5Betriebspension und Abfertigung
Betriebspension und Abfertigung
Vertragsschablonen erlangen im Wege eines Hinweises auf die entsprechenden Dienstvorschriften durch vertragliche Unterwerfung Geltung zwischen den Vertragsparteien und binden die Vertragspartner dann als lex contractus.
Eine „Jeweils-Klausel“ ist ein Änderungsvorbehalt des DG iS eines Gestaltungsrechts, der vom DG nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen genutzt werden kann, selbst für eine zumutbare Verschlechterung der DN. Eine Änderung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Veröffentlichung, dem DN muss Gelegenheit gegeben werden, sich darüber Kenntnis zu verschaffen. Zudem ist die Beschlussfassung durch das zuständige Gremium erforderlich.
Eine über die (gesetzliche) Pensionsleistung nach dem ASVG hinausgehende vertragliche Gesamtversorgungszusage kann als adäquater Ersatz für die Abfertigung die Abfertigung ersetzen, wenn diese Sonderregelung günstiger ist als die Abfertigung und die ASVG-Pension zusammen.
§ 23a Abs 6 AngG gilt für die Anrechenbarkeit von Versorgungsleistungen auf die (nicht nachteilig abdingbare) Abfertigung, während für die Kürzung (Ruhendstellung) von vertraglichen Versorgungsleistungen keine entsprechende gesetzliche Anordnung besteht. Die Voraussetzungen für eine „spiegelbildliche“ Anwendung des § 23a Abs 6 AngG sind mangels planwidriger Lücke nicht gegeben.
Die außerordentliche Revision wird gem § 508a Abs 2 ZPO [...] zurückgewiesen.
1. Der Kl steht auf dem Standpunkt, dass die Bestimmung über das Ruhen der monatlichen Kammerpension bis zum Erreichen der Höhe der bezogenen Abfertigung nach § 4 Abs 1 der Pensionsordnung (PO) idF vom 1.1.2004 für ihn nicht gelte. Er habe Anspruch auf Doppelbezug von Abfertigung und Pensionszuschuss.
Mit seinen Überlegungen in der außerordentlichen Revision zeigt der Kl keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dazu ist er zunächst an folgende Dienstvorschriften zu erinnern:
„§ 54 der Dienstordnung in der Fassung vom 1.8.1985
... (3) Wird von einem Kammerbeamten mit Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss anlässlich seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand eine Abfertigung begehrt, verliert er damit seinen Anspruch auf Ruhegenuss.
§ 4 der PO in der Fassung vom 1.1.2004:
(1) Dem Angestellten mit Pensionszusage gebührt im Falle des Ruhestandes ein monatlicher Ruhegenuss, wenn seine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit mindestens 15 Jahre beträgt. Gebührt dem Angestellten mit Pensionszusage eine Abfertigung gem § 55 der Dienstordnung (Anlage 1), ruhen die monatlichen Ruhebezüge so lange, bis diese die Höhe der Abfertigung erreichen. ...“
2.1 In der Rsp ist geklärt, dass für – wie hier – privatrechtliche Dienstverhältnisse, für die nach der maßgebenden gesetzlichen Grundlage von einem bestimmten Organ (hier einer Körperschaft öffentlichen Rechts) erlassene Dienstvorschriften gelten sollen, diese Dienstvorschriften (Dienstordnungen, Besoldungsordnungen oder Disziplinarordnungen) mangels einer materiellen Gesetzgebungskompetenz Vertragsschablonen darstellen.
Vertragsschablonen erlangen mit Abschluss des jeweiligen Einzelvertrags – im Wege eines Hinweises auf die entsprechenden Dienstvorschriften – durch vertragliche Unterwerfung Geltung zwischen den Vertragsparteien und werden dadurch rechtlich wirksam (RIS-Justiz RS0052622; RS0054759); sie binden die Vertragspartner dann als lex contractus (8 ObA 205/02h; 9 ObA 164/07v). Diese Grundsätze gelten auch für die Beziehungen zwischen den Parteien im Anlassfall (9 ObA 164/07v).
2.2 Bei Vertragsabschluss wird – wie auch im Fall des Kl – regelmäßig festgehalten, dass für die Bediensteten die genannten Vertragsschablonen „in der jeweils geltenden Fassung“ zur Anwendung gelangen („Jeweils- Klausel“). Dieser Hinweis wird durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (RIS-Justiz RS0052618; 8 ObA 14/03x). Dadurch bringt der Bedienstete seinen Unterwerfungswillen hinlänglich zum Ausdruck (9 ObA 121/08x).
In einer solchen „Jeweils-Klausel“ ist nach der Rsp ein Änderungsvorbehalt des DG iS eines Gestaltungsrechts zu sehen, der vom DG in der Form von Änderungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen genutzt werden kann, selbst wenn es dadurch zu einer zumutbaren Verschlechterung für den DN kommt (RIS-Justiz RS0112269; RS0052618; 9 ObA 121/08x).
2.3 Für die Wirksamkeit einer Änderung von Dienstvorschriften als Vertragsschablonen ist nach der Rsp entscheidend, dass die jeweiligen Vorschriften veröffentlicht wurden und dem DN Gelegenheit gegeben wurde, sich darüber Kenntnis zu verschaffen (9 ObA 126/99s; 9 ObA 77/00i). Zudem erfordert eine solche Änderung die Beschlussfassung durch das zuständige Gremium (vgl 8 ObA 281/00g). Gem § 44 des oö LandwirtschaftskammerG werden die Dienst- und Besoldungsvorschriften für Kammerangestellte von der Vollversammlung erlassen (vgl 9 ObA 164/07v).
2.4 Für den Anlassfall folgt daraus, dass mit Abschluss des Dienstvertrags des Kl die einschlägigen Dienstvorschriften als Vertragsschablonen in den Vertrag einbezogen wurden. Die Geltung der „Jeweils-Klausel“ bestreitet der Kl nicht. Bei den in den Vertrag einbezogenen Dienstvorschriften handelt es sich daher um vom AG veränderbare Vertragsschablonen. Die Dienstvorschriften der Bekl bestehen dabei aus Dienstordnung (DO), Besoldungsordnung (BO) und PO (9 ObA 343/98a; 9 ObA 164/07v).
Die Änderungen der Dienstvorschriften zum 1.1.2004 erfolgten nach den Feststellungen durch die Bekl. Diese Feststellung impliziert eine Beschlussfassung durch das zuständige Organ (Vollversammlung). Den in der Berufung dagegen erhobenen Einwand, der Beschluss sei von einem unzuständigen Gremium gefasst worden, qualifizierte das Berufungsgericht als unzulässige Neuerung. In dieser Beurteilung ist kein Verstoß gegen die Behauptungs- und Beweislast gelegen. Nach den37 Feststellungen konnte der Kl die Änderungen in den Dienstvorschriften auch zur Kenntnis nehmen.
Die Änderungen der Vertragsschablonen durch die Bekl sind damit wirksam zustande gekommen. Die in Rede stehende Ruhensbestimmung für die Kammerpension nach § 4 Abs 1 der PO idF vom 1.1.2004 ist auf das Dienstverhältnis des Kl anzuwenden.
3.1 Die vom Kl bestrittene Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die mit § 4 Abs 1 der PO eingeführte Ruhensbestimmung zu keiner unzulässigen Verschlechterung seiner bisherigen Position geführt habe, ist nicht korrekturbedürftig. Die Dienstvorschriften zum Stichtag der Pragmatisierung des Kl bestimmten, dass ein Kammerbeamter, der einen Anspruch auf Ruhegenuss hat, diesen Anspruch verliert, wenn er (anlässlich seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand) eine Abfertigung begehrt (§ 54 Abs 3 der DO idF vom 1.8.1985). Nach den Feststellungen ist die Bekl damals (wenn auch irrtümlich: 9 ObA 343/98a) davon ausgegangen, dass pragmatisierten DN ohnehin kein Abfertigungsanspruch zustehe. Die in der Folge eingeführte, nunmehr in Rede stehende (neue) Ruhensbestimmung verhindert eine Doppelversorgung, ordnet aber nicht wie die Vorgängerbestimmung einen Anspruchsverlust an.
Das Berufungsgericht hat somit zutreffend ausgeführt, dass der Kl auch nach der früheren Vertragslage keinen Anspruch auf Doppelversorgung haben sollte. In der E des OGH zu 9 ObA 343/98awurde nur der Abfertigungsanspruch der DN der Bekl und dessen Berechnung (Einbeziehung der Sonderzahlungen) beurteilt. Zur Wirksamkeit des Anspruchsverlusts nach § 54 Abs 3 der DO idF vom 1.8.1985 enthält diese E keine Aussage.
3.2 In der zitierten E 9 ObA 343/98ahat der OGH ausgesprochen, dass der gesetzliche Abfertigungsanspruch der DN der Bekl im ArbAbfG seine Grundlage findet und nach Art I § 2 Abs 1 ArbAbfG die §§ 23 und 23a AngG in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind, sowie dass nach Art I § 3 ArbAbfG das Abfertigungsrecht einseitig zwingendes Recht darstellt.
Nach der Rsp zu §§ 23, 23a AngG ist ein über die (gesetzliche) Pensionsleistung nach dem ASVG hinaus gehender vertraglicher Versorgungsanspruch als adäquater Ersatz für die Abfertigung anzusehen. Aus diesem Grund kann die Abfertigung durch die Gewährung eines vertraglichen Pensionszuschusses ersetzt werden, wenn diese Sonderregelung günstiger ist als die Abfertigung und die ASVG-Pension zusammen (8 ObA 46/10p). Damit im Zusammenhang steht die Bestimmung des § 23a Abs 6 AngG, wonach nur eine Anrechnung jener (vertraglichen) Pensionsbezüge auf die Abfertigung zulässig ist, bei denen zeitliche Kongruenz zwischen Pensionsleistung und Abfertigung besteht (RIS-Justiz RS0115532; Holzer in
3.3 Die dargestellten Konsequenzen gelten für den Anlassfall nicht, weil nach den zugrunde liegenden Dienstvorschriften keine Anrechnung der Kammerpension auf die Abfertigung stattfindet.
In der E 8 ObA 46/10p, die eine Anrechnung von Versorgungsleistungen auf die Abfertigung betrifft, ist festgehalten, dass bei privatrechtlicher Zusatzversorgung aufgrund von Beiträgen der AG und AN die Vereinbarung einer Anrechnung in die Abfertigung „(bzw umgekehrt: das Ruhen des Zusatzpensionsanspruchs während des Abfertigungszeitraums)“ zulässig ist. Zum „umgekehrten Fall“ (Anrechnung der Abfertigung auf Versorgungsleistungen iS einer Ruhensbestimmung) besagt diese E nur, dass nach § 16 Abs 1 BPG die in diesem BG geregelten, die gesetzliche PV ergänzenden Leistungen nur durch Versorgungsleistungen gemindert werden dürfen, die zumindest zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des AG beruhen, und dass die Abfertigung als reine DG-Leistung auf die kongruenten Zwecken dienende Betriebspension anrechenbar ist (Schrammel, BPG § 16 Erl 3.3). Der nächste Satz in dieser E, der auf das Verbot der Summenanrechnung Bezug nimmt, betrifft wiederum die Anrechnung auf die Abfertigung.
Der zitierte Hinweis von Schrammel auf die „kongruenten Zwecke“ bezieht sich nur auf die Art der Leistungen (zu Versorgungszwecken), zu denen auch die Abfertigung zählt (8 ObA 46/10p). Schrammel spricht im gegebenen Zusammenhang sogar ausdrücklich von „voller Anrechenbarkeit“ und damit der (betragsmäßigen) Anrechnung in voller Höhe.
3.4 Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Beurteilung nach § 23a Abs 6 AngG für die Anrechenbarkeit von Versorgungsleistungen auf die (nicht nachteilig abdingbare) Abfertigung gilt, für die Kürzung (Ruhendstellung) von vertraglichen Versorgungsleistungen aber keine entsprechende gesetzliche Anordnung besteht, entspricht den dargestellten Grundsätzen. Die Voraussetzungen für eine „spiegelbildliche“ Anwendung des § 23a Abs 6 AngG sind mangels planwidriger Lücke nicht gegeben.
Da die zu beurteilende Ruhensbestimmung die Kammerpension betrifft und der Kl die gesamte Abfertigung erhalten hat, ist die Anrechnung des Abfertigungsbetrags nicht zu beanstanden.
4. Gem § 44 des oö LandwirtschaftskammerG sollen die Kammerbeamten grundsätzlich den Landesbeamten dienst- und besoldungsrechtlich sinngemäß gleichgestellt werden (9 ObA 164/07v). Das Argument des Kl, dass die unkündbaren DN der Bekl zwar bei der Kammerpension den Landesbeamten angenähert seien, bei diesem Günstigkeitsvergleich aber nicht nur die Abfertigungs- und Pensionsregelungen, sondern sämtliche Dienst- und Besoldungsvorschriften heranzuziehen seien, woraus sich ergebe, dass die in Rede stehende Ruhensbestimmung aufgrund der Schlechterstellung für den Kl unwirksam sei, ist nicht verständlich. Tatsächlich hat das Erstgericht festgehalten, dass die Landesbeamten im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse auch heute noch keine Abfertigung erhalten. In Bezug auf die hier zu beurteilende Ruhensbestimmung liegt jedenfalls keine Schlechterstellung des Kl gegenüber den Landesbeamten vor.
Juristische Personen öffentlichen Rechts können nach der Konzeption des ArbVG gem § 7 ArbVG als AG einen KollV abschließen. Von dieser Möglichkeit wird selten Gebrauch gemacht (von juristischen Personen38 des Kirchenrechts wie Diözesen oder Spitalsorden abgesehen – vgl OGH9 ObA 501/89infas 1990 A 97). Vielmehr wird – gerade wenn Dienstherreneigenschaft fehlt (also kein eigenständiges gesetzliches Beamtendienstrecht besteht) – anstelle eines KollV mit Vertragsschablonen gearbeitet. Dabei handelt es sich um vom AG vorformulierte Standardarbeitsverträge, die zivilrechtlich als Vertragsformblätter bzw Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 864a ABGB) zu qualifizieren sind. In der Praxis regeln auf diese Weise viele Statutarstädte die Arbeitsverträge ihren Vertragsbediensteten, ebenso die meisten Berufskammern. Damit wird ein Regelungsinstitut des Individualarbeitsrechts quasi als kollektivrechtliches Regelungsinstrument gebraucht, mit den bekannten Problemen hinsichtlich der Geltung und der Abänderbarkeit dieser Vertragsschablonen. Der OGH wiederholt auch in der vorliegenden E seine diesbezügliche Judikatur, wonach ein Änderungsvorbehalt des AG ein Gestaltungsrecht bildet, welches dieser nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen nutzen darf, selbst wenn es dadurch zu einer zumutbaren Verschlechterung für den AN kommt. Die jeweiligen Vorschriften (also der Inhalt der Vertragsschablone) müssen nach Ansicht des OGH veröffentlicht werden, es muss dem AN Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben werden und das zuständige Gremium muss die Vorschriften und ihre Änderungen beschlossen haben (vgl die ausführlichen Hinweise in der E). Diese Punkte bedürfen genauerer Erörterung.
Der Hinweis des OGH, dass die maßgeblichen Veränderungen vom zuständigen Gremium beschlossen werden müssen (zur Vorjudikatur vgl OGH 30.7.2013, 8 ObA 66/12g), könnte – wenngleich in dieser Form nicht in der nötigen Klarheit offengelegt – als spezifische Judikatur für bestimmte durch Gesetz eingerichtete Körperschaften öffentlichen Rechts gedeutet werden: § 867 ABGB gelangt nach hA auch für Kammern (wie etwa die oö Landwirtschaftskammer) zur Anwendung (Rummel in
Im Folgenden soll die Frage vertieft werden, ob der Arbeitsvertrag auch auf an sich nicht anzuwendende arbeitsrechtliche Gesetze/Normen verweisen darf. Die Anwendbarmachung von ex lege nicht zur Anwendung gelangenden Gesetzen gleichsam als lex contractus ist – vor allem bei den Angestellten ex contractu – gängige Praxis und wird auch von der Rechtsordnung (soweit zwingende Ansprüche nicht verletzt werden) anerkannt (ständige Judikatur, vgl auch § 41 Abs 3 ArbVG). Gängige Praxis ist auch die Anwendbarmachung eines ex lege nicht anzuwendenden (idR günstigeren) KollV, wenn etwa unter Missachtung von § 8 ArbVG die AN des gesamten Industrieunternehmens in allen Betrieben dem Metaller-KollV unterliegen sollen. Jüngst verwies in einem Fall eine Vertragsschablone auf das (an sich nicht anzuwendende) VBG 1948 in der jeweils geltenden Fassung (OGH 30.7.2013, 8 ObA 66/12g; vgl auch RISJustiz RS0053439). Auch hielt der OGH den Verweis auf das GehG in seiner jeweils geltenden Fassung durch eine Vertragsschablone im Bereich der ÖBB für unbedenklich (OGH8 ObA 16/03secolex 2004/63, 127 = RdW 2004/218, 236 = JBl 2004, 529 = Arb 12.366).
In einem Spannungsverhältnis zu dieser höchstgerichtlich gebilligten Praxis steht die herrschende Judikatur, die dynamische Verweisungen durch Kollektivverträge als unzulässig ansieht: Tragendes Argument ist dort der Umstand, dass mit einer dynamischen Verweisung ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung den Kollektivvertragsparteien ihre besondere Normsetzungsbefugnis entzogen wird (mwN Strasser in
Ob der OGH – trotz der ohnehin bestehenden „Jeweils- Klausel“ – eine Art spezielle Transformation der laufenden Änderungen durch das zuständige Organ des AG verlangt, wird in der vorliegenden E nicht angesprochen, sodass wohl im Einklang mit der bisherigen Judikatur der Grundsatz gilt, dass die auf Basis der vereinbarten „Jeweils-Klausel“ folgenden Novellen des fremden Gesetzes – vorausgesetzt es besteht Gelegenheit zur Kenntnisnahme (dazu sogleich 4.) – keiner speziellen Transformation durch den AG bedürfen.39
Der Hinweis des OGH auf eine Veröffentlichung (vgl etwa zum Erfordernis einer Veröffentlichung im Mitteilungsblatt der Generaldirektion der ÖBB OGH9 ObA 270/90ecolex 1991, 340 = ecolex 1991, 719) und die Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch den AN ist missverständlich. Vielmehr genügt es für die alleine maßgebliche zivilrechtliche Wirksamkeit inter partes (nämlich im Verhältnis zwischen dem AG und den von der Vertragsschablone erfassten AN), wenn den einzelnen AN gegenüber Möglichkeit zur Kenntnisnahme besteht. Eine allgemeine Veröffentlichung ist – da es sich gerade um keine generell-abstrakte Norm handelt – aus dem Blickwinkel des Individualarbeitsrechts nicht erforderlich. Es wird allerdings so sein, dass mit der allgemeinen Veröffentlichung zugleich die – alleine entscheidende – Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch den AN im Regelfall gegeben sein wird. In diesem Punkt ist die E – die nur als Zurückweisungsbeschluss ergangen ist – etwas missverständlich. ME ist aber aus dem Kontext der E nicht abzuleiten, dass der OGH ein allgemeines Veröffentlichungsgebot für Vertragsschablonen postuliert (sofern ein solches nicht im jeweiligen Organisationsrecht des AG vorgesehen ist), solange nur die betroffenen AN selbst die Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Inhalt bzw dem geänderten Inhalt der Vertragsschablone haben.
Unklar bleibt – und dies kann hier nicht in der gebotenen Weise vertieft werden –, welcher Maßstab für die Möglichkeit der Kenntnisnahme hinsichtlich der Novellen zur Vertragsschablone greift. Im Zusammenhang mit § 864a ABGB wird festgehalten, dass die tatsächliche Kenntnisnahme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Vertragspartner nicht Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist (OGH7 Ob 18/83 VersE 1137; OGH1 Ob 1/00dEvBl 2001/49 = JBl 2001, 232). Einen ex lege nicht anzuwendenden KollV wird der AG (sofern keine direkte Information der AN erfolgt) zumindest wie einen normativ geltenden KollV im Betrieb auflegen müssen. Ob bei an sich nicht zur Anwendung gelangenden Gesetzen die Kundmachung von Gesetzesnovellen im BGBl, welches im RIS erscheint (Art 49 B-VG iVm dem BG über das BGBl 2004), genügt, kann nur im Einzelfall beantwortet werden, da es durchaus AN gibt, bei denen der AG nicht davon ausgehen kann, dass er sich im Wege des RIS Kenntnis vom Inhalt einer solchen Vertragsschablone verschafft (etwa AN ohne sinnvoll verfügbaren Internetzugang oder AN mit unzureichenden Deutschkenntnissen). Bei häufig novellierten Gesetzen (wie etwa dem VBG 1948) wird es uU auch an der nötigen Transparenz fehlen, dem AN wird nicht ohne weiteres klar sein, welche Bestimmungen dieses Gesetzes für ihn in welchem Zeitfenster gelten. Neben einer ständig bestehenden Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt wird eine individuelle Information über die erfolgte Novelle und deren Fundstelle zu fordern sein.
Der nach deutschem Vorbild geschaffene § 16 BPG (vgl § 5 Abs 2 BetrAVG) war bereits Gegenstand einer ausführlichen Untersuchung (Resch, Anrechnung der gesetzlichen Pension auf eine Leistung nach dem BPG, in FS Kerschner [2013] 435 ff). Als spezielle Facette behandelt der OGH, wie sich § 23 Abs 6 AngG und § 16 BPG zueinander verhalten. Der OGH stellt klar, dass § 23 Abs 6 AngG nicht unmittelbar anzuwenden ist, da die Abfertigung ungeschmälert gebührt. Es spricht auch nichts dagegen, dass im Rahmen der Vertragsfreiheit für eine direkte Leistungszusage vereinbart werden kann, dass diese erst nach Ablauf der Abfertigungszahlungen gebühren soll. Gem § 16 Abs 1 Satz 1 BPG wäre allerdings die Anrechnung von Versorgungsleistungen verboten, die auf Beiträgen des Leistungsberechtigten beruhen (also aus einer eigenständigen Beitragsleistung des Leistungsberechtigten herrühren – gedacht hat man da an Versorgungsleistungen, die der AN mit Eigenmitteln aufgebaut hat), was bei der Abfertigung nicht der Fall ist.