11Rückforderung von Unterstützungen zur Entgeltfortzahlung
Rückforderung von Unterstützungen zur Entgeltfortzahlung
Eine vom VfGH aufgehobene Verordnung gilt für die zuvor verwirklichten Sachverhalte, wenn nichts anderes ausgesprochen wurde.
Die vom VfGH teilweise aufgehobene Entgeltfortzahlungs- Zuschussverordnung (EF-ZV) (BGBl II 2005/64) lässt Raum für eine gleichzeitige Anwendung der Rückforderungskriterien des § 107 ASVG, soweit nicht gerade die gesetzwidrige Beschränkung der Rückforderungsfrist betroffen ist.
(D)er erkennende Senat (hat) erst jüngst festgehalten, dass auch ohne Erlassung eines Bescheids erbrachte Leistungen nur zurückgefordert werden können, wenn ein Rückforderungstatbestand nach § 107 Abs 1 ASVG erfüllt ist (10 ObS 160/13x mit Hinweis auf Gründler, Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialversicherung, ZAS 1980, 123). [...]
3. Fest steht mittlerweile aber auch die Gesetzwidrigkeit der vom ASVG abweichenden Regelung der EF-ZV (BGBl II 64/2005) über eine zweijährige Verjährungsfrist für die Rückforderung zu Unrecht gewährter Vorschüsse an DG aus Mitteln der UV:
Der VfGH hat dazu nämlich in seinem Erk vom 25.11.2013, V 17/2013, ausdrücklich ausgeführt, dass das vom antragstellenden Gericht (ASG Wien) relevierte Bedenken des Verstoßes gegen Art 18 B-VG aus folgenden Gründen zutrifft:
Nach der Bundesverfassung (Art 18 Abs 2 B-VG) sind Verordnungen „auf Grund der Gesetze“ zu erlassen. Das bedeutet, dass eine Verordnung bloß präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl etwa VfSlg 11.639/1988 mwN, VfSlg 14.895/1997).
§ 53b ASVG wurde mit BGBl I 155/2002 in das ASVG eingefügt und sah zunächst vor, dass den DG Zuschüsse aus Mitteln der UV zur teilweisen Vergütung des Aufwands für die Entgeltfortzahlung an DN nach Unfällen geleistet werden. Mit dem 3. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz (SVÄG) 2004, BGBl I 171/2004, erfolgte eine Erweiterung der Zuschussregelung bei Entgeltfortzahlung auch auf krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen. Zugleich wurden die Zuschüsse gem § 53b ASVG in den Leistungskatalog der UV (§ 173 Z 3 ASVG) aufgenommen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (RV 703 BlgNR 22. GP 14) ergibt, sollte durch die Zuschüsse gem § 53b ASVG nach Abschaffung des Entgeltfortzahlungsfonds auftretenden Problemen in Kleinbetrieben entgegengewirkt werden.
Der OGH hat bereits zur Rechtslage vor den Änderungen durch das 3. SVÄG, insb vor der ausdrücklichen Aufnahme der Zuschüsse gem § 53b ASVG in den Leistungskatalog des § 173 ASVG, mehrfach ausgesprochen, dass Streitigkeiten über Ansprüche97 auf Zuschüsse an die DG nach Entgeltfortzahlung iSd § 53b ASVG Leistungssachen nach § 354 ASVG sind und daher im Wege der sukzessiven Kompetenz den Arbeits- und Sozialgerichten zur Beurteilung zugewiesen sind (OGH 22.5.2006, 10 ObS 58/06m; 20.5.2009, 2 Ob 170/08a). Dabei hat der OGH (in Ablehnung der vereinzelt gebliebenen E des VwGH, VwSlg 16.534 A/2005, der aus Anlass der Behandlung einer derartigen Rechtssache offenbar implizit den Verwaltungsweg für zulässig erachtete) betont, dass es sich bei diesen Ansprüchen um Leistungsansprüche aus der UV nach dem ASVG handelt und dass dies mit der Ergänzung des § 173 ASVG durch das 3. SVÄG bloß klargestellt worden sei. Die im Verfahren vor dem VfGH in seiner Äußerung vertretene Auffassung des Bundesministers für Gesundheit, dass die Gewährung von Zuschüssen gem § 53b ASVG „nicht zu den Kernaufgaben der Unfallversicherung“ zähle und dass es sich nicht um eine Leistung an den in der UV versicherten Personenkreis der DN handle, geht an dieser nunmehr klaren Rechtslage vorbei.
Da auch die Rückforderung von Versicherungsleistungen gem § 107 ASVG gem § 354 Z 2 ASVG iVm § 65 Abs 1 Z 2 ASGG eine Leistungssache ist, kann § 107 ASVG nur dahin ausgelegt werden, dass der im Einleitungssatz dieser Bestimmung verwendete Begriff der (zu Unrecht erbrachten) Geldleistungen eine Teilmenge des in § 354 Z 1 und Z 2 ASVG verwendeten Begriffs der Versicherungsleistungen ist, wobei letzterer Begriff auch die Sachleistungen mitumfasst. Daher richtet sich die Rückforderung einer Geldleistung der UV iSd § 53b ASVG, hinsichtlich derer weder in der letztgenannten Bestimmung noch sonst im ASVG eine Sonderregelung enthalten ist, nach § 107 ASVG
. [...]
Nach § 107 Abs 2 lit b ASVG verjährt das Recht auf Rückforderung binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist. Da weder § 53b ASVG noch sonst eine Bestimmung den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, von § 107 ASVG abweichende Regelungen zu treffen, erweist sich § 6 der EF-ZV, der die Verjährungsfrist auf zwei Jahre beschränkt, wegen Verstoßes gegen § 107 Abs 2 lit b ASVG als gesetzwidrig.
3.1. Demgemäß wurde der 2. Satz des § 6 EF-ZV aufgehoben und der Bundesminister für Gesundheit zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im BGBl II verpflichtet (Erk des VfGH 25.11.2013, V 17/2013). Die Kundmachung der Aufhebung erfolgte mit dem am 15.1.2014 ausgegebenen BGBl II 6/2014.
4. Wird – wie hier – vom VfGH eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben, sind nach Art 139 Abs 6 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des VfGH gebunden (10 Ob 31/12z). Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der VfGH nicht in seinem aufhebenden Erk anderes ausspricht. Hat der VfGH in seinem aufhebenden Erk eine Frist gem Art 139 Abs 5 B-VG gesetzt, so ist die Verordnung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalls anzuwenden.
5. Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass der vom VfGH aufgehobene 2. Satz des § 6 EF-ZV auf den vorliegenden Rechtsstreit weiterhin anzuwenden ist, weil sich der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor dem Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung konkretisiert hat und es sich beim vorliegenden Rechtsstreit auch nicht um einen Anlassfall iSd zitierten Gesetzesbestimmung handelt (10 Ob 31/12z mwN; RIS-Justiz RS0054186).
5.1. Die hier (noch) maßgebende Norm des § 6 EF-ZV (idF BGBl II 64/2005) legt Folgendes fest:
„Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau haben zu Unrecht geleistete Zuschüsse vom Dienstgeber/ von der Dienstgeberin zurückzufordern. Das Recht auf Rückforderung verjährt binnen zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass der Zuschuss zu Unrecht geleistet wurde. Der Versicherungsträger kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insb in Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstgebers/der Dienstgeberin, auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichten oder die Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Zuschusses in Teilbeträgen zulassen.“
5.1.1. Daran, dass diese Bestimmung – anders als die Rückforderungstatbestände des § 107 Abs 1 ASVG – einen dem Leistungsempfänger anzulastenden subjektiven Vorwurf nicht (ausdrücklich) vorsieht, jedoch die Verjährungsfrist auf zwei Jahre (statt drei Jahren gem § 107 Abs 2 lit b ASVG) nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass die Leistung zu Unrecht erbracht wurde, verkürzt, besteht nach dem Wortlaut kein Zweifel: Nachdem der zuständige Unfallversicherungsträger Kenntnis davon erlangt hat, dass er zu Unrecht geleistet hat, hat er zwei Jahre Zeit, die Rückforderung geltend zu machen; danach ist der Anspruch verjährt (Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 [355]).
5.1.2. Da insoweit die – in dritter Instanz nicht mehr angreifbaren – Feststellungen zugrunde zu legen sind (wonach dem Versicherungsträger frühestens am 5.10.2010 bekannt wurde, dass er hinsichtlich der Kl zu Unrecht Zuschüsse nach § 53b ASVG geleistet hatte), erfolgte die Rückforderung mit Bescheid vom 12.9.2012 aber ohnehin innerhalb der Zweijahresfrist des § 6 EF-ZV.
5.2. Zu Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass nach § 6 EF-ZV die Bestimmung des § 107 ASVG jedenfalls unanwendbar wäre; dem gegenteiligen Standpunkt der Kl, es sei eine verfassungskonforme Interpretation der EF-ZV dahin geboten, dass § 107 ASVG auch im Verfahren nach § 53b ASVG anzuwenden sei, kommt nämlich im Ergebnis Berechtigung zu:
5.2.1. Auch der VfGH hält zu dieser Frage im Erk vom 25.11.2013, V 17/2013, bereits ausdrücklich fest, dass „das weitere, ohne einen gesonderten Aufhebungsantrag vorgebrachte Bedenken, die verordnungsgebende Bundesministerin hätte in die Verordnung auch die subjektiven Merkmale der Rückforderung (ersichtlich gemeint: des § 107 Abs 1 ASVG) ergänzend aufnehmen müssen, nicht erkennen lässt, durch welche Bestimmung der Verordnung sich das antragstellende Gericht an der unmittelbaren Anwendung der subjektiven Voraussetzungen des § 107 Abs 1 ASVG gehindert sieht, soweit es diese für geboten erachtet“
.98
5.3. Der erkennende Senat sieht ebenfalls kein Hindernis für die unmittelbare Anwendbarkeit der subjektiven Voraussetzungen des § 107 Abs 1 ASVG auch in Verfahren nach § 53b ASVG:
5.3.1. Nach dem Anwendungsbereich des § 107 ASVG kommen für die Rückforderung nämlich alle Geldleistungen in Betracht; wobei diese Bestimmung zB auf Rückforderungen nach dem KBGG [nur] deshalb keine Anwendung findet, weil das KBGG in § 31 eine eigene Rückforderungsbestimmung enthält (10 ObS 25/10i, SSV-NF 24/14; Fellinger in SV-Komm, § 107 ASVG Rz 3; Atria in
5.3.2. Gerade das ist hier jedoch nicht der Fall, weil eine solche in § 53b ASVG fehlt. Daher richtet sich auch die Rückforderung einer Geldleistung der UV gem § 53b ASVG (Zuschuss nach Entgeltfortzahlung), hinsichtlich derer weder in der genannten Bestimmung noch sonst im ASVG eine Sonderregelung (bzw eine Ermächtigung, von § 107 ASVG abweichende Regelungen zu treffen) enthalten ist, nach § 107 ASVG (VfGH vom 25.11.2013, V 17/2013).
5.4. Unter Zugrundelegung der in zweiter Instanz gebilligten, vom erkennenden Senat jedoch nicht geteilten Ansicht zur Unanwendbarkeit des § 107 ASVG hat das Erstgericht keine Feststellungen zu dem – von der Kl bereits in erster Instanz erstatteten – Vorbringen hinsichtlich der in Abs 1 und Abs 2 lit a der genannten Bestimmung normierten subjektiven Voraussetzungen einer Rückforderung getroffen. Dieser Umstand erfordert die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen im bekämpften Umfang und die Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung. Im fortzusetzenden Verfahren wird die dargelegte Rechtsansicht mit den Parteien zu erörtern und über die allein strittig verbliebene Rückersatzverpflichtung der Kl neuerlich zu entscheiden sein.
Interessant ist an dieser E wie so oft mehr das, was nicht darin steht. Die Ausführungen des OGH sind, soweit sie die Anwendbarkeit der zum Teil aufgehobenen Verordnung und die dennoch gegebene Anwendbarkeit der Kriterien des § 107 ASVG betreffen, keineswegs zu beanstanden. Insb erfolgt die Qualifikation der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung nach § 53b iVm § 173 ASVG als Leistungssachen iSd § 354 ASVG de lege lata zu Recht: Nicht die Zuständigkeit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) nach § 28, sondern die Berechtigung des Anspruchs steht in Frage, weshalb die Ausnahme in § 354 Z 1 ASVG nicht anwendbar ist. Allerdings fragt man sich, warum der OGH keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 53b ASVG erhoben hat, zumal die zitierte Äußerung des Gesundheitsministers genau auf den wunden Punkt der Bestimmung verweist:
Die Entgeltfortzahlung ist kein Instrument des Sozialversicherungsrechts. Sie wurde im Gegenteil zur Entlastung der Systeme der sozialen Versicherung geschaffen. Die Entgeltfortzahlung ist primär eine dem jeweiligen AG abverlangte Leistung aus dem Dienstverhältnis und institutionell außerhalb des Systems der Sozialversicherungsträger in einem eigenständigen Fonds organisiert, der grundsätzlich weder an den Beiträgen aus der SV Anteil hat, noch Leistungen der SV gewährt. Ihrer Natur nach ist die Entgeltfortzahlung auch kein sozialversicherungsfähiges Risiko. SV iSd Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG ist auch bei großzügigem Raum für intrasystematische Fortentwicklung die Absicherung der jeweils Betroffenen gegen die Risiken des Unfalls und der (Berufs-) Krankheit, der Arbeitslosigkeit und der altersbedingten Arbeitsunfähigkeit. Das gewöhnliche – rechtliche und nicht tatsächliche – Risiko des AG, im Rahmen seiner Fürsorgepflicht womöglich für einen erkrankten DN Entgelt weiter zahlen zu müssen, fällt in keine der im Versteinerungsmaterial vorzufindenden Sparten der sozialen Versicherung. Dies auch dann nicht, wenn man die B-VG-Novelle 1974 als Versteinerungszeitpunkt annimmt: Die hier in Rede stehenden Regelungen sind erst ein Vierteljahrhundert danach erlassen worden. Die Regelung ihrer Finanzierung dürfte daher keinesfalls „Sozialversicherung“ iSd Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG sein (dementsprechend große Schwierigkeiten hat das Schrifttum auch mit der Einordung der §§ 53b, 172 f ASVG; vgl Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung,DRdA 2006, 351, 360; Melzer-Azodanloo, Rückkehr zum Erstattungsfondssystem über Umwege?ASoK 2005, 62: Es handelt sich weder um einen Versicherungs- noch um einen Versorgungsfall; der Zuschuss ist ein systemfremdes Element, das in die UV nur mit der Anordnungsgewalt des Gesetzgebers eingeordnet werden konnte).
Allerdings lässt sich § 53b ASVG möglicherweise auf den Kompetenztatbestand des „Arbeitsrecht(s)“ in Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG stützen. Diesfalls wäre der Bund zu ihrer Erlassung zuständig; Schwierigkeiten treten dann allerdings auf der Vollzugsebene auf, weil das Arbeitsrecht in Art 102 Abs 2 B-VG nicht genannt ist und die beteiligten Sozialversicherungsträger hier mangels Zuordnung zum übertragenen im eigenen Wirkungsbereich tätig werden dürften, was auf der Grundlage des Kompetenztatbestandes „Arbeitsrecht“ unzulässig erscheint:
Mangels ausdrücklicher Zuordnung zum übertragenen vollzieht die AUVA diese Bestimmung im eigenen Wirkungsbereich (Art 120b Abs 2 B-VG). Dafür dürfte aber der Kompetenztatbestand „Arbeitsrecht“, keine taugliche Grundlage sein. Denn die Administration arbeitsrechtlicher Regelungen liegt keineswegs im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in diesem Sozialversicherungsträger zusammengefassten Risikogemeinschaft (Art 120a Abs 1 B-VG). Dies ergibt sich im Allgemeinen schon aus dem im kompetenzrechtlichen Sinne verstandenen sozialversicherungsrechtlichen Aufgabenkreis dieses Trägers der sozialen Versicherung. Aus den gleichen Gründen, aus denen die Entgeltfortzahlung nicht zum „Sozialversicherungsrecht“ gehört, gehört sie eben auch nicht zur sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung. Konkret wird dies daran deutlich, dass der AUVA auch jene DG angehören, die mehr als die in § 53b Abs 2 ASVG vorausgesetzten 5199 DN beschäftigen. Sie hat daher eine Risikogemeinschaft zu vertreten, die als solche – nämlich in ihrer konkreten Verfasstheit als Summe aller unfallversicherten DN und der diese beschäftigenden DG – weder an der Entgeltfortzahlung noch an einem Ausgleich dafür ein ausschließliches oder überwiegendes Interesse hätte (die Abgrenzung des Personenkreises, der nach Art 120a B-VG zur Verfolgung gemeinsamer ausschließlicher oder überwiegender Interessen zusammengefasst werden darf, muss so sein, dass diese Interessen alle Mitglieder des Selbstverwaltungskörpers verbinden und von allen anderen Personen unterscheiden).
Hinzu tritt, dass das „Arbeitsrecht“ nicht nach Art 102 Abs 2 B-VG in unmittelbarer Bundesverwaltung und daher direkt durch den bzw die Bundesminister vollzogen werden darf, der bzw die über Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis nach § 413 ASVG zur Entscheidung berufen sind (M. Höllbacher, Unmittelbare Bundesverwaltung [2013] 27 ff).
Denkbar wäre allenfalls eine Zuständigkeit der Sozialversicherungsträger im übertragenen Wirkungsbereich. Eine solche ist aber erstens eben nicht – wie es Art 120b Abs 2 B-VG verlangt – ausdrücklich angeordnet; sie vertrüge sich zweitens wiederum nicht damit, dass hier über die Mittel des betroffenen Trägers der SV, also der AUVA, verfügt wird, was wiederum in deren wirtschaftliche Selbstverwaltung nach Art 120c Abs 2 und 3 B-VG eingreift, wenn und soweit es nicht der Verfolgung der jeweils ausschließlichen oder überwiegenden Interessen der in diesen Sozialversicherungsträgern zusammengefassten Personen dient.
Wie man es auch dreht und wendet: Die Heranziehung der AUVA zum Ersatz arbeitsrechtlicher DG-Aufwendungen passt nicht in das System der SV und ihrer Selbstverwaltung. Sie kann weder dem eigenen noch dem übertragenen Wirkungsbereich der AUVA verfassungskonform zugeordnet werden und verletzt schon deshalb die Art 120a ff B-VG.
Selbst wenn man sich aber auf den Standpunkt stellte, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei stünde, einen Selbstverwaltungskörper, hier also einen Sozialversicherungsträger (die AUVA) mit Aufgaben zu belasten, die nicht zum Kreis ihrer unmittelbaren, ausschließlichen oder überwiegenden Interessen gehören, wäre damit für § 53b ASVG noch nichts gewonnen: Denn Art 120c Abs 2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber dazu, zuallererst die sparsame und wirtschaftliche Erfüllung der (ureigenen, dem ausschließlichen oder überwiegenden Interesse entspringenden) Aufgaben der Sozialversicherungsträger sicherzustellen. Das kann er entweder durch erhöhte Mittelzuweisungen oder durch moderate Aufgabenzuweisungen, jedenfalls aber muss er dies durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aufgaben und Mitteln bewerkstelligen (noch vor der Erlassung der Art 120a ff B-VG mit gleichheitsrechtlichen Argumenten VfGH 1986/VfSlg 11.013; ausführlich nunmehr Stolzlechner, Art 120c B-VG, in
Aus den gleichen Gründen ist § 53b ASVG auch mit dem Gleichheitssatz der Art 2 StGG, Art 7 B-VG nicht zu vereinbaren: Die AUVA ist keine Interessenvertretung aller Selbständigen, aller Unternehmer oder Wirtschaftstreibenden wie die Wirtschaftskammer. Die in ihr zusammengefassten Personen – im Wesentlichen einesteils die unfallversicherten DN, anderenteils ihre dazu beitragspflichtigen DG – verfolgen in ihr ausschließlich oder überwiegend Interessen der sozialen Versicherung jener Risiken, die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis resultieren. Wenn der Gesetzgeber – etwa im Rahmen des Abgabenrechts – das Ziel verfolgen möchte, eine Teilgruppe dieser Risikogemeinschaft zu unterstützen, dann ist ihm dies selbstverständlich im Rahmen der sonstigen Sachlichkeit und des Beihilfenrechts der Europäischen Union – unbenommen (fraglich wäre dann allenfalls die Gleichbehandlung aller Unternehmen mit der erwähnten DN-Zahl, also auch jener, die von Gebietskörperschaften oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden, deren Insolvenzrisiko vernachlässigbar ist). Die AUVA ist dafür aber nicht der richtige Ort. Es gibt angesichts ihrer Zusammensetzung keinen vernünftigen, keinen sachlichen Grund dafür, mit ihren Mitteln gerade die Klein- und Mittelbetriebe mit weniger als 51 DN zu unterstützen und damit einerseits von allen AG eingehobene Beiträge zu jenen AG umzuverteilen, die weniger als 51 DN beschäftigen, andererseits aber auch der UV der DN Mittel zu entziehen und solcherart mittelbar die DN zur Finanzierung ihrer eigenen Entgeltfortzahlung heranzuziehen. Der Regelung des § 53b ASVG mangelt es daher an jeglicher sachlicher Rechtfertigung; sie widerspricht dem Gleichheitssatz und ist auch aus diesem Grund verfassungswidrig.100