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Kinderbetreuungsgeld auch für Lebensgefährtinnen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften

HELGAHESS-KNAPP

Auch ein gleichgeschlechtlicher Partner eines leiblichen Elternteils kann – wenn die übrigen Voraussetzungen iSd § 184 ABGB vorliegen – als Pflegeelternteil in den Genuss von Kinderbetreuungsgeld kommen.

SACHVERHALT

Die Kl lebt mit ihrer Lebensgefährtin langjährig in einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft. Am 10.12.2011 brachte die Lebensgefährtin der Kl eine Tochter zur Welt. Beide Frauen tragen die Verantwortung für das Kind nach besten Kräften und kommen gemeinsam für dessen Unterhalt auf. Die Kl vereinbarte Teilzeit, um Zeit für das Kind zu haben. Vom Vater des Kindes erhalten sie keine Unterstützung. Die Lebensgefährtin der Kl ist österreichische Staatsbürgerin und bezieht Familienbeihilfe.

Die leibliche Mutter des Kindes (Lebensgefährtin) bezog das Kinderbetreuungsgeldmodell „12 + 2 Monate“ bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes. Im Anschluss daran beantragte die Kl die beiden Verlängerungsmonate, die für den anderen Elternteil reserviert sind – bis zum 14. Lebensmonat des Kindes.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Zweitgericht änderte das Urteil zu Gunsten der Kl und erkannte ihr die Verlängerungsmonate zu. Die Revision der bekl GKK an den OGH wurde zugelassen. Der OGH hat aber der Revision nicht Folge gegeben.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Gemäß § 2 Abs 1 KBGG hat Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern die in § 2 Abs 1 Z 1 bis 5 aufgezählten – hier nicht strittigen – Voraussetzungen gegeben sind.

Zu beurteilen ist, ob der Wechsel der Betreuung des Kindes durch die leibliche Mutter zur Klägerin, zu einem ‚Wechsel zwischen den Elternteilen‘ iSd § 5c Abs 3 KBGG führt. Die Klägerin beruft sich auf ihre Stellung als ‚Pflegeelternteil‘ iSd § 184 ABGB.

Nach (§ 184 ABGB idF BGBl I 2013/15BGBl I 2013/15) sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine nach dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.

Auf welcher Rechtsgrundlage das Pflegeverhältnis beruht, ist unmaßgeblich. Die Pflegeelternschaft (§ 184 ABGB) ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale gegeben sind.

Unter diesen Voraussetzungen führt der Wechsel der Betreuung des Kindes durch die leibliche Mutter zur 94Klägerin zu einem Wechsel (des KBG) zwischen den Elternteilen (iSd § 5c Abs 3 KBGG), der geeignet ist, die Anspruchsdauer über die Vollendung des 12. Lebensmonats des Kindes hinaus zu verlängern.

Auch Stiefelternteile, also mit einem leiblichen Elternteil (verheiratet oder nicht) in Lebensgemeinschaft lebende Personen fallen – im Gegensatz zum bisherigen Recht – bei Erfüllung der Voraussetzungen unter den Begriff Pflegeeltern.“

ERLÄUTERUNG

Vorweg ist anzumerken, dass der OGH im Urteil darauf hinweist, dass nach Ansicht des EGMR das Verbot der Adoption durch die „zweite Mutter“ menschenrechtswidrig gewesen ist. Dieser Zustand wurde erst durch die mit dem Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 in Kraft getretene Gesetzesänderung beseitigt. Der EGMR hat somit die vorliegende Form des Familienlebens auch indirekt anerkannt. Der nationale Gesetzgeber hat die Stellung der „zweiten Mutter“ als „ soziale Mutter“ dadurch anerkannt, indem er für sie die Möglichkeit geschaffen hat, Adoptivmutter zu werden.

Die familienpolitischen Ziele des Gesetzgebers zielen darauf ab, dass das Kind abwechselnd von beiden Elternteilen betreut werde. Der für die Verlängerung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld wesentliche partnerschaftliche Gedanke sei im vorliegenden Fall erfüllt, weil das Kind zunächst von der leiblichen Mutter und dann von der im gemeinsamen Haushalt lebenden „zweiten Mutter“ betreut wird und eine Vereinbarung zwischen den beiden Müttern über den abwechselnden Bezug des Kinderbetreuungsgeldes vorliegt.

Die Möglichkeit der Elternteile sich im Bezug des Kinderbetreuungsgeldes abzuwechseln, hängt davon ab, ob für die Elternteile für das zu betreuende Kind Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld besteht.

Das KBGG (§ 2 Abs 1) sieht neben den leiblichen Elternteilen auch für Adoptiv- und Pflegeeltern einen Anspruch auf KBG vor. Aus den Gesetzesmaterialien zum KBGG geht eindeutig hervor, dass unter Pflegeeltern Personen iSd § 184 ABGB zu verstehen sind. Pflegeeltern sind demnach Personen, welche die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teil- weise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende emotionale Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.

Im Falle der Lebensgefährtin der leiblichen Mutter werden diese Erfordernisse iSd § 184 ABGB erfüllt, so dass ihr die Stellung als Pflegeelternteil auch nach dem KBGG zukommt und für sie auch Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zusteht.

Am gleichen Tag hat der 10. Senat des OGH übrigens in einem zweiten, ganz ähnlichen Fall ebenso entschieden (OGH 21.10.2014, 10 ObS 68/14v): Dort ging es um die eingetragene Partnerschaft zweier gemeinsam das Kind betreuender Frauen. Wenn schon die Lebensgemeinschaft in Hinblick auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld der leiblichen Elternschaft gleich gehalten wird, dann naturgemäß umso eher die zusätzlich formalisierte Verpartnerung.