4Verkürzung der Verjährungsfrist auch für unabdingbare Ansprüche
Verkürzung der Verjährungsfrist auch für unabdingbare Ansprüche
Es entspricht der stRsp, dass zwischen der vertraglichen Unabdingbarkeit eines Anspruches und der Frist für dessen Geltendmachung zu unterscheiden ist. Deshalb kann auch für unabdingbare Ansprüche eine kürzere als die dreijährige Verjährungsfrist vereinbart werden.
Sachlich nicht begründbare Verkürzungen der gesetzlichen Verjährungsfrist, die die Geltendmachung von unbestreitbaren und eindeutigen Ansprüchen unzumutbar erschweren, sind sittenwidrig.
Das trifft aber auf eine Vereinbarung einer dreimonatigen Frist für die außergerichtliche Geltendmachung nicht zu, wenn die Ansprüche aus einer strittigen Einstufung im KollV resultieren.
I. Es entspricht der stRsp, dass zwischen der Frage der vertraglichen Unabdingbarkeit eines Anspruchs und der Frist für dessen Geltendmachung zu unterscheiden ist und dass auch bei unabdingbaren Ansprüchen eine kürzere als die dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist nach § 1486 ABGB für die Geltendmachung der Ansprüche vereinbart werden kann (vgl RIS-Justiz RS0034517 mzwN; zuletzt etwa 8 ObA 86/11x = DRdA 2013/22 [mit kritischer Anm von Eypeltauer]). Die vereinzelt gebliebene E zu 4 Ob 7/74 (= ZAS 1975, 221 [mit ablehnender Besprechung durch Bydlinski]), wonach dann, wenn der KollV keine Regelung enthält, zwingend die gesetzliche Frist als festgelegt gilt, ist überholt (RIS-Justiz RS0070904; zuletzt 9 ObA 134/13s). Naturgemäß unterliegen aber auch vertragliche Verfallsklauseln – wie jede andere vertragliche Vereinbarung – der allgemeinen Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 879 ABGB. Sie sind dann als sittenwidrig zu erachten, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS-Justiz RS0016688 mzwN).
II.1. Die wiederholte Kritik an der Rsp zur im Rahmen der Sittenwidrigkeitsgrenze zulässigen Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist stützt sich vor allem da rauf, dass zwischen der Unabdingbarkeit des Anspruchs einerseits und der Dauer, in der dieser geltend gemacht werden kann, nicht unterschieden werden könne (vgl dazu zuletzt ausführlich Eypeltauer, Verfall und Verjährung im Arbeitsrecht, DRdA 2013, 377 ff [381]).34
II.1.1. Dazu ist vorweg allgemein darauf zu verweisen, dass nicht nur im Gesetz selbst, sondern regelmäßig auch in den Kollektivverträgen und Einzelverträgen zwischen den Fragen, welche Ansprüche als solche bestehen sollen und wie lange diese geltend gemacht werden können, unterschieden wird.
II.1.2. Allgemein zivilrechtlich ist nun nicht bestritten, dass sich aus der Anordnung des § 1502 ABGB, wonach eine längere als die gesetzliche Verjährungsfrist grundsätzlich nicht vereinbart werden kann, e contrario ergibt, dass vertragliche Verkürzungen der Verjährungsfristen grundsätzlich zulässig sind, aber naturgemäß den allgemeinen zivilrechtlichen Prüfungsmechanismen etwa nach § 879 ABGB oder auch im Rahmen der Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechen müssen (vgl dazu etwa Mader/Janisch in
II.1.3. In der arbeitsrechtlichen Lehre und Literatur finden sich – wie bereits dargestellt – mehrere kritische Stimmen, die sich gegen die Zulässigkeit der Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist bei zwingenden arbeitsrechtlichen Ansprüchen wenden (vgl etwa Eypeltauer, aaO; Grillberger in
II.1.4. Die Argumente der Kritiker, insb von Eypeltauer (aaO), die auf die schwierige Lage des AN im aufrechten Arbeitsverhältnis bei der „Geltendmachung“ von offenen AN-Ansprüchen hinweisen, mögen rechtspolitisch nachvollziehbar sein. Diese Überlegungen müssen aber letztlich vom Gesetzgeber mit anderen rechtspolitischen Interessen, etwa an einer möglichst raschen Abklärung strittiger Fragen oder – etwa bei der Einstufung in einem KollV – der Einschätzung der tatsächlichen Kostenstruktur abgewogen werden.
II.1.5.1. De lege lata ist keine gesetzliche Regelung ersichtlich, die eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung in Arbeitsverträgen generell verbieten würde (vgl Preiss in ZellKomm2 § 1486 ABGB Rz 67).
II.1.5.2. Aus § 1502 ABGB ergibt sich der Gegenschluss, dass zwar eine Verlängerung der Verjährungsfrist, nicht aber deren Verkürzung unzulässig ist.
II.1.5.3. Auch lassen die Sonderregelungen des § 11 Abs 2 Z 5 AÜG über die Unzulässigkeit von Verfallsund Verjährungsverkürzung bei überlassenen Arbeitskräften ebenso wie jene des § 26 Abs 8 AZG über die Hemmung vertraglicher Verfallsfristen bei fehlenden Arbeitsaufzeichnungen – wie die Kritiker selbst erkennen – den Schluss zu, dass sonst solche kürzeren vertraglichen Verfallsfristen zulässig sind.
II.1.5.4. Dass dem Gesetzgeber die Problematik rechtshistorisch bewusst war (vgl dazu etwa Holzner, Verfall und Verjährung von Entgeltansprüchen, DRdA 1987, 141 unter Hinweis auf Ofner, Protokoll II, 256 f und 276 f), spricht im Hinblick auf die allgemeine Anordnung des § 1502 ABGB eher dafür, dass im Gesetzgebungsprozess letztlich doch bewusst keine Unterscheidung vorgenommen wurde. Wäre es doch ein Einfaches gewesen, den sich aus § 1502 ABGB aufdrängenden Schluss, dass Verjährungsfristen zwar nicht verlängert, aber verkürzt werden können, durch eine klare gesetzliche Anordnung
II.1.5.5. Dass sich der Gesetzgeber durchaus bewusst ist, dass es gesonderter Anordnungen hinsichtlich der Unabdingbarkeit der Ansprüche dem Grunde nach einerseits und der Fristen für die Geltendmachung andererseits bedarf, zeigt etwa auch die Regelung des § 1164 ABGB. Diese bestimmt in differenzierter Weise, welche im ABGB für den Dienstvertrag festgelegten Bestimmungen nicht durch Vereinbarung zu Lasten der DN abdingbar sein sollen. § 1164 ABGB legt nun sowohl die Regelung nach § 1162b ABGB – Anspruch auf Kündigungsentschädigung – als auch die Regelung nach § 1162d ABGB – Frist zur Geltendmachung von Kündigungsentschädigungen – als unabdingbar fest (ähnlich § 40 AngG). Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass mit der Festlegung eines unabdingbaren Anspruchs auch die an anderer Stelle geregelte Frist für dessen Geltendmachung unabdingbar wird, so hätte es dieser Aufnahme des § 1162d ABGB in § 1164 ABGB wohl nicht bedurft.
II.2. Die Kritiker machen ferner geltend, dass die kürzeren vertraglichen Verfallsfristen doch auch dort greifen würden, wo es um eindeutige und unbestreitbare Ansprüche des AN gehen würde (vgl dazu etwa Eypeltauer, aaO 379). Dazu ist darauf zu verweisen, dass der OGH stets betont hat, dass nur sachlich begründbare und die Geltendmachung nicht unzumutbar einschränkende Verkürzungen der gesetzlichen Verjährungsfrist vor dem Sittenwidrigkeitskalkül des § 879 ABGB Bestand haben können (RIS-Justiz RS0016688), und auch bereits ausgesprochen hat, dass dann, wenn sich aus dem Verhalten des AG ergibt, dass dieser Kenntnis von den Ansprüchen hat, eine weitere „außergerichtliche Geltendmachung“ naturgemäß nicht erforderlich ist (vgl 8 ObA 34/07v = DRdA 2008/41 [Eypeltauer]; 9 ObA 21/13y).
II.3. Es fehlt also im Ergebnis an einer gesetzlichen Anordnung, die es rechtfertigen würde, allgemein von einer Unzulässigkeit der Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen bei unabdingbaren Ansprüchen im Arbeitsverhältnis auszugehen. Die vorliegende Vereinbarung einer dreimonatigen Frist für die außergerichtliche schriftliche Geltendmachung kann unter dem Aspekt der strittigen Ansprüche auch nicht als unsachlich und gegen § 879 ABGB verstoßend angesehen werden. Im vorliegenden Fall war zwischen den Arbeitsvertragsparteien offenbar eine andere Einstufung als die von der Kl begehrte vereinbart. Die Umstände, die die tatsächliche Einstufung und damit auch die Kostenstruktur des Betriebs bestimmen, können damit nicht als so eindeutig und unbestreitbar gelten, dass der AG ohnehin von diesen Ansprüchen schon Kenntnis hatte. Vielmehr sind diese Ansprüche35 eben in der von den Vertragsparteien festgelegten Frist geltend zu machen und zu überprüfen.
III. Die Frage, inwieweit die konkrete vertragliche Vereinbarung gegen das „Transparenzgebot“ verstoßen haben könnte, bedarf schon deshalb keiner weiteren Erörterung, weil dies im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht geltend gemacht wurde. [...]
1. In dieser E reagiert der OGH erstmals etwas ausführlicher auf die Kritik an seiner Judikatur zur vertraglichen Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist bei unabdingbaren Ansprüchen. Er hält dies seit vielen Jahren in zahlreichen Entscheidungen für zulässig. Nur § 879 ABGB soll für solche Vereinbarungen eine Schranke bilden. Es ist wohl keine große Überraschung, dass der OGH trotz der zahlreichen Gegenargumente an seiner Judikatur festhält. Seine Verteidigungsargumente sind freilich nicht geeignet, die Kritik zu entkräften.
2. Der zentrale Punkt seiner Argumentation ist die alte Behauptung, dass zwischen der Unabdingbarkeit eines Anspruches und der Frist für seine Geltendmachung zu unterscheiden sei. Da keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift existiert, die eine Verkürzung der Verjährungsfrist verbietet, sei eine solche Vereinbarung wirksam, solange sie nicht als sittenwidrig iSd § 879 ABGB befunden wird. Man kann gegen
Man kann gegen diese Argumentation nur wiederholen, was ohnehin schon oft geschrieben wurde und worauf der OGH in seiner Verteidigung auch in dieser E nicht eingeht: Die entscheidende Frage ist, ob man eine Regelung, die einen unabdingbaren Anspruch schafft, so zu verstehen hat, dass sie auch seine Durchsetzung während der allgemeinen Verjährungsfrist absichern soll. Bedenkt man, worauf Holzner () hingewiesen hat, dass zwischen einem Verzicht auf unabdingbare Ansprüche und dem Rechtsverlust infolge Versäumnis einer vereinbarten Frist kein wertungsmäßiger Unterschied besteht, ist die Haltung des OGH alles andere als überzeugend.
3. Die weiteren Argumente des OGH bestehen in dürftigen Gegenschlüssen, die sich jederzeit umkehren lassen. Der Umstand etwa, dass der Gesetzgeber die Frist für den Anspruch auf Kündigungsentschädigung eigens in der Aufzählung des § 1162d ABGB genannt hat, lässt sich ebenso gut damit erklären, dass er von einer relativ zwingenden Frist von drei Jahren ausgegangen ist und diese eben – relativ zwingend – auf sechs Monate verkürzen wollte. Weder für die eine noch für die andere Sichtweise gibt es in den Gesetzesmaterialien einen entsprechenden Hinweis. Anders verhält es sich diesbezüglich mit der Absicht des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 1502 ABGB. Auf die diesbezüglichen Hinweise von Holzner (), wonach die historische Absicht des Gesetzgebers wohl eher dahin ging, dass bei unabdingbaren Ansprüchen eine Verkürzung der Verjährungsfrist nicht zulässig sein sollte, geht der OGH leider nicht ein. Stattdessen wird das Schweigen des Gesetzestextes wieder als Argument für die eigene Judikatur verwendet.
4. Bedauerlich ist schließlich, dass die einschlägige Arbeit von Jabornegg (in FS Reischauer [2010] insb 202 ff) der Aufmerksamkeit des OGH entgangen ist. Jabornegg hat wohl versucht, dem OGH eine Brücke zu bauen, indem er zwischen Klagefristen und solchen Fristen unterscheidet, die einen Rechtsverlust an das Unterlassen einer außergerichtlichen Geltendmachung anknüpfen. Das war auch im Sachverhalt der vorliegenden E der Fall: Es handelte sich um eine Vereinbarung, die eine schriftliche außergerichtliche Geltendmachung innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bei sonstigem Verfall vorgesehen hatte. In derartigen Fällen gehe es nach Jabornegg gar nicht um eine Verkürzung der Verjährungsfrist, sondern um die Vereinbarung einer Anmeldeobliegenheit, deren Nichterfüllung zum Rechtsverlust führen soll. Es liege eine auflösende Bedingung für den Anspruch vor. Bei unabdingbaren Ansprüchen werde damit der Anspruch selbst zum Nachteil des AN beschränkt. Wenn die Argumente Jaborneggs den OGH schon nicht zu einer Umkehr bewegen dürften, so zeigen sie jedenfalls die Künstlichkeit der Unterscheidung zwischen Anspruch als solchem und seiner Durchsetzbarkeit.
5. Die Haltung des OGH beruht möglicherweise auf der Auffassung, dass die gesetzliche Frist von drei Jahren den AG übermäßig belasten könnte. So lässt sich wohl sein Hinweis auf Eypeltauer verstehen, wonach die schwierige Lage von AN im aufrechten Arbeitsverhältnis bei der Geltendmachung von Ansprüchen rechtspolitisch nachvollziehbar sei. Dem stünden aber andere Interessen, etwa an einer möglichen raschen Klärung strittiger Fragen oder über die Einschätzung der Kostenstruktur – etwa bei der Einstufung in einen KollV – gegenüber. Was die Problematik der Einstufung betrifft, so enthalten wohl die meisten Kollektivverträge ohnehin kurze Fristen. Dort, wo das nicht der Fall ist, haben es ohnehin die Parteien des KollV in der Hand, diesem Interesse Rechnung zu tragen. Jedenfalls ist auf dieser Ebene eher ein ausgewogeneres Ergebnis zu erwarten als im Einzelvertrag, der meistens vom AG vorformuliert wird.
6. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der OGH seine Judikatur in absehbarer Zeit revidiert. Er wird wohl auch nicht auf jene Stimmen hören, die als mittlere Lösung vorschlagen, wenigstens die Grenze der Sittenwidrigkeit auf sechs Monate anzuheben, wenn es sich um einzelvertragliche Verkürzungen handelt. So bleibt nur der Befund, dass diese Judikatur dazu führt, dass all jene AG wenig riskieren, die unabdingbare Ansprüche von AN einfach ignorieren. Vielleicht gelingt es dem Gesetzgeber, entsprechende Regelungen an geeigneten Stellen vorzusehen. Für kollektivvertragliche Ansprüche würde sich eine einschlägige Ergänzung in § 3 ArbVG und für Ansprüche aus BV in § 31 ArbVG empfehlen. Für Ansprüche aus zwingenden Gesetzen wäre wohl in § 1502 ABGB entsprechend vorzusorgen. Solange das nicht geschieht, bleibt nur die Hoffnung, dass man AG die Berufung auf den Verfall von Ansprüchen bzw auf die Verletzung einer Obliegenheit dann verweigert, wenn an den Ansprüchen des AN bei objektiver Betrachtung kein begründeter Zweifel bestehen kann. Die Anforderungen an die Sittenwidrigkeit einer (einzelvertraglichen) Vereinbarung über entsprechende Fristen zur Geltendmachung können mit gutem Grund geringer sein, wenn die Aushöhlung von zwingendem Recht auf dem Spiel steht. Leider erfährt man aus dem vorliegenden Urteil nichts Näheres darüber, weshalb die eingeklagten Ansprüche nach Ansicht der Gerichte nicht genügend eindeutig waren.36