KamberDie Änderungskündigung im Arbeitsvertragsrecht

Stämpfli Verlag, Bern 2014, 432 Seiten, broschiert, € 82,–

FRIEDRICHSTEINER (SALZBURG)

Das rechte Maß zwischen dem Bedürfnis der AG nach unternehmerischer Freiheit und weitgehender „Mobilität der132 Arbeitsverhältnisse“ und jenem der AN nach Beständigkeit und Sicherheit ihres Arbeitsplatzes zur Sicherung ihrer Existenz ist eines der essentiellsten Diskussionsfelder im Arbeitsrecht überhaupt. Hierbei geht es nicht ausschließlich um die Möglichkeit der (bedingungslosen) Beendigung von Arbeitsverträgen. Eine erhebliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch der Änderungskündigung zu, mit der (üblicherweise durch den/die AG) durch die Androhung der sonstigen Vertragsbeendigung eine einvernehmliche Änderung oder Neufestsetzung des Vertragsinhalts erzwungen werden soll. Marco Kamber behandelt damit im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die als Dissertation an der Universität Basel approbiert wurde, einen praktisch zeitlos relevanten Themenbereich aus der Perspektive des schweizerischen Arbeitsrechts. Dieses sieht ebenso wie das österreichische Recht keine speziellen Regelungen für Änderungskündigungen vor, was zahlreiche Rechtsfragen und Anwendungsprobleme in der Praxis nach sich zieht.

Sehr ausführlich umreißt der Autor zunächst die relevanten arbeitsrechtlichen Grundlagen und ermöglicht damit auch jenen LeserInnen, die nicht im Detail mit Spezifika des schweizerischen Arbeitsrechts vertraut sind, das Verständnis der nachfolgend bearbeiteten Problemstellungen. Die einleitenden rechtspolitischen Ausführungen über „das praktische Bedürfnis nach der Änderungskündigung“ lassen jedoch bereits erkennen, dass Kamber scheinbar jeder Beschränkung der Möglichkeit zur druckvollen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen skeptisch gegenübersteht und hier (vor allem aus volkswirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen [Rz 48 ff]) zur Zurückhaltung mahnt (Rz 72). Zum Teil ist diese Haltung wohl durch das generell sehr zurückhaltende schweizerische Kündigungsschutzrecht erklärbar, das zwar in Form des zeitlichen Kündigungsschutzes eine Kündigung zur Unzeit (etwa während einer Krankheit oder Schwangerschaft) verhindert, in Form des sachlichen Kündigungsschutzes gewisse Kündigungsmotive für unzulässig erklärt, dem aber etwa eine Möglichkeit, eine Kündigung wegen sozialer Gesichtspunkte abzuwenden, grundsätzlich fremd ist. Der Argumentation des Autors haftet in diesem Punkt aber doch bisweilen eine gewisse Einseitigkeit an.

Im Anschluss werden die verschiedenen Erscheinungsformen der Änderungskündigung erläutert. Kamber arbeitet in diesem Kapitel anhand von Unterscheidungsmerkmalen wie etwa der rechtlichen Verbindung von Änderungsangebot und Kündigungserklärung (mittels aufschiebender oder auflösender Bedingung oder einem Rücknahmeangebot), dem zeitlichen Zusammenhang der beiden Erklärungen, oder dem Umstand, ob es sich um eine ordentliche oder eine außerordentliche Beendigungserklärung handelt, ein Raster an möglichen Modellen heraus. Die hierdurch konstruierte Kategorisierung liegt sodann den gesamten nachfolgenden Erläuterungen zugrunde und erleichtert das präzise Erfassen der jeweils diskutierten Detailfragen, zumal sich ein marginaler Unterschied in der gewählten Form der Änderungskündigung durchaus auf die konkreten Rechtsfolgen auswirken kann. Kamber konstatiert allerdings auch, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Erscheinungsformen „in einen für Laien kaum verständlichen Detaillierungsgrad gehen“und plädiert dafür, Unterschiede in den Rechtsfolgen „im Rahmen des rechtlich Erlaubten möglichst zu vermeiden“(Rz 127 f).

Die folgenden Kapitel widmen sich verschiedensten Fragestellungen und Anwendungsschwierigkeiten, die bei Ausspruch einer Änderungskündigung entstehen können. Behandelt werden nicht nur grundlegende Fragen, bspw die genauen Rechtsfolgen der Annahme oder Ablehnung der Änderungsofferte oder die Bemessung der Annahmefrist. Immer wieder geht der Autor hierbei auch auf komplexe Spezialprobleme ein und unterzieht die bestehenden Ansichten in Lehre und Rsp einer mitunter ausgesprochen kritischen Würdigung. Zu überdenken sei nach Kamber etwa die Linie des Bundesgerichts, bei Änderungskündigungen mit zu kurzer Fristansetzung lediglich die Kündigung als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen, weil im Falle der Annahme damit keinerlei Folgen verbunden seien und auch der Druck zur raschen Entscheidung nicht gemindert würde. Die von der hL vorgenommene Gleichbehandlung mit einer außerordentlichen Änderungskündigung (dem schweizerischen Pendant zur Änderungsentlassung), für die dann aber ein wichtiger Grund vorzuliegen hätte, entbehre hingegen jeder gesetzlichen Grundlage. Stattdessen empfiehlt der Autor, in diesen Fällen den Rechtsmissbrauch auf die Fristsetzung selbst zu beziehen und diese durch eine angemessene Frist zu ersetzen (Rz 402 ff).

Der Schwerpunkt des Werkes liegt indessen beim Kündigungsschutz im Zusammenhang mit Änderungskündigungen, insb bei der Rsp des Bundesgerichts zum sachlichen Kündigungsschutz. Dieses hat in seiner Leitentscheidung BGE 123 III 246 Änderungskündigungen, mit denen eine unbillige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen erreicht werden soll, ohne dass betriebliche oder marktbedingte Gründe hierfür vorliegen, als missbräuchlich beurteilt. Ein solches Vorgehen sei mindestens so verwerflich wie die Kündigung eines/einer AN zur Verhinderung der Entstehung von Ansprüchen, die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig sind (ein im schweizerischen Recht ausdrücklich vorgesehener Missbrauchstatbestand). Kamber referiert die in der schweizerischen Rechtswissenschaft geäußerte Kritik an dieser Entscheidung und schließt sich dieser (teils mit beachtlichen eigenen Argumenten) an. Er weist etwa auf Umsetzungsschwierigkeiten der vom Gericht entwickelten Kriterien für die Beurteilung der Zulässigkeit hin und zeigt Wertungswidersprüche zu den sonstigen, im Gesetz ausdrücklich erwähnten Missbrauchstatbeständen auf. Inkonsistent sei es etwa, wenn die Rsp bei der Änderungskündigung eine sachliche (respektive wirtschaftliche) Rechtfertigung verlange, während grundsätzlich bloß vereinzelte verpönte Kündigungsmotive unzulässig wären. Den Zwang zur sachlichen Rechtfertigung kenne das Gesetz ansonsten nur in ausgewählten Konstellationen, etwa bei der Kündigung von gewählten VertreterInnen der Arbeitnehmerschaft; dieses höhere Schutzniveau habe aber eben jeweils besondere Hintergründe, die auf Änderungskündigungen regulärer AN nicht übertragbar seien.

Zuletzt geht Kamber noch auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen über Massenentlassungen auf Änderungskündigungen ein. Er schlägt in diesem Zusammenhang iS einer zweckorientieren Auslegung der Massenentlassungsvorschriften vor, erst dann von einer Massenentlassung auszugehen, wenn eine entsprechend große Zahl an AN das Angebot abgelehnt hat (Rz 868 ff). Der sich daraus ergebende Widerspruch zum Grundsatz, Änderungskündigungen stets als echte Kündigungen anzusehen und deshalb die einschlägigen Regelungen uneingeschränkt anzuwenden (Rz 46), wird freilich nicht restlos beseitigt.

Wenngleich der Autor also nicht mit jedem Lösungsvorschlag argumentativ vollends zu überzeugen vermag, hinterlässt das Werk einen überwiegend positiven Eindruck und wird dem im Vorwort angekündigten Vorhaben, bisher nicht befriedigend gelöste Probleme mit besonderem Augenmerk auf die Praxistauglichkeit zu behandeln, zweifellos gerecht. Eine Übertragbarkeit der erzielten Ergebnisse auf die österreichische Rechtslage erscheint im Hinblick auf die doch grundlegenden Unterschiede im Kündigungsschutzrecht weitestgehend nicht gegeben zu sein. Dennoch kann die Lektüre auch aus österreichischer Sicht lohnen, da die Arbeit einen detaillierten und aufgrund der ausführlich gehaltenen allgemeinen Kapitel gut verständlichen Einblick in das schweizerische Recht zur Änderungskündigung gewährt.