13

Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot sowie Mandatsschutzklausel zu Unrecht ignoriert

BARBARATROST (LINZ)
  1. Der AG ist nicht nur berechtigt, sich und seine Angehörigen oder die leitenden Angestellten und Organwalter vor groben Ehrenbeleidigungen zu schützen. Er ist auch verpflichtet, insoweit für ein angemessenes Verhalten zwischen den AN Sorge zu tragen. Dem kann aber nicht nur durch Entlassung, sondern auch durch die Möglichkeit, das pflichtwidrige Verhalten des Betriebsratsmitgliedes als beharrliche Pflichtverletzung iS eines Kündigungsgrundes nach § 121 Z 3 ArbVG zu prüfen, Rechnung getragen werden.

  2. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den AG auch dazu, die notwendigen Maßnahmen gegen das Betriebsklima beeinträchtigende Mitarbeiter zu ergreifen, wenn deren Verhalten so weit geht, dass die Arbeitsbedingungen für andere AN nahezu unzumutbar werden. Wenn dem AG Gefährdungen zur Kenntnis gelangen, hat er unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen. Daraus ergibt sich auch, dass ein gegen die Abhilfemaßnahmen verstoßendes Verhalten des andere AN beeinträchtigenden AN als Verletzung von Dienstpflichten anzusehen ist, die bewirken, dass die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin dem AG – auch wegen dessen Haftungsrisikos – nicht mehr zugemutet werden kann.

  3. Der Bekl hat die Gehaltsdaten des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden unzulässig verbreitet. Diese haben dann auch ihren Weg in die öffentliche Diskussion gefunden. Weiters hat der Bekl nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens gegenüber 25 bis 30 leitenden Angestellten andere Betriebsratsmitglieder dadurch herabgewürdigt, dass er ihre Vorgehensweise ihm gegenüber mit „Stasi-Methoden“ gleichsetzte. Dieses Vorgehen ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen ist, ebenfalls zu berücksichtigen, auch wenn es erst nach Einleitung des Verfahrens gesetzt wurde. Insgesamt ist dieses Verhalten als beharrliche Pflichtverletzung iSd § 121 Z 3 ArbVG zu qualifizieren und macht es notwendig, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen.

[...] Der seit 1974 bei der Kl als Metallarbeiter beschäftigte Bekl ist seit November 1986 Mitglied des Arbeiterbetriebsrats, ab 2000 stellvertretender Betriebsratsvorsitzender sowie ab April 2008 (vgl 12 Ra 33/11) bis 22.12.2009 Betriebsratsvorsitzender.

Im März 2010 brachte die Kl erstmals eine Klage auf Zustimmung zur Entlassung des seither dienstfreigestellten Bekl ein. Diese Klage, die primär auf sein Verhalten und seine Äußerungen gegenüber einer Betriebsratssekretärin gestützt wurde („Dich zwinge ich auch noch in die Knie“; sie solle sich „schleichn/putzn“), wurde abgewiesen. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Kl wurde vom OGH mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Verhalten und die Äußerungen des Bekl im Gesamtzusammenhang zu sehen seien. Das Verhalten des Bekl sei von der Sekretärin insofern provoziert worden, als diese ihn in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender nicht als Chef akzeptiert habe, illoyal gewesen sei und Gesprächsversuche abgeblockt habe, während der Bekl gesprächsbereit gewesen sei (9 ObA 121/11a).

Anfang des Jahres 2011 kam es zu Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans. Das Verhandlungsteam bestand aus zwei Vertretern der Kl, dem104 Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden und dem Arbeiterbetriebsratsvorsitzenden. In einer Verhandlungsversion der BV von Anfang März 2011 wurde im Zusammenhang mit der Bemessung des dem Sozialplan zugrunde zu legenden Monatsbruttolohns nicht klar festgehalten, ob ein als „Kompetenzlevel“ bezeichneter Lohnbestandteil erfasst sein soll. Der Bekl, der nicht Mitglied des Verhandlungsteams war, sah den Entwurf des Sozialplans und holte darüber Informationen beim Betriebsratsvorsitzenden und beim Leiter der Personalabteilung ein. Dabei erfuhr er, dass dieser Lohnbestandteil nicht Teil der Berechnungsgrundlage sein sollte. Daraufhin wandte er sich an eine Gewerkschaftssekretärin, um ihre Meinung zu hören, ob dieser Lohnbestandteil als „Zulage“ nicht erfasst sein sollte. Diese vertrat die Meinung, dass dies nicht klar sei, dass aber die Nichterfassung eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeiter und Angestellten bewirken würde. Daraufhin schrieb der Bekl am 22.3.2011 E-Mails an den Generaldirektor der Kl sowie an den Konzernbetriebsratsvorsitzenden, in denen er sich für die Einbeziehung dieses Lohnbestandteils einsetzte. Dabei wies der Bekl auch darauf hin, dass er es als äußerst ungerecht empfinde, dass ein ehemaliger Konzernbetriebsratsvorsitzender 2009 für den Kauf seines Dienstwagens eine freiwillige Abfertigung in Höhe von 18.000 € erhalten habe, nun aber bei den betroffenen Mitarbeitern dieser Lohnbestandteil nicht in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden solle. Diesen E-Mails fügte der Bekl einen Auszug aus dem Lohnkonto des früheren Arbeiter- und Konzernbetriebsratsvorsitzenden an, aus dem sich die Zusatzzahlung ergab. Der Bekl sah in diesem Auszug aus dem Lohnkonto ein Druckmittel. Es ging ihm dabei nicht darum, im Unternehmen der Kl Unruhe zu stiften oder dessen Ansehen zu schaden. Eine entsprechende Mail samt dem genannten Auszug aus dem Lohnkonto sendete der Bekl auch noch an den Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden.

Der Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrats ist befugt, in die Lohnkonten der Arbeiter, nicht jedoch in jene der Angestellten, Einsicht zu nehmen.

In früheren Jahren war der Bekl auch einmal Mitglied der Datenschutzkommission der Kl gewesen.

Nachdem Anfang April 2011 über Veranlassung einer Fraktion der BR aufgelöst worden war, wurde der Bekl von Mitarbeitern der Feuerverzinkungsanlage ersucht, sie über ein geplantes neues Arbeitszeitmodell zu informieren. Am 26.4.2011 kam der Bekl in die Feuerverzinkungsanlage, wobei er mit Helm, Arbeitsmantel und Sicherheitsschuhen bekleidet war. Er meldete sich beim Meister der Abteilung an, unterzog sich aber keiner Sicherheitsunterweisung. Zu dieser Zeit begannen andere Betriebsratsmitglieder der Fraktion, die die Auflösung des BR veranlasst hatten, mit der Abstimmung über das neue Arbeitszeitmodell. Sie forderten den Bekl auf, die Anlage zu verlassen, da er sich keiner Sicherheitsunterweisung unterzogen habe. Nachdem sich der Bekl weigerte, informierten die Betriebsratsmitglieder die Hauptwache, worauf der Bekl vom Werkschutz angewiesen wurde, sich einer Sicherheitsunterweisung zu unterziehen, was er jedoch ablehnte und den Bereich verließ. Schon im Vorfeld hatten sich Mitglieder der genannten Fraktion dagegen ausgesprochen, dass andere Betriebsratsmitglieder den Bereich betreten dürfen.

Grundsätzlich müssen im Betrieb der Bekl [richtig: Kl] nach den Sicherheitsinstruktionen betriebsfremde Personen im betroffenen Bereich aus Sicherheitsgründen an- und abgemeldet werden. Dies ist auch schriftlich zu dokumentieren. Ohne persönliche Schutzausrüstung und ohne notwendige Sicherheitsunterweisung dürfen sie die Anlage nicht betreten. In weiterer Folge wurde die Anordnung jedoch dahin geändert, dass sich Betriebsräte dann, wenn sie eine entsprechende Schutzkleidung tragen und sich auf dem Sicherheitsweg befinden, nicht mehr anmelden müssen, außer sie begeben sich in den Sicherheitsgefährdungsbereich.

Am darauffolgenden Tag, dem 27.4., sendete der Bekl eine E-Mail an den Generaldirektor der Kl und an etwa 25 bis 30 führungsverantwortliche Mitarbeiter der Kl und sprach sich dagegen aus, dass er sich anmelden und einer Sicherheitsbelehrung unterziehen müsse. Nach 37 Jahren als Mitarbeiter der Kl wisse er, wie er sich verhalten müsse; er sei aber bereit, eine einmalige Sicherheitsbelehrung für den gesamten Bereich zu machen und zuzusichern, dass er sich nur in den Steuerständen und auf den Wegen zu diesen aufhalte. Im Hinblick auf seine Tätigkeit als BR müsse er sich aber keiner Extra-Sicherheitsschulung unterziehen. Das Verhalten der Betriebsräte ihm gegenüber verglich er mit „Stasi-Methoden“.

Am 25.3.2011 brachte die Kl die vorliegende Klage auf Zustimmung zur Entlassung, in eventu zur Kündigung, ein.

Bereits am darauffolgenden Tag erschien in einer Zeitung ein Artikel über die neue Klage der Kl. Etwa zwei Wochen später wurde auf der Homepage einer politischen Partei die allfällige Bereicherung des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden mit Abfertigungszahlungen in den Raum gestellt. Wenngleich der Bekl punktuell mit einer der betroffenen politischen Partei nahestehenden Betriebsratsliste zusammenarbeitet, hatte er weder dieser Partei noch der genannten Zeitung Informationen über die Vorkommnisse zukommen lassen, sondern nur in Betriebsratssitzungen darüber diskutiert. Abgemahnt oder verwarnt wurde der Bekl nicht.

Ihre Klage auf Zustimmung zur Entlassung des Kl [richtig: Bekl] stützt die Kl darauf, dass der Bekl durch die Versendung der E-Mails am 22.3. (Kontodaten des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden) das Datengeheimnis gem § 15 DSG verletzt habe. Die unberechtigten Vorwürfe des Bekl schadeten dem Ansehen des Unternehmens und stifteten in der Belegschaft Unruhe. Außerdem habe der Bekl Schutzvorschriften unterlaufen und unzumutbare Unterstellungen geäußert. Die negativen Zeitungsberichte seien auch auf den Bekl zurückzuführen. Es liege eine Verletzung der Betriebsund Geschäftsgeheimnisse und eine beharrliche Pflichtverletzung vor. Die Weiterbeschäftigung des Bekl sei der Kl nicht mehr zumutbar.

Der Bekl beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass er seine E-Mails in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied versendet habe. Es sei um die Durchsetzung vertretungspolitischer Anliegen gegangen. Auch sei er nie abgemahnt worden.

Das Erstgericht wies das Klagehaupt- und das Eventualbegehren ab. Der Kl sei der Nachweis, dass der Bekl Informationen an Medien und politische Fraktionen105 weitergegeben habe, nicht gelungen. Die Weitergabe der Daten aus dem Lohnkonto sei nur an Personen erfolgt, die davon Kenntnis oder Zugang zu ihnen gehabt hätten. Die Äußerungen in den E-Mails seien nicht als erhebliche Ehrverletzungen, sondern als Äußerungen des BR im Interesse der AN zu verstehen. Es liege daher weder der Entlassungsgrund der Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen noch jener der Untreue oder jener der Ehrverletzung vor. Das Hauptbegehren sei daher nicht berechtigt. Auch das Eventualbegehren sei abzuweisen: Der Kündigungsgrund der beharrlichen Pflichtverletzung sei nicht verwirklicht, weil die behauptete Weitergabe von Informationen an die Medien nicht festgestellt worden sei, die dem Bekl angelasteten Äußerungen nicht ehrverletzend seien und auch keine unbefugte Weitergabe von Daten festgestellt habe werden können. Vor allem sei der Bekl nie abgemahnt oder verwarnt worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge und änderte das Urteil dahin ab, dass es der Entlassung des Bekl die Zustimmung erteilte. Es ging ebenfalls davon aus, dass dem Bekl Untreue im Dienst iSd § 122 Abs 1 Z 3 ArbVG nicht anzulasten sei. Die Übermittlung der E-Mail vom 22.3.2011 mit dem Auszug aus dem Lohnkonto an den Generaldirektor der Kl könne keinem Entlassungstatbestand unterstellt werden, sondern sei in Ausübung des Mandats erfolgt, um legitime ANInteressen durchzusetzen. Zwar stelle die Weiterleitung des Lohnkontos an den Angestelltenbetriebsratsvorsitzenden eine Datenschutzverletzung dar; es handle sich aber nur um eine Ordnungswidrigkeit, die den Entlassungstatbestand der Untreue nicht verwirkliche. Auch Geheimnisverrat liege nicht vor, da die Weitergabe der Gehaltsdaten einzelner AN noch keinen Einfluss auf die geschäftliche Position des AG im wirtschaftlichen Wettbewerb habe.

Im Ergebnis sei jedoch der Entlassungstatbestand der erheblichen Ehrverletzung nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG verwirklicht. Der Bekl habe mit seiner E-Mail vom 27.4.2011 gegen den Generaldirektor der Kl und gegen andere führungsverantwortliche Mitarbeiter, somit also gegen die Spitze eines börsennotierten internationalen Konzerns, den Vorwurf von Stasi-Methoden erhoben, mit denen seine Betriebsratstätigkeit behindert werde. Der Begriff „Stasi“ sei ein Synonym für Bespitzelung und totalitäre, menschenrechtswidrige und repressive Methoden. Dadurch, dass der Bekl die Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen in seinem Fall gegenüber der Führungsriege des Unternehmens mit diesem herabwürdigenden Ausdruck bezeichnete, habe er die Reputation des Unternehmens und der angesprochenen Personen massiv beschädigt. Eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit mit dem Bekl sei angesichts der Schwere der Ehrverletzung nicht mehr zu erwarten. [...]

Rechtliche Beurteilung:

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Bekl ist zulässig und teilweise auch berechtigt. Der Bekl zeigt zutreffend auf, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, inwieweit die ihm angelasteten ehrverletzenden Äußerungen überhaupt gegen den AG gerichtet waren, der die Klage eingebracht hat und hinsichtlich dessen das Berufungsgericht von der auch subjektiven Verwirklichung der Ehrverletzung ausgegangen ist.

I. Nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG kann das Gericht die Zustimmung zur Entlassung ua dann erteilen, wenn sich das Betriebsratsmitglied einer erheblichen Ehrverletzung gegen den Betriebsinhaber, dessen im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder AN des Betriebs zuschulden kommen lässt, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist.

I.1. In der Lehre wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass mit dem zuletzt wiedergegebenen Halbsatz ein zusätzliches Tatbestandserfordernis gegenüber den allgemeinen einschlägigen Entlassungstatbeständen des § 27 Z 6 AngG und des § 82 lit g GewO (erhebliche Ehrverletzung) geschaffen wird (vgl etwa Trost in

Strasser/Jarbornegg [richtig: Jabornegg] /Resch
, ArbVG § 122 Rz 59; Schneller in
Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller
, ArbVG 34 § 122 Anm 7, 806; Winkler in
Tomandl
, ArbVG § 122 Rz 30). Entscheidend ist also, inwieweit durch die Ehrverletzung die betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied beeinträchtigt wird (Winkler, aaO; Schneller, aaO 8; Trost, aaO).

I.2. Die inkriminierte Passage der dem Bekl angelasteten E-Mail lautet wie folgt:
„BR B* und sein dienstfreigestellter BR Stellvertreter L* forderten mich auf die Anlage zu verlassen weil ich mich nicht angemeldet habe und keine Sicherheitsbelehrung bekommen habe. Ich habe den Steuerstand nicht verlassen, und daraufhin haben sie den Werkschutz aufgefordert (Stasimethoden – in der DDR hat die Volkspolizei im Werk Eisenhüttenstatt Kontrollgänge gemacht, habe ich selbst erlebt bei einer Dienstreise anlässlich meiner Diensterfindung 1985). Ich habe dann nach Anweisung des Werkschutzes den Einlaufsteuerstand verlassen. Der Werkschutz hat festgestellt, das ich richtig gekleidet war: Helm, Arbeitsmantel, Sicherheitsschuhe.“

I.3. Diese Passage der E-Mail richtet sich gegen das Verhalten der Betriebsratsmitglieder einer Betriebsratsfraktion und erhebt gegen diese den Vorwurf von „Stasimethoden“, weil sie den Werkschutz angefordert haben. Die allgemeinen Sicherheitsvorkehrungen werden zwar vom Bekl ebenfalls in Zweifel gezogen; insoweit wird aber der Vorwurf der „Stasi-Methoden“ nicht erhoben.

Diese Zielrichtung der Ehrverletzung, die nicht gegen den AG, sondern die Betriebsratskollegen gerichtet war, unterscheidet den vorliegenden Fall von Fällen, in denen das Betriebsratsmitglied direkt den AG und dessen Arbeitsmethoden in einer die Arbeitsdisziplin untergrabenden Weise angegriffen hat. So richtete sich die der vom Berufungsgericht zitierten E 8 ObA 45/99x zugrunde liegende Äußerung, mit der die Angehörigen der Geschäftsführung wegen ihrer Versuche, die Arbeitszeit auszuweiten, mit Adolf Hitler in Zusammenhang gebracht wurden, eindeutig gegen den AG. Sie war daher geeignet, eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied zu beeinträchtigen. Davon kann aber hier nicht ausgegangen werden. Vielmehr handelt es sich hier im Kern um Angriffe des Bekl gegen die Betriebsratsmitglieder der anderen Fraktion.

I.4. Nun ist der AG nicht nur berechtigt, sich und seine Angehörigen oder die leitenden Angestellten und Or-106ganwalter vor groben Ehrenbeleidigungen zu schützen. Er ist auch verpflichtet, insoweit für ein angemessenes Verhalten zwischen den AN Sorge zu tragen (zur Problematik der Einschränkung des Entlassungstatbestands etwa Trost, aaO Rz 62 ff). Dem kann aber auch durch die Möglichkeit, das pflichtwidrige Vorgehen des Betriebsratsmitglieds als beharrliche Pflichtverletzung iS eines Kündigungsgrundes nach § 121 Z 3 ArbVG zu prüfen (RIS-Justiz RS0051320; vgl dazu später), Rechnung getragen werden. Im Übrigen hat die Kl gar nicht vorgebracht, dass die die beiden anderen Betriebsratsmitglieder betreffenden Äußerungen diesen gegenüber ehrverletzend gewirkt hätten (vgl dazu RIS-Justiz RS0029845) und die betriebliche Zusammenarbeit mit dem BR beeinträchtigen würden.

I.5. Dass die übrigen von der Kl geltend gemachten Entlassungsgründe nicht vorliegen, haben bereits die Vorinstanzen eingehend begründet. Auf deren Ausführungen dazu kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Begehren auf Zustimmung zur Entlassung des Bekl ist daher abzuweisen.

II. Damit bleibt zu prüfen, ob iSd Eventualbegehrens ausreichende Gründe für die Kündigung des Bekl vorliegen. In Betracht kommt hier der Kündigungsgrund des § 121 Z 3 ArbVG, nach dem das Betriebsratsmitglied gekündigt werden kann, wenn es die ihm aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und dem Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann.

II.1. Die Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB; § 18 AngG) verpflichtet den AG auch dazu, die notwendigen Maßnahmen gegen das Betriebsklima gröblich beeinträchtigende Mitarbeiter zu ergreifen, wenn deren Verhalten so weit geht, dass die Arbeitsbedingungen für andere AN nahezu unzumutbar werden (Marhold in

Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 18 Rz 51 f; 9 ObA 131/11x ua). Wenn dem AG Gefährdungen zur Kenntnis gelangen, hat er unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen (9 ObA 230/02t; RIS-Justiz RS0029841; Spielbüchler in
Floretta/Spielbüchler/Strasser
, Arbeitsrecht I4 330 f; Krejci in
Rummel
, ABGB3 § 1157 Rz 31; Schrammel in Klang3 § 1157 Rz 28 ua). Daraus ergibt sich auch, dass ein gegen diese Abhilfemaßnahmen verstoßendes Verhalten des andere AN beeinträchtigenden AN als Verletzung von Dienstpflichten anzusehen ist, die bewirken kann, dass die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin dem AG – auch wegen dessen Haftungsrisikos – nicht mehr zugemutet werden kann.

II.2. Davon ist aber hier auszugehen.

Bereits im Vorverfahren hat der AG die Zustimmung zur Auflösung des Dienstverhältnisses des Kl [richtig: Bekl] wegen dessen rüden Verhaltens gegenüber seiner Sekretärin begehrt. Der klagende AG hat damit in schärfster Form die Ablehnung des Verhaltens des Kl [richtig: Bekl] gegenüber anderen Mitarbeitern zum Ausdruck gebracht. Der OGH hat in diesem Vorverfahren eine derart gravierende Reaktion des AG auf das Verhalten des Bekl im Hinblick auf eine gewisse Provokation und die Auseinandersetzungen innerhalb des BR noch nicht für angemessen und erforderlich erachtet. Es wurde darauf verwiesen, dass eine Verwarnung nicht von vornherein aussichtslos gewesen und damit verzichtbar gewesen wäre. Dies ändert aber nichts daran, dass der AG mit der Zustimmungsklage deutlich auf die Unzulässigkeit des Verhaltens des Bekl hingewiesen hat und dies einer Verwarnung gleichzuhalten ist.

Trotzdem hat der Bekl nunmehr mit dem im hier vorliegenden Verfahren geltend gemachten Verhalten im März und April 2011 neuerlich die Interessen anderer (ehemaliger) AN, insb die Interessen von Betriebsratsmitgliedern anderer Fraktionen, schwer beeinträchtigt. So hat der Bekl im März die Gehaltsdaten des früheren Konzernbetriebsratsvorsitzenden unzulässig verbreitet. Diese haben dann auch ihren Weg in die öffentliche Diskussion gefunden.

Weiters hat der Bekl nach Einleitung des vorliegenden Verfahrens wieder ein klar gegen andere AN gerichtetes und in der gesetzten Form nicht zu tolerierendes Verhalten gesetzt. Er hat am 27.4. gegenüber 25 bis 30 leitenden Angestellten andere Betriebsratsmitglieder dadurch herabgewürdigt, dass er ihre Vorgehensweise ihm gegenüber mit „Stasi-Methoden“ gleichsetzte. Auch dieses Verhalten des Bekl ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Zustimmung zur erst auszusprechenden Kündigung zu erteilen ist, zu berücksichtigen (zum maßgebenden Entscheidungszeitpunkt: RIS-Justiz RS0114754).

Der Bekl hat damit – nachdem die Kl durch ihre erste Klageführung ganz klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie herabwürdigende Verhalten gegenüber anderen Mitarbeitern nicht duldet – trotzdem nicht nur vertrauliche Daten anderer AN zur Durchsetzung von damit nicht im Zusammenhang stehenden Anliegen instrumentalisiert, sondern auch noch andere Betriebsratsmitglieder herabgewürdigt.

Dies ist als beharrliche Pflichtverletzung iSd § 121 Z 3 ArbVG zu qualifizieren und macht es notwendig, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen. [...]

ANMERKUNG
1.
Vorbemerkungen

Betriebsratsarbeit, sorgfältig und engagiert im Interesse der ArbeitnehmerInnenschaft ausgeübt, ist substanzund nervenraubende Schwerarbeit im Dienst der Allgemeinheit. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben der historische Gesetzgeber des Jahres 1919 und erst recht die Schöpfer des ArbVG 1974 auf die Ausgestaltung eines soliden Kündigungs- und Entlassungsschutzes für BelegschaftsvertreterInnen besonderes Augenmerk gelegt. Das Ergebnis ist ein bis ins Detail durchdachter und alle Eventualitäten des betrieblichen Interessenvertretungsalltags inkludierender Bestandschutz in den §§ 120 bis 122 ArbVG. Wenn dennoch – wie im vorliegenden Fall – nach eindeutiger Subsumption eines Sachverhalts unter eine Norm – hier: § 121 Z 3 ArbVG – bei Gesamtsicht der bittere Eindruck von Ungerechtigkeit bleibt, kann das die Folge einer auf die zwischenmenschlichen Besonderheiten des Anlassfalls bezogenen sehr speziellen Auslegung ausfüllungsbedürftiger Gesetzesbegriffe sein, oder aber im Umstand begründet liegen, dass etwas sehr Wesentliches schlicht übersehen wurde.107

2.
Zum Sachverhalt: Kündigung statt Entlassung

Das Bedürfnis des AG, sich von dem AN, der im Zeitpunkt der Klagserhebung unstreitig dem Schutz der §§ 120 ff ArbVG unterstand, zu trennen, ergibt sich laut ermitteltem und festgestelltem Sachverhalt zu keiner Zeit aus einem allgemeinen, die Zusammenarbeit unzumutbar machenden Gesamtverhalten, sondern aus einzelnen, sehr konkreten Vorkommnissen. Im Detail waren dies zunächst eine Äußerung des AN gegenüber der Betriebsratssekretärin, deren vorgeblich beleidigender Charakter zum Anlass für die erste Klage auf Zustimmung zur Entlassung gemacht wurde, sodann die Weitergabe von AN-Lohndaten und schließlich der gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit erhobene Vorwurf, einzelne Betriebsratsmitglieder hätten sich „Stasi-Methoden“ bedient, um ihn aus einem bestimmten Werksbereich zu entfernen, nachdem er sich geweigert hätte, sich einer Sicherheitsunterweisung zu unterziehen.

Mit letztinstanzlich rechtskräftiger Abweisung der ersten Zustimmungsklage wurde zu Recht erkannt, dass die Äußerungen gegenüber der Sekretärin den Tatbestand des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG nicht erfüllen.

Auslöser für die zweite Klage auf Zustimmung zur Entlassung, in eventu zur Kündigung, war – dies ergibt sich aus dem zeitlichen Konnex – die Weitergabe von Lohndaten und deren Offenlegung im Zuge von Sozialplanverhandlungen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass schließlich der dritte erhobene Vorwurf, die Missachtung von Sicherheitsvorschriften und die daran anschließenden Vorwürfe gegen Betriebsratsmitglieder, auf einen Vorfall zurückgehen, der sich zeitlich erst etwa einen Monat nach Einbringung der Klage ereignet hat. In diesem Zeitpunkt war der Bekl offenbar nicht mehr aktives Betriebsratsmitglied, weil sich zwischenzeitlich der BR aufgelöst hat. In formeller Hinsicht ist dieser Umstand für die Zustimmungsklage irrelevant, weil zum einen im Zeitpunkt der Klagserhebung die Betriebsratseigenschaft noch aktiv bestanden hatte und zum anderen der Bestandschutz auch danach gem § 120 Abs 4 ArbVG weiterwirkt. Ob im Übrigen der Bekl in jenem Zeitpunkt auch Wahlwerber für die nunmehr anstehende Neuwahl war, geht aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervor. Auf eine allfällige materielle Relevanz dieser Umstände ist unter 4. einzugehen.

3.
Eventualklage auf Zustimmung zur Kündigung

In formeller Hinsicht spricht nichts gegen eine Koppelung von Entlassungs- und Kündigungszustimmungsklage in der Form, dass das Hauptbegehren die Zustimmung zur Entlassung und das Eventualbegehren die Zustimmung zur Kündigung zum Inhalt hat. Materiell ist hier aufzuzeigen – und wurde bereits an anderer Stelle (Trost in

Strasser/Jabornegg/Resch
[Hrsg], ArbVG-Kommentar [Loseblatt-Slg] § 121 Rz 47) ausführlich dargelegt –, dass Entlassungs- und Kündigungstatbestände gerade beim streng formalistischen Verfahren nicht beliebig austauschbar sind. Größer ist diesbezüglich die Flexibilität außerhalb des Sonderschutzes. So kann zB nach (zunächst ohne Grund zulässiger) Kündigung einer/s AN, die/der ein einziges Mal eine geringfügige Verfehlung begangen hat, dieses einmalige Vorkommnis, das für eine Entlassung nicht ausgereicht hätte, gem § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG als Grund zur Rechtfertigung der Kündigung vorgebracht werden, wenn die/der AN im Rahmen der Anfechtungsklage die mangelnde soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend macht. Rechtliche Ausgangslage ist hier, dass außerhalb des Sonderschutzes für die Kündigung ein Grund nicht erforderlich ist. Spricht man also hier davon, ein nicht ganz verwirklichter Entlassungsgrund könne als Kündigungsgrund herangezogen werden, so kann dies uneingeschränkt nur dort gelten, wo ein Kündigungsgrund entweder nicht erforderlich oder der dennoch nötige Kündigungsgrund so gestaltet ist, dass er gegenüber dem dem angenommenen bzw verwirklichten Entlassungsgrund zugrunde liegenden Tatbestand ein Minus und nicht ein Aliud darstellt. Für den Sonderschutz der §§ 120 bis 122 ArbVG bedeutet das, dass einer Kündigung zwar jedenfalls dann die Zustimmung gem § 121 Z 3 ArbVG erteilt werden hätte können, wenn ein Entlassungsgrund gem § 122 ArbVG vorgelegen wäre und daher auch die Zustimmung zur Entlassung erteilt werden hätte können (vgl bereits EA Graz Arb 10.156 ZAS 1983, 81; VwGH 1213/54 Arb 6158), dass aber umgekehrt § 121 Z 3 ArbVG nicht generell als Auffangtatbestand für nicht ganz verwirklichte Entlassungstatbestände herangezogen werden kann (vgl auch Schneller in
Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller
, Arbeitsverfassungsgesetz 32 [2002] § 121 Rz 13). Besonders deutlich wird dies, wenn der herangezogene Entlassungstatbestand und der subsidiär eingebrachte Kündigungstatbestand dasselbe (nicht nur ein „gleiches“ oder „ähnliches“) Tatbestandsmerkmal enthalten, dessen Nichterfüllung eben gerade die Zustimmung zur Entlassung verhindert. An der Schnittstelle von § 121 und § 122 ArbVG sind dies typischerweise das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot und die Mandatsschutzklausel Kernbestandteile des Sonderschutzes, die offenbar gerade bei der Kombination von Entlassungs- und alternativem Kündigungsbegehren bedauerlicherweise gelegentlich auch vom Höchstgericht übersehen werden (vgl OGH8 ObA 204/94
[B. Schwarz]
= = ZAS 1995, 127 [Drs] = ZASB 1995, 1 = infas 1995 A 28 = ARD 4602/20/94 = RdW 1995, 270 = wbl 1995, 119
.

4.
Die besonderen Zustimmungsvoraussetzungen des § 120 ArbVG: Das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot und die Mandatsschutzklausel

Im konkreten Fall ist zunächst festzuhalten, dass der OGH alle behaupteten Entlassungsgründe als nicht verwirklicht erkennt. Er verweist hinsichtlich des zuvor gesetzten Verhaltens (beleidigende Äußerungen gegenüber der Sekretärin) auf das vorangegangene Verfahren und hält zu einem der verbleibenden Vorwürfe, den Äußerungen betreffend andere Betriebsratsmitglieder, diese hätten „Stasi-Methoden“ angewandt, fest, die Kl habe gar nicht vorgebracht, dass diese Äußerungen den Betriebsratsmitgliedern gegenüber ehrverletzend108 gewirkt hätten. Auch die Weitergabe von Lohndaten wurde nicht als tatbestandsgemäß iSd § 122 erkannt. Da daher bereits aus diesen Gründen die Zustimmung zur Entlassung zu verweigern war, bestand keine Notwendigkeit, weitere Tatbestandsmerkmale hinsichtlich der Zustimmung zur Entlassung zu prüfen. Insb war also weder eine allfällige Relevanz des Beschränkungs- und Benachteiligungsverbotes noch die Frage zu erörtern, ob das Verhalten im Zuge der Mandatsausübung gesetzt und aus diesem Grund entschuldbar gewesen sein könnte. Anzumerken ist allerdings, dass hinsichtlich der Weitergabe von Lohndaten das Berufungsgericht den Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats bejaht und als einen wesentlichen Grund für die Nichtannahme des Entlassungsgrundes dargestellt hat.

§ 120 ArbVG schreibt in Abs 1 unmissverständlich fest, dass das Gericht bei der Beurteilung, ob die Zustimmung zu einer Kündigung oder Entlassung zu erteilen ist, § 115 Abs 3 ArbVG zu berücksichtigen hat. Weiters ist zu prüfen, ob sich die Zustimmungsklage auf ein Verhalten stützt, das in Ausübung des Mandats gesetzt wurde und nach Abwägung aller Umstände entschuldbar war (sogenannte Mandatsschutzklausel). Die Anwendung der Mandatsschutzklausel erstreckt sich nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes sowohl auf die Entlassungstatbestände § 122 Abs 1 Z 3, Z 4 (jeweils erster Satzteil) und Z 5 ArbVG als auch auf den Kündigungstatbestand § 121 Z 3 ArbVG. Richtigerweise müssen diese Zusatzvo raussetzungen für jeden Tatbestand jeweils gesondert geprüft werden. Wurde das Vorliegen eines Entlassungstatbestandes verneint, so ist für die in eventu zu prüfenden Zustimmungsvoraussetzungen für eine Kündigung sowohl das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot als auch die Mandatsschutzklausel dennoch im Kontext mit § 121 Z 3 ArbVG zu prüfen.

Problematisch könnte im vorliegenden Fall nun die besondere Konstellation sein, wonach der AN im Zeitpunkt der Klagserhebung infolge der Weitergabe der Lohndaten zwar noch aktives Betriebsratsmitglied war, während er sich aber wegen Auflösung des BR in weiterer Folge, und zwar auch im Zeitpunkt der Verwirklichung des weiteren behaupteten Kündigungsgrundes (Äußerung betreffend „Stasi-Methoden“) in der Phase des weiterwirkenden Schutzes gem § 120 Abs 4 ArbVG befand und zudem – was allerdings aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervorgeht – dem Vernehmen nach auch Wahlwerber für die folgende Betriebsratswahl gewesen sein soll. Dogmatisch stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob für ausgeschiedene Betriebsratsmitglieder während des weiterlaufenden Sonderschutzes bzw für Wahlwerber iSd § 120 Abs 4 ArbVG die Zusatzvoraussetzungen nach § 120 Abs 1 ArbVG zur Anwendung kommen. Das Gesetz spricht in § 120 Abs 4 von „sinngemäßer“ Anwendung des gesamten Schutzes. Zu fragen ist daher, wie sich eine sinngemäße Anwendung hinsichtlich § 115 Abs 3 ArbVG und hinsichtlich der Mandatsschutzklausel konkret darstellt. Dazu ist festzustellen, dass sowohl eine unzulässige Beschränkung als auch eine unzulässige Benachteiligung iSd § 115 Abs 3 ArbVG auch bei Wahlwerbern denkbar und kraft ausdrücklicher Anordnung in § 120 Abs 1 ArbVG im Zuge des Kündigungsschutzes auch zu berücksichtigen ist. Die Anwendung der Mandatsschutzklausel ist für WahlwerberInnen analog vorstellbar. Für ausgeschiedene Betriebsratsmitglieder ist demgegenüber die Mandatsschutzklausel nicht relevant, weil ein Verhalten „in Ausübung des Mandats“ hier nicht mehr in Betracht kommt. Ebenso wenig kann von einer arbeitgeberseitigen Verletzung des Beschränkungsverbots ausgegangen werden. Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist demgegenüber wiederum möglich, wenn eine Nachteilszufügung die Folge der unmittelbar vorangegangenen Betriebsratstätigkeit war.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies im Einzelnen: Der OGH zieht im Ergebnis zur Begründung der Kündigung gem § 121 Z 3 ArbVG sowohl die frühere Ehrverletzung als auch die Weitergabe der Lohndaten (beides während der aktiven Betriebsratszeit) zusätzlich zu den Äußerungen betreffend „Stasi-Methoden“ (nach aktiver Betriebsratszeit) heran. Hinsichtlich letzteren Vorwurfes hätte im Hinblick auf § 115 Abs 3 ArbVG geprüft werden müssen, ob die Anordnung, den Betriebsteil zu verlassen, eine Benachteiligung wegen der unmittelbar vorangegangenen Betriebsratstätigkeit bzw eine Beschränkung der Wahlwerbertätigkeit war. Hinsichtlich der beiden Vorwürfe, die sich jeweils auf ein Verhalten während aufrechten Mandates beziehen, wäre zudem dem Gesetz gemäß zweifelsfrei zu prüfen gewesen, inwieweit diese Verhaltensweisen in Ausübung des Mandats gesetzt und unter Abwägung aller Umstände entschuldbar gewesen sein könnten. Der Umstand, dass der Mandatszusammenhang im Zuge der Prüfung des behaupteten Entlassungsgrundes bereits Thema gewesen war, entbindet das Höchstgericht nicht, in Anwendung des § 120 Abs 1 ArbVG die Voraussetzungen für die Mandatsschutzklausel auch in Hinblick auf § 121 Z 3 ArbVG zu prüfen.

5.
Fazit

Wie sehr oft stand auch hier ein komplexer Sachverhalt zur Beurteilung, der möglicherweise durch noch komplexere soziale Beziehungen und Verknüpfungen im Hintergrund geprägt war. All dies erspart den Gerichten aber nicht die Verbindlichkeit, Normen bis ins Detail zu betrachten und anzuwenden. Die Nichtberücksichtigung sowohl des Beschränkungs- und Benachteilungsverbots als auch der Mandatsschutzklausel ist ein bedauerlicher Mangel dieser E. Dass insb der Hinweis auf die Lohndaten eindeutig im Kontext einer laufenden betriebsrätlichen Aktivität (Sozialplanverhandlungen) erfolgt ist, steht außer Frage. Es ist daher ein anderes Ergebnis bei korrekter Anwendung des § 120 ArbVG nicht auszuschließen.109