Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg)ABGB – Kurzkommentar

4. Auflage, Verlag Österreich, Wien 2014, LVII, 2395 Seiten gebunden, (Ergänzungsheft IX, 38 Seiten), € 339,–

DIETERWEIß (LINZ)

Im geradezu schon traditionellen Rhythmus von etwa dreieinhalb Jahren ist die neue Auflage des derzeit kompaktesten Kommentars zum ABGB erschienen. Dabei ist zwar die Riege der Kommentatoren weitgehend – und zwar abgesehen davon, dass Riss Kommentierung der §§ 285-446 ABGB von Eccher fortführt und das KSchG nunmehr von Kathrein gemeinsam mit dem neu hinzugekommenen Schoditsch kommentiert wird – unverändert geblieben; der früher im Springer Verlag erschienene Kommentar wurde jedoch – ebenso wie das übrige rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Programm – vom Verlag Österreich übernommen.

Mit der Neuauflage ist den Herausgebern einmal mehr ein „mehrfacher Spagat“ gelungen: zum einen zwischen dem Anspruch einer gründlichen Aufarbeitung der Materie und einem kompakten Umfang des Werks – das trotz seitenmäßigen Zuwachses gegenüber der Vorauflage weiterhin in einer Aktentasche Platz findet –, zum anderen zwischen der Notwendigkeit, ein derartiges Werk auf dem aktuellen Stand der Gesetzgebung und Rsp zu halten, und dem Versuch, dennoch nicht allzu viele Neuauflagen zu produzieren. Gerade in diesem Zusammenhang haben die Herausgeber „Mut zur temporären Lücke“ bewiesen: Dem Hauptwerk liegt der Gesetzesstand vom 1.1.2014 zugrunde, während die durch das erst über ein Monat nach dessen Erscheinen und mehr als fünf Monate nach dem Ablauf der in Art 28 Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU vorgesehene Umsetzungsfrist im BGBl kundgemachte Verbraucherrechte-RL-Umsetzungsgesetz – VRUG (BGBl I 2014/33) – bewirkten Änderungen zum Anlass für ein Ergänzungsheft genommen wurden.

Damit wurde wohl auch ein für die beteiligten Autoren erfreulicher Kompromiss gefunden, indem die von den Änderungen durch das VRUG nicht tangierten Teile des Kommentars nicht zusätzlich auf den Stand 1.6.2014 gebracht werden mussten. Für den Leser wäre dies allerdings zweifelsohne die angenehmere und leichter handhabbare Variante gewesen, weil dann insb die Kommentierungen der Bestimmungen des KSchG – aber etwa auch des § 905 ABGB – durch Eccher/Riss, Bollenberger und Kathrein/Schoditsch nicht aufgespalten wären, sodass sie teilweise im Hauptwerk, teilweise – in Ergänzung der weiterhin relevanten Passagen des Hauptwerks – im Ergänzungsband zu finden sind.61

Abgesehen vom VRUG hat der Gesetzgeber im Zeitraum seit der Vorauflage erfreulich wenig Aktivitäten im Hinblick auf das ABGB entfaltet – in anderen Bereichen waren es bedeutend mehr, wobei die Änderungen des § 28a Abs 1 KSchG durch BGBl I 2010/107, BGBl I 2011/77und BGBl I 2011/100unberücksichtigt geblieben sind und die Änderung des EheG durch das KindNamRÄG in der Darstellung der aktuellen Fassung nicht angeführt ist –, die dafür jedoch umso bedeutsamer waren:

Die erste Änderung im Bestand des ABGB wurde freilich nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch den VfGH vorgenommen, der mit Erk vom 28.6.2012, G 114/11, den ersten Satz des § 166 („Mit der Obsorge für das uneheliche Kind ist die Mutter allein betraut.“) als verfassungswidrig aufgehoben hat (kundgemacht mit BGBl I 2012/68).

Der Bereich des Kindschaftsrechts war auch einer der Regelungsgegenstände, die von der ersten der vier im Jahr 2013 kundgemachten Novellen des ABGB betroffen waren, nämlich dem KindNamRÄG (BGBl I 2013/15), mit dem das Kindschaftsrecht des ABGB unter besonderer Wahrung der Interessen minderjähriger Kinder im Bereich der elterlichen Verantwortung neu und das Namensrecht des ABGB flexibler gestaltet wurde (ErläutRV 2004 BlgNR 24. GP 1). Konkret hat diese Novelle vor allem eine völlige Neufassung des Dritten Hauptstücks des Ersten Teils des ABGB mit sich gebracht, wobei § 138 („Kindeswohl“) gleichsam vorweg und an prominenter Stelle festhält, dass das Wohl des Kindes in allen Angelegenheiten, die die Obsorge oder den persönlichen Kontakt betreffen, als leitender Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist (vgl ErläutRV 2400 BlgNR 24. GP 16). G. Hopf weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die in § 138 ABGB enthaltene Aufzählung von Kriterien weder erschöpfend ist, noch eine Rangordnung vorgibt, sodass letztlich bei der Entscheidung, welchem Vorgehen bei der Obsorge unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls der Vorzug zu geben ist, eine Gesamtbeurteilung der maßgeblichen Kriterien vorzunehmen ist (§ 138 ABGB Rz 4, 2). Das Vierte Hauptstück des Ersten Teils des ABGB wurde hingegen ausschließlich aus bereits bestehenden Bestimmungen des ABGB zusammengestellt. Ebenfalls insgesamt neu gefasst wurden die im Fünften Hauptstück des Ersten Teils enthaltenen Regelungen über den Kindesunterhalt, wobei nur § 231 Abs 4 eine wirklich neue Regelung beinhaltet (vgl ErläutRV 2400 BlgNR 24. GP 33); trotz dieser Bestimmung kann allerdings weiterhin auch eine in einer umfassenden Regelung der Scheidungsfolgen abgeschlossene Schad- und Klagloshaltung sittenwidrig sein (G. Hopf, § 231 ABGB Rz 21).

Mit dem ZahlungsverzugsG – ZVG (BGBl I 2013/50), das quasi in letzter Minute zur Umsetzung der RL 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr erlassen wurde (die RL war bis 16.3.2013 umzusetzen, an diesem Tag sind die Bestimmungen des ZVG in Kraft getreten), wurden durch den neu eingefügten § 907a ABGB, der den früheren § 905 Abs 2 ABGB ersetzt, Geldschulden zu Bringschulden erklärt (zu den Folgen vgl Bollenberger, § 907a ABGB Rz 4 f); für Verbraucher reicht bei Erfüllung durch Banküberweisung nunmehr – abweichend von der durch die Zahlungsverzugs-RL geforderten grundsätzlichen Regelung des § 907a Abs 2 ABGB – gem § 6a Abs 2 KSchG die Erteilung des Überweisungsauftrags am Tag der Fälligkeit.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist vor allem die in chronologischer Hinsicht nächste Novellierung des ABGB von Bedeutung – nämlich jene durch BGBl I 2013/145: Durch diese wurde der Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten im Hinblick auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung wieder etwas verkleinert. Zwar behält (auch) ein Arbeiter seit dem ARÄG 2000 gem § 1154b Abs 5 ABGB „den Anspruch auf Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird“; dieser Anspruch war jedoch – anders als der vergleichbare Anspruch für Angestellte – bislang uneingeschränkt kollektivvertragsdispositiv (vgl dazu etwa Drs in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 1154b ABGB Rz 20). Der dieser Novelle zugrunde liegende, unter dem Eindruck des Hochwassers Anfang Juni 2013 eingebrachte Initiativantrag weist auf Härtefälle hin, die in Katastrophenfällen entstehen, weil die vor 2000 abgeschlossenen Kollektivverträge kaum je auf solche Fälle Bedacht nehmen und daher den gesetzlichen Anspruch beseitigen würden (2366/A BlgNR 24. GP 2). Die mittels einer einschränkenden Neufassung des § 1154b Abs 6 Satz 2 ABGB durchgeführte „Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten“ hat sich freilich ausschließlich darauf beschränkt, den Entgeltfortzahlungsanspruch bei persönlicher Betroffenheit von Katastrophen aus der Kollektivvertragsdispositivität auszunehmen (vgl Spenling, § 1154b ABGB Rz 2); im Übrigen ist es bei der Kollektivvertragsdispositivität des § 1154b Abs 5 ABGB geblieben und auch die Regelung des § 1154b Abs 6 Satz 2 ABGB, nach der bestehende Kollektivverträge als abweichende Regelungen gelten, ist unverändert geblieben. Der bis zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten zurückzulegende Weg ist dadurch freilich kaum kürzer geworden.

Die letzten im Hauptwerk berücksichtigten Änderungen des ABGB hat das Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 – AdRÄG 2013 (BGBl I 2013/179) – mit sich gebracht, mit dem die erst durch das KindNamRÄG neu formulierten §§ 197, 199 und 201 nur sechs Monate nach deren Inkrafttreten novelliert wurden, um eine weitere Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Hinblick auf die Möglichkeiten der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare zu vermeiden (vgl die ErläutRV 2403 BlgNR 24. GP 1; vgl G. Hopf, § 197 ABGB Rz 3).

Insgesamt wird „der KBB“ aufgrund seiner Aktualität – die jeweils letztgültige Fassung des Gesetzestexts zu überprüfen, wird wohl nicht erspart bleiben – und seines kompakten Umfanges mit Sicherheit auch weiterhin ein wichtiges Werkzeug in der zivilrechtlichen Praxis bleiben.