1Kündigung einer Datenschutzbeauftragten
Kündigung einer Datenschutzbeauftragten
Eine nationale Regelung, nach der ein Datenschutzbeauftragter (DSB) nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, steht Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO nicht entgegen, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt.
Die Kl arbeitete beim bekl deutschen Unternehmen Leistritz als DSB. Etwa ein halbes Jahr später kündigte Leistritz das Arbeitsverhältnis ordentlich und berief sich dabei auf eine Umstrukturierungsmaßnahme, die zur Auslagerung der internen Rechtsberatungstätigkeit und der Datenschutzabteilung geführt habe.
Die Kl fochte daraufhin die Kündigung an. Die mit der Anfechtung befassten Gerichte entschieden, dass die Kündigung unwirksam sei, da die Kl als DSB gem § 38 Abs 2 iVm § 6 Abs 4 Satz 2 BDSG nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden könne. Die von Leistritz beschriebene Umstrukturierungsmaßnahme stelle keinen wichtigen Grund dar.
Da jedoch eine Mindermeinung in der deutschen Fachliteratur annimmt, die Verknüpfung des Kündigungsschutzes mit der Stellung des DSB sei unionsrechtswidrig, legte das deutsche BAG dem EuGH die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vor. Fraglich sei, ob nach der DSGVO eine mitgliedstaatliche Regelung zulässig ist, durch die die arbeitgeberseitige Kündigung eines DSB an strengere Voraussetzungen als nach dem Unionsrecht geknüpft ist (erste Frage).
[...]
17 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der einem bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigten DSB nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt.
18 Nach stRsp sind bei der Auslegung von Unionsvorschriften nicht nur ihr Wortlaut entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden (Urteil vom 22.2.2022, Stichting Rookpreventie Jeugd ua, C-160/20, EU:C:2022:101, Rn 29 und die dort angeführte Rsp).
19 Was als Erstes den Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung betrifft, so darf nach Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO „[d]er Datenschutzbeauftragte ... von dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden“
.
20 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass in der DSGVO die Begriffe „abberufen“, „benachteiligt“ und „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ aus Art 38 Abs 3 Satz 2 nicht definiert werden.
21 Doch bedeutet erstens nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch das Verbot für den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter, einen DSB abzuberufen oder zu benachteiligen, dass der DSB vor jeder Entscheidung zu schützen ist, mit der sein Amt beendet würde, durch die ihm ein Nachteil entstünde oder die eine Sanktion darstellte, wie es der Generalanwalt in den Nrn 24 und 26 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat.
22 Eine solche Entscheidung könnte in der vom AG ausgesprochenen Kündigung eines DSB liegen, mit der das Arbeitsverhältnis zwischen diesem und dem AG und damit auch die Stellung des DSB im betreffenden Unternehmen beendet würden.
23 Zweitens gilt Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO gem Art 37 Abs 6 DSGVO gleichermaßen für DSB, die Beschäftigte des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters sind und für diejenigen, die ihre Aufgaben auf der Grundlage eines mit dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter geschlossenen Dienstvertrags erfüllen.
24 Daher gilt Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO im Verhältnis zwischen einem DSB und einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter, und zwar unabhängig von der Art des sie verbindenden Beschäftigungsverhältnisses.
25 Drittens wird in dieser Bestimmung eine Grenze gezogen, mit der, wie der Generalanwalt in Nr 29 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Kündigung eines DSB aus Gründen, die sich auf die Erfüllung seiner Aufgaben beziehen, verboten wird; zu diesen Aufgaben gehört gem Art 39 Abs 1 Buchst b DSGVO insb die Überwachung der Einhaltung der Datenschutzvorschriften der Union bzw der Mitgliedstaaten sowie der Strategien des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters für den Schutz personenbezogener Daten.
26 Was als Zweites das mit Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO verfolgte Ziel betrifft, ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach dem 97. Erwägungsgrund der DSGVO die DSB unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht, ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können sollten. Diese Unabhängigkeit muss es ihnen notwendigerweise ermöglichen, diese Aufgaben im Einklang mit dem Ziel der DSGVO auszuüben, die, wie sich aus ihrem zehnten Erwägungsgrund ergibt, namentlich darauf abzielt, innerhalb der Union ein hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und zu diesem Zweck für eine 29 unionsweit gleichmäßige und einheitliche Anwendung der Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu sorgen (Urteil vom 6.10.2020, La Quadrature du Net ua, C-511/18, C-512/18 und C-520/18, EU:C:2020:791, Rn 207 sowie die dort angeführte Rsp).
27 Zweitens ergibt sich das in Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO genannte Ziel, die unabhängige Stellung des DSB zu gewährleisten, auch aus Art 38 Abs 3 Satz 1 und 3, wonach der DSB keine Anweisungen bezüglich der Ausübung seiner Aufgaben erhält und unmittelbar der höchsten Managementebene des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters berichtet, sowie aus Art 38 Abs 5, wonach der DSB bei der Erfüllung seiner Aufgaben an die Wahrung der Geheimhaltung oder der Vertraulichkeit gebunden ist.
28 Mit Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO, der den DSB vor jeder Entscheidung im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Aufgaben schützt, mit der sein Amt beendet würde, durch die ihm ein Nachteil entstünde oder die eine Sanktion darstellte, soll demnach im Wesentlichen die funktionelle Unabhängigkeit des DSB gewahrt und damit die Wirksamkeit der Bestimmungen der DSGVO gewährleistet werden. Mit dieser Bestimmung wird hingegen nicht bezweckt, insgesamt das Arbeitsverhältnis zwischen einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter und dessen Beschäftigten zu regeln; dieses ist allenfalls beiläufig betroffen, soweit dies für die Erreichung dieser Ziele unbedingt erforderlich ist.
29 Als Drittes wird diese Auslegung durch den Regelungszusammenhang der Bestimmung und insb durch die Rechtsgrundlage bestätigt, auf der der Unionsgesetzgeber die DSGVO erlassen hat.
30 Laut der Präambel der DSGVO wurde diese nämlich auf der Grundlage von Art 16 AEUV erlassen. Nach Art 16 Abs 2 AEUV erlassen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften zum einen über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und zum anderen über den freien Datenverkehr.
31 Mit Ausnahme des besonderen Schutzes des DSB nach Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO geht es bei der Festlegung von Vorschriften zum Kündigungsschutz eines bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigten DSB hingegen weder um den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten noch um den freien Datenverkehr, sondern um Sozialpolitik.
32 In diesem Bereich haben die Union und die Mitgliedstaaten nach Art 4 Abs 2 Buchst b AEUV hinsichtlich der im AEU-Vertrag genannten Aspekte eine geteilte Zuständigkeit iS von Art 2 Abs 2 AEUV. Außerdem unterstützt und ergänzt die Union nach Art 153 Abs 1 Buchst d AEUV die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des AN-Schutzes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl entsprechend Urteil vom 19.11.2019, TSN und AKT, C-609/17 und C-610/17, EU:C:2019:981, Rn 47).
33 Allerdings können das Parlament und der Rat hierzu nach Art 153 Abs 2 Buchst b AEUV nur durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen, die nach der Rsp des Gerichtshofs im Hinblick auf Art 153 Abs 4 AEUV die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit den Verträgen vereinbar sind (vgl entsprechend Urteil vom 19.11.2019, TSN und AKT, C-609/17 und C-610/17, EU:C:2019:981, Rn 48).
34 Daraus folgt, wie der Generalanwalt in Nr 44 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, dass es jedem Mitgliedstaat freisteht, in Ausübung seiner vorbehaltenen Zuständigkeit besondere, strengere Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung eines DSB vorzusehen, sofern diese mit dem Unionsrecht und insb mit den Bestimmungen der DSGVO, vor allem Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO, vereinbar sind.
35 Insb darf, wie der Generalanwalt in den Nrn 50 und 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein strengerer Schutz die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen. Dies wäre aber der Fall, wenn dieser Schutz jede durch einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter ausgesprochene Kündigung eines DSB verböte, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen beruflichen Eigenschaften besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt.
36 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der einem bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigten DSB nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt. [...]
In der vorliegenden E äußert sich der EuGH erstmals zum in der DSGVO vorgesehenen Abberufungs- und Benachteiligungsverbot von DSB. Große Bedeutung hat die E vor allem für die deutsche Rechtslage, war doch bislang unklar, ob die dort bestehende Regelung (§ 6 BDSG), wonach DSB nur aus wichtigem Grund gekündigt werden dürfen, zulässig ist. Über diese Frage hinaus lassen sich auch einige allgemeine Aussagen zur Stellung des DSB bzw dessen besonderen Schutz vor Abberufungen und Benachteiligungen ableiten, die auch für die österreichische Rechtsordnung von Relevanz sind. Die folgende Entscheidungsbesprechung soll sich deshalb einerseits den vom EuGH im Rahmen dieser E beantworteten Fragen des datenschutzrechtlichen Abberufungs- und Benachteiligungsverbots widmen, aber andererseits auch jene offe 30 nen Fragen aufzeigen und möglichst beantworten, die bislang noch ungeklärt sind.
DSB sollen ihre Aufgaben und Pflichten in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können. Aus diesem Grund sieht Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO vor, dass DSB wegen Erfüllung ihrer Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden dürfen. Hintergrund dieses unionsrechtlichen Schutzes ist die Befürchtung des Verordnungsgebers, dass DSB, die ihre Rolle ernst nehmen und datenschutzrechtliche Defizite einer Organisation aufdecken und auf deren Schließung und Behebung drängen, ihre Position rasch wieder verlieren oder durch diverse Benachteiligungen unter Druck gesetzt werden könnten (vgl Feiler/Horn, EU-DSGVO: Umsetzung der DSGVO in der Praxis [2018] 37).
Hinsichtlich dieses Abberufungs- und Benachteiligungsverbots der DSGVO ist zunächst auszuführen, dass weder die Begriffe „abberufen“, „benachteiligt“ oder „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ vom unionsrechtlichen Verordnungsgeber definiert werden und sie deshalb einer juristischen Auslegung bedürfen (so Rn 20). Auf inhaltlicher Ebene hat der EuGH in dieser E klargestellt, dass die in der DSGVO vorgesehenen Abberufungs- bzw Benachteiligungsverbote weit auszulegen sind. DSB sind vor jeder Entscheidung zu schützen, mit der ihr Amt beendet würde, durch die ihnen ein Nachteil entstünde oder die eine Sanktion darstellt (Rn 21, 28 bzw GA in seinen Schlussanträgen Rn 24 und 26).
Von diesem Schutz jedenfalls erfasst ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (Rn 22). Zwar verwendet die DSGVO den Begriff der „Abberufung“ und nicht etwa jenen der „Kündigung“, die zutreffende Auslegung des EuGH, wonach vom Abberufungsverbot auch ordentliche Kündigungen erfasst sind, stützt sich vor allem auf teleologische Argumente (Rn 21 f). Diese Interpretation kann zudem mit Blick auf die englische Sprachfassung, wo der Begriff „dismiss“ (kündigen) verwendet wird, untermauert werden (darauf hinweisend schon Feiler/Horn, EU-DSGVO 36).
Des Weiteren stellt der EuGH in der vorliegenden E klar, dass der Schutz eines DSB besteht, unabhängig auf welcher vertraglichen Basis die Tätigkeit ausgeübt wird. Dies gilt zunächst jedenfalls für Beschäftigte, die ihre Tätigkeiten auf Basis eines (freien) Dienstvertrags erbringen (Rn 23). Unklar war bislang, ob dieser Schutz auch bei (externen) DSB besteht, die auf Basis eines Werkvertrages tätig werden. Der EuGH spricht in der vorliegenden E jedenfalls lediglich den Schutz im Rahmen von „Beschäftigungsverhältnissen“ an (Rn 23 f), weshalb die vorliegende E für diese Frage keine Hilfestellung leistet. Der telos der Regelung würde mE eine Anwendung auf Werkverträge rechtfertigen, denn auch dort soll den DSB eine möglichst unabhängige Rolle zukommen (so auch Gerhartl, Der Datenschutzbeauftragte im Arbeitsrecht. Überblick und Problemstellungen, ASoK 2019, 343 [349];
Thiele, EuGH: Arbeitsrechtlicher Kündigungsschutz für DSBA unionsrechtskonform, jusIT 2022, 156 [157]). Zudem erläutert ErwGr 97 zur DSGVO, dass DSB ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können sollten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht.
Thiele, EuGH: Arbeitsrechtlicher Kündigungsschutz für DSBA unionsrechtskonform, jusIT 2022, 156 [157]). Zudem erläutert ErwGr 97 zur DSGVO, dass DSB ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können sollten, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht.
Die weite Definition des Abberufungs- und Benachteiligungsverbots des EuGH in der vorliegenden E geht aber freilich über den bloßen Kündigungsschutz hinaus. DSB sind vor allen Nachteilen oder Sanktionen, die ihnen aufgrund ihrer Tätigkeit erwachsen, geschützt. Die Art der Benachteiligung ist dabei unerheblich. Diese können sozialer oder wirtschaftlicher Natur sein: Erfasst wären etwa das Übergehen bei Beförderungen, Gehaltserhöhungen, Bonuszahlungen oder Sonderleistungen, der Ausschluss von Betriebsveranstaltungen oder der Zuteilung eines signifikant schlechteren Bürozimmers etc (vgl schon Feiler/Horn, EU-DSGVO 38).
Freilich besteht dieser Schutz nur dann, wenn die Nachteile oder Sanktionen mit der Erfüllung der Aufgaben in Zusammenhang stehen. Die DSGVO stellt expressis verbis klar, dass DSB (nur) aufgrund einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten nicht abberufen oder benachteiligt werden dürfen. Der EuGH weist in der zu besprechenden E gleichwohl darauf hin, dass DSB selbstverständlich dann abberufen werden dürfen (müssen), wenn sie ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen (vgl Rn 35). Unterlässt ein DSB seine Beratungs-, Schulungs- und Kontrollpflichten (vgl Art 39 Abs 1 und 2 DSGVO) oder steht er der Datenschutzbehörde (Art 39 Abs 1 lit d DSGVO) oder den Betroffenen (Art 38 Abs 4 DSGVO) nicht hinreichend als Anlaufstelle zur Verfügung, ist eine Abberufung zulässig. Eine ordnungsgemäße Erfüllung kann auch dadurch gefährdet sein, dass DSB ihren regelmäßigen Weiterbildungspflichten nicht nachkommen (Art 37 Abs 5 DSGVO) und daher ihre Eignung als DSB verlieren. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, ob sie nicht willens oder nicht fähig sind, die Anforderungen an die Rolle zu erfüllen. Eine Abberufung wird auch dann möglich sein, wenn den DSB kein Verschulden trifft, dass er seine Eignung für diese Rolle verliert (etwa durch Krankheit oder Unfall). In all diesen Fällen muss eine Abberufung möglich sein, weil sie in solchen Fällen nicht wegen der Erfüllung, sondern gerade wegen der Nicht-Erfüllung der Aufgaben erfolgt (zutr Feiler/Horn, EU-DSGVO 37).
Umso mehr ist aber auch eine Kündigung oder Abberufung möglich, wenn diese aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Gründe erfolgt. So ist eine Abberufung nicht nur dann möglich, wenn DSB schwere Dienstpflichtverletzungen oder gar Straftaten begehen wie zB Diebstahl oder Belästigung anderer Mitarbeiter (so Artikel-29-Datenschutzgruppe, Leitlinien in Bezug auf Datenschutzbeauftragte („DSB“), WP 243, 19; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO Art 38 Rz 30; Feiler/Horn, EU-DSGVO 37 f), sondern auch – wie im vorliegenden Fall – bei (wirtschaftlichen) Umstrukturierungsmaßnahmen, 31 etwa wenn die Abberufung aufgrund der Auslagerung der (internen) Rechts- und Datenschutzabteilung erfolgt (Rn 12).
Der Abberufungs- und Benachteiligungsschutz hindert den Verantwortlichen nicht daran, DSB nach regulärem Ablauf ihrer Funktionsperiode nicht wieder zu bestellen. Es wäre also denkbar, die Rolle (auch eines internen DSB bezogen auf seine Tätigkeit als DSB) zu befristen (vgl etwa Feiler/ Horn, EU-DSGVO 37; aA Gerhartl, ASoK 2019, 343 [349]).
In der vorliegenden E hielt der EuGH des Weiteren fest, dass es sich bei dem Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Art 38 Abs 3 Satz 2 DSGVO nicht um eine arbeitsrechtliche, sondern um eine datenschutzrechtliche Bestimmung handelt. Mit dieser Bestimmung wird nicht bezweckt, das Arbeitsverhältnis zwischen einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter und dessen Beschäftigten zu regeln. Das Arbeitsverhältnis ist allenfalls beiläufig betroffen, soweit dies für die Erreichung dieser Ziele (Unabhängigkeit des DSB, Wirksamkeit der Bestimmungen der DSGVO) unbedingt erforderlich ist (Rn 28).
Aus diesem Grund steht es den Mitgliedstaaten frei, in Ausübung ihrer Zuständigkeit auf dem Gebiet des AN-Schutzes besondere, strengere Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung eines DSB vorzusehen. Der EuGH hat in der vorliegenden E allerdings klargestellt, dass ein strengerer Kündigungsschutz mit der DSGVO vereinbar sein muss und insb die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen darf. Aus diesem Grund darf einerseits eine Schlechterstellung der weisungsfreien und unabhängigen Position des DSB nach Art 38 DSGVO auch nicht durch arbeitsrechtliche Maßnahmen eintreten. Andererseits dürfen die Ziele der DSGVO ebenso nicht durch einen weitreichenderen Kündigungsschutz vereitelt werden. Dies wäre nach Ansicht des EuGH etwa dann der Fall, wenn dieser Schutz jegliche Kündigung eines DSB verhindern könnte, selbst wenn der DSB nicht mehr die erforderlichen beruflichen Eigenschaften für die Erfüllung seiner Aufgaben besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt (Rn 35). Ein generelles Kündigungsverbot wäre etwa unzulässig (Thiele, jusIT 2022, 156).
Die deutsche Bestimmung des BDSG, wonach ein AG einen internen DSB nur aus wichtigem Grund kündigen darf, ist zulässig. Im österreichischen Recht ist eine derartige Regelung derzeit nicht vorgesehen. § 5 DSG regelt die Stellung der DSB. Darin werden de lege lata Verschwiegenheitspflichten samt Aussageverweigerungsrechte und die Weisungsfreiheit gesetzlich verankert. Ein besonderer Kündigungsschutz findet sich darin nicht. Auch im Anwendungsbereich des Dritten Hauptstücks des DSG, dh im polizeilich-strafgerichtlichen Datenschutz nach der Datenschutz-RL im Bereich von Justiz und Inneres ( JI-RL), verwendet der nationale Gesetzgeber die Formulierung des Art 38, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen sinngemäß auch dort Anwendung finden (zutr Thiele, jusIT 2022, 156).
Da der vorliegenden E ein deutscher Sachverhalt zu Grunde lag, wurde die Frage, wie in der österreichischen Rechtsordnung eine unrechtmäßige Kündigung aufgrund der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung bekämpft werden kann, nicht geklärt. Weder § 5 DSG noch eine andere nationale Bestimmung sehen eine entsprechende Rechtsgrundlage zur Anfechtung einer Kündigung für DSB vor. Eine ausdrückliche Verankerung einer derartigen Rechtsgrundlage zur Geltendmachung eines Verstoßes gegen eine rechtswidrige Kündigung ist rechtsdogmatisch aber auch nicht notwendig (zutr Thiele/Wagner, DSG2 § 57 Rz 37 f; aA Feiler/Horn, EU-DSGVO 36; Riedl, Die arbeitsrechtliche Stellung/Schutz/Kündigungsschutz des DSBA, in Scheichenbauer [Hrsg], Der Datenschutzbeauftragte [2020] 76 [79]).
Zunächst könnte angedacht werden, dass DSB, deren Arbeitsverhältnis aufgrund ihrer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung als DSB gekündigt wurde, die Kündigung beim ASG wegen Gesetzwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB anfechten können. Umfasst von der Nichtigkeit gesetzlich verbotener Handlungen sind Gesetze im materiellen Sinn, weshalb auch unmittelbar anwendbares Unionsrecht eine Gesetzwidrigkeit iSd § 879 ABGB darstellen kann (vgl nur Kietaibl/Rebhahn in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 879 ABGB Rz 6). Die Rechtswidrigkeit der Kündigung ergäbe sich aus dem Verstoß gegen das in der DSGVO normierte Abberufungs- und Benachteiligungsverbot. Hierbei ist allerdings problematisch, dass bei Kündigungsanfechtungen aufgrund Gesetzwidrigkeit nach § 879 ABGB grundsätzlich keine Spezialregelung bezüglich der Beweissituation anwendbar ist und der klagende AN beweisen muss, dass die Kündigung aufgrund der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung ausgesprochen wurde. Die erforderliche Beweisführung ist im Vergleich zur bloßen Glaubhaftmachung eine wesentliche Erschwerung der Prozessposition.
In der Literatur wird vertreten, dass die Bestimmungen zur Kündigungsanfechtung aufgrund eines verpönten Motivs per analogiam zur Anwendung kommen sollen (so Gerhartl, ASoK 2019, 343 [349]). Gegen diese Interpretation spricht allerdings der taxative Charakter der Aufzählung der verpönten Motive in § 105 Abs 3 ArbVG, wenngleich es auch Argumente dafür gibt, dass § 105 Abs 3 Z 1 – obwohl an sich taxativ formuliert – lückenhaft sein kann (vgl bloß Trost in Strasser/Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG § 105 Rz 83 ff).
Über § 105 Abs 3 ArbVG hinaus sieht das österreichische Arbeitsrecht aber freilich weitere Anfechtungsmöglichkeiten vor. Tatsächlich gibt es – soweit ersichtlich – kein Benachteiligungsund Beschränkungsverbot, das nicht Hand in Hand mit einem Anfechtungsrecht gehen würde (vgl § 7 32 Abs 6 AZG; § 8 Abs 1 AVRAG; § 9 Abs 2 AVRAG). Gerade die Regelung des § 9 Abs 2 AVRAG zum Schutz von Sicherheitsvertrauenspersonen und Arbeitsmedizinern erscheint mir sehr vergleichbar mit der gegenständlichen Problemstellung zu sein, weshalb ich eine analoge Anwendung der diesbezüglichen Bestimmungen für zutreffend halte. Mit dieser Interpretation würde man einerseits die Beweisproblematik des § 879 Abs 1 ABGB sowie andererseits die Problematik des taxativen Charakters des § 105 Abs 3 ArbVG elegant umschiffen. Entsprechend einer analogen Anwendung könnte ein DSB, der entgegen des unionsrechtlich vorgesehenen Abberufungs- und Benachteiligungsverbots aufgrund seiner Tätigkeit gekündigt (oder entlassen) wird, diese Erklärung binnen einer Woche nach Zugang anfechten. Der Kl hat dabei den Anfechtungsgrund (lediglich) glaubhaft zu machen. Die Klage ist demnach abzuweisen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass ein anderes vom AG glaubhaft gemachtes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war. Gibt das Gericht der Anfechtung statt, so ist die Kündigung oder Entlassung rechtsunwirksam. Dies scheint mir eine sachgerechte Lösung zu sein.