Resch (Hrsg)Kollektive Lohngestaltung in Österreich
Verlag des ÖGB, Wien 2014, 100 Seiten, € 24,90
Resch (Hrsg)Kollektive Lohngestaltung in Österreich
Das vorliegende Buch beinhaltet die schriftliche Fassung der Vorträge, die im Rahmen des, an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt veranstalteten, 31. Praktikerseminars zum Thema „Kollektive Lohngestaltung in Österreich“ gehalten wurden. Der Tagungsband enthält vier Beiträge, die sich laut Vorwort den praktischen Phänomenen der Festsetzung des Entgelts im Spannungsverhältnis zum gesetzlichen Grundkonzept des ArbVG widmen.
Wenig beschäftigt sich in seinem Beitrag mit „Phänomene[n] der betrieblichen und überbetrieblichen Lohngestaltung“. Im Zusammenhang mit betrieblichen Entgeltfindungssystemen stellt er in fünf Beispielen Betriebsvereinbarungen verschiedener Wirtschaftszweige dar und unterzieht sie jeweils anschließend einer praktischen und kritischen Bewertung. Dies ermöglicht dem/der LeserIn einen spannenden Einblick in die betriebliche Praxis und eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Rechtsgrundlagen. Weiters geht Wenig kurz auf überbetriebliche Entgeltfindungssysteme ein. Hier erwähnt er die 2007 von der WKO und dem ÖGB abgeschlossene „Grundsatzvereinbarung zum Mindestlohn von 1.000 Euro“ und die Möglichkeit der Schaffung eines Mindestlohnes durch einen General-KollV.
Leider gibt es in Österreich, trotz der hohen Abdeckungsrate der Kollektivverträge, nach wie vor Branchen, die stark von Niedriglohnbeschäftigung betroffen sind, allen voran die Beherbergung und Gastronomie. Daher fordert der ÖGB nunmehr in seinem Grundsatzprogramm einen Mindestlohn von € 1.500,– durch eine neue Grundsatzvereinbarung der SozialpartnerInnen. Ein großes Problem ist, dass bestimmte Beschäftigte gar nicht von den Instrumenten der kollektiven Rechtsetzung erfasst und daher ohne kollektiven Mindestlohnschutz sind. Ein General-KollV vermag dieses Problem nicht zu lösen, sodass es wohl weiterer Maßnahmen bedarf. Wenig geht am Rande darauf ein, dass die Möglichkeit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns durch den Bundesgesetzgeber nicht unproblematisch sein dürfte. Dies wird aufgrund des62 Spannungsverhältnisses insb zur Koalitionsfreiheit und zum Unionsrecht (zu den Grundfreiheiten) noch detailliert überprüft werden müssen.
Holzer behandelt in seinem Beitrag „Kollektive Entgeltregelungen nach dem Konzept des ArbVG“. Hier beschreibt er einerseits detailliert das System des KollV und andererseits die Möglichkeiten, Entgeltfragen in Betriebsvereinbarungen zu regeln. Dieser Beitrag stellt eine gute Ergänzung zu dem Wenigs dar, weil hier die von ihm, in praktischer Hinsicht, behandelten Themenbereiche rechtsdogmatisch vertieft beleuchtet werden.
Pacic geht in seinem Beitrag auf „Entgeltklauseln im Kollektivvertrag“ ein. Er widmet sich sowohl Grundsätzlichem, wie den Rechtsetzungskompetenzen, der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte und dem Ordnungs- und Günstigkeitsprinzip, als auch Speziellem, wie Ist-Lohn-Klauseln, Betriebspensionen, Sozialplänen und (mit der Regelung des Entgelts verknüpften) Verjährungs- und Verfallsfristen in Kollektivverträgen. Pacic geht nicht nur auf kollektivvertragliche Regelungen ein, sondern auch auf einzelvertragliche Vereinbarungen, die in einem Konnex zur Thematik stehen, wie Bezugsumwandlungen und Aufsaugklauseln, deren Zulässigkeit im Wege eines Günstigkeitsvergleiches zu überprüfen ist. Übersichtlich und gut verständlich stellt er die einzelnen Konstellationen dar, beschreibt jeweils die Meinungen in der Lehre und Rsp und unterzieht strittige Fragen auch einer eigenen Beurteilung.
Hinsichtlich qualifizierter Ist-Lohn-Klauseln geht Pacic überzeugend davon aus, dass diese einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz darstellen (S 62). Solche Klauseln dürften aber zudem einen unzulässigen Eingriff in die Privatautonomie darstellen, weil dadurch von einmal getroffenen Vereinbarungen nicht mehr abgegangen werden kann. Die Rechtfertigung eines derartigen Eingriffes ist nur schwer möglich.
Im letzten Beitrag von Windisch-Graetz geht es um „Gleichbehandlungs- und Diskriminierungsprobleme bei der kollektiven Entgeltfindung“. Anfangs gibt sie einen guten Überblick über die Rechtsgrundlagen auf europäischer und innerstaatlicher Ebene. Sie greift sodann verschiedene Beispiele für unmittelbar und mittelbar diskriminierende Regelungen in kollektiven Normen auf und beschreibt diese anhand der Judikatur des EuGH und OGH. Dies ermöglicht dem Leser einen schnellen und detaillierten Einblick in die einschlägige Judikatur und Literatur. Es wird nicht nur auf die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sondern auch auf die Diskriminierung aufgrund des Alters (vor allem in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten) eingegangen.
Leider verdienen Frauen nach wie vor durchschnittlich um 21,26 % weniger als Männer. Vielfach wird daher gefordert, dass bei den Kollektivvertragsverhandlungen ein spezielles Augenmerk auf Fraueneinkommen gelegt wird, was in letzter Zeit auch von den Gewerkschaften gemacht wird. Eine langjährige Forderung ist etwa die bessere Anrechnung von Elternkarenzzeiten für dienstzeitabhängige Ansprüche, weil die Nichtanrechnung bei Gehaltsvorrückungen vor allem bei Frauen einen nie wieder nachholbaren Einkommensnachteil zur Folge hat. In einigen Kollektivverträgen ist eine diesbezügliche Regelung mittlerweile enthalten. Man kann in dem Umstand, dass Elternkarenzzeiten nicht angerechnet werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sehen, weil Elternkarenz nach wie vor überwiegend von Frauen in Anspruch genommen wird. Windisch-Graetz geht in diesem Zusammenhang auf die Rs Cadman ein (S 89), in der der EuGH ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik darin sieht, Berufserfahrung zu honorieren und hiefür das Kriterium des Dienstalters heranzuziehen, ohne dass es einer weiteren Rechtfertigung bedarf. Im Einzelfall solle aber nachgewiesen werden können, dass, auf eine konkrete Tätigkeit bezogen, das durch das Dienstalter steigende Entgelt nicht auf weitreichendere Berufserfahrung zurückzuführen ist. Hier müsse dann der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters im Einzelnen gerechtfertigt werden.
Insgesamt handelt es sich um ein lesenswertes und informatives Werk. Es liefert vor allem PraktikerInnen und Interessierten einen guten Überblick über das Kollektivvertragssystem in Österreich. Zudem bietet es gut verständlich und eingängig einen vertieften, aber doch praxisnahen Einblick in die einschlägige Judikatur, Literatur und die jeweiligen Rechtsgrundlagen, sodass sowohl Wissenschaft als auch Praxis davon profitieren.