54

Unwirksamkeit einer Kündigungsverzichtsklausel bei Kenntnis des Arbeitnehmers von der Zuständigkeitsüberschreitung des Vertreters

BIRGITSCHRATTBAUER

Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird die Gültigkeit eines vom Vertreter ohne ausreichende Ermächtigung im Innenverhältnis abgeschlossenen Geschäftes grundsätzlich nicht berührt. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; ebenso wenig, wenn der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat.

SACHVERHALT

Der Kl war von der bekl gemeinnützigen GmbH ab 1.5.2009 als einer von zwei Geschäftsführern angestellt; zuvor war er bereits mehrere Jahre als ehrenamtlicher Finanzreferent im Vorstand jenes Vereines tätig, der Alleingesellschafter der Bekl ist. Ab August 2009 fungierte der Kl zusätzlich ehrenamtlich als organschaftlicher Geschäftsführer einer Schwestergesellschaft der Bekl.

Der Gesellschaftsvertrag der Bekl sah vor, dass der Dienstvertrag des Geschäftsführers, in dem ua die Höhe des Entgelts sowie die Dauer des Dienstverhältnisses zu regeln ist, von der Generalversammlung zu beschließen ist, die wiederum aus dem Verein als Alleingesellschafter der Bekl bestand. Die Vertretungsbefugnis nach außen kam nach den Vereinsstatuten dem Vereinspräsidenten zu; vereinsintern fiel die Beschlussfassung über den Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages in die Zuständigkeit des Vorstandes. Faktisch hatte allerdings der Vereinspräsident bislang – bei nachfolgender Information an den Vorstand und an den Aufsichtsrat – alle Geschäftsführer im Alleingang ausgewählt, bestellt und angestellt.

Auch der Dienstvertrag des Kl wurde ohne genauere inhaltliche Information an den Vorstand abgeschlossen. Der Vorstand war auf Nachfrage lediglich über die Höhe des Entgelts in Kenntnis gesetzt worden, das dem des anderen Geschäftsführers entsprechen sollte, nicht aber über andere Details des Dienstvertrages, insb nicht über den vereinbarten Kündigungsverzicht der Bekl bis zum 31.8.2017 (= 65. Lebensjahr des Kl). Aufgrund verschiedener Vorwürfe im Zusammenhang mit der in Liquiditätsschwierigkeiten geratenen Schwestergesellschaft der Bekl wurde der Kl am 23.11.2011 mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bekl abberufen und sein Dienstverhältnis durch Entlassung gelöst. Der Kl be-64kämpfte die Entlassung als unberechtigt und verspätet und machte insb Kündigungsentschädigung bis zum 31.12.2017 geltend, da die Bekl ihn frühestens am 1.9.2017 kündigen hätte können. Die Bekl ging einerseits von einer berechtigten Entlassung aus und machte andererseits unter Hinweis auf den fehlenden Generalversammlungsbeschluss die Unwirksamkeit des Dienstvertrages, jedenfalls aber der darin enthaltenen unüblichen Klauseln (Kündigungsverzicht, Entgelthöhe, diverse Sachbezüge), geltend.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht schloss sich dem im Wesentlichen an. Die Unterinstanzen kamen zusammengefasst zum Ergebnis, dass der Dienstvertrag wirksam abgeschlossen worden sei und sämtliche dem Kl vorgeworfene Entlassungsgründe sich entweder als nicht stichhaltig erwiesen hätten oder aber verspätet aufgegriffen worden seien. Der OGH gab der dagegen gerichteten außerordentlichen Revision der Bekl teilweise statt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.2. Vereinsintern obliegt die Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich aller Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Generalversammlung oder dem erweiterten Vorstand des Vereins vorbehalten sind, dem Vorstand (§ 11 Pkt 3.e. der Vereinssatzung). Mangels einer anderen Regelung fällt daher auch die Beschlussfassung über den Abschluss des Dienstvertrags des Klägers darunter.

1.3. Faktisch hatte der Vereinspräsident die bisherigen Geschäftsführer der Beklagten immer alleine ausgewählt, bestellt und angestellt sowie in der Folge den Vereinsvorstand und den Aufsichtsrat der Beklagten davon jeweils informiert. Daraus kann prinzipiell geschlossen werden, dass die Vertragsabschlusskompetenz des Vorstands in dem Maß, als es der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach, dem Vereinspräsidenten übertragen worden war. Im Umkehrschluss kann eine solche Übertragung daher nicht angenommen werden, soweit der Inhalt eines Dienstvertrags nicht der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach.

1.4. Das Entgelt des Klägers war dem Vereinsvorstand in der Sitzung vom 10.12.2008 mit dem Verweis des Präsidenten auf den Dienstvertrag des zweiten Geschäftsführers der Beklagten bekannt gegeben worden, sodass diesbezüglich von einer Billigung des Vorstands ausgegangen werden kann.

1.5. Anders verhält es sich mit dem von der Beklagten bekämpften Kündigungsverzicht. […] Unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers ist der vereinbarte Kündigungsverzicht zwar nicht verwerflich oder sittenwidrig. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es der damaligen Übung und Praxis im Verein entsprach, dass der Vereinspräsident im Zusammenhang mit dem Abschluss von Geschäftsführer-Dienstverträgen ohne vorherige Information des Vorstands Vertragskonditionen mit derart weitreichenden finanziellen Verpflichtungen für die Beklagte einging. Hier wurde der Vereinsvorstand entgegen den sonstigen Gepflogenheiten überdies selbst nachträglich nicht über die Details des Dienstvertrags des Klägers informiert. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Präsident vereinsintern befugt gewesen wäre, ohne Beschlussfassung oder Befassung des Vereinsvorstands eine für die Finanzgebarung des Vereins so bedeutsame Vertragsbedingung wie den bis 31.8.2017 geltenden Kündigungsverzicht mit dem Kläger zu vereinbaren. […]

1.6. Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird die Gültigkeit des vom Vertreter, hier dem Vereinspräsidenten, mit einem Dritten, hier dem Kläger, abgeschlossenen Geschäfts grundsätzlich nicht berührt.

Davon wird aber dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist […]. Dies wird dann angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste […].

1.7. Im vorliegenden Fall war der Kläger zum Zeitpunkt, als seine Bestellung bei der Beklagten vom Vereinsvorstand beschlossen wurde, Finanzreferent und damit noch Mitglied des Vereinsvorstands. Als solcher musste ihm bewusst sein, dass sowohl die Bestellung als auch die Anstellung eines Geschäftsführers der Beklagten, soweit sie über den Abschluss üblicher Geschäftsführer- Dienstverträge hinausging, vereinsintern in die Zuständigkeit des Vereinsvorstands fiel. Er machte seine Bestellung auch selbst – ungeachtet der sonstigen Gepflogenheiten – explizit von der Zustimmung des Vereinsvorstands abhängig.

Obwohl der Kläger bereits über einen Entwurf seines Dienstvertrags verfügte, wurde der Kündigungsverzicht in der Vereinssitzung vom 10.12.2008 nicht thematisiert. Der Vereinspräsident informierte den Vorstand darüber nicht. Bezüglich der Frage nach dem Gehalt des Klägers verwies er lediglich auf jenes des zweiten Geschäftsführers und berief sich im Übrigen nur darauf, dass die Details erst mit dem Aufsichtsrat zu klären seien. Gerade dem Kläger als Finanzreferent musste damit klar sein, dass der Vereinsvorstand über die finanziellen Implikationen seines Dienstvertrags in keiner Weise ausreichend informiert war. […]

4. Die weiteren Revisionsausführungen sind darauf gerichtet, dass die Entlassung des Klägers berechtigt und auch nicht verspätet erfolgt sei. Vorab ist dazu festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Berufungsgerichts teilt, sodass […] darauf verwiesen werden kann. […]

12. Im Ergebnis folgt aus all dem, dass die Entlassung des Klägers durch die Beklagte zu Unrecht erfolgte. Da der Kündigungsverzicht nicht wirksam vereinbart wur-65de, hat der Kläger damit Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung nach Maßgabe der mit ihm vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten mit Wirksamkeit zum letzten eines Kalendervierteljahres, dh für den Zeitraum von 24.11.2011 bis Juni 2012.“

ERLÄUTERUNG

Im Mittelpunkt dieser E steht die Frage der Rechtsfolgen eines unter Missbrauch von Vertretungsmacht zustande gekommenen Dienstvertrages. Dabei ist zwischen Vollmacht (im Außenverhältnis – kann der Vereinspräsident im Namen des Vereins ein Geschäft abschließen?) und Ermächtigung (im Innenverhältnis – darf er das Geschäft abschließen?) zu unterscheiden. Im konkreten Fall war der Vereinspräsident zwar nach außen zum Abschluss des Dienstvertrages des Kl bevollmächtigt, im Innenverhältnis wäre allerdings ein Vorstandsbeschluss erforderlich gewesen. Eine solche Pflichtwidrigkeit bloß im Innenverhältnis berührt grundsätzlich nicht die Gültigkeit des mit einem Dritten abgeschlossenen Geschäfts. Unstrittig ist allerdings in Lehre und Rsp, dass Sittenwidrigkeit und damit Ungültigkeit des Geschäftes jedenfalls im Falle einer Kollusion anzunehmen ist, dh wenn der Vertreter und der Dritte vorsätzlich zusammenwirken, um den Vertretenen beim Geschäftsabschluss zu schädigen.

Unabhängig von einer Schädigungsabsicht ist das abgeschlossene Geschäft aber nach der Judikatur des OGH auch dann nichtig, wenn der Dritte (in unserem Fall also der Geschäftsführer) die Pflichtwidrigkeit des Vertreters erkannt hat (oder grob fahrlässig nicht erkannt hat), weil in diesem Fall kein schützenswertes Vertrauen des Dritten auf die Gültigkeit des abgeschlossenen Geschäfts gegeben ist. In Fortsetzung dieser Rsp ist der OGH im vorliegenden Fall von der Unwirksamkeit der Kündigungsverzichtsklausel ausgegangen, da dem Kl nach der konkreten Sachlage bewusst gewesen sein musste, dass der Vereinspräsident zu dieser eher ungewöhnlichen, das Dienstverhältnis auf acht Jahre unkündbar machenden Vereinbarung ohne Beschlussfassung des Vorstandes nicht ermächtigt war.