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Ordnungsgemäße Lohnabrechnung – nicht gewidmete Barbeträge

DORISLUTZ
Kollektivvertrag für Güterbeförderungsgewerbe (Arb)

Ein Kraftfahrer beanspruchte Überstundenentgelt auf der Grundlage seiner von ihm an den AG übergebenen Tachografenscheiben und seiner Arbeitszeitaufzeichnungen in dafür vom AG aufgelegten Formularen. Der AG wendete neben mangelnder Geltendmachung Verfall aufgrund des KollV (Arbeiter im Güterbeförderungsgewerbe) ein; die Verfallsfrist habe mit Ausfolgung der ordnungsgemäßen Lohnabrechnungen begonnen. In diesem Zusammenhang war festgestellt worden, dass der AG neben der monatlichen Überweisung von € 1.000,- ungewidmete Beträge bar ausbezahlt hatte, die jeweils höher waren als die Differenz zwischen € 1.000,- und dem laut Lohnabrechnung zustehenden Nettobetrag. Was damit bezahlt werden sollte (Überstundenentgelte, Taggelder, Auslagen, Verwaltungsstrafen usw), blieb ungewiss.

Eine Bestimmung, die den Beginn des Laufes der Verfallfrist an die Ausfolgung einer „ordnungsgemäßen Lohnabrechnung“ knüpft, verfolgt den Zweck, dass dem AN durch die Ausfolgung seiner Abrechnung Klarheit darüber verschafft werden soll, welche Leistungen der AG berücksichtigt hat. Eine derartige Lohnabrechnung liegt daher vor, wenn aus ihr der Auszahlungsbetrag und dessen Zweckwidmung sowie die vorgenommenen Abzüge einwandfrei erkennbar sind. Weil dem Kl nicht erkennbar war, welche der von ihm verzeichneten Leistungen abgegolten waren und welche strittig blieben, ist der mit einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung verfolgte Zweck nicht erreicht, und die kollektivvertragliche Verfallsfrist beginnt nicht zu laufen.

Unter „Geltendmachung“ von Überstundenentgelt ist zwar kein förmliches Einmahnen zu verstehen, aber ein dem Erklärungsempfänger zumindest erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung, iS einer wenigstens aus den Umständen zu erschließenden Willenserklärung. Dabei kommt es auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger aus der Erklärung gewinnen durfte. Die Übergabe von Tachografenscheiben alleine erfüllt diese Anforderung nicht. Darin, dass aber auch die monatlichen Stundenaufzeichnungen übergeben wurden – und das kann auch schon vor Fälligkeit erfolgen –, hat der OGH eine fristwahrende Geltendmachung gesehen.