Kietaibl/Schörghofer/Schrammel (Hrsg)Rechtswissenschaft und Rechtskunde – Liber Amicorum für Robert Rebhahn

Manz Verlag, Wien 2014, XIV, 196 Seiten, broschiert, € 42,–

KONRADGRILLBERGER (SALZBURG)

Zum 60. Geburtstag von Robert Rebhahn haben Angehörige des Wiener Instituts für Arbeits- und Sozialrecht sowie ehemalige Mitarbeiter des Geehrten die Beiträge zu diesem Sammelband verfasst. Mit dem Titel „Rechtswissenschaft und Rechtskunde“ haben die Herausgeber auf ein Steckenpferd Rebhahns Bezug genommen. Rebhahn legt bekanntlich großen Wert auf diese Unterscheidung innerhalb der Rechtsliteratur. Was die Beiträge im vorliegenden Band betrifft, wird man sie allesamt mit gutem Gewissen zur Rechtswissenschaft zählen dürfen, und zwar zur Wissenschaft vom Arbeitsrecht und Sozialrecht. Auf diesen Gebieten liegen nämlich die Beiträge. Recht unterschiedliche Themen werden behandelt.

Zwei Arbeiten befassen sich mit dem Datenschutz im Arbeitsverhältnis. Brodil setzt sich mit der Auslegung des § 9 Z 11 DSG auseinander, genauer mit der Frage, was als besondere Rechtsvorschrift in Betracht kommt, die eine Verwendung sensibler Daten iSd DSG rechtfertigt. Grünanger beschäftigt sich mit interessanten Fragen des AN-Datenschutzes beim Betriebsübergang. Neben dem DSG wird auch das Mitbestimmungsrecht des BR gem § 96a ArbVG ins Auge gefasst. Die dazu vertretenen Auffassungen leuchten ein.

Zwei Abhandlungen haben Themen aus dem Arbeitszeitrecht zum Gegenstand. Kietaibl plädiert dafür, den Begriff des leitenden Angestellten stärker als bisher an der Höhe des Entgelts auszurichten. Das deckt sich mit einer Tendenz am Wiener Institut für Arbeitsrecht, „Besserverdiener“ vom Arbeitsrecht auszuschließen. Warum es dabei nur auf die Höhe des Entgelts und nicht auch auf die übrigen Vermögensverhältnisse ankommen soll, wäre noch zu klären. De lege lata sind solchen Versuchen ohnehin enge Grenzen gezogen. Das übersieht auch Kietaibl nicht. Grundsätzlich ist Skepsis gegen den Verkauf des arbeitsrechtlichen Schutzes angebracht, insb dann, wenn der Preis dafür unbekannt ist. Weniger brisant ist das Thema von Mazal. Ihn beschäftigte die Frage, ob Umkleidezeiten zur Arbeitszeit zählen, und zwar konkret die Umkleidezeiten des Personals in Krankenanstalten. Er bejaht die Frage insb deshalb, weil das Tragen einer sauberen Dienstkleidung nach den Hygienestandards für Krankenanstalten geboten ist. Mechaniker in Autowerkstätten dürfen sich also von Mazals Ansichten nichts erwarten.

Die Verantwortung des AG für Diskriminierungen unter Arbeitskollegen wird von Schörghofer anhand der Judikatur des OGH gründlich untersucht. Ebenso gründlich widmen sich Mitschka und Pfalz dem leidigen Problem der Altersdiskriminierung bei der Anrechnung von Vordienstzeiten. Man fragt sich bei dieser Gelegenheit, ob es im Arbeitsrecht keine wichtigeren Probleme gibt und vor allem, warum sich der EuGH damit befassen muss. Das ist nur eine rechtspolitische Anmerkung und keine Kritik an den Autoren dieses Beitrages. Das Erk des VwGH, mit der dem Roten Kreuz die Kollektivvertragsfähigkeit abgesprochen wurde, gibt Anlass für zwei Beiträge. Schrammel konfrontiert diese E mit der Vorjudikatur des VwGH und kritisiert sie mit guten Gründen. Ob man freilich an Vereinigungen von AG und AN dieselben Maßstäbe anzulegen hat, wie Schrammel es tut, scheint fraglich. In diesem Punkt ist die Kritik von Tomandl am Erk des VwGH überzeugender.

Ins Grundsätzliche führen die Beiträge von Kuras, Risak und Pacic. Kuras untersucht die Rechtsstellung von arbeitnehmerähnlichen Personen im Verfahrensrecht und im materiellen Recht. Rechtspolitisch plädiert er für eine Erweiterung der Kollektivvertragsfähigkeit, damit auch arbeitnehmerähnliche Personen erfasst werden können, sofern es sich dabei um freie DN handelt. Risak widmet sich den kollektiven und individuellen Interessen, denen sich der BR bei den Mitwirkungsrechten in personellen Angelegenheiten gegenübersieht. Offen bleibt, welche Konsequenzen es haben soll, wenn ein BR individuelle Interessen eines AN bei Zustimmung zu einer verschlechternden Versetzung unberücksichtigt lässt. Pacic bietet eine Einführung in die Arbeitsrechtsvergleichung und kann dabei an einschlägige Vorarbeiten von Rebhahn anknüpfen. Rainer stellt Überlegungen zur Koordination der Rechtsquellen im Pensionskassenmodell an. Es geht dabei um die Frage, auf welche Weise sichergestellt wird, dass die BV mit dem Pensionskassenvertrag übereinstimmt. Die teilweise sehr diffizilen Fragen werden übersichtlich und wohl auch einleuchtend untersucht.

Ein recht übersichtliches arbeitsrechtliches Thema, das bislang in der arbeitsrechtlichen Literatur noch keine Aufmerksamkeit gefunden hat, behandelt schließlich Stella unter dem Titel „Wenn der Betriebsrat auf Urlaub ist“. Es geht um die Vertretung bei Verhinderung des Vorsitzenden einschließlich seiner Stellvertreter. Der Autor schlägt vor, in derartigen Fällen analog zur Situation zwischen Wahl und Konstituierung zu verfahren, also das an Lebensjahren älteste Mitglied für zuständig zu halten. Eine wohl praktikable Lösung.

Zwei Beiträge behandeln schließlich Themen aus dem Sozialrecht, mit denen sich Rebhahn ebenfalls befasst hat. Den gesamtvertragsfreien Zustand im Bereich der Ambulatorien für MRT- und CT-Untersuchungen behandelt Kerschbaumer. Sie kommt im Wesentlichen zu dem gleichen Befund wie die hM zur entsprechenden Situation bei den Vertragsärzten. Windisch-Graetz widmet sich schließlich dem Urteil in der Rs Brey (EuGH 19.9.2013, C-140/12). Es geht also um die Frage, ob wirtschaftlich nicht aktive Unionsbürger sogleich Anspruch auf die österreichische Ausgleichszulage haben sollen. Die einschlägigen europarechtlichen und nationalen Rechtsprobleme werden anschaulich vorgeführt. Ihre Prognose, dass der Anspruch von Unionsbürgern auf Ausgleichszulage neuerlich den EuGH beschäftigen wird, dürfte leider zutreffen.

Robert Rebhahn darf man zu diesem Geburtstagsgeschenk gratulieren. Es ist zu hoffen, dass die Beiträge in diesem Band nicht in der Flut der arbeitsrechtlichen Literatur untergehen.