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Pflegegeld: Keine analoge Ausdehnung des § 3a Abs 2 Z 4 BPGG auf Personen mit Niederlassungsbewilligung „Angehöriger“

MARTINATHOMASBERGER

Der am 21.1.1995 geborene Kl ist ukrainischer Staatsbürger und verfügt über eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ gem § 47 Abs 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Er war im Zeitpunkt der Antragstellung auf Pflegegeld 21 Jahre alt. Seine Mutter ist mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, verfügt über einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach § 47 Abs 2 NAG und ist in Österreich berufstätig. Der Kl bezieht keine Grundleistung iSd § 3 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) und ist bei seinem Stiefvater, dem Ehemann seiner Mutter, mitversichert.

Die auf Gewährung des Pflegegeldes gem § 3a BPGG gerichtete Klage wurde vom Erstgericht abgewiesen, da der Kl nicht über einen der in § 3a BPGG genannten Aufenthaltstitel verfüge. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge, da der Kl nicht über einen Aufenthaltstitel „Angehöriger“ gem § 47 Abs 2 NAG, sondern nur über eine „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ gem § 47 Abs 3 NAG verfüge. Für die gewünschte analoge Anwendung des § 47 Abs 2 NAG (Anmerkung der Bearbeiterin: Personen mit Aufenthaltstitel „Angehöriger“ sind gem § 3a Abs 2 Z 4 lit d BPGG hinsichtlich des Anspruchs auf Pflegegeld österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt) fehle es an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, habe der Gesetzgeber bewusst nur „Kernfamilien“ iSd Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 9 NAG erfassen wollen. Als (Anmerkung der Bearbeiterin: nicht adoptiertes) erwachsenes Stiefkind des Zusammenführenden (Ehegatte der Mutter des Kl) sei der Kl für den Bereich des Bundespflegegeldes österreichischen Staatsbürgern ohne Grundleistung nicht gleichgestellt.

Der OGH wies die Revision des Kl als unzulässig zurück und folgte damit dem Argument des Kl nicht, für die Beurteilung des Anspruchs auf Bundespflegegeld sei kein Unterschied zwischen nicht selbsterhaltungsfähigen Minderjährigen und Volljährigen zu machen, dies unabhängig vom Aufenthaltstitel. Der Gesetzgeber habe die bewusste Entscheidung getroffen, für die Anspruchsberechtigung allein auf das Verwandtschaftsverhältnis „Familienangehöriger“ iSd § 2 Abs 1 Z 9 NAG abzustellen. Mit dieser Bestimmung wird Art 4 Abs 1 der RL 2003/86/EG des Rates vom 22.9.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung umgesetzt, wonach das Recht auf Familienzusammenführung nur Ehegatten und minderjährigen Kindern als Mitglieder der in Erwägungsgrund 9 dieser RL genannten „Kernfamilie“ zusteht. Ein volljähriges Stiefkind zählt nicht dazu und damit auch nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen nach dem BPGG. Der OGH stimmte den Vorinstanzen zu, dass es – ausgehend von der dargestellten bewussten Entscheidung des Gesetzgebers und der von ihm in den genannten Bestimmungen gewählten Regelungstechnik – an einer planwidrigen Unvollständigkeit fehle, die die Voraussetzung für eine Analogie bildet.322