1.
Einleitung

Der Sachverhalt, der dem Beschluss des OGH9 ObA 5/14x* zugrunde liegt, hat das Potenzial zum Lehrbuchbeispiel: Der befristet eingestellten AN wurde zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bereits die Entfristung in Aussicht gestellt, aber nach Ablauf der Frist wurde sie wegen ihrer zwischenzeitig eingetretenen Schwangerschaft doch nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Die unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung steht außer Frage, die AN begehrt daher die Feststellung des unbefristeten Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses und die Zuerkennung einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Alle drei Instanzen waren sich einig: unbefristetes Arbeitsverhältnis ja, Entschädigung nein.

2.
Feststellung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses
2.1.
Systemwidrigkeit des § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG

Initialzündung des nunmehr in § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG enthaltenen Umwandlungsanspruchs eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis war die E 9 ObA 4/05m,* wonach eine diskriminierende Auflösungserklärung während der Probezeit einer Kündigung iSd § 2a Abs 8 GlBG aF* gleichzuhalten und daher per analogiam anfechtbar ist.* Der Gesetzgeber hat diese und16 die folgende Rsp* aufgegriffen und den Tatbestand des § 12 Abs 7 GlBG ausdrücklich um die Auflösung des Probearbeitsverhältnisses erweitert.* Obwohl der OGH bislang nur diskriminierende Auflösungserklärungen der Anfechtungsmöglichkeit zuführte, ging der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter und bestimmte zusätzlich, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, wenn ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis diskriminierend durch Zeitablauf beendet wurde. Bei dieser Bestimmung handelt es sich hingegen um mehr als nur um eine „Klarstellung“, wie die Gesetzesmaterialien meinen,* denn hier knüpft die Sanktion nicht an eine rechtsgeschäftliche Beendigungserklärung an, sondern an die nichtrechtsgeschäftliche Ankündigung des AG auf Entfristung, welche nicht einmal als invitatio ad offerendum einzustufen ist. Tatsächlich ist diese Rechtsfolge, die zu einer nunmehrigen Bindung des AG an seine anfänglich unverbindliche Äußerung führt, systemwidrig,* weil auch bei einem von vornherein „auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis“ zumindest eine schlüssige Willensübereinstimmung für die Vertragsverlängerung erforderlich wäre.* Die Rechtsfolge des § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG übt auch keinen Kontrahierungszwang auf den AG aus – wie es etwa § 18 Abs 1 BAG nach Ende des befristeten Lehrverhältnisses anordnet, indem der Lehrberechtigte zur Weiterverwendung verpflichtet wird* –, sondern begründet das unbefristete Arbeitsverhältnis gesetzlich ohne übereinstimmende Willenserklärung, weil § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG durch die Eröffnung der Feststellungsklage bereits davon ausgeht, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis schon besteht. Freilich ist es dem Gesetzgeber unbenommen, Rechtsfolgen anzuordnen, die sich in die bisherige Rechtsordnung und in die daraus resultierende Dogmatik schwer einfügen lassen, weshalb der OGH zu Recht diese Bedenken in 9 ObA 5/14x ignoriert. Zwar wird man schwerlich aus dem durch § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG gesetzlich begründeten unbefristeten Schuldverhältnis ableiten können, dass überhaupt kein Arbeitsverhältnis iSd § 1151 ABGB vorliegt, aber gerade dies zeigt die Systemwidrigkeit und Kuriosität des § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG auf.

2.2.
Verhältnis zu § 10a MSchG

In 9 ObA 5/14x versuchte der beklagte AG zu seiner Verteidigung, das unbefristete Arbeitsverhältnis dadurch zu verhindern, indem er die Fristenhemmung des § 10a MSchG vorschob: Was zulässig mit Beginn des allgemeinen Beschäftigungsverbotes endet, könne nicht darüber hinaus existieren. Zutreffend bestätigt aber der OGH, dass § 12 GlBG nicht von § 10a MSchG verdrängt wird, denn beide Normen verfolgen ein unterschiedliches Ziel: Zwar ist der Zweck des § 10a MSchG nicht „die Verhinderung der Umgehung des MSchG durch Abschluss befristeter Verträge mit jungen Frauen“, wie der OGH meint,* denn dies kann allein durch eine Ablaufhemmung bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes nicht erreicht werden, wenn damit weiterhin der im MSchG verankerte Kündigungsschutz schon vor der Geburt des Kindes durch Befristung des Arbeitsvertrages vermieden werden kann. Sein Zweck ist nur, die werdende Mutter bis zu ihrem Wochengeldbezug sozial abzusichern.* Demgegenüber pönalisiert § 12 GlBG die diskriminierende Nichtverlängerung durch den AG und enthält daher einen Vorwurf gegen ihn.* Und dieser Vorwurf ist Anlass, um gesetzlich jenes Ergebnis herzustellen, das der AG ohnehin der AN in Aussicht stellte: das unbefristete Arbeitsverhältnis. Im Kern spiegelt das Verhältnis des § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG (Aufhebung der Befristung) zu § 10a Abs 1 MSchG (bloße Verlängerung der Befristung) die oben erwähnte Systemwidrigkeit wider, die letztlich ihren Grund darin findet, dass es sich bei der diskriminierenden Nichtverlängerung – anders als bei der diskriminierenden vorzeitigen Auflösung während der Probezeit – eigentlich um eine Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses und nicht bei seiner Beendigung handelt.

2.3.
Beweislast & Zeitablauf

Die beiden anderen, vom beklagten AG im Verfahren zu 9 ObA 5/14x ausgeworfenen Rettungsringe mussten ebenso untergehen: Zum einen enthob vor dem Hintergrund der Beweiserleichterung des § 12 Abs 12 GlBG der OGH, nachdem die AN den Diskriminierungstatbestand glaubhaft gemacht hatte, den AG nicht von seiner Beweislast, andere Gründe für die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses anzugeben, nur weil die Einschätzung der Eignung der AN als Kinderbetreuerin nicht immer vollständig objektivierbar sei und dem Vortrag der anderen Gründe die Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Eltern und den betreuten Kindern entgegenstehe. Zum anderen kann – entgegen der Auffassung des AG – auch nach Zeitablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses auf Feststellung des unbefristeten Bestehens geklagt werden, zumal der Zeitablauf erst die Klagefrist gem § 15 Abs 1a GlBG auslöst und Art 17 Abs 1 Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Rechtsschutz auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen.17

Insgesamt ist es daher nicht überraschend, wenn alle drei Instanzen dem Feststellungsbegehren der klagenden AN nachgekommen sind. Freilich bedeutet dies nicht, dass das nunmehr unbefristete Arbeitsverhältnis zukünftig nicht mehr vom AG gekündigt werden dürfe, doch hat seine Kündigung dann dem Schutzstandard des GlBG zu entsprechen.

3.
Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung

Doch die klagende AN begnügte sich im Verfahren zu 9 ObA 5/14x nicht mit der bloßen Feststellung des unbefristeten Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses, denn sie begehrte darüber hinaus eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Diesen Anspruch lehnte der OGH jedoch ab.

3.1.
Genese und Inhalt des Entschädigungsanspruchs

Das GlBG sah bis zum 30.6.2004 keine derartige Entschädigung vor, erst mit der GlBG-Novelle BGBl I 2004/66wurde sie für alle geschlechtsdiskriminierenden Handlungen eingeräumt – nicht aber im Falle der diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieses Defizit wurde zwar von der Lehre kritisiert,* der OGH konnte dies damals aber weder durch richtlinienkonforme Interpretation reparieren, noch erblickte er darin eine Verfassungswidrigkeit.*

Seit 1.8.2008 ergänzt die GlBG-Novelle BGBl I 2008/98§ 12 Abs 7 GlBG mit einem ausdrücklichen Entschädigungsanspruch (nur) für den Fall, dass die AN die diskriminierende Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gegen sich gelten lässt. Nach den Gesetzesmaterialien* sei diese Entschädigung – neben dem Vermögensschaden – Teil jenes Schadens, der bei der diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehe. Zwar wäre § 12 Abs 7 GlBG primär auf die Naturalrestitution in Form des weiterhin aufrechten Arbeitsverhältnisses gerichtet, doch könne genau dies für die betroffene AN unzumutbar sein, weshalb ihr der reale Schaden ersetzt werden solle. Demnach liegt das Augenmerk dieser Entschädigung gar nicht auf der persönlichen Kränkung durch die geschlechtsdiskriminierende Handlung, sondern auf jenem immateriellen Schaden, welcher als Übel mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden ist, den die AN erleiden muss, weil ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Geht man in der Folge davon aus, dass § 12 Abs 7 GlBG nicht die Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch die Diskriminierung auszugleichen sucht, ist das Wahlrecht in Satz 3 leg cit gar nicht widersprüchlich. Blickt man aber über § 12 Abs 7 GlBG hinaus, erheben sich Zweifel, ob tatsächlich nur die persönliche Beeinträchtigung durch den Verlust des Arbeitsplatzes vom Schadensausgleich erfasst sein soll und nicht auch das Gefühl der Herabsetzung, gar der Erniedrigung durch die Diskriminierung selbst: So hat fraglos etwa der Schadenersatzanspruch bei sexueller Belästigung den Ausgleich der Verletzung der Würde im Sinn, wie es § 2a Abs 7 GlBG idFd Arbeitsrechtlichen Begleitgesetzes (ArbBG), BGBl 1992/833, bis 30.6.2004 noch ausdrücklich vorschrieb.* Und die Gesetzesmaterialien zum ArbBG heben hervor, dass bei diskriminierender Nichteinstellung gem § 2a Abs 1 GlBG idFd ArbBG „der durch die Diskriminierung entstandene materielle und durch die Verletzung der Würde der Person entstandene immaterielle Schaden in angemessener Weise ausgeglichen werden muß“.* Wird man aber richtigerweise den Ursprung der Entschädigung nach § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG in dieser erlittenen Kränkung erblicken, dann wird nicht erkennbar, warum dieser Schadenersatz nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstößt: Die Entschädigung versucht zwar, die Verletzung der Würde der Person auszugleichen, sie steht aber nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht auch im Anfechtungsfall zu, womit verborgen bleibt, worin das Ungleiche besteht, das diese ungleiche Rechtsfolge erfordert; verfassungsrechtliche Überlegungen stellte der OGH in 9 ObA 5/14x aber nicht an.* Verfassungsrechtlich bedenklich wird § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG auch mit Blick auf § 18c Abs 1 B-GlBG, dem Pendant des GlBG im öffentlichen Dienstrecht, der seit Inkrafttreten der 2. Dienstrechts-Novelle BGBl I 2009/153am 1.1.2010 gerade zusätzlich zur Anfechtung der diskriminierenden Beendigung auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zuspricht und sich so jenem ideellen Schadenersatz zuwendet,* dem sich § 12 Abs 7 GlBG verweigert. Dabei ist fraglich, ob allein der Umstand, dass im Anwendungsbereich des B-GlBG nur der Bund als Missetäter auftreten kann, diese Besserstellung sachlich rechtfertigen kann.

3.2.
Blick auf die RL 2006/54/EG

Soll der Regelungsinhalt des § 12 Abs 7 GlBG ermittelt werden, ist auch das Unionsrecht heranzuziehen, weil das GlBG die Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG umsetzen möchte. Art 18 RL 2006/54/EG verlangt von den Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass der durch die Geschlechtsdiskriminierung entstandene Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird. Im Falle der diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht der AN ein Schaden durch den Wegfall jenes Arbeitsentgelts, das sie bei sonst diskriminierungsfreiem Verhalten des AG erworben18 hätte. Dieser Vermögensschaden kann durch Ersatzzahlung oder aber durch die Eröffnung einer Anfechtungsmöglichkeit bzw der Feststellung des immer noch aufrecht bestehenden Arbeitsverhältnisses tatsächlich und wirksam behoben werden. Betrachtet man allein diese Vorgabe der Gleichbehandlungs-RL, so führt das nunmehr eingeräumte Wahlrecht des § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG zu keinem Umsetzungsmangel. Allerdings ist diese Betrachtung zu eng, denn der EuGH und Art 18 RL 2006/54/EG unterscheiden grundsätzlich nicht zwischen materiellen und immateriellen Schaden, * sodass nicht allein der Vermögensschaden zu ersetzen ist, sondern auch Schäden, die das Opfer einer Diskriminierung bereits durch die mangelnde Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes und Nichtgewährung tatsächlicher Chancengleichheit erleidet.* Weiters schreibt Art 18 RL 2006/54/EG vor, dass der Schadensausgleich oder -ersatz „auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss“. Ähnlich sieht auch Art 25 RL 2006/54/EG vor, dass die Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Gleichbehandlungs-RL zu verhängen sind und auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Wäre der diskriminierende AG aber lediglich zur Beseitigung des Vermögensschadens verpflichtet, indem er im Anfechtungsfall der AN nur das Arbeitsentgelt im dann wiederhergestellten Arbeitsverhältnis schuldig sei, so bestünde für ihn kein Unterschied in den Folgekosten und er hätte nichts zu verlieren, seine Diskriminierung wäre daher für ihn risikolos und er fände keinen ökonomischen Anreiz zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes vor, womit er weiterhin in der Hoffnung diskriminieren könnte, dass sich einmal eine AN nicht (rechtzeitig) beschwere und er dadurch sein diskriminierendes Ziel erreiche.*

Eine „abschreckende“, „dissuasive“* Wirkung sieht anders aus, weshalb ein so verstandener § 12 Abs 7 GlBG diese Wirkung jedenfalls nicht entfalten kann.* Das Ziel der Gleichbehandlungs-RL, den Grundsatz der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen zu verwirklichen, kann erst dann erreicht werden, wenn der AG auch einen angemessenen Ersatz des eingetretenen Gefühlsschadens zu leisten hat, den er sich sonst bei diskriminierungsfreiem Verhalten erspart hätte. Erst dann wirkt die drohende Schadenersatzpflicht für den AG abschreckend, ohne zu einem Strafschadenersatz zu mutieren. Solange im Falle der Anfechtung einer diskriminierenden Beendigung keine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zusteht, sind die Vorgaben der Gleichbehandlungs-RL nicht erfüllt.*

Diese „präventive Sanktionsfunktion“* des durch Art 18 RL 2006/54/EG vorgeschriebenen Ersatzes auch des immateriellen Schadens scheint den Gesetzgeber zur Hinzufügung des § 12 Abs 14 GlBG* veranlasst zu haben. Danach ist die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung so zu bemessen, dass „dadurch die Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird und die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist sowie Diskriminierungen verhindert“. Nach den begleitenden Gesetzesmaterialien soll insb mit dem letzten Kriterium „der dem österreichischen Schadenersatzrecht immanente Präventionsgedanke zum Ausdruck kommen“.* Nur: Im System des § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG wird im Anfechtungsfall gar nicht die Frage erreicht, wie die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zu bemessen ist, und das Ziel der Gleichbehandlungs-RL wird damit weiterhin verfehlt.

§ 12 Abs 7 GlBG erscheint auch aus einem anderen Aspekt heraus unionsrechtswidrig, denn die Mitgliedstaaten haben in ihren Rechtsordnungen für gleichwertige Verstöße auch im Wesentlichen gleichwertige Sanktionen vorzusehen.* Dieser Vorgabe wird § 12 Abs 7 GlBG aber deshalb nicht gerecht, weil einerseits § 12 GlBG bei allen anderen Formen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes den AG zur Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet und andererseits, wie oben bereits erwähnt, § 18c Abs 1 B-GlBG sehr wohl auch im Anfechtungsfall diese Entschädigung vorsieht.

3.3.
Klarer Wortlaut?

Ob tatsächlich die Gleichbehandlungs-RL einen Ersatz über den bloßen Vermögensschaden hinaus fordert, hat letztlich der EuGH im Wege seines Auslegungsmonopols zu entscheiden. Der OGH lehnte in 9 ObA 5/14x die von der klagenden AN angeregte Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens jedoch deshalb ab, weil nach seiner Ansicht auch die Feststellung einer Unionsrechtswidrigkeit kein anderes Verfahrensergebnis zur Folge gehabt hätte. Denn der Wortlaut des § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG ist für den OGH klar und ein Contralegem- Judizieren ist von der Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation nicht gedeckt:* Ein Schadenersatzanspruch nach dieser Norm stehe „nur im Falle der Nichtanfechtung“* zu. Doch die erwähnte Normstelle regelt wörtlich auch nur den Fall der Nichtanfechtung,19 weshalb der Umkehrschluss, dass bei Anfechtung keine Entschädigung gebühre, bereits ein Akt der Interpretation ist. Für die Richtigkeit dieser Interpretation fände sich in der oben aufgezeigten Systematik der Entschädigung als Ersatz des Schadens wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes eine Stütze, denn dort, wo die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgreich angefochten wird, ist kein (materieller) Schaden entstanden, doch wurde oben schon dargelegt, dass der Entschädigungszweck über diesen Schaden hinausreichen muss. Der OGH stützt sich insb auf die historische Auslegung unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien, wonach entweder die Anfechtung oder die Entschädigung, nicht aber beides, möglich sei.*

3.4.
Entschädigung auf anderer Rechtsgrundlage?

Selbst wenn man mit dem OGH die Ansicht teilt, dass § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG keinen Anspruch (auch) auf Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung im Anfechtungsfall begründet,* so ist allein damit nicht ausgeschlossen, dass sich ein Entschädigungsanspruch vielleicht aus einer anderen Norm ergeben könnte. Andere Anspruchsgrundlagen prüfte der OGH in 9 ObA 5/14x nicht, es bieten sich freilich auch nur wenige an: Dafür nicht geeignet ist die Gleichbehandlungs-RL selbst, weil sie im Verhältnis zwischen Privatpersonen keine unmittelbare Wirkung entfalten kann* und hinsichtlich ihrer Sanktionsvorgaben nicht hinreichend genau bestimmt ist.* Auch kann aus Art 21 GRC kein Leistungsrecht abgeleitet werden,* dem ohnehin eher keine unmittelbare Drittwirkung zukommt.* Auf nationaler Ebene werden zwar die Regelungen der Rechtsfolgen nach § 12 GlBG als in sich abgeschlossen gesehen,* doch erscheint dies dann fraglich, wenn das Regelungsgeflecht des GlBG trotz ihres erklärten Zieles die Gleichbehandlungs- RL nicht vollständig umsetzt. So betrachtet sind nach ihrem Wortlaut die schadenersatzrechtlichen Generalnormen der §§ 1293 ff ABGB als Anspruchsgrundlage denkmöglich. Diese werden aber seit Inkrafttreten des dBGB (!) vom OGH so interpretiert, dass ein Ersatz des ideellen Schadens nur dort gebührt, wo dies eine Norm ausdrücklich vorsieht.* Dass diese Voraussetzung ein nicht zwingendes Interpretationsergebnis ist und daher ein Interpretationsspielraum besteht, ist schon daran erkennbar, dass der OGH im 19. Jhdt bei gleichem Gesetzeswortlaut noch anders judizierte.* Falls nach Meinung des EuGH Art 18 und 25 RL 2006/54/EG wirksame abschreckende Maßnahmen fordern, die in Österreich nicht geschaffen wurden, könnte dieser Umsetzungsmangel durch richtlinienkonforme Interpretation dort korrigiert werden, wo ein Interpretationsspielraum besteht, somit, wenn schon nicht in § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG, dann bei den schadenersatzrechtlichen Generalnormen. Indem aber der OGH kategorisch die Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens ablehnt und damit die Frage eines Umsetzungsmangels – und damit verbunden die Notwendigkeit, so weit wie möglich durch richtlinienkonforme Interpretation doch das verbindliche Ziel der Gleichbehandlungs-RL zu erreichen – bewusst offen lässt, signalisiert er ohne Begründung, dass eine Anspruchsgrundlage außerhalb des § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG jedenfalls nicht zu finden ist.

3.5.
Schließungsfähige Gesetzeslücke?

Geht man in der Folge davon aus, dass eine wirksame abschreckende Maßnahme unionsrechtlich geboten ist, die aber – wie der OGH impliziert – in keiner nationalen Norm einschließlich der §§ 1293 ff ABGB vorgesehen ist, besteht in der Rechtsordnung eine Lücke. Damit diese im Analogieschluss geschlossen werden kann, ist es erforderlich, dass vom Gesetzgeber diese nicht sehenden Auges hinterlassen wurde, denn das Auffüllen gewollter, dh geplanter Lücken ist eine unzulässige Rechtsfortbildung. Vom Vorliegen einer hier nicht gewollten Lücke sei, so der OGH, jedenfalls seit den beiden Novellen BGBl I 2008/98und I 2009/153 nicht mehr auszugehen, maW sei das Fehlen eines Entschädigungsanspruchs auch bei Anfechtung der diskriminierenden Beendigungshandlung vom Gesetzgeber geplant. Die oben aufgezeigte dogmatische Systemwidrigkeit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über dessen vereinbarten Zeitablauf hinaus, das Fehlen wirksamer abschreckender Maßnahmen zur Vergällung von Diskriminierungen trotz des erklärten Willens zur „Anpassung an das EU-Recht“,* die 2. Dienstrechts-Novelle BGBl I 2009/153zu § 18c Abs 1 B-GBlG mit seiner diametral entgegengesetzten Gewährung eines Entschädigungsanspruchs auch bei Anfechtung sowie die bemühte, aber im Anfechtungsfall verfehlende Ergänzung des § 12 Abs 14 GlBG lassen hingegen begründete Zweifel aufkommen, ob hier tatsächlich eine geplante Lücke vorliegt.* Diese planwidrige Lücke kann aber durch unionsrechtskonforme Rechtsfortbildung – so weit wie möglich in Einklang mit den Wertungen der nationalen Rechtsordnung – geschlossen werden,* indem § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG20 teleologisch – der Zweck ist die Schaffung wirksamer abschreckender Maßnahmen, wie es Art 18 und 25 RL 2006/54/EG gebieten – auf Anfechtungsfälle extendiert wird.* Auch wenn die unionsrechtskonforme Rechtsfortbildung nicht zum Einfallstor für nicht umgesetzte Richtlinien in das nationale Recht werden soll, darf hier im Fall des § 12 Abs 7 GlBG nicht übersehen werden, dass bereits die oben erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken auf eine bestehende Lücke hindeuten, die nicht allein von einem Umsetzungsmangel aufgerissen wurde.

4.
Ergebnis

So apodiktisch sich der Beschluss 9 ObA 5/14x auch liest, er gibt dogmatisch nicht das einzig zwingende Ergebnis wieder. Auch wenn mit guten Gründen eine Entschädigung direkt aus § 12 Abs 7 Satz 3 GlBG nicht ableitbar ist, kann man sich richtlinienkonform – und mit Blick auf § 18c Abs 1 B-GlBG auch verfassungskonform – über das Schadenersatzrecht des ABGB zum Ausgleich der erlittenen Kränkung interpretativ durchringen. Auch die Annahme einer echten Gesetzeslücke ist nicht abwegig, denn überblickt man die einschlägige Gesetzeslage, entsteht nicht gerade der Eindruck eines bewussten, durchdachten und somit geplanten gesetzgeberischen Vorgehens.

Weil aber nach diesem Beschluss des OGH der klagenden AN keine Entschädigung für ihre erlittene persönliche Beeinträchtigung, die sie durch das diskriminierende Verhalten ihres AG zu ertragen hatte, zusteht, verbleibt ihr am Ende nur mehr das Risiko eines Staatshaftungsverfahrens,* in dem zur Prüfung, ob tatsächlich ein legislatives Unrecht in Form einer nicht vollständigen Umsetzung der Gleichbehandlungs- RL besteht, zweifellos ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten ist. Sollte die AN dann obsiegen, bezahlt am Ende nicht der diskriminierende Verursacher die Zeche, sondern wir alle.