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Soziale Gestaltungspflicht bei langem Krankenstand – Anbot eines alternativen Arbeitsplatzes

KLAUSBACHHOFER

Der aufgrund eines Arbeitsunfalls hervorgerufene Krankenstand des als Busfahrer beschäftigten Kl dauerte zum Kündigungsausspruch bereits 14 Monate. Die Direktionsärztin (der Bekl) prognostizierte die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des Kl in den nächsten sechs Monaten.

Im vom Kl angestrengten Kündigungsanfechtungsverfahren wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG stellte das Erstgericht eine Reihe von Tätigkeiten fest, zu deren Ausübung der Kl gesundheitlich in der Lage und für die er mit einer vertretbaren Einschulungszeit auch einsetzbar gewesen wäre. Eine Ausbildung zum Straßenbahn- bzw U-Bahnfahrer dauerte nur drei Monate und wäre eine gegenüber der angestammten Tätigkeit des Kl nicht ungewöhnliche Möglichkeit der Weiterverwendung im Betrieb der Bekl. Der Kl hätte sich auch um verschiedenste andere Stellen aktiv, aber erfolglos bemüht. Das Erstgericht stellte auch fest, dass beim Fahrpersonal der Bekl eine hohe Fluktuation herrscht, wobei es nicht darauf ankomme, ob gerade zum Kündigungszeitpunkt offene Stellen vorhanden waren, sondern ob mit solchen in absehbarer Zeit zu rechnen gewesen war. Das Erstgericht gab daher der Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Die dagegen von der Bekl erhobene außerordentliche Revision wurde vom OGH zurückgewiesen.

Zunächst betonte der Gerichtshof, dass bei der bei Kündigungen wegen langen Krankenstands vom AG zu erstellenden Zukunftsprognose auch auf die Art und die Ursache der Erkrankung des AN Bedacht zu nehmen ist. Lange Krankenstände in der Vergangenheit wären bei Überwindung der zugrunde liegenden Erkrankung nicht aussagekräftig und können nicht als persönliche Kündigungsrechtfertigungsgründe herangezogen werden.

Weiters weist der OGH darauf hin, dass dem zu kündigenden AN ein anderer – seinen geminderten Kräften entsprechender – Arbeitsplatz vor Ausspruch der Kündigung anzubieten ist. Die Weiterverwendungsmöglichkeit des AN ist auf den gesamten Betrieb hin zu überprüfen. Unterlässt der AG das Anbot eines derartigen Arbeitsplatzes, so ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt.

Diese soziale Gestaltungspflicht verpflichtet den AG jedoch nur insoweit zum Anbot freier Arbeitsplätze als diese der bisherigen Berufspraxis des AN entsprechen. Dabei muss dem AN aber Gelegenheit zur Umschulung und Einarbeitung gegeben werden.

Einschlägige Stellen sind dem AN vom AG von sich aus anzubieten. Lediglich dann, wenn es sich um eine ungewöhnliche Weiterverwendungsmöglichkeit handelt, muss der AN selbst initiativ werden und sich um diese Stellen bewerben.123