhältnismäßigkeit bleibt dabei gewahrt: Auf der einen Seite würde für wahlwerbende Gruppen, die ihre politische Gesinnung nach außen kommunizieren, die Entfaltung glaubwürdiger Wahlwerbungsaktivitäten erheblich beeinträchtigt, wenn bei der Auswahl der Wahlwerber nicht auf die politische Gesinnung abgestellt werden darf. Auf der anderen Seite zieht die Verweigerung der Aufnahme in den Wahlvorschlag keine gravierenden Konsequenzen nach sich: Nicht nur, dass damit weder unmittelbar eine Verschlechterung der bisher für den AN zur Anwendung gelangenden Arbeitsbedingungen bewirkt wird, noch als Anlass dafür genommen werden darf (arg § 37 Abs 1, § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG bzw § 115 Abs 3 iVm § 120 ff ArbVG), vielmehr ist es dem nicht in den Wahlvorschlag aufgenommenen AN auch nicht verwehrt, für eine andere wahlwerbende Gruppe zu kandidieren oder sich mit einem eigenen Wahlvorschlag an der Betriebsratswahl zu beteiligen.* Vor diesem Hintergrund erweist sich bei der Auswahl der Kandidaten durch die wahlwerbende Gruppe das Abstellen auf die politische Gesinnung als zulässig, solange dies in kohärenter Art und Weise erfolgt.
Im Gegensatz zu den wahlwerbenden Gruppen handelt es sich weder bei der Arbeitnehmerschaft noch beim BR um eine Koalition. Der BR ist als Organ der Arbeitnehmerschaft nämlich nicht als „frei gebildeter privatrechtlicher Verband“, sondern als „eine gesetzlich [...] determinierte Einrichtung“ zu qualifizieren.* Auch kann sich der BR nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Organisation zu sein, deren Ethos auf religiösen oder weltanschaulichen Grundsätzen beruht (§ 20 Abs 2 GlBG). Dies wird nämlich selbst dann nicht in Betracht kommen, wenn alle Betriebsratsmitglieder auf dem gleichen (weltanschaulichen) Wahlvorschlag in den BR gewählt wurden: Nicht nur, dass das Fehlen einer zweiten Fraktion auf zahlreiche Gründe zurückzuführen sein kann (zB Wahlarithmetik), vielmehr erweist sich eine auf die Zusammensetzung des BR bezogene Betrachtungsweise als zu eng. Die Arbeitnehmerschaft als juristische (Teil-)Person lässt sich nämlich nicht auf den BR als ihr geschäftsführendes Organ reduzieren. Selbst ein weltanschaulich homogen zusammengesetzter BR erlaubt noch keinen Schluss auf eine weltanschaulich homogene Arbeitnehmerschaft, können doch innerhalb der Betriebsversammlung als Kontroll- und Konsultativorgan der Arbeitnehmerschaft auch andere weltanschauliche Positionen vertreten werden.*
Damit verbleibt als Ansatzpunkt für eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot aufgrund der politischen Gesinnung lediglich § 20 Abs 1 GlBG (bzw Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG). Dieser bestimmt, dass dann keine Diskriminierung vorliegt, „wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt“
. Dementsprechend muss die eine politische Gesinnung indizierende Fraktionszugehörigkeit drei Voraussetzungen erfüllen, damit diese bei der Ausgestaltung der Betriebsratsorganisation – wenn auch nur im Rahmen eines Motivbündels – zum Entscheidungskriterium erhoben werden darf: Zunächst hat dies einen rechtmäßigen Zweck zu verfolgen, weiters muss die Fraktionszugehörigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellen, welche schließlich iS einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als angemessene Anforderung qualifiziert werden kann.*
Welche Anforderungen an das Vorliegen eines rechtmäßigen Zweckes zu stellen sind, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert.* Der EuGH hat bislang von einer Definition dieses Begriffes abgesehen, wobei er in seiner bisherigen Judikatur die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit von Notdiensten* (Polizei, Feuerwehr) sowie die Flugsicherheit* bunter diesen Begriff subsumiert hat. In Bezug auf die Ausgestaltung der Betriebsratsorganisation kommt als rechtmäßiger Zweck die „betriebsrätliche Interessenvertretungstätigkeit“ in Betracht. Dabei handelt es sich nämlich um einen grundrechtlich 27 abgesicherten Belang: Nicht nur, dass Art 27 GRC die Unterrichtung und Anhörung der AN bzw ihrer Vertreter unter primärrechtlichen Schutz stellt. Vielmehr hat der EuGH auch ein die unternehmerische Freiheit einschränkendes Mitbestimmungsrecht als durch die GRC geschützt erachtet.*
Der Zweck dieser grundrechtlichen Gewährleistungen besteht darin, den AN Einfluss auf die Entscheidungen des AG einzuräumen.* Dies setzt allerdings voraus, dass immer dann, wenn Vertreter der AN in Verhandlungen mit dem AG treten, deren Wille sich auf jenen der AN zurückführen lässt. Dabei handelt es sich letztlich auch um den Grund dafür, das Abstellen auf die Fraktionszugehörigkeit als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung zu qualifizieren: Bei Interessenvertretungstätigkeiten lässt sich nämlich nicht sinnvoll zwischen der tätig werdenden Person und dem Inhalt der Tätigkeit unterscheiden. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass im Zuge der Betriebsratswahlen nicht bloß über inhaltliche Positionen abgestimmt wird, sondern mitunter auch umfangreich geschulte (§§ 118 f ArbVG) und eingearbeitete Betriebsratsmitglieder abgewählt werden.* Vor diesem Hintergrund erweist es sich als wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung, auf eine Ausprägung des Merkmals „Fraktionszugehörigkeit“ abzustellen, das jenem der Mehrheit im BR entspricht, wenn ein Betriebsratsmitglied mit Funktionen (zB Betriebsratsvorsitzender, Stellvertreter) oder Befugnissen (Delegierung gem § 69 ArbVG) betraut wird, welche mit der Ausübung von Ermessen einhergehen, bzw mit den dafür erforderlichen Ressourcen (zB Freistellung gem § 117 ArbVG) ausgestattet wird: Denn eine glaubwürdige Rückführbarkeit der Interessenvertretungstätigkeit des BR auf den Willen der Mehrheit der AN verlangt ein Abstellen auf die Zugehörigkeit zur Mehrheit im BR. Geradezu spiegelbildlich verhält es sich bei der Ausübung glaubwürdiger politischer Kontrolle (zB Minderheitsvertreter gem § 69 Abs 4 S 2 ArbVG). Diese gebietet geradezu ein Abstellen auf die Zugehörigkeit zur Minderheit im BR.*
Schließlich gilt es iSd Wahrung der Verhältnismäßigkeit sowohl die Eignung der Maßnahme zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels sowie dessen Erforderlichkeit und Angemessenheit zu prüfen. Dabei korreliert der Maßstab, der an die Verhältnismäßigkeitsprüfung anzulegen ist, mit dem Erfordernis des rechtmäßigen Zweckes: Je höher die Wertigkeit des geltend gemachten rechtmäßigen Zweckes, desto geringer ist die Hürde, welche die Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellt.*Nachdem mit dem Abstellen auf die Fraktionszugehörigkeit ein grundrechtlich abgesicherter Zweck verfolgt wird, der in den aufgezeigten Grenzen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Betriebsratstätigkeit darstellt, sollen im Folgenden bloß zwei die Verhältnismäßigkeit veranschaulichende Aspekte hervorgestrichen werden.* Zum einen erfolgt keine pauschale Zurückdrängung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, denn auf jene Tätigkeiten, die weder damit verbunden sind, Ermessen zu üben, noch mit der Ausübung politischer Kontrolle einhergehen, kommt das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung weiterhin voll zur Anwendung.* Bei der Erfüllung administrativer Aufgaben (zB Schriftführer gem § 10 Abs 5 BRGO) oder bei der Kontrolle der ziffernmäßigen Richtigkeit (zB Kassaverwalter gem § 66 Abs 3 S 2 ArbVG) verbietet § 17 Abs 1 iVm § 18 Z 2 GlBG daher ein Abstellen auf eine die politische Gesinnung indizierende Fraktionszugehörigkeit. Zum anderen wirkt das Abstellen auf die Fraktionszugehörigkeit nicht einseitig, sondern entfaltet sowohl eine die Mehrheit (Ermessensübung) als auch eine die Minderheit (politische Kontrolle) begünstigende Wirkung.*
Die Ausgestaltung der Handlungsorganisation des BR unterliegt dem Diskriminierungsverbot aufgrund der Weltanschauung. Der im Vordringen befindlichen Auffassung, die den BR als AN-Organisation iSd GlBG interpretiert, ist schon mit Blick auf die Systematik der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote beizupflichten. Das führt aber zu einem erheblichen Spannungsverhältnis zum betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsrecht, denn die politische Gesinnung erweist sich als Unterfall der Weltanschauung iSd GlBG und ist (entgegen dem EuGH) auch vom Begriff der Weltanschauung iSd Unionsrechtes erfasst.
Wenn daher ein Betriebsratsgremium, in dem zumindest eine Fraktion ein Naheverhältnis zu einer bestimmten politischen Fraktion des ÖGB aufweist, bei der Ausgestaltung seiner Handlungsorganisation auf die Fraktionszugehörigkeit abstellt, erweist sich dies – vorbehaltlich des Eingreifens von Ausnahmetatbeständen – als unmittelbare Diskriminierung. In diesen Fällen ist mit dem Abstellen auf die Fraktionszugehörigkeit eines Betriebsratsmitglieds unweigerlich auch ein Abstellen auf dessen politische Gesinnung verbunden.
Bei der Auswahl der Wahlwerber durch die wahlwerbende Gruppe kommt § 20 Abs 2 GlBG sinngemäß zur Anwendung. Im Ergebnis erweist sich damit ein Abstellen auf die politische Gesinnung bei der Auswahl der Wahlwerber als zulässig, solange dieses Erfordernis kohärent angewendet wird. Anders verhält es sich, wenn der BR bei der Ausgestaltung seiner Handlungsorganisation auf eine die politische Gesinnung indizierende Fraktionszugehörigkeit abstellt. Eine Rechtfertigung kommt dann nur im Wege des § 20 Abs 1 GlBG in Betracht. Die Fraktionszugehörigkeit darf zum Entscheidungskriterium erhoben werden, wenn eine Aufgabe mit Ermessensübung verbunden ist und auf die Zugehörigkeit zur Mehrheit im BR abgestellt wird oder eine Aufgabe mit politischer Kontrolle verbunden ist und auf die Zugehörigkeit zur Minderheit im BR abgestellt wird.28