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Voraussetzungen der Gewährung einer Integritätsabgeltung

MONIKAWEISSENSTEINER

Wird ein Arbeitsunfall durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von AN-Schutzvorschriften verursacht, kann neben dem Anspruch auf eine Versehrtenrente Anspruch auf eine einmalige Leistung von der AUVA (Integritätsabgeltung) bestehen. Im vorliegenden Fall wurde ein Forstarbeiter in einem Radbagger beim Schneiden von Windwurfholz durch die Windschutzscheibe durchschlagende Glieder der gerissenen Sägekette (sogenannter Kettenschuss) schwer verletzt (Querschnittlähmung). Der AG hatte eine Reihe von 90AN-Schutzvorschriften wissentlich verletzt (keine Verglasung entsprechend dem Stand der Technik, keine Gefahrenevaluierung, keine arbeitsplatzbezogene Unterweisung usw). Der OGH hält fest, dass grobe Fahrlässigkeit nicht hinsichtlich der Herbeiführung des Unfalls gegeben sein muss, sondern die Verursachung des Unfalls durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von AN-Schutzvorschriften ausreicht. Auch eine Reihe für sich allein nicht grob fahrlässiger Fehlhandlungen kann grobe Fahrlässigkeit begründen. Der Sorgfaltsverstoß muss auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen sein. So berechtigen die mehrfache Beanstandung einer Gefahrensituation durch das Arbeitsinspektorat, ein Aufmerksam machen durch AN oder das Wissen um einschlägige Unfälle zur Annahme grober Fahrlässigkeit. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ist zwar ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades, sie darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Stellt die Gefahr eines Kettenschusses für den Maschinenarbeiter ein tödliches Risiko dar, kann grobe Fahrlässigkeit auch dann vorliegen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts mathematisch nicht fassbar (kalkulierbar) gering ist.