59Gesetzwidrige Konkurrenzklausel – Wahlrecht des Arbeitnehmers
Gesetzwidrige Konkurrenzklausel – Wahlrecht des Arbeitnehmers
Eine AG kann nicht einseitig auf ein mit einem AN vereinbartes Konkurrenzverbot und eine Konkurrenzabgeltung mit der Wirkung verzichten, nicht mehr – wie vereinbart – die Hälfte des zuletzt zustehenden Entgelts weiterzahlen zu müssen.
In einem Arbeitsvertrag wurde eine Konkurrenzklausel (keine selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit in Konkurrenz zum AG) für zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Währenddessen – so die Vereinbarung weiter – erhalte der AN dafür eine Entschädigung in der Höhe des halben zuletzt beim AG bezogenen Entgelts. Der AG kündigte und teilte dem AN während der Kündigungsfrist mit, dass er auf das Konkurrenzverbot verzichte, dafür aber auch der Entschädigungsanspruch wegfalle. Darauf erwiderte der AN, dass er sich an das vereinbarte Wettbewerbsverbot halten werde und die dafür vereinbarte Abgeltung verlange.
Tatsächlich arbeitete er in der Folge in einer anderen Branche zu einem Bruttoentgelt von € 2.000,-, die weniger als die Hälfte seines früheren Entgelts ausmachten. Als sein früherer AG die sogenannte „Karenzabgeltung“ nicht zahlte, klagte er diese ein (allerdings nicht für zwei Jahre, sondern für eines).
Das OLG Linz gab – nach erstinstanzlicher Abweisung – der Klage vollinhaltlich statt; die vom AG erhobene Revision wies der OGH im Wesentlichen unter Hinweis auf die gesicherte und einheitliche höchstgerichtliche Rsp zurück.
„Soweit die Revisionswerberin argumentiert, dass der Schutzzweck der §§ 36 und 37 AngG darauf abziele, die Erwerbsfreiheit des Dienstnehmers zu schützen,68 nicht aber Entgeltansprüche des Dienstnehmers zu begründen oder zu sichern, so mag dies durchaus zutreffen. Die Wahrung des finanziellen Interesses des Dienstnehmers im vorliegenden Fall ist aber die Folge davon, dass den Dienstgeber kein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Nichtig- keit trifft. […] Ein Wahlrecht des Dienstnehmers, dessen Interesse an einer angemessenen nachvertraglichen Bindung geschützt werden soll, entspricht aber dem Wesen der relativen Nichtigkeit. Die da- durch beeinträchtigten finanziellen Interessen des Dienstgebers werden durch § 37 Abs 2 AngG nicht geschützt.
Absolute Nichtigkeit, die von Amts wegen wahrzunehmen wäre […] wird nach herrschender Rechtsprechung und Lehre dann angenommen, wenn der Zweck einer Verbotsnorm, die im Interesse der Allgemeinheit erlassen wurde, die absolute Nichtigkeit eines gegen das Verbot geschlossenen Geschäfts erfordert […]
Es ist auch herrschende Rechtsprechung, dass ein Vertragspartner ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, auch dann anfechten kann, wenn er dies bei Vertragsabschluss gewusst und dennoch keinen Vorbehalt gemacht hat. Anders wäre der Zweck solcher Verbotsnormen überhaupt nicht zu erreichen […]. Umso mehr kann der Dienstnehmer eine zu niedrig vereinbarte Karenzabgeltung gegen sich gelten lassen, auch wenn er von der Rechtswidrigkeit einer derartigen Vereinbarung wusste oder wissen musste (§ 2 ABGB).“
Konkurrenzklauseln sind – neben anderen Voraussetzungen – für höchstens ein Jahr nach Beendigung wirksam (§ 36 Abs 1 Z 2 AngG). Bei AG-Kündigung entfaltet die Konkurrenzklausel nur ihre Wirksamkeit, wenn der AG während des nachvertraglichen Konkurrenzverbots das volle Entgelt weiterleistet. Die vorliegende Vereinbarung verletzte also in zweifacher Hinsicht die Voraussetzungen für eine gültige Konkurrenzklausel: Sie sollte für einen Zeitraum von zwei Jahren gelten, und die Höhe der Karenzabgeltung während der Dauer der Beschränkung war nur mit der Hälfte des Entgelts festgelegt. Rechtsfolge solcher gesetzwidriger Vereinbarungen ist deren Nichtigkeit. Die Frage ist aber: Gilt diese Nichtigkeit absolut – dh, die Vereinbarung gilt einfach als nicht geschlossen – oder gilt sie relativ – dh, nur der vom Gesetz geschützte AN kann sich auf sie berufen?
In Fortsetzung seiner gefestigten Rsp hat der OGH relative Nichtigkeit angenommen, die dem AN ein Wahlrecht gibt: Er kann wegen der Nichtigkeit der Konkurrenzklausel in der Branche ohne negative Folgen weiterarbeiten, er kann sich aber auch dafür entscheiden, die Konkurrenzklausel in der vereinbarten, gesetzwidrigen Form gegen sich gelten zu lassen und dadurch in den Genuss der – wenn auch zu niedrigen, weil nur halben – Leistung zu gelangen. Offen bleibt die spannende Frage, ob der OGH dem AN – hätte er dies geltend gemacht – auch für den zweiten Aspekt der Gesetzwidrigkeit relative Nichtigkeit zugutegehalten hätte: Hätte der AN das halbe Entgelt auch für das zweite Jahr des Konkurrenzverbots zugesprochen bekommen?