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Rechtzeitigkeit einer Entlassung bei Vertragsbediensteten

HELMUTZIEHENSACK (WIEN)
  1. Allein schon die Verfälschung von Urkunden durch das Einkopieren der Unterschrift des zweiten Zeichnungsberechtigten ist als Entlassungsgrund zu werten.

  2. Sowohl das mehrfach wiederholte Fingieren einer zweiten Unterschrift auf Vertragsurkunden, um bei weisungswidrigen Geschäftsabschlüssen das Vier-Augen-Prinzip zu umgehen, als auch die eigenmächtige Manipulation von Unterlagen zur Weitergabe an den Rechnungshof sind je für sich besonders schwere Dienstverfehlungen, die dem DG eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen.

  3. Ein Wegsehen des Vorgesetzten kann noch nicht der positiven Kenntnis und noch weniger der ausdrücklichen Genehmigung von konkreten Manipulationen gleichgesetzt werden.

  4. Die Verspätung der Entlassung kann nicht erfolgreich damit begründet werden, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Entlassenen deswegen schon früher vom Entlassungsgrund Kenntnis hatte, weil er das Verhalten pflichtwidrig gebilligt bzw gedeckt hat.

Die Kl, Vertragsbedienstete (VB) eines Bundeslandes in der Position einer Referatsleiterin, wurde am 7.12.2012 entlassen. Grund für die fristlose Beendigung des Dienstverhältnisses war, dass die Kl über einen längeren Zeitraum hindurch entgegen konkret bestehenden Weisungen und amtsinternen Vollmachten, die ein Vieraugen-Prinzip vorgaben, Unterschriften eines Mitarbeiters auf Originaldokumenten kopiert und Protokolle über Finanzbeiratssitzungen, die vom Bundesrechnungshof40 im Zuge einer Sonderprüfung angefordert wurden, zwecks Verschleierung allenfalls das Land belastender Fakten nachträglich verändert hatte.

Bereits ab Sommer 2012 waren gegen die Kl schwerwiegende Vorwürfe wegen weisungswidriger Geschäftsabschlüsse erhoben worden, infolgedessen wurde ihr am 17.7.2012 ein Teil der bisherigen Entscheidungskompetenzen entzogen.

Von den für die Entlassung maßgeblichen Urkundenmanipulationen hatten aber bis 5.12.2012 weder der vorgesetzte Abteilungsleiter der Kl, noch der Leiter der Personalabteilung, der oberste Dienstvorgesetzte, noch die politisch Ressortverantwortlichen Kenntnis.

Das Erstgericht wies die auf Feststellung des aufrechten Vertragsbedienstetenverhältnisses gerichtete Klage ab. Es beurteilte die innerhalb von zwei Tagen ab Information der zuständigen Personalverantwortlichen ausgesprochene Entlassung sowohl als rechtzeitig, weil bei einer juristischen Person des öffentlichen Bereichs eine etwas langwierigere Willensbildung vorgegeben sei, als auch als berechtigt, da die Kl das Vertrauen des DG verwirkt habe (§ 69 Abs 2 Z 2 Sbg L-VBG).

Das Berufungsgericht bestätigte diese E und sprach aus, dass die ordentliche Revision wegen lediglich einzelfallbezogener Rechtsfragen nicht zulässig sei. Inhaltlich billigte es die E des Erstgerichts sowohl hinsichtlich der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Entlassungsausspruchs als auch des Entlassungsgrundes. Bei Bediensteten mit größerer Vertrauensstellung sei generell ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen als bei DN mit untergeordneter Tätigkeit.

Sowohl das mehrfach wiederholte Fingieren einer zweiten Unterschrift auf Vertragsurkunden, um bei weisungswidrigen Geschäftsabschlüssen das Vieraugen- Prinzip zu umgehen, als auch die eigenmächtige Manipulation von Unterlagen zur Weitergabe an den Rechnungshof seien je für sich besonders schwere Dienstverfehlungen, die dem DG eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machten.

Das von der Kl in ihrer außerordentlichen Revision erstattete Vorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass Rsp des OGH zur Frage fehle, ob dem öffentlichrechtlichen DG das Wissen eines Abteilungsleiters über einen Entlassungsgrund (hier: die Veränderung der Finanzbeiratsprotokolle) zurechenbar sei, und ob das Zusammenkürzen von Protokollen überhaupt geeignet sei, eine Dienstpflichtverletzung zu begründen. Die Kl habe sich durch ihre Eigenmächtigkeiten zudem nicht persönlich bereichert. Bei der Entlassung von VB dürfe kein strengerer Maßstab angelegt werden als bei der Entlassung von Beamten.

Mit diesem Vorbringen wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargestellt.

1. Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilen. Der Grundsatz, dass Entlassungsgründe unverzüglich geltend zu machen sind, darf nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0031587). Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von VB können insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls, sachlich begründet sind (RIS-Justiz RS0029273). Von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen kommt der Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassungserklärung keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0031571 [T9]).

Die Revisionsbehauptung, die Veränderung der Finanzbeiratsprotokolle durch die Kl sei mit Kenntnis und Genehmigung des vorgesetzten Abteilungsleiters erfolgt, steht mit den Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht im Einklang. Ein Wegsehen des Vorgesetzten kann noch nicht der positiven Kenntnis und noch weniger der ausdrücklichen Genehmigung von konkreten Manipulationen gleichgesetzt werden.

Im Übrigen bedarf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Verspätung der Entlassung könne nicht erfolgreich damit begründet werden, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Entlassenen deswegen schon früher vom Entlassungsgrund Kenntnis hatte, weil er das Verhalten pflichtwidrig gebilligt bzw gedeckt hat, keiner Korrektur.

2. Soweit die Revision die Manipulation der Protokolle durch die Kl als unbedenkliche Herstellung üblicher Resümeeprotokolle darzustellen versucht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, der im Revisionsverfahren keiner Überprüfung mehr unterliegt.

3. Letztlich kommt es darauf auch nicht an, weil allein schon die Verfälschung von Urkunden durch das Einkopieren der Unterschrift des zweiten Zeichnungsberechtigten vom Berufungsgericht ohne im Einzelfall nach § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifenden Rechtsirrtum als Entlassungsgrund gewertet wurde.

Die Revisionsausführungen gehen auch in der Bewertung dieses Entlassungsgrundes von einem bloßen Wunschsachverhalt aus und entfernen sich von den bindenden Feststellungen, nach welchen keinerlei Einverständnis des betroffenen Mitarbeiters vorlag und das Motiv für die zahlreichen Manipulationen nicht nur in organisatorischen Notwendigkeiten, sondern in der Verschleierung weisungswidriger Geschäftsabschlüsse lag.

4. Es wäre für die Entscheidung weiters ohne Relevanz, ob die Unterschriftenmanipulationen, wären sie von einem Beamten gesetzt worden, nach dem Dienstrecht der Landesbeamten ebenfalls eine Entlassung rechtfertigen würden. Auf die diesbezügliche Rechtsauffassung der Kl ist schon deswegen inhaltlich nicht einzugehen, weil eine unterschiedliche Gestaltung des Dienstrechts der privatrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Bediensteten der Länder nicht dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht (VfGHG 134/92VfSlg 13.558).

ANMERKUNG

Im vorliegenden Fall waren von den Arbeitsgerichten und dann zuletzt vom OGH insb die folgenden beiden Fragen zu untersuchen: Liegt materiell-rechtlich ein Entlassungsgrund vor, wenn eine VB auf Vertragsurkunden eine zweite Unterschrift wiederholt fingiert (nämlich hineinkopiert ohne Zustimmung der Person, von welcher die Unterschrift stammen soll) und zudem eigenmächtig Unterlagen zur Weitergabe an den Rechnungshof manipuliert. Die zweite Frage, welche sich vorrangig stellte, betraf die Abklärung, ob die vom DG ausgesprochene Entlassung auch noch als rechtzeitig beurteilt werden kann. Bei der Frage der Rechtzeitigkeit handelt es sich ja um einen beliebten Punkt auf AN-Seite, um dadurch eventuell eine ausgesprochene41 Entlassung zu Fall zu bringen. Der Einwand der Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes, welcher im öffentlichen Dienstrecht sowohl für die Entlassung wie auch für die Kündigung gilt, zählt gerade zu den Paradeeinwendungen erfolgreicher DN-Vertretung. Beiden neuralgischen Punkten soll also nun in der nachfolgenden Analyse nachgegangen werden:

1.
Zivilprozessuales

§ 502 Abs 1 ZPO sieht vor, dass der OGH nur in Fällen des Vorliegens einer besonderen Rechtsfrage angerufen werden kann. Ausgestaltet als Schutz des Höchstgerichtes vor übermäßiger Inanspruchnahme führen diese Revisionsbestimmungen dazu, dass in vielen Fällen faktisch nur zwei Instanzen zur Verfügung stehen, nämlich die Eingangs- und die Berufungsinstanz. Diese Einschränkung musste vom Gesetzgeber vorgenommen werden, um den Justizgewährungsanspruch nicht zu gefährden. Bei übermäßiger Inanspruchnahmemöglichkeit des OGH wäre nämlich die Gefahr gegeben, dass dann hohe Rückstände bei der Aktenbearbeitung auftreten und Rechtssachen nicht mehr innerhalb angemessener Frist fertig judiziert werden könnten (im vorliegenden Fall etwa lag zwischen erst- und letztinstanzlicher Entscheidung bspw weniger als ein Jahr! Berufungs- wie auch Höchstgericht benötigten demnach insgesamt für ihr Verfahren und ihre Entscheidungsfällung nicht mehr als zwölf Monate, wenngleich die Zustellung der OGH-E noch etwas zusätzliche Zeit in Anspruch genommen haben wird). Arbeitsrechtssachen weisen aber insoweit einen Sonderstatus auf, als bei ihnen nicht nur in Rechtsstreitigkeiten von über € 30.000,– außerordentliche Revision erhoben werden kann, sondern auch bei darunter liegenden Streitwerten (§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO). Dies ist insoweit bemerkenswert, als es sonst gewöhnlich – also bei Streitwerten zwischen € 5.000,– und € 30.000,– eines Moniturverfahrens bedarf, also des Antrages an das Berufungsgericht, eine zunächst für unzulässig erklärte Revision nun doch zulassen zu wollen. Unterhalb von € 5.000,– besteht ohnedies keine Revisionszulässigkeit (absolut unzulässig nach § 502 Abs 2 ZPO), welche Bestimmung aber ebenfalls nicht für das arbeitsgerichtliche Verfahren gilt (§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO).

Diese Bestimmungen bedeuten aber noch nicht, dass es folglich einfach wäre, in Arbeitsrechtssachen den OGH anrufen zu können. Trotz der gegebenen Unabhängigkeit von der Einschätzung durch das Oberlandesgericht (keine Sperrwirkung durch die Unzulässigerklärung einer ordentlichen Revision) müsste dennoch der OGH überzeugt werden, dass eine derartige bedeutende Rechtsfrage mit österreichweiter Abklärungsnotwendigkeit iSd § 502 ZPO vorliegt. Je mehr es sich um einen Fall mit Schwerpunkten in der Sachverhaltserhebung handelt (Stichwort: Der OGH ist keine Tatsacheninstanz mehr; vgl bspw OGH 26.2.1991, 10 ObS 71/91 mwN) und keine Auswirkungen bzw Ausstrahlungen auf andere Fälle festgemacht werden können, desto eher wird davon auszugehen sein, dass eine Befassung des OGH nicht stattfinden kann.

Beide vom OGH zu beurteilenden Fragen, wie sie oben kurz dargelegt wurden, nämlich materielles Vorliegen eines Entlassungsgrundes wie auch Rechtzeitigkeit der Entlassung, wurden als bereits hinreichend deutlich durch die Rsp abgeklärt angesehen und daher die Revision als unzulässig zurückgewiesen.

2.
Materieller Entlassungsgrund

Im Fall wurde von den drei Instanzen einheitlich in den von DG-Seite behaupteten und nachgewiesenen Dienstpflichtverletzungen ein Entlassungsgrund gesehen. § 69 Salzburger Landes-VBG (Sbg LGBl 2000/4 idF 2014/49) regelt die Entlassung weitgehend wortgleich mit § 34 VBG (des Bundes). Die Unterschiede betreffen nur wenige alternative Formulierungen und Verweise auf andere Gesetzesstellen. Vorliegend ging es um die Beurteilung des Entlassungsgrundes nach § 69 Abs 2 Z 2 Sbg L-VBG, welcher § 34 Abs 2 lit b (Bundes-)VBG entspricht. Danach liegt ein Entlassungsgrund dann vor, „wenn sich der VB einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht oder einer Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen lässt oder wenn er sich in seiner dienstlichen Tätigkeit oder im Zusammenhang damit von dritten Personen Vorteile zuwenden lässt“.

Vorliegend ging es nicht um die Beurteilung von Fragen von Ehrverletzungen, wohl aber um besonders außergewöhnliche (nämlich im negativen Sinne) Dienstpflichtverletzungen. Das Verwirklichen strafrechtlicher Sachverhalte bewirkt zumeist das Vorliegen von Entlassungsgründen. Dabei kann es sich der DG aber regelmäßig nicht leisten, den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, da andernfalls eine Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes riskiert würde. Steht für den DG hinreichend klar fest, dass der VB gewisse Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat, so muss er rasch vorgehen. Besteht also hinsichtlich des Sachverhaltes ein vollständiger Informationsstand, darf die Personalstelle mit ihrer Entscheidungsfindung nicht weiter zuwarten, sondern hat zu entschließen, ob sie nun vom Bestehen eines Entlassungsgrundes ausgeht, in welchem Fall dann mit der Entlassung weiter vorzugehen wäre, oder aber nicht, in welchem Fall dann die Weiterbeschäftigung des DN zu erfolgen hätte, wenn auch möglicherweise mit einigen Auflagen (Erteilung einer Ermahnung, Versetzung, Entzug von Berechtigungen usw).

Im vorliegenden Fall ging es darum, dass eine Urkundenfälschung bzw genauer Verfälschung von der auf Fortbestand des Dienstverhältnisses klagenden DN zu verantworten war. Sie hatte die Unterschrift des zweiten Zeichnungsberechtigten in Urkunden hineinkopiert. Durch dieses mehrfach wiederholte Fingieren einer zweiten Unterschrift auf Vertragsurkunden hatte sie weisungswidrig Geschäftsabschlüsse getätigt und dabei das Vier-Augen-Prinzip umgangen. Darin sahen die Gerichte einhellig den beschriebenen Entlassungsgrund als verwirklicht an.

Gerade im öffentlichen Dienst wird an die Vertrauenswürdigkeit ein hoher Maßstab anzulegen sein. Wenn der VB selbst vor der Verwirklichung von Straftatbeständen nicht zurückschreckt, wird wohl von der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auszugehen sein. Das Funktionieren der Verwaltung ist nämlich an das bestehende Vertrauen in besonderem Ausmaß42 geknüpft. Regelmäßig lassen sich Verwaltungsaufgaben nur durch die Verarbeitung und Beurteilung von Urkunden durchführen. Hier müssen sich dann sämtliche Glieder der Verwaltung darauf verlassen können, dass nicht ein Kollege diese Urkunden manipuliert (zu vom DN gefälschten Zeugniskopien als Entlassungsgrund siehe ASG Wien 27.5.2009, 3 Cga 1/09a) und dadurch einem Verwaltungsverfahren oder sonst vorzunehmenden Schritten beim Aufgabenvollzug der Verwaltung eine völlig andere Richtung gibt. Insb würde dadurch das hierarchische Gefüge und die Verantwortung außer Funktion gesetzt. Jeder VB und auch die Hierarchie bis zu den höchsten politischen Funktionsträgern können grundsätzlich nur für jene Vorgänge verantwortlich gemacht werden, bei welchen ihnen der Sachverhalt bekannt war. Werden manipulierte Urkunden unterschoben, wird dadurch dem bzw den Vorgesetzten die Möglichkeit entzogen, den richtigen Sachverhalt zu beurteilen. Daher handelt es sich auch um eine besonders schwer wiegende Verletzung des Vertrauensverhältnisses. Der öffentliche Dienst muss „schwarze Schafe“ aus seinem Betrieb ausscheiden können, andernfalls wäre seine Funktionsfähigkeit bedroht. Aus diesen Überlegungen kann der Einschätzung der Arbeitsgerichte nur zugestimmt werden. Bei sämtlichen VB im öffentlichen Dienst, einerlei ob nun auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene und in welcher Einstufung (vom Akademiker bis zum Boten), wird die Verfälschung von Urkunden als schwer wiegende Vertrauensstörung zu qualifizieren sein, welche im Regelfall bei fristgerechter Anziehung die Entlassung ermöglicht.

Bei Entlassungsgründen kommt es naturgemäß auf das Gewicht der Dienstpflichtverletzung sowie die Auswirkungen an. Im vorliegenden Fall wurden in Medienberichten höchste Geldverluste kolportiert und hatten die befürchteten Verluste im Landesbudget sogar vorgezogene Landtagswahlen mit durchaus erheblichen Veränderungen im politischen Mandatsgefüge zur Folge. Insoweit konnte naturgemäß auch nicht mehr von bloß geringen Auswirkungen der Tathandlungen gesprochen werden. Die Einschätzung als materieller Entlassungsgrund erscheint daher nur folgerichtig und begegnet sohin keinen Zweifeln.

3.
Unverzüglichkeitsgrundsatz

Weiters war aber noch die Frage der allfälligen Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes (dazu etwa OGH9 ObA 112/97dArbSlg 11.645 mwN) zu beurteilen. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz bedeutet ein Handeln der zuständigen Personalstelle ohne unnötigen Aufschub, also innerhalb angemessener Frist. Der Beginn dieser angemessenen Frist setzt mit der Kenntnisnahme des Sachverhaltes, der die Entlassungsgründe liefert, durch die für den Entlassungsausspruch zuständigen Organe ein (OGH 31.8.1988 ArbSlg 10.779).

Bei der Kündigung gilt der Grundsatz, dass diese nicht verspätet sein kann, sofern sie ohnedies zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt nach dem den Kündigungsgrund verwirklichenden Sachverhalt ausgesprochen worden ist (LGZ Wien 27.11.1961, ArbSlg 7482). Eine derartige Regel scheitert bei der Entlassung, da es keine einzuhaltenden Entlassungsfristen und -termine gibt, zumal die wichtigen Gründe für die Beendigung des Dienstverhältnisses so schwer wiegen, dass es vom Vertragspartner zumutbarerweise nicht einen Tag länger fortgesetzt werden muss.

Der Rechtsstandpunkt des Kl im Verfahren wegen Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses trotz ausgesprochener Entlassung besteht häufig ua darin, dass die Bekl (nämlich der Bund als AG) nach Kenntnis von den erhobenen Vorwürfen nicht rasch genug die Entlassung ausgesprochen habe. Bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Entlassung durch das Gericht bedarf es der Berücksichtigung der nötigen Erhebungen zur Aufklärung der schwerwiegenden Vorwürfe sowie der notwendigen Einbindung der Personalvertretung gemäß den Bestimmungen des PVG.

Es können sachliche Gründe für die Verzögerung des Ausspruchs der Entlassung vorliegen, welche eine sonst verspätete Beendigungserklärung hinsichtlich der Rechtzeitigkeit (nicht aber natürlich bezüglich allfälliger anderer Mängel) sanieren (OGH9 ObA 112/97dArbSlg 11.645; OGH9 ObA 212/94ArbSlg 11.343; OGH4 Ob 58/82ArbSlg 10.140; OGH4 Ob 74/61SozM I D 301). Dies gilt insb, wenn dem DN mitgeteilt wird, dass die E über die Entlassung vorbehalten bleibt (OGH4 Ob 7/65ArbSlg 8047: Verzögerung von drei Wochen wurde gebilligt, da es sich beim DG um ein Bundesland handelte und über die Entlassung ein Kollegium zu entscheiden hatte). Bei juristischen Personen erfordert die Willensbildung über die Entlassung eines DN wegen des umfangreichen Verwaltungsapparates (entsprechend längerer Aktenlauf, weit verzweigte und komplizierte Zuständigkeiten) mehr Zeit als bei physischen Personen (OGH9 ObA 112/97dArbSlg 11.645; OGH4 Ob 58/82ArbSlg 10.140 =

). Durch Verzögerungen bewirkte Zeiträume in unterschiedlicher Länge zwischen Vorfall und Ausspruch der Entlassung wurden – naturgemäß abhängig von den zur Beurteilung anstehenden Einzelfällen – von der Judikatur akzeptiert: drei Wochen (für die Beschlussfassung über die Entlassung durch das Kollegium) und zwei Tage (für die Ausfertigung des vom Kollegialorgan gefassten Entlassungsbeschlusses; OGH4 Ob 7/65ArbSlg 8047). Zum beweglichen System bei der Beurteilung der Frage der Rechtzeitigkeit im Entlassungsrecht siehe Ziehensack, VBG Praxiskommentar§ 34 Rz 144 mwN.

Hier wurde – geschickt – von Klagsseite argumentiert, dass der unmittelbar Vorgesetzte der entlassenen VB früher vom Entlassungsgrund Kenntnis gehabt hätte und dies dem DG zuzurechnen gewesen wäre. Dieser Argumentation folgten die Arbeitsgerichte jedoch nicht. Dies erscheint deshalb zutreffend, da dann andernfalls in der Variante, dass zwei VB gemeinsam handeln, keiner von beiden entlassen werden könnte, wenn jeweils der andere (als Vorgesetzter oder Kollege) von den gemeinsamen oder getrennten Taten des anderen Kenntnis gehabt, diese aber im Betrieb nicht weitergeleitet hätte. Ein derartiges Ergebnis kann aber wohl nicht rechtens sein. Andernfalls würde nämlich die Konformitätsregel verletzt. Nach dieser gilt, dass sich eine Person, die rechtswidrig handelt, dadurch keine Vorteile verschaffen können soll, welche ihr bei Rechtskonformität verwehrt geblieben wären. Nun zählt es aber zu den Dienstpflichten jedes VB, über wahrgenommene Dienstpflichtverletzungen und Regelverstöße Mitteilung zu machen. Eine Unterlassung dieser Weitermeldung43 wird als rechtswidrig zu beurteilen seien. Eine derartige rechtswidrige Unterlassung soll nun einen VB nicht dazu im Ergebnis ermächtigen, gesetzte Entlassungsgründe selbst zu immunisieren.

Gleichzeitig bedarf es aber doch, dies zeitweilen zulasten des DG, der genauen Analyse, inwieweit nicht doch das Wissen von Vorgesetzten dem DG zugerechnet werden muss. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz würde nämlich sonst weitgehend entwertet, wenn das Wissen von Vorgesetzten um Sachverhalte, welche Kündigungs- oder Entlassungsgründe bewirken und später auch bei einer ausgesprochenen Kündigung oder Entlassung als solche herangezogen wurden, bekannt gewesen sind, dieses Bekanntsein dann aber nicht zulasten des DG durchschlagen würde. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz besteht ja gerade in der Wertung, dass bei Weiterbelassung des DN im Dienst ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund eben nicht mehr angezogen werden kann. Insoweit muss sehr wohl das Vorgesetztenverhalten dem DG zugerechnet werden.

Es stellt sich dann aber die Frage, auf welcher Stufe es zu dieser Wissenszurechnung kommt. Regelmäßig wird wohl davon auszugehen sein, dass nur das Wissen jener Organwalter zählt, welche auch zum Ausspruch der Kündigung oder Entlassung berechtigt sind. Darunter würde es den öffentlichen Dienst zu sehr belasten, da dann regelmäßig von einer Verletzung des Unverzüglichkeitgrundsatzes ausgegangen werden könnte. Das Wissen von ranggleichen Kollegen wird daher wohl noch nicht den Ausschlag geben können. Im Fall einer E des ASG Wien („Koksender Amtsarzt“ – ASG Wien 18.10.2013, 7 Cga 12/13d) konnten die Behauptungen des Kl nicht erwiesen werden, dass Kollegen und Vorgesetzte von seinem regelmäßigen Suchtgiftkonsum direkt oder indirekt, etwa durch Wissen „nur“ um die freiwillige Unterwerfung des Kl unter ein Entzugsprogramm („rehab“) gewusst hätten. Ebenso wird diese Einschätzung für die unmittelbaren Vorgesetzten – vgl OLG Linz 17.8.2010, 11 Ra 63/10d: keine Wissenszurechnung an Bund als AG bei Schuldirektor, welcher nicht zur Entlassung des Vertragslehrers befugt war, sondern nur der zuständige Landesschulrat 11 ff, Hervorhebungen vom Autor: „Der Ablauf von drei Wochen von der Kenntnisnahme des Schuldirektors der gegen den Kläger gerichteten Vorwürfe durch die E-Mail der betroffenen Schülerin an bis zur Abfertigung des Entlassungsschreibens durch das hiezu ermächtigte Organ des Bundesministeriums (20.11.2007 bis 11.12.2007) erweist sich daher insgesamt unter Berücksichtigung der dargestellten gesetzlichen und organisatorischen Zwänge als sachlich begründet und insbesondere unter Berücksichtigung der unverzüglichen Suspendierung des Klägers als unproblematisch, da auch eine allfällige Verzögerung dem Kläger unter den geschilderten Umständen keinen Grund zur Annahme bot, der DG würde auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes verzichten (vgl RIS-Justiz RS0029249).“ – gelten, wenn diese noch nicht zum Ausspruch der Kündigung oder Entlassung berechtigt sein sollten. Die dienstrechtliche Zuständigkeit hierzu wird nämlich regelmäßig nur auf der Ebene des Dienststellenleiters (bei nachgeordneten Dienststellen) bzw sogar nur des Zentralstellenleiters bestehen. Es handelt sich aber durchaus um einen gewissen Graubereich. Sofern eine oder mehrere Vorgesetzte gewisse Dienstpflichtverletzungen und Missstände über einen längeren Zeitraum nicht melden, mag auch hier eine Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes konstatiert werden können.

Zudem bedarf es bei der Frage der möglichen Verletzung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes auch der Berücksichtigung des Umstandes, dass es etwa nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz im Bundesbereich bei der Kündigung wie auch bei der Entlassung von VB der vorangegangenen Einbindung der Personalvertretung bedarf. Ohne eine solche wäre eine dennoch verfügte Kündigung oder Entlassung rechtsunwirksam (siehe dazu § 10 Abs 9 PVG). Die Zeiten, welche für die vom Gesetz vorgeschriebene Einbindung der Personalvertretung benötigt werden, können aber unmöglich dem Bund als beendigungsschädliche Verzögerung vorgeworfen werden.

Zusammenfassend ist also der E des arbeitsgerichtlichen (8.) Senates des OGH vollinhaltlich zuzustimmen.