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Pflegekostenzuschuss oder Kostenerstattung bei tagesklinischer Behandlung?

FERDINANDFELIX (WIEN)
  1. Anstaltspflege ist eine einheitliche und unteilbare Gesamtleistung.

  2. Sozialversicherungsrechtlich ist als Anstaltspflege ausschließlich die stationäre Pflege, nicht hingegen die ärztliche Hilfeleistung in einer Anstaltsambulanz oder Tagesklinik zu verstehen.

  3. Nimmt der Versicherte ein privates Ambulatorium als Wahleinrichtung in Anspruch, kommt als entsprechender Vertragspartner wiederum ein selbständiges Ambulatorium in Betracht. Dass die Kostenerstattung damit hinter den Marktpreisen zurückbleibt, liegt im Wesen der österreichischen gesetzlichen KV.

  4. Die Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds-(PRIKRAF-)Finanzierung umfasst nur stationäre Anstaltspflegen; ambulante Behandlungen sind in gesonderten Verträgen zu regeln.

Der bei der bekl Gebietskrankenkasse (GKK) versicherte Kl suchte am 4.12.2007 wegen anhaltender Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule die Universitätsklinik für Neurochirurgie [...] auf. Bei der Untersuchung wurde [...] dem Kl ein Kontrolltermin [...] sowie ein Operationstermin für den 23.1.2008 vorgegeben. Der Kl wurde auch ausdrücklich angewiesen, bei Verschlechterung der Symptomatik, [...] sofort wieder an der Universitätsklinik vorstellig zu werden. Der Kl suchte jedoch am 5.12.2007 die Bandscheibenklinik [...] auf, wo am späten Nachmittag bzw am Abend eine endoskopisch assistierte Bandscheibenoperation [...] durchgeführt [...] wurde. Anschließend verbrachte der Kl zusammen mit drei weiteren Patienten die Nacht in einem Aufwachraum der Klinik. Während der Zeit im Aufwachraum hätte er sich bei Bedarf an einen Pfleger wenden können. Der Kl wurde aber weder pflegerischen Maßnahmen unterzogen, noch erhielt er Infusionen oder Schmerzmittel. Es wurde ihm lediglich am Abend eine Suppe serviert, die er ohne fremde Hilfe zu sich nahm. Am 6.12.2007 erhielt er morgens ein Frühstück, das er ebenfalls selbständig einnahm. Er wurde von einem OP-Helfer „untersucht“, der aber lediglich eine Blutdruckmessung vornahm. Ob in diesem Zeitraum ein Arzt anwesend war, konnte nicht festgestellt werden. Der Kl wurde am 6.12.2007 zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr aus der Klinik entlassen, sodass seine Gesamtaufenthaltsdauer weniger als 24 Stunden betrug. Er war bei seiner Entlassung aus der Bandscheibenklinik schmerzfrei [...].

Bei der Bandscheibenklinik [...] handelt es sich um eine private Krankenanstalt, die [...] nicht über den Tiroler Landesgesundheitsfonds finanziert und krankenanstaltenrechtlich als Tagesklinik konzessioniert ist. Dem Kl wurde für seine Behandlung [...] ein Pauschalbetrag von 2.500 € inklusive 227,27 € USt verrechnet, die der Kl umgehend bezahlte. Dieser dem Kl verrechnete Honorarbetrag setzt sich aus den Kosten der chirurgischen Tätigkeit für die Operation an sich in Höhe von 700 €, dem Anästhesie-Honorar in Höhe von 700 € sowie einer technischen Pauschale in Höhe von ca 800 € zusammen. Die Operation hatte im Fall des Kl ca 45 bis 50 Minuten gedauert. Anschließend war der Kl auf der Aufwachstation noch zwei bis drei Stunden über Monitor überwacht worden, wobei die Aufwachphase an sich nur fünf bis sieben Minuten gedauert hatte. Grundsätzlich könnten Patienten wie der Kl nach einer solchen Operation umgehend nach Hause geschickt werden. Aus medizinischen Gründen werden die Patienten jedoch über Nacht noch in der Klinik behalten, um sie beobachten zu können. Dafür wird kein gesondertes Honorar in Rechnung gestellt. Allfällige pflegerische Leistungen werden über das technische Pauschale verrechnet. Es steht dafür diplomiertes Krankenpflegepersonal zur Verfügung, das Patienten auch Mahlzeiten verabreicht und sie zum WC führt. Solche Maßnahmen waren beim Kl nicht erforderlich. Bis 20:00 Uhr abends ist ein Arzt im Haus; für das diplomierte Pflegepersonal besteht für Vorfälle wie beispielsweise Nachblutungen Rufbereitschaft.

Der an der Bandscheibenklinik [...] durchgeführte endoskopisch assistierte Eingriff wurde lege artis durchgeführt und entspricht einer minimalinvasiven mikrochirurgischen Sequestrektomie. Minimalinvasive mikrochirurgische Bandscheibeneingriffe waren in Tirol im Jahr 2007 auch außerhalb der Universitätsklinik möglich, und zwar im Sanatorium [...] und in der Privatklinik [...], wobei es sich bei beiden Krankenanstalten um über den PRIKRAF mitfinanzierte Anstalten handelt. [...]

Dem Kl wäre bei unverändertem neurologischen Status ein Zuwarten bis zum geplanten Operationstermin [am] 23.1.2008 möglich gewesen. [...] Eine absolute Operationsindikation hatte am 4.12.2007 nicht bestanden. Eine Verschlechterung des neurologischen Status des Kl im Zeitraum zwischen dem Untersuchungstermin vom 4.12.2007 an der Universitätsklinik [...] und dem Operationszeitpunkt am 5.12.2007 ist nicht feststellbar.

Die bekl [...] GKK sprach mit Bescheid vom 25.3.2008 dem Kl für die von ihm eingereichte Honorarnote [...] eine Kostenerstattung in Höhe von 154,79 € zu und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von 2.345,21 € unter Hinweis auf die §§ 150 Abs 1 und 2 ASVG, 38 der Satzung der Bekl ab.

Das Erstgericht wies auch im dritten Rechtsgang das vom Kl dagegen erhobene und auf die Zahlung von 2.345,21 € gerichtete Klagebegehren zur Gänze ab. [...] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und erkannte die Bekl schuldig, dem Kl an Kostenerstattung [...] weitere 1.301,71 € zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren [...] wies es – unbekämpft – ab. [...]

Rechtliche Beurteilung [...]

1. Hinsichtlich der Leistungen der KV unterscheidet das Gesetz zwischen der Krankenbehandlung (§§ 133 ff ASVG), wozu auch die ärztliche Hilfe zählt (§ 133 Abs 1 Z 1 ASVG), und der Anstaltspflege (§§ 144 ff ASVG). [...] 1.1 Obwohl eine Legaldefinition des Begriffs „Anstaltspflege“ iSd § 144 ASVG fehlt, ergibt sich schon aus der Konzeption des Gesetzgebers (insb § 148 ASVG iVm § 27 KAKuG), dass darunter eine „einheitliche und unteilbare“ Gesamtleistung zu verstehen ist und49 mit den vom Versicherungsträger hiefür zu erbringenden Pflegegebühren also grundsätzlich alle Leistungen der Krankenanstalt abgegolten werden. Teilleistungen, die von dieser Abgeltung umfasst sind, sind etwa die Kosten der Unterkunft, der ärztlichen Untersuchung und Behandlung inklusive operativer Eingriffe, der Beistellung aller erforderlichen Heilmittel und Arzneien sowie der Pflege und Verköstigung (10 ObS 235/03m, SSVNF 19/61 mwN; RIS-Justiz RS0085807, RS0085800).

1.2 Nach hA ist sozialversicherungsrechtlich als Anstaltspflege ausschließlich die stationäre Pflege, nicht hingegen die ärztliche Hilfeleistung in einer Anstaltsambulanz oder Tagesklinik zu verstehen. So wurde bereits mehrfach entschieden, dass ein operativer Eingriff in einer Tagesklinik, wobei der Patient bereits kurz nach dem Aufwachen aus der Narkose die Tagesklinik wieder verlassen kann, keine Anstaltspflege iSd § 144 ASVG darstellt (vgl 10 ObS 235/03m, SSV-NF 19/61; 10 ObS 29/00p, SSV-NF 14/78 mwN ua; RIS-Justiz RS0085807 [T2 und T6]). [...]

1.4 Bei diesem festgestellten Sachverhalt ist das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dieser Behandlung und dem damit verbundenen Aufenthalt des Kl in der Bandscheibenklinik nicht um eine Anstaltspflege iSd § 144 ASVG, sondern um eine ambulante Krankenbehandlung in einer Krankenanstalt handelte. [...]

1.5 Zutreffend ist auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass damit im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 150 ASVG betreffend den Pflegekostenzuschuss des Versicherungsträgers bei Anstaltspflege [...] nicht zur Anwendung kommt (vgl auch Stöger in SV-Komm § 150 ASVG Rz 1 mwN).

2. Wie ebenfalls bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, erhalten die ASVG-Versicherten die Krankenbehandlung zwar grundsätzlich als Sachleistung (§ 133 Abs 2 letzter Satz ASVG), weil der Gesetzgeber mit dem Sachleistungsprinzip verhindern wollte, dass die Gewährung von Gesundheitsleistungen an finanziellen Schranken (wie beispielsweise der den Versicherten oftmals unzumutbaren Vorfinanzierung der Leistungen der Krankenbehandlung oder Anstaltspflege) scheitert. Nimmt ein Versicherter jedoch nicht die vom Krankenversicherungsträger in Einrichtungen oder Vertragskrankenanstalten angebotene Sachleistung in Anspruch, greift das in § 131 ASVG geregelte Kostenerstattungsmodell ein.

2.1 Der Kl hat [...] keine Vertragseinrichtung oder Vertragskrankenanstalt der Bekl in Anspruch genommen, sondern eine in keiner Vertragsbeziehung zum Krankenversicherungsträger stehende Wahleinrichtung und hiemit von seinem im österreichischen Sozialversicherungsrecht verankerten Recht auf freie Arztwahl bzw freie Wahl der Gesundheitseinrichtung Gebrauch gemacht. Dieser Grundsatz beruht darauf, dass das Vertrauen des Patienten in den Arzt ein Fundament der Krankenbehandlung darstellt, wobei der Patient durch die Inanspruchnahme einer Nicht-Vertragseinrichtung aber eben auch in Kauf nimmt, nur eine mit einem Selbstbehalt verbundene anteilige Kostenerstattung durch den Krankenversicherungsträger zu erhalten. In diesem Fall hat daher der Versicherte das Honorar für die Leistung selbst zu bezahlen, bekommt aber einen Teil der Kosten rückerstattet (vgl Mosler in SV-Komm § 131 ASVG Rz 1 mwN).

2.2 Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass der Kl grundsätzlich Anspruch auf Kostenerstattung hat; strittig ist lediglich die Höhe des Kostenersatzes.

2.3 Gem § 131 Abs 1 ASVG gebührt ihm der Ersatz der Kosten der anderweitigen Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 % jenes Betrags, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Wird die Vergütung von Tätigkeiten des entsprechenden Vertragspartners nicht nach den erbrachten Einzelleistungen oder Fallpauschalen, die den erbrachten Einzelleistungen gleichkommen, bestimmt, so hat die Satzung des Versicherungsträgers Pauschalbeträge für die Kostenerstattung festzusetzen. [...]

2.7 Unter Bezugnahme auf die soeben zitierte Bestimmung des § 131b (Abs 1) ASVG sieht [...] § 39 der Satzung 2007 der Bekl vor, dass die Kasse einen Ambulanzkostenzuschuss in Höhe von 80 % der zum 31.12.1996 geltenden Ambulanztarif mit der nächstgelegenen geeigneten öffentlichen Krankenanstalt, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen Kosten erstattet, wenn der Versicherte (Angehörige) Krankenbehandlung ambulant in einer Krankenanstalt in Anspruch genommen hat, die nicht über Landesfonds finanziert wird und mit der keine diesbezügliche vertragliche Regelung besteht und auch keine vertragliche Regelung mit einer anderen vergleichbaren Krankenanstalt besteht. [...]

3. Wie bereits zu Pkt 2.3 dargelegt, hat der Versicherungsträger bei Inanspruchnahme eines Nicht-Vertragspartners gemäß der hier maßgebenden Bestimmung des § 131 Abs 1 ASVG jene Kosten zu erstatten, die ihm bei Inanspruchnahme einer entsprechenden Vertragseinrichtung erwachsen wären. Der Zweck dieser Regelung ist offensichtlich, dass der Krankenversicherungsträger nicht mit höheren, aber auch nicht mit niedrigeren Kosten belastet sein soll, als wenn der Versicherte einen Vertragsarzt oder eine Vertragseinrichtung in Anspruch genommen hätte (10 ObS 235/03m, SSVNF 19/61; 10 ObS 22/92, SSV-NF 6/41 =

[Binder] = ZAS 1993/12, 146 [Schrammel, Radner] mwN). Dass die Kostenerstattung damit hinter den Marktpreisen zurückbleibt, liegt im Wesen der österreichischen gesetzlichen KV (10 ObS 235/03m, SSVNF 19/61 mwN). Die Kostenerstattung nach § 131 Abs 1 ASVG setzt daher notwendig voraus, dass die in Rede stehende ärztliche Leistung auch von Vertragspartnern des Versicherungsträgers im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erbracht und seitens des Versicherungsträgers honoriert werden hätte können, dass also die Leistung Gegenstand eines Vertragsverhältnisses ist (10 ObS 231/03y, SSV-NF 17/116).

3.1 Wie der OGH bereits wiederholt ausgesprochen hat, können auch Krankenanstalten, insb auch Ambulatorien, in denen Krankenbehandlung in Form ärztlicher Hilfe geleistet wird, „entsprechende Vertragspartner“ des Versicherungsträgers iSd § 131 Abs 1 ASVG sein (10 ObS 235/03m, SSV-NF 19/61 mwN). [...]

3.2 Nimmt der Versicherte eine Wahleinrichtung (privates Ambulatorium) in Anspruch, kommt als entsprechender Vertragspartner wiederum ein selbständiges Ambulatorium oder eine Spitalsambulanz in Betracht (Mosler in SV-Komm § 131 ASVG Rz 6 mwN). Dabei ist aber nur darauf abzustellen, welche Kosten dem Versicherungsträger erwachsen wären, wenn die Leistungen, die dem Versicherten in der privaten Krankenanstalt im konkreten50 Fall tatsächlich gewährt wurden, in einer öffentlichen Krankenanstalt oder in einer sonstigen Vertragseinrichtung erbracht worden wären. Es würde daher den Rahmen des § 131 ASVG sprengen, wollte man jeweils bei Inanspruchnahme von Wahlärzten, Wahlgruppenpraxen oder sonstigen Wahleinrichtungen, deren Träger nicht in einem Vertragsverhältnis mit dem Sozialversicherungsträger steht, in der Frage des Kostenersatzes nicht von den Kosten der tatsächlich erbrachten Leistungen ausgehen, sondern Kosten von Leistungen heranziehen, die tatsächlich nicht erbracht worden sind, bei Inanspruchnahme von Vertragsärzten, Vertragsgruppenpraxen, Vertragseinrichtungen jedoch theoretisch erbracht worden wären (vgl 10 ObS 29/00p, SSV-NF 14/78; 10 ObS 85/91, SSV-NF 5/130; RIS-Justiz RS0085953). Es kommt daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Fall des Kl grundsätzlich nur eine Erstattung der (anteiligen) Kosten der faktisch durchlaufenen ambulanten Krankenbehandlung (Tageschirurgie) und nicht etwa der Kosten einer – von ihm tatsächlich nicht beanspruchten – mit mehrtägiger Anstaltspflege verbundenen (nicht minimalinvasiven) operativen Behandlung des Bandscheibenvorfalls in Betracht.

4. Maßgebend für das Ausmaß der dem Kl nach § 131 Abs 1 ASVG zustehenden Kostenerstattung ist daher die Höhe des Betrags, den die Bekl bei Inanspruchnahme einer Vertragseinrichtung zu entrichten gehabt hätte. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der zur damaligen Zeit im Sanatorium [...] und in der Privatklinik [...] jeweils angebotenen tageschirurgischen mikroskopischen Bandscheibensequestrektomie um eine mit der dem Kl in der Bandscheibenklinik [...] angediehenen Leistung [...] für die Kostenerstattung vergleichbare (Sach-)Leistung iSd § 131 ASVG handelte. Weiters vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, dass es sich bei diesen beiden PRIRAF-finanzierten privaten Krankenanstalten um „Vertragskrankenanstalten“ der Bekl handle. [...]

4.3 Das Krankenanstaltenrecht unterscheidet zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung (vgl § 26 Abs 1 KAKuG). Tagesklinische Leistungserbringung ist eine spezielle Art der stationären Behandlung, bei welcher der Patient zur stationären Betreuung aufgenommen, aber noch am selben Tag wieder entlassen wird. Es sind daher im Rahmen der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung die Fälle, die in Tageskliniken, Nachtkliniken oder im halbstationären Bereich behandelt werden, als Leistungen im stationären Bereich abzurechnen, sodass auch alle Leistungen im tagesklinischen Bereich von der in § 149 Abs 3 ASVG genannten Pauschalsumme abgegolten sein sollen. Demgegenüber ist ein Ersatz von ambulanten Leistungen aus PRIKRAF-Mitteln für alle privaten Krankenanstalten, unabhängig davon, ob sie von dem Vertrag zwischen Hauptverband und Wirtschaftskammer bzw von der Anlage 1 des PRIKRAF-Gesetzes erfasst sind, gem § 2 Abs 2 PRIKRAF-Gesetz ausgeschlossen (VfGH 11.12.2007, B 1083/07, G 233/06, SSV-NF 21/B10). Ambulante Leistungen sind auf Grundlage allenfalls bestehender besonderer Ambulanzverträge zwischen Krankenversicherungsträger und betroffener Anstalt abzurechnen (Stöger in SV-Komm § 149 ASVG Rz 27).

5. Da die zwischen den Parteien im Wesentlichen noch strittige Frage, in welcher Höhe dem Kl eine Kostenerstattung für seine ambulante Krankenbehandlung [...] in der Bandscheibenklinik [...] gebührt, iSd dargelegten Ausführungen von der Höhe des Betrags abhängig ist, den die Bekl bei Inanspruchnahme des Sanatoriums [...] oder der Privatklinik [...] als Vertragskrankenanstalt für eine vergleichbare ambulante Krankenbehandlung [...] zu entrichten gehabt hätte, erweist sich das bisherige Verfahren als ergänzungsbedürftig. Es wurden bisher nämlich sowohl zur entscheidungswesentlichen Frage des Bestehens eines entsprechenden Vertragsverhältnisses zwischen der Bekl und den beiden genannten privaten Krankenanstalten über die in Rede stehende ambulante Behandlung in einer Krankenanstalt als auch gegebenenfalls zur Höhe einer zwischen ihnen für eine solche ambulante Behandlung in einer Krankenanstalt vereinbarten Kostenerstattung keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Der Umstand allein, dass es sich bei den beiden genannten Krankenanstalten um PRIKRAF-finanzierte Krankenanstalten handelt, reicht für das notwendige Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen ihnen und der Bekl über die hier in Rede stehende ambulante Krankenbehandlung in einer Krankenanstalt iSd oben dargelegten Ausführungen nicht aus. Es erweist sich daher eine Verfahrensergänzung im aufgezeigten Sinn als notwendig. [...]

ANMERKUNG

Der Begriff „Tagesklinik“ wird häufig gebraucht, dabei aber nicht mit derselben Bedeutung verwendet. So nimmt es nicht wunder, dass auch im vorliegenden Fall der OGH berufen war, zu entscheiden, ob eine tagesklinische Behandlung als Krankenbehandlung iSd §§ 133 ff ASVG oder als Anstaltspflege gem §§ 144 ff anzusehen ist.

1.
„Tagesklinik“ als Ambulatorium

§ 2 KAKuG definiert verschiedene Typen von Krankenanstalten. Ua fallen darunter gem Abs 1 Z 5 „selbständige Ambulatorien, das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung und Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist. [...]“

Der VwGH hat in Zusammenhang mit Bedarfsprüfungsverfahren mehrfach (VwGH 12.10.1999, 99/11/0191 und VwGH 29.4.2003, 99/11/0043) ausgesprochen, dass es eingedenk dieses Gesetzeswortlautes nicht angeht, ambulante Betreuung auf jene Fälle zu reduzieren, wo „der Patient nach Beendigung der ambulanten Behandlung ohne Weiteres die Einrichtung verlassen kann“. Vielmehr falle auch eine „Tagesklinik“ unter diese Bestimmung, in der tageschirurgische Eingriffe durchgeführt werden.

Dh, der VwGH verwendet im Bedarfsprüfungsverfahren den Begriff „Tagesklinik“ für Ambulatorien, in denen kleinere Eingriffe durchgeführt werden und in denen Patienten nach einer medizinischen Intervention einige Zeit verbringen – wie dies auch im Anlassfall geschehen ist.51

2.
„Tagesklinik“ als stationäre Organisationseinheit

Der Gesetzgeber seinerseits verwendet den Begriff „Tagesklinik“ in einem anderen Zusammenhang. Er versteht darunter eine Organisationseinheit, die dem stationären Sektor zugerechnet wird (vgl § 6 Abs 7 Z 3 KAKuG).

Das gilt auch für die Finanzierung von Krankenanstalten. Zur Finanzierung der landesgesundheitsfondsfinanzierten Spitäler leisten die Sozialversicherungsträger im Wege des Hauptverbandes Pauschalzahlungen (2013 knapp 5 Mrd €) an die Landesgesundheitsfonds (§ 447f ASVG). Damit sind im Wesentlichen alle Leistungen dieser Spitäler abgegolten; unabhängig, ob sie stationär oder ambulant erbracht werden (§ 148 Z 3 ASVG). Das bundeseinheitliche Modell der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) gilt nur für den stationären und halbstationären Bereich – zu letzterem werden Tages- und Nachtkliniken gezählt. In der LKF werden tagesklinische Aufenthalte nach den Regeln für stationäre Aufenthalte abgerechnet (Hagenbichler/BMG, Das österreichische LKF-System [2010] 34). Ein Katalog der in diesem Rahmen abrechenbaren Leistungen findet sich in Anlage 9 der LKF-Modellbeschreibung 2014 (

, LKF-Modell 2014).

Diese tagesklinischen Leistungen sollen stationäre Aufenthalte ersetzen. In diesem Sinne ordnet auch der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) 2012 (S 2) Tageskliniken dem stationären Bereich zu. Diese Tageskliniken sollen der Entlastung des vollstationären Bereiches dienen, indem dort kleinere medizinische Interventionen durchgeführt werden. Sie haben am Standort oder zumindest im Verbund mit bettenführenden Abteilungen errichtet zu werden (ÖSG 2012, 13). In diesem Sinne hat eine Rückfallebene vorgesehen zu sein, falls – etwa wegen einer Komplikation – eine Transferierung in den vollstationären Bereich erforderlich ist (ÖSG 2012, 29).

Ambulante Leistungen landesgesundheitsfondsfinanzierter Krankenanstalten werden länderweise unterschiedlich häufig pauschal durch die Fonds abgegolten. Anders ist dies bei Spitälern, die über den PRIKRAF finanziert werden. Hier sind nur stationäre Anstaltspflegen (und damit auch tagesklinische Interventionen) von der Fondsfinanzierung umfasst (§ 149 Abs 3 ASVG). Ambulante Leistungen sind auf anderem Weg abzugelten. Das können insb Ambulanzverträge gem § 349 ASVG sein oder auch Kostenzuschüsse gem § 131 ASVG, falls keine solchen Verträge zustande gekommen sind (VfGH 11.12.2007, B 1083/07, G 233/06).

3.
Zum vorliegenden Fall

Ein Patient leidet an Problemen mit der Wirbelsäule. Er sucht eine landesgesundheitsfondsfinanzierte Krankenanstalt auf, wo die Notwendigkeit einer Operation diagnostiziert wird. In der Regel wird dieser Eingriff tagesklinisch, stationär durchgeführt. Ein Operationstermin wird in sieben Wochen in Aussicht gestellt. Der Patient wartet diesen jedoch nicht ab, sondern sucht am Tag darauf ein Ambulatorium ohne Kassenvertrag auf, wo der Eingriff durchgeführt wird. In Folge forderte der Anspruchsberechtigte von der bekl GKK den Ersatz der Behandlungskosten. In Hinblick auf die Pauschalierung durch das Modell der Fondsfinanzierung, wodurch keine Vertragstarife vereinbart sind, hat der Krankenversicherungsträger in seiner Satzung ein Ambulanzpauschale festgelegt. Dieses erbringt er. Es deckt etwa 6 % des Honorars ab. Der Versicherte hat dagegen Klage eingebracht.

Hätte der Kl stationäre Anstaltspflege in einer Wahlkrankenanstalt in Anspruch genommen, wäre ihm ein Pflegekostenzuschuss gem § 150 Abs 2 ASVG zugestanden. Pflegekostenzuschüsse nach LKF-Kriterien sind zu erbringen, wenn ein Versicherter eine PRIKRAF-Krankenanstalt aufsucht, die in keinem Einzelvertragsverhältnis mit seinem Krankenversicherungsträger steht. Das Ambulatorium, das der Kl aufgesucht hat, ist aber keine solche Krankenanstalt, die in Anlage 1 zum PRIKRAF- G genannt ist. In allen anderen Fällen ist ein fixer Betrag pro Pflegetag zu leisten; im Jahr 2007 hat sich dieser auf € 154,79 belaufen (Felix in

Sonntag
, ASVG5 § 150 ASVG Rz 4 ff).

Der OGH hat festgestellt, dass in der Bandscheibenklinik als Ambulatorium keine stationäre Anstaltspflege erbracht wurde. Bereits zu B 1083/07, G 233/06 hat der VfGH ausgeführt, dass es nicht unsachlich ist, wenn im PRIKRAF-G zwischen stationärer und tagesklinischer Leistungserbringung einerseits und ambulanter andererseits unterschieden wird (Felix in

Sonntag
, ASVG5 § 149 ASVG Rz 3 ff). Selbständige Ambulatorien sind auf die ambulante Leistungserbringung beschränkt (VfGH 11.12.2007, B 1083/07, G 233/06, Rz 1). Dass im vorliegenden Fall keine stationäre, sondern eine ambulante Behandlung erbracht wurde, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass während der Nacht, die der Patient im Ambulatorium verbracht hat, kein Arzt zugegen war. Für stationäre Krankenanstalten ist dies gem § 8 KAKuG vorgeschrieben.

Daher hat der OGH völlig zu Recht erkannt, dass dem Kl im vorliegenden Fall kein Pflegekostenzuschuss für eine stationäre Behandlung zu leisten ist, sondern ihm eine Kostenerstattung für eine ambulante Behandlung gebührt. Zur Höhe dieser Kostenerstattung hat der OGH weitere Feststellungen für erforderlich gehalten; konkret geht es darum zu erheben, ob mit zwei in demselben Bundesland gelegenen PRIKRAF-Krankenanstalten Ambulanzverträge bestehen, die die streitgegenständliche Leistung abdecken. In diesem Fall müsste sich die Kostenerstattung an diesem Tarif anstelle des satzungsmäßigen Betrages orientieren.

Der E des OGH im vorliegenden Fall ist uneingeschränkt zuzustimmen. Was bleibt ist der unbefriedigende Zustand, dass „Tageskliniken“ in Wirklichkeit einerseits Ambulatorien sein können, währenddem andererseits PatientInnen, die die Tagesklinik eines Spitals mit stationärer Infrastruktur aufsuchen, als stationär betreut angesehen werden. Die Krankenversicherungsträger sind in den letztgenannten Fällen regelmäßig mit Beschwerden konfrontiert, wenn Anspruchsberechtigten, die sich als ambulant betreut fühlen, Kostenbeteiligungen für die stationäre Pflege (§ 447f Abs 7 ASVG, § 27a KAKUG) vorgeschrieben werden.

Eine Vereinfachung der Rechtslage könnte in den kommenden Jahren eintreten, wenn das Ziel 6.2.2 des Bundes Zielsteuerungsvertrag, Zielsteuerung Gesundheit umgesetzt wird. Dessen Maßnahme 1 sieht vor, die Tagesklinik dem ambulanten Bereich zuzuordnen.52