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Kündigung einer gemobbten Arbeitnehmerin – Nennung falschen Rechtsgrundes in der Klage (Sittenwidrigkeit, § 879 ABGB, statt verpöntes Motiv nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG) schadet nicht

MARTINACHLESTIL
ArbVG Z 1 lit i § 105 Abs 3

Eine gekündigte AN machte geltend, dass der eigentliche Grund der Kündigung darin gelegen sei, dass sie ihre Vorgesetzten aufgefordert habe, sie vor unberechtigten Mobbing-Angriffen (unkündbarer) Kollegen zu schützen. Anstatt ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen, habe die AG die AN aber – der Einfachheit halber – gekündigt. Nachdem das Erstgericht der Anfechtungsklage stattgegeben hatte, änderte das Berufungsgericht das Urteil im klageabweisenden Sinn ab, weil die Kl zwar inhaltlich den Anfechtungsgrund eines verpönten Motivs geltend mache (§ 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG), sich aber auf Sittenwidrigkeit berufe (§ 879 ABGB). Im Anwendungsbereich von § 105 ArbVG sei eine Berufung auf § 879 ABGB aber unzulässig. Der OGH hob das Urteil auf und verwies zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht.

Mit ihrem Vorbringen macht die AN inhaltlich die Sittenwidrigkeit der aus einem verpönten Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG erfolgten Kündigung geltend. Nach dieser Bestimmung ist der AN zur Anfechtung der Kündigung berechtigt, sofern der AG den AN wegen einer offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom AG in Frage gestellter Ansprüche kündigt. Auf einen solchen Anspruch beruft sich die AN, wenn sie geltend macht, die AG im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht (§ 18 AngG) um Abhilfe gegen Mobbing-Handlungen ersucht zu haben und deshalb gekündigt worden zu sein.

Die AN hat ihr Klagebegehren daher mit Sachvorbringen begründet. Dass sie mit ihrer Berufung auf § 879 ABGB den von ihr vorgetragenen Sachverhaltunrichtig qualifiziert, schadet nicht. Denn Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen, nicht die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens. Nur dann, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt wurde – was im Zweifel nicht anzunehmen ist –, ist es dem Gericht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben.