Die freie Arztwahl in der Krankenversicherung
Die freie Arztwahl in der Krankenversicherung
Es gehört zu den Grundsätzen des österreichischen Krankenversicherungsrechts, dass die versicherten PatientInnen zwischen einer Vielzahl von Leistungserbringern wählen können. Dabei stehen keineswegs nur die Vertragspartner der SV zur Verfügung. Aufgrund des Anspruchs auf Kostenerstattung kann idR jeder befugte Leistungserbringer im Fall der Krankheit auf Kosten der KV konsultiert werden. In diesem Fall ist allerdings nur eine teilweise Kostendeckung gegeben. Dieser Beitrag untersucht speziell die freie Arztwahl im niedergelassenen Bereich. Fraglich ist insb, ob und inwieweit Beschränkungen der freien Arztwahl im Gesetz, in der Krankenordnung oder im Gesamtvertrag zulässig sind und wie sie sich auf die Versicherten auswirken. Auf Fragen der freien Wahl des Leistungserbringers im stationären Bereich wird hier nicht eingegangen.
Zum Thema
Historische Entwicklung
Aktuelle gesetzliche Grundlagen
Grundrecht auf freie Arztwahl?
Beschränkungen der freien Arztwahl
Regelung der Ärzteauswahl und des Arztwechsels in der Krankenordnung
Gesamtvertragliche Honorarbeschränkungen
Gesamtvertragliche Verrechnungsbeschränkungen
Unter „freier Arztwahl in der KV“ ist zu verstehen, dass die Leistungsberechtigten bei der Inanspruchnahme der ärztlichen Hilfe im Rahmen der Krankenbehandlung nicht einen bestimmten Arzt/ eine bestimmte Ärztin* in Anspruch nehmen müssen, sondern zwischen mehreren niedergelassenen ÄrztInnen auswählen können. Das ist keineswegs selbstverständlich. Es sind durchaus Krankenversicherungssysteme denkbar, bei denen die Kosten vom Krankenversicherungsträger nur dann übernommen werden, wenn eine eigene Einrichtung des Trägers oder ein zugewiesener bzw nach bestimmten Kriterien (zB Wohnort) bestimmter Arzt/eine bestimmte Ärztin ausgewählt wird. Im stationären Bereich besteht etwa eine freie Arztwahl nicht bzw nur ganz ausnahmsweise.*
Für ein Wahlrecht zwischen ÄrztInnen in der KV wird meist ins Treffen geführt, dass das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt/Ärztin und PatientIn für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendig ist.* Andererseits wird bei freier Auswahlmöglichkeit eine höhere Kostenbelastung der KV befürchtet und werden Einschränkungen der Wahlfreiheit meist mit Kostenargumenten begründet.* Gegenstand der folgenden Untersuchung soll sein, inwieweit die freie Arztwahl tatsächlich ein Recht der Versicherten ist und ob bzw inwieweit dieses auch eingeschränkt werden darf. Einschränkungen gibt es schon im Gesetz dadurch, dass die Krankenbehandlung bei Konsultation eines Vertragsarztes/ einer Vertragsärztin und eines Privatarztes/einer Privatärztin nicht zu gleichen Bedingungen erfolgt (§ 131 Abs 1 ASVG). In den Krankenordnungen werden darüber hinaus der Arztwechsel innerhalb des Quartals und zT auch die Inanspruchnahme von FachärztInnen eingeschränkt. Fraglich ist, inwieweit durch Gesamtvertrag eine faktische Beschränkung der Wahlmöglichkeiten herbeigeführt werden darf – so etwa, wenn VertragsärztInnen bestimmte Leistungen nicht auf Kassenkosten erbringen dürfen. Es ist auch nicht ganz klar, ob die freie Arztwahl in gleicher Weise für AllgemeinmedizinerInnen und alle Facharztsparten gilt. Schließlich könnte bei der geplanten Einführung eines neuen Primärversorgungssystems, das letztlich zu einer neuen Arbeitsteilung und stärkeren Vernetzung in 139der Gesundheitsversorgung führen soll, auch die freie Arztwahl betroffen sein.
Das österreichische Krankenversicherungsrecht kennt Wahlmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme von ÄrztInnen im Rahmen der Gesundheitsversorgung schon seit langer Zeit. Im KrankenversicherungsG 1888* war allerdings nur „freie ärztliche Behandlung“ vorgesehen, ohne deren Organisation näher zu regeln. Diese (und damit auch der Abschluss von Verträgen mit den Ärzten) war den Krankenkassen überlassen. Der Versicherte musste aber jedenfalls im Rahmen der Krankenbehandlung den Kassenarzt aufsuchen. Bei Behandlung durch einen anderen Arzt wurden die Kosten nur ersetzt, wenn dies auf Anordnung oder Genehmigung der Kasse oder bei Gefahr im Verzug geschehen ist.* In der 2. Novelle zum KrankenversicherungsG aus 1917* wurde erstmals ausdrücklich die freie Wahl zwischen den Kassenärzten des jeweiligen Kassensprengels, wenn auch nur als eine Möglichkeit, vorgesehen („organisierte freie Arztwahl“). Es konnte die Inanspruchnahme bestimmter Kassenärzte angeordnet werden. Ein Kostenersatz bei Konsultation anderer Ärzte stand dann (außer in dringenden Fällen) nicht zu. Erst im Gesetz betreffend die KV der Staatsbediensteten 1920* wurde eine freie Arztwahl nach heutigem Verständnis eingeführt.* Die Versicherten konnten nicht nur zwischen den Kassenärzten wählen, sondern hatten auch einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe des Betrags, der bei Inanspruchnahme der „Anstaltseinrichtungen“ (Vertragsärzte) aufzuwenden gewesen wäre. Die notwendigen Kosten wurden ersetzt, wenn Anstaltseinrichtungen (Vertragsärzte) nicht zur Verfügung standen oder nicht rechtzeitig erreicht werden konnten (wobei der Kostenersatz in diesem Fall begrenzt werden konnte). Um „Missbräuchen“ entgegenzuwirken und die Krankenbehandlungskosten zu begrenzen, war eine „Ärztegebühr“ zu entrichten.
Eine ähnliche Regelung wie für die Staatsbediensteten wurde mit dem AngestelltenversicherungsG 1926 für die Privatangestellten eingeführt.* Für die Arbeiter blieb es zunächst bei der „organisierten freien Arztwahl“. Im GSVG 1935* war eine freie Wahl zwischen allen im Sprengel des Wohnortes praktizierenden und zugelassenen Ärzten vorgesehen, darüber hinaus nur bei erwiesener Notwendigkeit (zB Notfälle, Erkrankung auf Dienstreisen). Wie in der zwischen 1939 und 1945 geltenden RVO war auch im SV-ÜG* eine freie Wahl bloß zwischen Vertragsärzten vorgesehen. Bei Inanspruchnahme eines Privatarztes gebührte nur ausnahmsweise eine Kostenerstattung (§ 73 Abs 2 SV-ÜG). In den Gesamtverträgen sollte (idR) für eine Auswahl zwischen mindestens zwei Ärzten Vorsorge getroffen werden (§ 70 Abs 1 lit a SV-ÜG).
Im geltenden Recht lässt sich der Grundsatz der freien Arztwahl aus mehreren Bestimmungen ableiten. Versicherte haben einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Krankenbehandlung für sich und ihre Angehörigen (§ 122 iVm § 121 Abs 2 und § 133 Abs 1 ASVG) im Rahmen des § 133 Abs 2 ASVG. Nach § 135 Abs 1 ASVG wird die ärztliche Hilfe als Leistung der Krankenbehandlung durch Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen (§ 131 Abs 1 ASVG) sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen des Versicherungsträgers gewährt. Das Gesetz schränkt die Wahl zwischen den genannten Ärzten bzw Einrichtungen nicht ein. Im Gegenteil: Nach § 135 Abs 2 ASVG soll eine Mindest-Auswahlmöglichkeit bestehen, auch der Stellenplan des Gesamtvertrags soll dieses Ziel erreichen (§ 342 Abs 1 Z 1 ASVG). Der Leistungsberechtigte kann es sich also aussuchen, welchen Anbieter er in Anspruch nimmt.
Bis 1956 bestand – von den oben unter 2. angeführten Ausnahmen abgesehen – nur eine Wahlmöglichkeit zwischen Kassenärzten. Eine Kostenerstattung bei Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt (Wahlarzt) wurde erst durch das ASVG eingeführt (§ 131 Abs 1). Die Regelung war ein Kompromiss zwischen der Beibehaltung des Status quo ante und der Forderung der Ärztekammer, allen niedergelassenen Ärzten einen Anspruch auf Einbeziehung in das Sachleistungssystem zu verleihen.* Aus der Sicht der Leistungsberechtigten wurde damit die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Ärzten auf Kosten des Krankenversicherungsträgers erweitert. Allerdings können Ärzte ohne Vertrag nicht zu gleichen Bedingungen wie Vertragsärzte konsultiert werden. Es ist vielmehr das vereinbarte (nicht tarifgebundene) Honorar dem Arzt zu bezahlen und erst danach kann ein Antrag auf Kostenerstattung gestellt werden. Die Kostenerstattung war immer schon durch die Höhe des im Gesamtvertrag vereinbarten Tarifs für den entsprechenden Vertragspartner beschränkt. Die Differenz zu den idR höheren Wahlarzthonoraren musste und muss der Leistungsberechtigte tragen. In der 53. ASVG-Novelle* wurde die Kostenerstattung auf 80 % des Vertragstarifes reduziert. Faktisch wurde damit die freie Arztwahl eingeschränkt, weil dadurch die „Deckungsquote“ der Gesamtkosten geringer geworden ist.
Nach § 135 Abs 2 ASVG soll dem/der Versicherten idR die Auswahl zwischen mindestens zwei zur Behandlung berufenen, für den Erkrankten in ange-140messener Zeit erreichbaren ÄrztInnen oder Gruppenpraxen freigestellt sein. Bestehen bei einem Versicherungsträger eigene Einrichtungen für die Gewährung der ärztlichen Hilfe oder wird diese durch Vertragseinrichtungen gewährt, muss die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren VertragsärztInnen (WahlärztInnen) bzw einer oder mehreren Vertrags-Gruppenpraxen (Wahl-Gruppenpraxen) unter gleichen Bedingungen freigestellt sein.
Nach § 135 Abs 2 ASVG besteht die Auswahlmöglichkeit zwischen zwei „Ärzten“ bzw Gruppenpraxen. Da das ASVG sonst zwischen Vertragsärzten und Wahlärzten begrifflich unterscheidet, ist aus dieser Formulierung zu schließen, dass es ausreicht, wenn ein Vertragsarzt und ein Wahlarzt zur Verfügung stehen.* Diese müssen zur „Behandlung“ berufen sein. Das ist zunächst ein Hinweis auf die berufsrechtliche Befugnis. Nach § 31 ÄrzteG sind Allgemeinmediziner zur Ausübung einer allgemeinmedizinischen Berufstätigkeit und Fachärzte nur zu einer Tätigkeit in ihrem Sonderfach berechtigt.* Die Erreichbarkeit in angemessener Zeit ist schwer zu konkretisieren, weil das nicht nur von der Entfernung, sondern auch von den Verkehrsverhältnissen und anderen Umständen (zB Zugänglichkeit des Geländes) abhängt. Eine Verbesserung der Verkehrsanbindung an einen Zentralraum führt daher uU dazu, dass im Umland weniger Ärzte zur Verfügung stehen müssen. Es wird auch je nach Fach zu unterscheiden sein. Allgemeinmediziner müssen sicher öfter vorhanden sein als (zB) Augenärzte.
In jedem Fall kann damit nur ein Durchschnittsmaßstab gemeint sein. Wer in idyllischer Lage aber weit weg vom nächsten größeren Ort wohnt, wird nicht fordern dürfen, dass in geringer Entfernung zwei Radiologen erreichbar sind. Diese Flexibilität gibt das Gesetz aber ohnehin vor. Die freie Wahl wird nämlich doppelt relativiert. Sie „soll“ nur gegeben sein und auch das nur „in der Regel“. Der Gesetzgeber war sich also offenkundig bewusst, dass die freie Wahl zwischen zwei befugten Ärzten in angemessener Zeit nicht immer gewährleistet werden kann. Das hängt vor allem auch damit zusammen, dass der Krankenversicherungsträger im bestehenden System eine ausreichende Anzahl von Ärzten nicht garantieren kann. Er kann sich nur um den Abschluss von Kassenverträgen bemühen. Wenn sich etwa in stadtfernen Gegenden Ärzte nicht ansiedeln wollen, muss das letztlich genauso in Kauf genommen werden wie ein vertragsloser Zustand, in dem gar keine Vertragsärzte zur Verfügung stehen. Es sind aber auch Beschränkungen der freien Arztwahl aus finanziellen Gründen nicht von vornherein ausgeschlossen.*
Ähnliches ergibt sich aus § 342 Abs 2 Z 1 ASVG. In dieser Bestimmung wird festgelegt, dass im Gesamtvertrag ein Stellenplan zu vereinbaren ist, der eine ausreichende Versorgung mit den Leistungen der KV gewährleistet. Der Stellenplan hat konkret die Zahl und die örtliche Verteilung der Vertragsärzte festzusetzen und zwar unter Bedachtnahme auf die regionalen Strukturpläne Gesundheit und unter Berücksichtigung sämtlicher ambulanter Versorgungsstrukturen. Das angestrebte Ziel ist eine Versorgung, die die Auswahl zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten oder einem Vertragsarzt und einer Vertrags-Gruppenpraxis ermöglicht. Dieses Ziel geht über § 135 Abs 1 ASVG hinaus, weil die Wahl zwischen zwei Kassenärzten angestrebt wird. Auch hier findet sich aber die Formulierung „in der Regel soll“, die Ausdruck dessen ist, dass sich der Versicherungsträger nur um Vertragsärzte bemühen, diese aber nicht zum Vertragsschluss zwingen kann. Im Übrigen regelt § 342 Abs 2 Z 1 ASVG den Inhalt von Gesamtverträgen und wirkt daher unmittelbar nur zwischen den Gesamtvertragsparteien. Der Vorsorgeauftrag der KV nach § 23 Abs 5 ASVG ist schon erfüllt, wenn eine Wahlmöglichkeit gem § 135 Abs 2 ASVG besteht.* Nicht einmal diese ist freilich rechtlich durchsetzbar. Der Versicherte kann eine bestimmte Versorgung mit Ärzten nicht erzwingen. Gibt es zu wenig Vertragsärzte, die in angemessener Zeit erreichbar sind, kann der Leistungsberechtigte nur wählen, ob er einen weiter entfernten Vertragsarzt oder einen Wahlarzt in Anspruch nimmt, wobei er im letzteren Fall nur Kostenerstattung erhält. Im vertragslosen Zustand gibt es nur die Möglichkeit, einen Privatarzt gegen Kostenerstattung aufzusuchen.* Das ist letztlich die Konsequenz des Gesamtsystems. Der Versicherte hat keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Zurverfügungstellung von Sachleistungen, sondern nur auf Kostenersatz gem § 131 ASVG. Der Versicherungsträger darf zwar den Abschluss von Verträgen nicht deshalb unterlassen, weil es ohnehin ausreichend Wahlärzte gibt.* Ihn trifft aber nur eine Bemühungspflicht, durch den Abschluss geeigneter Verträge (und den Betrieb eigener Einrichtungen im gesetzlichen Rahmen) eine ausreichende Sachleistungserbringung zu gewährleisten. Nur bei Verletzung dieser Bemühungspflicht sind ausnahmsweise weitergehende Ansprüche möglich.* Dh aber letztlich auch, dass die freie Arztwahl dem Versicherten ein Recht auf freie Wahl zwischen den bestehenden Behandlungseinrichtungen verschafft, nicht aber ein Recht auf Schaffung von Behandlungsalternativen.*
Die Wahl zwischen den bestehenden Behandlungseinrichtungen ist aber (von Ausnahmen abgesehen, siehe unten 5.) tatsächlich frei. Die Leistungsbe-141rechtigten müssen keineswegs vorrangig Vertragsärzte konsultieren. Auch wenn es in angemessener Entfernung mehrere in Betracht kommende Vertragsärzte gibt, dürfen sowohl weiter entfernt tätige Vertragsärzte (Vertrags-Gruppenpraxen) als auch eigene Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) oder Wahlärzte (Wahl-Gruppenpraxen) in Anspruch genommen werden.* Es besteht also auch die freie Wahl zwischen Sachleistung und Kostenerstattung.
In regionaler Hinsicht ist bei den Vertragsärzten zu unterscheiden. Soweit der Sozialversicherungsträger für das gesamte Bundesgebiet (Sozialversicherungsanstalt [SVA] der gewerblichen Wirtschaft, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau; SVA der Bauern)* zuständig ist, können die Leistungsberechtigten jedenfalls zwischen allen Vertragsärzten dieses Trägers im Bundesgebiet frei auswählen. Gesetzliche Einschränkungen sind diesbezüglich nicht vorgesehen. Die Wahlmöglichkeit darf wegen der zweiseitig zwingenden Wirkung des Vertragspartnerrechts auch nicht im Gesamtvertrag beschränkt werden. Scheinbar anders ist es bei den Gebietskrankenkassen, die für jedes Bundesland errichtet sind (§ 23 Abs 2 ASVG). Ihre örtliche Zuständigkeit richtet sich in aller Regel nach dem Beschäftigungsort (§ 30 ASVG). Allerdings erstreckt § 129 ASVG die Leistungsverpflichtung auf die örtlich an sich nicht zuständigen Gebietskrankenkassen.* Auch die Vertragspartner des aushelfenden Versicherungsträgers sind in diesen Fällen zur Leistung nach den für sie geltenden Verträgen verpflichtet. Darüber hinaus sieht § 343 Abs 1 ASVG vor, dass die vom zuständigen Krankenversicherungsträger abgeschlossenen Einzelverträge für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie für die SVA der Bauern wirksam sind. Letztlich erstreckt sich daher das Recht der Wahl zwischen den Vertragsärzten auch bei den ASVG-Versicherten (und den angeschlossenen BSVG-Versicherten) auf das gesamte Bundesgebiet. Das gilt im Übrigen auch im Falle eines regional beschränkten vertragslosen Zustands, in dem die Leistungsberechtigten daher auf die Vertragsärzte eines anderen Bundeslandes ausweichen könnten.*
Nicht unmittelbar mit freier Arztwahl hat die in § 135 Abs 2 Satz 2 und 3 getroffene Regelung zu tun, wonach bei Bestehen eigener Einrichtungen des Versicherungsträgers oder von Vertragseinrichtungen die Wahl der Behandlung zwischen einer dieser Einrichtungen und einem oder mehreren Vertragsärzten (Wahlärzten) bzw einer oder mehreren Vertrags-Gruppenpraxen (Wahl-Gruppenpraxen) unter gleichen Bedingungen freigestellt sein muss. Insoweit Zuzahlungen zu den Leistungen vorgesehen sind, müssen diese in den Ambulatorien, bei den freiberuflich tätigen Vertragsärzten und in den Vertrags-Gruppenpraxen gleich hoch sein. Wie die Materialien belegen, geht es bei diesen Regelungen um den Schutz der Vertragsärzte (Vertrags- Gruppenpraxen) vor der Konkurrenz durch kasseneigene Einrichtungen.* Es sollte kein Anreiz dafür geschaffen werden, dass die Versicherten vorrangig Kassenambulatorien in Anspruch nehmen.
Das ist vor dem historischen Hintergrund erklärbar, dass die „freie Ärzteschaft“,* also die niedergelassenen freiberuflich tätigen Ärzte, Angst vor der Einführung eines staatlichen Gesundheitsdienstes oder jedenfalls einer erheblichen Ausweitung der kasseneigenen Einrichtungen hatte. Aus demselben Grund wurde auch die Errichtung und Erweiterung solcher Einrichtungen beschränkt.* Das Zuzahlungsverbot ist im ASVG derzeit nicht aktuell. Bei Einführung eines Selbstbehalts* dürfte aber weder dem Grunde noch der Höhe nach zwischen der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe bei einer eigenen Einrichtung oder einem Vertragspartner differenziert werden. Das Zuzahlungsverbot war schon in der RV zur Stammfassung des ASVG enthalten. Im Ausschuss wurde noch „klargestellt, daß die Wahl der Behandlung zwischen dem Vertragsarzt und dem kasseneigenen Ambulatorium unter gleichen Bedingungen für den Versicherten freigestellt sein muß.“* Es sollten also auch bei den sonstigen Bedingungen keine Anreize der Inanspruchnahme der ärztlichen Hilfe in kasseneigenen Einrichtungen geschaffen werden. Ob dabei an etwas Bestimmtes gedacht wurde, lässt sich nicht eruieren. Da eine Sachleistung ohne Selbstbehalt für den Leistungsberechtigten ohnehin kostenfrei ist,* Umfang und Dauer der ärztlichen Hilfe gesetzlich unabhängig vom Leistungsanbieter festgelegt sind, könnte es allenfalls um Differenzierungen bei Nebenleistungen oder in organisatorischen Fragen gehen. So dürfte die Satzung keine höheren Fahrkosten bei Inanspruchnahme eigener Einrichtungen oder die Krankenordnung kein Gebot der vorrangigen Überweisung an kasseneigene Ambulatorien vorsehen.
Auf den ersten Blick nicht verständlich ist es, wenn in § 135 eigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen den Vertragsärzten und Vertrags- Gruppenpraxen gegenübergestellt werden. Auch Vertragseinrichtungen sind ja Vertragspartner der Krankenversicherungsträger, in denen Ärzte nicht wie bei einer eigenen Einrichtung beim Versicherungsträger angestellt sind. Der historische Hintergrund wird wiederum aus den Materialien zur Stammfassung klar. Dort wird ausgeführt, dass die ärztliche Behandlung durch einen Vertragsarzt, durch einen Wahlarzt, „in einem Ambulatorium des Trägers der Krankenversicherung, bei dem die Anspruchsberechtigung besteht
“ oder „in Vertragsambulatorien, insbesondere in dem Ambulatori
-142um eines anderen Versicherungsträgers
“ erfolgen kann.* Als Vertragseinrichtung wurde also vor allem das Ambulatorium eines für den Versicherten nicht zuständigen Versicherungsträgers angesehen, mit dem der zuständige Versicherungsträger einen Vertrag abgeschlossen hat. Offenkundig gab es Bedenken, dass der Konkurrenzschutz gegenüber trägereigenen Einrichtungen durch Verträge mit anderen Kassen umgangen werden könnte. Das ist einleuchtend. Weniger einleuchtend ist es, wenn Vertragseinrichtungen, die eine Kasse nicht betreibt und an denen sie auch nicht beteiligt ist, wie eigene Einrichtungen behandelt werden. Es ist durchaus fraglich, ob man dem ASVG einen generellen Vorrang der Sachleistungsvorsorge durch niedergelassene Kassenärzte gegenüber einem institutionellen System mit überwiegend in Dienstverhältnissen beschäftigten Ärzten unterstellen kann.* Die Einführung von Gruppenpraxen, die sich in Größe und Organisationsform nur noch geringfügig von Ambulatorien unterscheiden,* hat diese Zweifel eher noch verstärkt. Zu bedenken ist im Übrigen, dass in einem Ambulatorium nicht zwingend alle Ärzte angestellt sein müssen. Letztlich spricht also mehr dafür, dass private Vertragseinrichtungen, an denen kein Krankenversicherungsträger beteiligt ist, als Vertragspartner wie Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen anzusehen sind.* Die freie Wahl unter gleichen Bedingungen nach § 135 Abs 2 Satz 2 ASVG bedeutet also letztlich nur, dass kein Anreiz bestehen soll, vorrangig eigene Einrichtungen zu konsultieren.
Durch die freie Arztwahl werden Versicherte in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, wer eine notwendige Krankenbehandlung durchführen soll. Der Grund für diese eingeräumte Wahlmöglichkeit liegt im Wesentlichen darin, dass der Erfolg der Krankenbehandlung auch mit einem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt/Ärztin und PatientIn zusammenhängt.* Über die Art der erforderlichen Krankenbehandlung entscheidet hingegen der/die konsultierte Arzt/Ärztin selbst. Eine freie Methoden- oder Therapiewahl durch die Versicherten sieht das ASVG nicht vor.*
Ein Grundrecht auf freie Arztwahl gibt es in der österreichischen Bundesverfassung nicht. Insb lässt sich aus der EMRK kein solches Grundrecht ableiten.* Sie enthält nicht einmal ein Grundrecht auf eine angemessene Gesundheitsversorgung. Ansätze in diese Richtung findet man in der nicht im Verfassungsrang stehenden Europäischen Sozialcharta (ESC),* aus der aber auch beim besten Willen kein Recht auf freie Arztwahl abgeleitet werden kann. Der VfGH hat daher zu Recht festgestellt, dass die freie Arztwahl keinen Verfassungsgrundsatz darstellt.* Eine Einschränkung dieses Rechts kann daher auch nicht als unzulässiger Eingriff in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte angesehen werden, sofern die Einschränkung selbst nicht verfassungsrechtlich bedenklich ist. Die Senkung der Kostenerstattung von 100 % auf 80 % der Vertragsarztkosten wurde nicht einmal als Eingriff in die freie Arztwahl angesehen, weil der sozialversicherte Patient ja nicht einem bestimmten Arzt zugewiesen werde, sondern seinen Vertrauensarzt weiterhin frei wählen könne.* Aus der „Gleichwertigkeit der Leistungen“ von Vertragsärzten und Wahlärzten könne kein Verfassungsgebot abgeleitet werden, dass sich der Krankenversicherungsträger bei der Kosten er stat tung der Höhe nach unter allen Umständen an der Honorarordnung des Gesamtvertrags zu orientieren hätte.* Einen gewissen verfassungsrechtlichen Schutz der Kostenerstattung bei Inanspruchnahme von Wahlärzten im Rahmen des bestehenden Leistungserbringungssystems gibt es laut VfGH aber doch. Zwar müsse nicht die Frequentierung von Vertragsärzten und Wahlärzten in gleicher Weise gewährleistet werden, es dürfe aber der Zugang zur Wahlarztversorgung angesichts des hohen Stellenwerts der Gesundheit nicht auch dann erschwert oder gar unmöglich gemacht werden, wenn für den Versicherungsträger nicht mehr Kosten als bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes entstehen. Wegen des öffentlichen Interesses an einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung könne nämlich ein Bedarf an wahlärztlicher Hilfe, einerseits im Hinblick auf Lücken im Vertragsärzteangebot, andererseits wegen der Besonderheiten des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient, nicht geleugnet werden.* Es muss hier nicht näher darauf eingegangen werden, ob aus dem Gleichheitssatz tatsächlich eine Art Garantie des Wahlarztsystems abgeleitet werden kann, sofern nur die Wahlarztbehandlung – gemeint offenbar im Einzelfall – nicht mehr als die Inanspruchnahme des Vertragsarztes kostet. Insb bleibt dabei unklar, welchen Stellenwert die Gesamtkostenentwicklung hat. Interessant ist, dass der VfGH auch die Besonderheiten des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt143und Patient als Argument für das Bestehen eines Wahlarztangebots ins Treffen führt. Man könnte dies so verstehen, dass es verfassungswidrig wäre, wenn der Gesetzgeber grundsätzlich nur mehr die freie Wahl zwischen Vertragsärzten und eigenen Einrichtungen und eine Kostenerstattung bei Inanspruchnahme von Wahlärzten etwa nur in Notfällen vorsehen würde (wie es früher der Fall war, siehe oben 2.). Man darf aber die Aussagen des VfGH nicht „überinterpretieren“: Gemeint war wohl nur, dass im derzeitigen System
die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Wahlärzten nicht beliebig verschlechtert werden dürfen, weil ihnen eine wichtige Ergänzungsfunktion im an sich sachleistungsorientierten Gesundheitsversorgungssystem zukommt. Wenn der Gesetzgeber selbst ein Versorgungsmodell mit mehreren Säulen festlegt, darf er nicht beliebig, sondern nur aus sachlichen Gründen die Bedeutung der Systemkomponenten verändern. Als sachlicher Grund wurden zusätzliche Kosten für Wahlärzte dem Grunde nach anerkannt. In diesem Fall ist also eine Einschränkung der freien Arztwahl jedenfalls verfassungsrechtlich zulässig.
Auch das Unionsrecht kennt kein Recht auf freie Arztwahl. Nach Art 35 GRC hat jeder Mensch das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Die Organisation der Gesundheitsvorsorge bleibt also den Mitgliedstaaten überlassen. Deshalb ist ein staatlicher Gesundheitsdienst genauso zulässig wie ein privatwirtschaftliches Modell oder ein Mischmodell. Ob überhaupt ein Wahlrecht bei der Inanspruchnahme von Ärzten im Rahmen des jeweiligen Vorsorgesystems besteht bzw wie dieses ausgestaltet ist, darf – auch mangels Unionskompetenz – innerstaatlich entschieden werden.
Nicht näher eingegangen werden muss hier auf die Diskussion, ob die 80 %-ige Kostenerstattung nach § 131 Abs 1 ASVG gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt. Es geht dabei in Wahrheit weniger um die Wahlfreiheit der Patienten als um die Marktchancen der Anbieter. Die wesentlichen Argumente sind hier bereits vorgebracht.* Auch wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass der EuGH einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit annehmen könnte, wäre das Ergebnis freilich einigermaßen kurios. Die Krankenbehandlung im Ausland ist unionsrechtlich relativ klar geregelt (insb Art 19 und 20 VO 883/2004).* Eine Verpflichtung zu einer Kostenerstattung in bestimmter Höhe ergibt sich daraus nicht. Eine besondere Kostenerstattung kann nun im Rahmen der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung im Ausland in Anspruch genommen werden.* Sie erfolgt in Höhe der Kosten, die der zuständige österreichische Sozialversicherungsträger bei einer entsprechenden Behandlung in Österreich mittels Europäischer Krankenversicherungskarte im Rahmen der VO 883/2004 dem zuständigen ausländischen Träger in Rechnung gestellt hätte.* Nun ist aber mittlerweile nach entsprechenden Entscheidungen des EuGH anerkannt, dass ein Kostenerstattungsanspruch auch auf die Dienstleistungsfreiheit gestützt werden kann.* Dass die Höhe der Kostenerstattung einen versicherten Patienten davon abhalten könnte, einen ausländischen Arzt an Stelle eines österreichischen Vertragsarztes (nicht Wahlarzt, weil bei dessen Konsultation ja auch die 80 %-Regel gilt) in Anspruch zu nehmen, ist schwer nachzuvollziehen. Das würde ja voraussetzen, dass man bei notwendiger Krankenbehandlung ohne weiteres einen Ortswechsel durchführen kann. Sieht man von Grenzgebieten ab, wird es meist schon aus medizinischen Gründen bei Aufenthalt im Inland nicht ohne weiteres möglich sein, einen ausländischen Arzt zu konsultieren (und bei Aufenthalt im Ausland einen inländischen Vertragsarzt). Sogar wenn dies aber möglich ist, wird sich jemand wohl nur in ganz außergewöhnlichen Fällen von der Differenz der Kostenerstattung abhalten lassen, einen ausländischen Arzt aufzusuchen. Dabei ist ja zu bedenken, dass auch eine Kostenerstattung in Höhe der vollen Vertragsarztabgeltung in den allermeis ten Fällen nur einen Teil der Gesamtkosten abdeckt.* Einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit kann man nur dann annehmen, wenn man nicht von einer durchschnittlichen realitätsnahen Betrachtung, sondern vom seltenen Ausnahmefall ausgeht. Das gleiche gilt, insoweit ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ausländischer Ärzte angenommen wird. Der Hamburger oder Warschauer Allgemeinmediziner wird eine geringere Kostenerstattung für österreichische Versicherte kaum jemals bei seinen Umsatzzahlen bemerken. Auch die hochspezialisierte Tagesklinik, die ihr Angebot auf begüterte Patienten aus ganz Europa ausgerichtet hat, wird kaum wirtschaftliche Einbußen erleiden.* Die Unionsrechtswidrigkeit hätte möglicherweise sogar die Konsequenz, dass auf diesem Weg die Kostenerstattung auch bei Inanspruchnahme eines inländischen Wahlarztes angepasst werden müsste.* Andernfalls könnte eine verbotene Inländerdiskriminierung vorliegen. Trotz fehlender Kompetenz der Union würde144auf diesem Weg durch Unionsrecht materiell in die Organisation des Krankenbehandlungsrechts eingegriffen und würden zudem die Gesamtkosten der inländischen Gesundheitsversorgung erhöht.*
Die Krankenordnungen enthalten Bestimmungen über die Ärzteauswahl und den Arztwechsel. So ist nach § 12 Musterkrankenordnung (MKO) bei Krankenbesuchen „grundsätzlich“ der nächsterreichbare Vertragsarzt für Allgemeinmedizin (bzw entsprechende Arzt einer Vertrags-Gruppenpraxis) zu rufen. Wird ein weiter entfernt wohnender Vertragsarzt gerufen, muss der Anspruchsberechtigte „grundsätzlich“ die Mehrkosten an Wegegebühren selbst tragen. Die Regelung bedeutet, dass die freie Arztwahl jedenfalls erschwert wird, weil für den Versicherten trotz Inanspruchnahme einer Sachleistung Kosten anfallen, wenn er zB seinen Hausarzt ruft, dieser aber nicht der nächsterreichbare Vertragsarzt für Allgemeinmedizin ist. Ob sie zulässig ist, richtet sich zunächst nach der gesetzlichen Ermächtigung. Nach § 456 Abs 1 ASVG sind in der Krankenordnung insb auch die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfall und das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der KV zu regeln. Es handelt sich wohl um eine entsprechende Verfahrensvorschrift. Die Regelung ist auch nicht unsachlich oder überschießend, weil sie nicht den Anspruch an sich beseitigt, sondern dem Leistungsberechtigten nur die zusätzlichen Wegegebühren, die nach der Honorarordnung dem Vertragsarzt zu bezahlen sind, weiterverrechnet. Das Wort „grundsätzlich“ deutet darauf hin, dass es davon Ausnahmen geben kann. Diese sind freilich nicht dezidiert umschrieben, was im Hinblick auf das Legalitätsprinzip problematisch ist. Man kann allenfalls einen Bezug zur Härtefallregelung des § 56 MKO herstellen und damit einen Forderungsverzicht bei berücksichtigungswürdigen Gründen rechtfertigen. Da sich § 56 MKO auf die Erbringung von Leistungen durch die Kasse trotz Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften bezieht, ist eine solche Auslegung keineswegs eindeutig.
Nach § 5b MKO ist ein Vertragsarztwechsel innerhalb des Kalendervierteljahres nur mit Zustimmung der Kasse oder in bestimmten Ausnahmefällen (Übersiedlung des Leistungsberechtigten, Verhinderung oder Vertragsende des Kassenarztes) möglich. Eine entsprechende Regelung gilt hinsichtlich des Wechsels zwischen Wahlärzten oder zwischen Wahlärzten und Vertragsärzten (§ 29 MKO). Auch dabei handelt es sich um eine Vorschrift, die das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen iSd § 456 Abs 1 ASVG betrifft. Sie ist inhaltlich unbedenklich, weil der Arztwechsel Kosten verursachen kann (zB bei einer Grundpauschale für die Behandlung im Quartal) und außerdem die Abrechnung durch ständige Arztwechsel erschwert würde. Es ist nicht Zweck der freien Arztwahl ein „Arzthopping“ zu ermöglichen, sondern das Vertrauen in einen bestimmten Arzt zu schützen. Außerdem ist es zumutbar, mit einem Arztwechsel einen gewisse Zeit (längstens drei Monate) zuzuwarten. Ob auch längere* Bindungen zulässig sind, müsste an Hand der konkreten Regelung und ihres Zwecks geprüft werden.
In den Gesamtverträgen finden sich diverse Beschränkungen der Verrechenbarkeit von Leistungen. Insoweit es sich um eine reine Honorierungsregelung handelt, der Vertragsarzt aber trotzdem zur Leistung verpflichtet bleibt, ist die freie Arztwahl nicht betroffen. Das gilt auch im Hinblick auf Wahlärzte, weil es letztlich „nur“ um ein Problem der Berechnung der Kostenerstattung geht. Nach § 131 Abs 1 ASVG hat die Satzung Pauschbeträge für die Kostenerstattung festzulegen, wenn die Vergütung des entsprechenden Vertragspartners nicht nach Einzelleistungen oder nicht nach Fallpauschalen, die einer erbrachten Einzelleistung gleichkommen, bestimmt ist. Vom OGH wurde sowohl eine Berechnung der Kostenerstattung nach Durchschnittswerten bei einer degressiven Honorarregelung* als auch eine anteilige Berechnung der Grundvergütung pro Ordination* als zulässig angesehen.*
In den Gesamtverträgen sind zT Regelungen enthalten, wonach die Verrechenbarkeit von bestimmten Leistungen auf eine oder mehrere Facharztgruppen oder Ärzte mit einer Zusatzausbildung beschränkt ist, obwohl nach dem ärztlichen Berufsrecht die Leistung erbracht werden darf.* Damit wird die freie Arztwahl faktisch eingeschränkt. Trotzdem werden diese Verrechnungsbeschränkungen als zulässig angesehen, weil sie der Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung dienen. Der nicht verrechnungsbefugte Vertragsarzt ist verpflichtet, sich an diese Einschränkungen zu145halten und darf für eine allfällige Leistungserbringung auch kein Honorar vom Kassenpatienten verlangen.* Die gesamtvertragliche Verrechnungsbeschränkung wirkt sich auch auf Wahlärzte aus. Der Versicherte hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 131 Abs 1 ASVG, wenn er bei einem Wahlarzt eine Leistung in Anspruch nimmt, die die Kasse dem entsprechenden Vertragsarzt nicht zu vergüten hat.*
Nach der Rsp ist es auch zulässig, wenn die Leistungserbringung und damit die Wahlmöglichkeiten des Versicherten im Interesse von medizinischen Schwerpunktbildungen oder eines Großgeräteplans auf gewisse Vertragsärzte oder auch Vertragseinrichtungen eingeschränkt werden.* Sofern es sich um Großgeräte iSd Großgeräteplans handelt, ergibt sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz. Nach § 338 Abs 2a ASVG sind dem Großgeräteplan widersprechende Verträge ungültig. Zu Recht erkennt der OGH aber darüber hinaus gesamtvertragliche Steuerungsmaßnahmen zur Sicherstellung einer flächendeckenden, qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen medizinischen Versorgung als zulässig an. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Wahlfreiheit bei der Inanspruchnahme besonders teurer Einrichtungen weiter als sonst eingeschränkt werden darf. Es kommt aber noch ein anderer Aspekt dazu. Bei den technischen Fächern (Radiologie und Labormedizin) spielt der eigentliche Geltungsgrund der freien Arztwahl, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, eine völlig untergeordnete Rolle. Die grundsätzlich zwar auch in den technischen Fächern bestehende freie Arztwahl* wird durch technisch-wirtschaftliche Gesichtspunkte überlagert.* Die entsprechenden Befunde werden zT von einem anderen Arzt interpretiert, zT gibt es (insb bei den Ärzten für Labormedizin) gar keinen direkten Kontakt mit dem Arzt. Die Patienten wissen meist gar nicht, in welcher Einrichtung die Laboruntersuchung stattfindet. Sie haben auch kein spezifisches – rechtlich geschütztes – Interesse auf Durchführung in einer ganz bestimmten Einrichtung, sondern auf eine ausreichende und zweckmäßige Untersuchung (§ 133 Abs 2 ASVG). Es besteht eine Ähnlichkeit mit der stationären Behandlung in einer Krankenanstalt, bei der es nach hM auch kein Recht auf freie Arztwahl gibt.* In aller Regel ist daher die Zuweisung durch den behandelnden Vertragsarzt entscheidend, der aufgrund seiner Fachkompetenz und nach den Kriterien des Gesamtvertrags zu entscheiden hat. Man wird also davon auszugehen haben, dass die freie Arztwahl im Hinblick auf die Auswahl von Radiologen und (insb) Laborärzten vollständig in den Hintergrund tritt.* Dies gilt umso mehr als die Spezialisierung und Technisierung solcher Untersuchungen immer mehr zunimmt und im Extremfall in angemessener Entfernung nur noch eine einzige Einrichtung zur Verfügung steht. Bei den Laboruntersuchungen ist außerdem zu bedenken, dass der Arzt oder die Einrichtung für Labormedizin zur Durchführung der Untersuchung idR gar nicht den unmittelbaren Kontakt mit dem Patienten benötigt. Es reicht meist aus, wenn eine Blutprobe an ein Labor geschickt wird. Es ist daher letztlich auch zulässig, wenn die Überweisung nach dem Gesamtvertrag (iSd allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots) nur an die jeweils kostengünstigste Einrichtung (Vertragsarzt oder Vertragseinrichtung) erfolgen darf.* Auch in diesem Fall gilt die Beschränkung in gleicher Weise für Wahlärzte und schließt einen Kostenersatzanspruch aus.
Vertragsarzt und Wahlarzt sind ein Gegensatzpaar. Ein Vertragsarzt kann daher auch nur im Rahmen der Sachleistungsgewährung, nicht aber als Wahlarzt in Anspruch genommen werden. In diesem Fall gebührt daher keine Kostenerstattung.* Das gilt insb auch dann, wenn eine „Mischpraxis“ geführt wird, also gleichzeitig Kassen- und Privatleistungen in unterschiedlichen Fächern angeboten werden, was berufsrechtlich zulässig ist.* Der VfGH* geht offenbar dann, wenn für Kassenpatienten nicht erkennbar ist, ob der Arzt als Vertragsarzt (zB für Allgemeinmedizin) oder als Wahlarzt (zB als Facharzt) tätig wird, davon aus, dass keine Kostenerstattung gebühren kann. Ist eine Trennung aufgrund unterschiedlicher Ordinationszeiten ersichtlich, könne hingegen eine Inanspruchnahme als Wahlarzt in Betracht kommen. Im konkreten Fall war die Argumentation freilich nur auf eine Bestimmung des Gesamtvertrags gestützt, aus der aber ein Verbot der wahlärztlichen Tätigkeit nicht ableitbar war. Letztlich scheint der VfGH also in solchen Fällen darauf abzustellen, ob sich aus dem Gesamtvertrag ein Ausschluss einer Wahlarzttätigkeit für ein anderes Fach ergibt.146