25Ruhen der Versehrtenrente bei Anstaltspflege
Ruhen der Versehrtenrente bei Anstaltspflege
§ 208 ASVG normiert für den Zeitraum der Anstaltspflege aus der KV und UV wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit grundsätzlich ein vollständiges Ruhen der Versehrtenrente. Wenn ein Krankengeldanspruch zu einer Versehrtenrente tritt oder während des Laufs einer Versehrtenrente dem Versehrten Anstaltspflege gewährt wird, so soll ein Ruhen nur in Ansehung jener Erhöhungen der Rente stattfinden, die eine Folge der Verschlechterung des Zustands des Versehrten ist, die zum Krankenstand oder zum Krankenhausaufenthalt führt.
Keine Verletzung des Eigentumsgrundrechts: Der Gesetzgeber überschreitet den ihm eingeräumten Gestaltungsraum nicht, wenn er für eine Zeit die Versehrtenrente sistiert, in der die Versorgung des Versicherten während der Anstaltspflege in anderer Weise sichergestellt ist und für die Bedürfnisse der Angehörigen in entsprechender Weise durch das Familiengeld Vorsorge getroffen wurde.
Keine Verletzung des Gleichheitssatzes: Im Hinblick auf Zielsetzung sowie Entstehungsgeschichte (insb deren Zusammenhang mit § 90a ASVG) des § 208 zweiter Satz ASVG liegt in den darin enthaltenen verschiedenen Regelungen keine willkürliche unsachliche Differenzierung.
Am 8.3.2012 erlitt der Kl [...] einen Arbeitsunfall. [...] Er erlitt einen Bruch des ersten Halswirbels und ein Hämatom.
Mit Bescheid der Bekl vom 15.4.2013 wurde das Ereignis als Arbeitsunfall anerkannt und ab 7.9.2012 eine vorläufige Versehrtenrente von 100 % der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß zuerkannt. Für den Zeitraum des unfallbedingten stationären Rehabilitationsaufenthalts vom 26.9.2012 bis 21.11.2012 wurde die Versehrtenrente ruhend gestellt; ab 22.11.2012 wurde dem Kl eine Versehrtenrente in Höhe von 20 % der Vollrente zuerkannt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kl [ua] die Auszahlung der ihm im Zeitraum seines Rehabilitationsaufenthalts vom 26.9.2012 bis 21.11.2012 gebührenden Versehrtenrente von 100 %. [...]
Das Erstgericht verpflichtete die Bekl, dem Kl die für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 8.3.2012 gebührende Versehrtenrente im Ausmaß von 100 % der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß für den Zeitraum 26.9.2012 bis 21.11.2012 auszubezahlen. [...]
[Es] stellte fest, dass sich der Kl vom 26.9.2012 bis zum 21.11.2012 stationär zur Erstrehabilitation im Rehabilitationszentrum Weißer Hof aufgehalten hat. [...] Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass das Ruhen der Versehrtenrente in dem Ausmaß nicht eintrete, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebühre (§ 208 2. Satz ASVG). Dann, wenn während des Laufs der Versehrtenrente dem Versehrten Anstaltspflege gewährt werde, solle ein Ruhen nur in Ansehung jener Erhöhungen der Rente stattfinden, die eine Folge der Verschlechterung des Zustands des Versehrten seien, die zur Anstaltspflege führten. An den bis dahin zu Recht bezogenen Leistungen solle sich aber nichts ändern. Da dem Kl ab 7.9.2012 (somit unmittelbar vor der Anstaltspflege) eine Versehrtenrente im Ausmaß der Vollrente von 100 % zuerkannt worden sei und199keine Verschlechterung eingetreten sei, die eine Erhöhung der Versehrtenrente mit sich bringe bzw möglich mache, trete während des Rehabilitationsaufenthalts kein Ruhen ein. Die Versehrtenrente sei für diesen Zeitraum daher auszubezahlen. [...]
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Bekl das Ersturteil dahin ab, dass es das Begehren auf Auszahlung der für den Zeitraum vom 26.9.2012 bis 21.11.2012 gebührenden Versehrtenrente im Ausmaß von 100 % der Vollrente abwies. Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, die von der Berufungswerberin geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel lägen nicht vor. [...] Die Stammfassung des § 208 2. Satz ASVG habe nur dahin gelautet, dass das Ruhen in dem Ausmaß nicht eintrete, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte. Mit dem BGBl 1973/31 sei der 2. Satz des § 208 ASVG um den Zusatz „bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte“ ergänzt worden. Es sei der Argumentation der Bekl zu folgen, nach der der 2. Satz des § 208 ASVG seitdem zwei Fallkonstellationen umfasse, nämlich das zeitliche Zusammenfallen von Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Anstaltspflege (1. Alternative) und das zeitliche Auseinanderfallen dieser beiden Zeitpunkte (2. Alternative). Da im vorliegenden Fall die Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfalltag (dem 8.3.2012) bestanden habe, die Anstaltspflege aber erst ab 26.9.2012 erfolgt sei, sei für die Frage des Ruhens auf den Zeitpunkt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abzustellen (2. Alternative). Zu diesem Zeitpunkt habe aber kein unfallbedingter Anspruch auf Versehrtenrente bestanden. Würde es – so wie das Erstgericht vermeint habe – immer nur auf die im Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Anstaltspflege gebührende Versehrtenrente ankommen, wäre die mit dem BGBl 1973/31 vorgenommene Ergänzung des Gesetzestextes nicht erforderlich gewesen, weil das alternative Abstellen auf das Rentenausmaß vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit sonst keinen Anwendungsbereich hätte. Zudem sei Zweck aller Ruhensbestimmungen, eine Doppelversorgung zu vermeiden. Die Versehrtenrente sei eine funktionsgleiche Leistung wie das während der Anstaltspflege aus der KV gebührende Krankengeld oder das aus der UV gebührende Familien- bzw Taggeld. Die daraus resultierende Doppelversorgung werde nur durch das Ruhen der Versehrtenrente verhindert. Beim Kl bestehe Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfalltag (dem 8.3.2012), die Anstaltspflege sei aber erst ab 26.9.2012 erfolgt. Da die beiden Zeitpunkte auseinander fallen, sei für die Frage des Ruhens auf den Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit abzustellen, vor dem kein unfallbedingter Anspruch auf Versehrtenrente bestanden habe, weshalb das auf Auszahlung gerichtete Klagebegehren abzuweisen sei. Es werde nicht verkannt, dass ein gänzliches Ruhen der Versehrtenrente eine Schlechterstellung derjenigen Versicherten zur Folge habe, die bei einem Arbeitsunfall sofort arbeitsunfähig werden, gegenüber denjenigen Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit erst später eintrete. Allerdings werde diese Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber der §§ 204, 90a ASVG in Kauf genommen. [...]
Die Revision des Kl ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. [...]
1.1 Gem § 208 ASVG („Ruhen der Versehrtenrente bei Anstaltspflege“) ruht die aufgrund eines Versicherungsfalls gebührende Versehrtenrente, wenn einem Versehrten wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder wegen einer Berufskrankheit Anstaltspflege aus der KV oder UV gewährt wird. Das Ruhen der Versehrtenrente tritt jedoch in dem Ausmaß nicht ein, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte. Eine ähnlich formulierte Regelung findet sich in § 90a ASVG, der das Zusammentreffen eines Anspruchs auf Versehrtenrente mit einem Anspruch auf Krankengeld (oder Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit) regelt.
1.2 Die Stammfassung des § 208 ASVG (BGBl 1955/189) umfasst den 1. Satz des § 208 mit dem Unterschied, dass nicht von allfälligen Kinderzuschüssen, sondern von allfälligen Zuschüssen die Rede ist. Die Materialien (RV 599 BlgNR 7. GP 6, 42) enthalten zu § 208 ASVG keine Ausführungen. 1.3 Mit dem BGBl 1962/13 erfolgte die Ergänzung des § 208 ASVG um folgenden 2. Satz: „Das Ruhen tritt jedoch in dem Ausmaß nicht ein, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte.
“ Die Materialien (IA 147/A zu 517 BlgNR 9. GP 79) enthalten dazu folgende Ausführungen:
„Die Neufassung des § 208 steht im Zusammenhang mit dem neu eingefügten § 90a. In gleicher Weise wie beim Zusammentreffen des Bezugs von Krankengeld mit dem Anspruch auf Versehrtenrente soll auch in den Fällen des § 208 die Versehrtenrente in dem vor Beginn der Anstaltspflege gewährten Ausmaß vom Ruhen nicht erfasst werden. Da die Unfallversicherungsträger, wenn es sich um eine vom Krankenversicherungsträger gewährte Anstaltspflege handelt, regelmäßig erst nach geraumer Zeit von einem Anstaltsaufenthalt des versehrten Rentenempfängers Kenntnis erhalten, wären sie nicht in der Lage, sofort mit Beginn der Anstaltspflege die Versehrtenrente ruhend zu stellen. Soweit aber bedingt durch die Verschlechterung der Unfallfolgen, die den Anstaltsaufenthalt notwendig machte, auch eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit eine Erhöhung der Versehrtenrente eintritt, soll dieser Differenzbetrag zwischen der vor dem Beginn der Anstaltspflege gewährten Versehrtenrente und der aufgrund der Verschlechterung der Unfallfolgen an sich gebührenden Versehrtenrente ab dem Beginn der Anstaltspflege ruhen.“
1.4 Zuletzt wurde der 2. Satz des § 208 ASVG mit dem BGBl 1973/31 um den Zusatz „bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte“ ergänzt. Die Materialien (RV 404 BlgNR 13. GP 97) sprechen davon, dass es sich lediglich um eine Textbereinigung handle, durch die sichergestellt werden sollte, dass nur jene Teilrente gewahrt bleibe, die vor der Arbeitsunfähigkeit gebühre, welche die Anstaltspflege ausgelöst habe. Es erfolgte damit eine200inhaltliche Anpassung an die vergleichbare Bestimmung des § 90a Abs 2 ASVG.
2.1 § 208 ASVG war bereits Gegenstand der E des OLG Wien (als damaligem Höchstgericht im Leistungsstreitverfahren der SV) vom 14.1.1977, 17 R 189/76, SSV 17/9, die sich wiederum im Wesentlichen auf die Vorentscheidung SVSlg 21.663 vom 11.12.1972 stützte. Ähnlich wie im vorliegenden Fall hatte die beklagte Unfallversicherungsanstalt (UVA) dem Kl wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls zunächst eine 100 %-ige Versehrtenrente zuerkannt und diese für die Dauer der unfallbedingten Anstaltspflege ruhend gestellt. Nach dem Ende der Anstaltspflege wurde eine 50 %-ige vorläufige Versehrtenrente zuerkannt. Das OLG Wien führte aus, Sinn des 2. Satzes des § 208 ASVG sei, dass jene Teilrente gewahrt bleibe, die vor der Anstaltspflege bzw einer durch diese verursachte Arbeitsunfähigkeit gebührte. Soweit aber Verschlimmerungen von Unfallfolgen einen Anstaltsaufenthalt notwendig machten und ihretwegen eine Erhöhung in der Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit der Versehrtenrente eintrete, solle dieser Unterschiedsbetrag zwischen der vor dem Beginn der Anstaltspflege gewährten und der aufgrund der Verschlechterung der Unfallfolgen an sich gebührenden höheren Versehrtenrente ab dem Beginn der durch diese Verschlechterung verursachten Anstaltspflege ruhen. Eine solche – ein teilweises Ruhen der dafür gebührenden höheren Versehrtenrente bewirkende – Verschlechterung habe beim Kl aber schon deshalb nicht eintreten können, weil er bis zum Beginn der Anstaltspflege schon eine Versehrtenrente von 100 % bezogen habe. Daher hätte auch bei einer allfälligen Verschlechterung in seinem durch den Unfall bedingten Zustand keine weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit und damit keine Erhöhung der Versehrtenrente eintreten können. Deshalb gebühre auch kein Unterschiedsbetrag zwischen der dafür gebührenden höheren und der vor Beginn der Anstaltspflege gewährten Versehrtenrente (siehe auch SVSlg 21.663).
2.2 Nach der zu § 208 ASVG ergangenen Rsp des OGH soll nach dem Willen des Gesetzgebers dann, wenn ein Krankengeldanspruch zu einer Versehrtenrente tritt oder während des Laufs einer Versehrtenrente dem Versehrten Anstaltspflege gewährt wird, ein Ruhen nur in Ansehung jener Erhöhungen der Rente stattfinden, die eine Folge der Verschlechterung des Zustands des Versehrten ist, die zum Krankenstand oder zum Krankenhausaufenthalt führt. An den bis dahin zu Recht bezogenen Leistungen sollte sich aber insoweit nichts ändern (10 ObS 235/92, SSV-NF 6/116; 10 ObS 171/97p, SSV-NF 11/75; RIS-Justiz RS0084291; siehe auch RIS-Justiz RS0108291). Zur Frage der Auslegung des § 208 2. Satz ASVG musste inhaltlich nicht abschließend Stellung genommen werden, weil über das Ruhen des Leistungsanspruchs vom Versicherungsträger kein Bescheid erlassen worden war.
2.3 Fellinger in SV-Komm § 208 ASVG Rz 3, führt aus, dass ein vor dem Krankengeldanspruch bestehender Anspruch auf Versehrtenrente in der unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestandenen Höhe gewahrt bleibe.
2.3.1 Nach Tomandl in
2.3.2 Nach Tomandl (in „Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung“ 132) regle § 90a ASVG das Zusammentreffen eines Anspruchs auf Versehrtenrente mit einem Anspruch auf Krankengeld aus demselben Unfall. In diesem Fall ruhe die Versehrtenrente für die weitere Dauer des Krankengeldbezugs mit dem Betrag des Krankengeldes. Werde aufgrund eines Arbeitsunfalls sowohl Anstaltspflege aus der KV oder UV als auch eine Rente gewährt, ruhe gem § 208 ASVG während der Dauer der Anstaltspflege die Rente einschließlich allfälliger Kinderzuschüsse. Sei die Rente jedoch schon unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit, vor der Anstaltspflege oder vor einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit zugestanden, bleibe sie in beiden Fällen in dieser Höhe vom Ruhen verschont.
3. Wie aus den Ausführungen Tomandls hervorgeht, umfasst § 208 2. Satz ASVG nunmehr zwei Fallkonstellationen. Im ersten Fall soll kein Ruhen der Versehrtenrente in dem Ausmaß eintreten, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte, wenn Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Anstaltspflege zeitlich zusammenfallen. Im zweiten Fall soll kein Ruhen der Versehrtenrente in dem Ausmaß eintreten, in dem die Rente unmittelbar vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte, wenn Beginn der Arbeitsunfähigkeit und Beginn der Anstaltspflege zeitlich nicht zusammenfallen.
§ 208 ASVG normiert somit für den Zeitraum der Anstaltspflege aus der KV und UV wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit grundsätzlich ein vollständiges Ruhen der Versehrtenrente. Durch die Novelle BGBl 1973/31 sollte nach den zitierten Gesetzesmaterialien sichergestellt werden, dass nur jene Teilrente gewahrt bleibe, die vor der Arbeitsunfähigkeit gebührte, welche die Anstaltspflege ausgelöst hat. Nach dem offenbaren Willen des Gesetzgebers soll daher ein Ruhen der Versehrtenrente bei jenen Versicherten, bei denen der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn der Anstaltspflege zeitlich zusammenfallen (nur) in dem unmittelbar vor Beginn der Anstaltspflege gewährten Ausmaß und bei jenen Versicherten, bei denen der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn der Anstaltspflege zeitlich nicht zusammenfallen, (nur) in dem vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gewährten Ausmaß nicht eintreten. Die Ansicht, es komme immer nur auf die im Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Anstaltspflege gebührende Versehrtenrente an, ließe die mit dem BGBl 1973/31 vorgenommene Ergänzung des Gesetzestextes unberücksichtigt und nähme201ihr im Ergebnis auch jeden Anwendungsbereich. Der E SSV 17/19 des OLG Wien, die sich auf die Vorentscheidung SVSlg 21.663 stützte, hat auf die zwischenzeitig mit dem BGBl 1973/31 erfolgte Änderung des § 208 2. Satz ASVG inhaltlich nicht Bedacht genommen. Zudem wird durch das Ruhen der Versehrtenrente während der Anstaltspflege eine allfällige Doppelversorgung verhindert. Ziel der meisten Ruhensbestimmungen ist, Leistungen dann nicht zu gewähren, wenn ein Sicherungsbedürfnis vorübergehend weggefallen ist. Der Grund für diesen Wegfall des Sicherungsbedürfnisses kann ua im Bezug einer anderen funktionsgleichen Leistung liegen. Im vorliegenden Fall ist die Versehrtenrente im Wesentlichen eine funktionsgleiche Leistung wie das während der Anstaltspflege aus der KV gebührende Krankengeld oder das aus der UV gebührende Familien- bzw Taggeld (10 ObS 188/91, SSV-NF 5/80; Sonntag in
4. Die vom Kl gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 208 ASVG vorgetragenen Bedenken vermögen nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber überschreitet den ihm eingeräumten Gestaltungsraum nicht, wenn er für eine Zeit die Versehrtenrente sistiert, in der die Versorgung des Versicherten während der Anstaltspflege in anderer Weise sichergestellt ist. Für die Bedürfnisse der Angehörigen wurde in entsprechender Weise durch das Familiengeld Vorsorge getroffen. Ein der Verfassung widersprechender Eingriff in das Eigentumsrecht ist bei dieser Sachlage nicht erkennbar. Auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist zu verneinen. Diese sieht der Kl darin, dass durch die Einschränkung der Ruhensbestimmung im 2. Satz des § 208 ASVG eine unsachliche Differenzierung zwischen denjenigen Versicherten getroffen werde, die nach einem Arbeitsunfall sofort arbeitsunfähig seien und jenen, deren Arbeitsunfähigkeit später eintrete. Richtig ist, dass der in Art 7 B-VG normierte Gleichheitsgrundsatz willkürliche unsachliche Differenzierungen verbietet. Er wird dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Gleiches ungleich behandelt (RIS-Justiz RS0053981). Das Gleichbehandlungsgebot ergibt sich ebenso aus Art 14 EMRK, wonach eine diskriminierende unterschiedliche Behandlung – wenn also Rechtssubjekte in einer ähnlichen Situation ohne objektive vernünftige Rechtfertigung ungleich behandelt werden – zu unterbleiben hat (RIS-Justiz RS0124747). Eine Regelung ist aber nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Dem Normsetzer muss es – insb auch im Interesse der Verwaltungsökonomie – gestattet sein, eine einfache und handhabbare Regelung zu treffen (RISJustiz RS0053882). Wie schon aufgezeigt wurde, verfolgt der Gesetzgeber mit der Einschränkung der Ruhensbestimmung im 2. Satz des § 208 ASVG den Zweck, dem Versicherten den Anspruch auf Versehrtenrente in der unmittelbar vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestandenen Höhe zu wahren.
Im Hinblick auf diese Zielsetzung sowie die Entstehungsgeschichte (insb deren Zusammenhang mit § 90a ASVG) des § 208 2. Satz ASVG kann in den darin enthaltenen verschiedenen Regelungen („1. Alternative“ und „2. Alternative“) aber keine willkürliche unsachliche Differenzierung erblickt werden. [...]
Dies ist eine für den Leser vielleicht etwas verwirrende Entscheidung. Die Verwirrung ist allerdings einem Gesetzestext geschuldet, der alles andere als klar ist. Wie so oft im Sozialversicherungsrecht erhellt erst ein kurzer Blick auf die Vorläuferbestimmungen (2.) und auf die Genesis im systematischen Zusammenhang (3.) das Verständnis. Im Ergebnis dürfte die Entscheidung nicht ganz richtig sein (4.).
Das GSVG enthielt in seinem Stammgesetz aus dem Jahre 1936 ebenso wie in der zuletzt noch in Geltung gestandenen Fassung seiner Wiederverlautbarung im Jahre 1938 die Bestimmung des § 65. Danach ruhte für die Dauer der erweiterten Heilbehandlung (diese umfasste damals die „Pflege in Genesungsheimen“ ebenso wie den „Aufenthalt in Kurbädern und Heilstätten“ – vgl die in § 65 verwiesenen §§ 159 und 263 GSVG), die mit Gewährung der Unterkunft und voller Verpflegung verbunden war, der „Anspruch auf den Bezug aller laufenden Barleistungen“, also auch einer Versehrtenrente. Wenig überraschend sah der zweite Satz der Bestimmung Teilleistungen an „bedürftige Angehörige“ vor.
Die dem GSVG nachfolgende Reichsversicherungsordnung sah in § 559e Abs 1 vor, dass „während der Heilanstaltspflege oder der Anstaltspflege ... die Rente oder das Krankengeld aus der Unfallversicherung wegfällt
“. Diese Bestimmung sah als Ausgleich bei Verlust des Arbeitsentgelts aber ein Taggeld für die versicherte Person und Familiengeld für die Angehörigen vor (§ 559e Abs 2 und 3 RVO).
Das Stammgesetz des ASVG sah ähnliche Bestimmungen für das Krankengeld (§ 143 ASVG idF des Stammgesetzes) und für die Versehrtenrente vor (§ 208 ASVG idF des Stammgesetzes). Danach ruhte das Krankengeld bei Anstaltspflege oder Aufenthalt in einem Erholungs-(Genesungs-) heim oder einer Kuranstalt auf Rechnung des Versicherungsträgers. § 208 lässt die Versehrtenrente allerdings nur mehr dann ruhen, wenn „wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles oder wegen einer Berufskrankheit Anstaltspflege aus der Krankenversicherung oder Unfallversicherung
“ (dh auf Rechnung des Kranken- oder des Unfallversicherungsträgers) gewährt wird.202
Wir haben es also in § 208 ASVG (Stammfassung) nicht mehr mit einer allgemeinen Ruhensbestimmung zu tun, wie bei den Vorgängerbestimmungen in der RVO und im GSVG. Das Ruhen war nunmehr vielmehr daran gebunden, dass der stationäre Aufenthalt „wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder wegen einer Berufskrankheit“ gewährt wurde. Ein Krankenhausaufenthalt wegen einer Blinddarmoperation oder ein nachfolgender Rehabilitationsaufenthalt etwa infolge einer Komplikation bei einer solchen Operation führt daher seither zu keinem Ruhen der Versehrtenrente. Es geht hier – anders als beim Krankengeld – erstmals nicht mehr schlechthin um die Vermeidung der Doppelleistung eines Rentenanspruchs einerseits und der Gewährung von „Aufenthalt und voller Verpflegung“ in der Krankenanstalt andererseits: Ein Ruhen tritt nunmehr erst dann ein, wenn der Aufenthaltsgrund in der Anstalt mit dem Rentengrund (im Wesentlichen) kongruent ist, wie dies in der besprochenen E freilich der Fall gewesen ist.
Die 9. Novelle zum ASVG, BGBl 1962/13 fügte in § 208 den Satz ein: „Das Ruhen tritt jedoch in dem Ausmaß nicht ein, in dem die Rente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte.
“ Dieser Satz ist zunächst etwas rätselhaft: Während der erste Satz im Falle kongruenter Ursachen von Rente und Anstaltspflege das Ruhen normiert, scheint der zweite Satz auf den ersten Blick das genaue Gegenteil anzuordnen. Welcher andere Rentenanspruch soll denn nach dem ersten Satz sonst ruhen, wenn nicht der unmittelbar vor der Anstaltspflege zustehende?
Da die Materialien aber einen Zusammenhang mit dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 90a ASVG herstellen, ist auch diese Bestimmung in die Überlegungen einzubeziehen; und dort liegt auch im Ergebnis der Schlüssel zum Verständnis des zweiten Satzes des § 208 ASVG:
§ 90a ASVG lautete in der Stammfassung BGBl 1962/13:
„(1) Trifft der Bezug von Krankengeld mit einem Anspruch auf Versehrtenrente aus der Unfallversicherung zusammen, so ruht, wenn die Arbeitsunfähigkeit Folge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit ist, die Versehrtenrente für die weitere Dauer des Krankengeldbezuges mit dem Betrag des Krankengeldes; hiebei sind der Bezug von Versehrtengeld dem Anspruch auf Versehrtenrente und ein ruhender Anspruch auf Krankengeld dem Bezug des Krankengeldes gleichzuhalten.(2) Das Ruhen gemäß Abs 1 tritt jedoch in dem Ausmaß nicht ein, in dem die Rente unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit gebührte.“
Ausgangspunkt für die Regelung war die Verlängerung der Bezugsdauer des Krankengeldes als satzungsmäßige Mehrleistung der Krankenversicherungsträger über den gesetzlichen Mindestanspruch von 26 Wochen hinaus. Da die Versehrtenrente frühestens ab der 27. Woche ab Versicherungsfall anfällt (§ 204 Abs 1 ASVG), konnte es im Falle einer satzungsmäßigen Verlängerung des Krankengeldanspruchs erstmals zu einem Doppelbezug der Versehrtenrente mit dem Krankengeld kommen (vgl „Zu 517 BlgNR IX. GP“: 147/A 9. GP – Initiativantrag 64). Auf diesen möglichen Doppelbezug reagierte der Gesetzgeber nun mit § 90a Abs 1 ASVG und normierte, dass „die Versehrtenrente für die weitere Dauer des Krankengeldbezuges mit dem Betrag des Krankengeldes
“ ruht. War die Versehrtenrente also höchstens gleich hoch wie das Krankengeld, dann ruhte sie zur Gänze, war sie aber höher als das Krankengeld, dann gebührte der Überschreitungsbetrag weiterhin.
Wichtig ist, dass nach dem Gesetzeswortlaut des § 90a Abs 1 ASVG ganz wie in § 208 ASVG das Ruhen der Versehrtenrente nur dann eintritt, wenn die Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn (also der Auslöser des Krankengeldbezuges) zugleich Folge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit ist. Für das Ruhen ist also eine kongruente Ursache beider Leistungen Voraussetzung.
§ 90a Abs 1 ASVG idF der 9. Novelle enthielt aber indirekt auch eine Regelung über das Ruhen der Versehrtenrente bei Anstaltspflege: Es wird darin nämlich das ruhende Krankengeld dem ausbezahlten Krankengeld gleichgestellt. Und einer der Fälle des Ruhens des Krankengeldes war gem § 143 Abs 1 Z 2 ASVG (bis zur 50. Novelle zum ASVG) die Anstaltspflege. Es war also in § 90a Abs 1 ASVG auch angeordnet, dass der über die Höhe des (während der Anstaltspflege ruhenden) Krankengeldes hinausgehende Teil der Versehrtenrente auch im Falle einer Anstaltspflege weitergewährt wird.
Der in den Materialien nicht erwähnte § 90a Abs 2 ist vor dem Hintergrund des § 90a Abs 1 nun wohl so zu verstehen, dass ein Ruhen der Versehrtenrente dann nicht stattfindet, wenn die Arbeitsunfähigkeit aus der KV erst während des Rentenbezuges eingetreten ist. Der Gesetzgeber wollte in Abs 2 vermutlich den Fall regeln, dass bei laufendem Bezug einer Versehrtenrente aus einem Arbeitsunfall oder aus einer Berufskrankheit ein neuerlicher Arbeitsunfall samt Arbeitsunfähigkeit eintritt und wollte für diesen Fall die „Altrente“ vom Ruhen verschonen. Nur diese Sichtweise ist an sich die logische Konsequenz daraus, dass nach Abs 1 ein Ruhen bei Zusammentreffen dieser Leistungen nur bei Identität ihrer Ursachen zugelassen ist.
Aber § 90a Abs 2 ASVG ist keineswegs klar: Er erweckt wörtlich genommen den Eindruck, als ob bei einem nachträglichen Hinzutreten eines Krankengeldbezuges eine bei Beginn dieser Arbeitsunfähigkeit schon bestehende Versehrtenrente immer vom Ruhen verschont bleibt. Das OLG Wien (Senat 17) hat § 90a Abs 2 ASVG in seiner E vom 11.12.1972 insofern (aus gleichheitsrechtlicher Sicht mE völlig zurecht) teleologisch reduziert, in dem es ausgesprochen hat, dass das Ruhen nach § 90a sowohl eintritt, wenn die Ver-203sehrtenrente zum Krankengeldanspruch, als auch dann, wenn umgekehrt das Krankengeld zur bestehenden Versehrtenrente hinzutritt. Aber: „Dabei ist vorausgesetzt, dass die Arbeitsunfähigkeit und der Krankengeldanspruch Folge des [ergänze: selben] Arbeitsunfalles und der Berufskrankheit sind
“ (OGH10 ObS 235/92SVSlg 21.663; ebenso 17 R 189/76, SSV 17/9). Eine Altrente aus einem anderen Versicherungsfall bleibt daher nach § 90a Abs 2 unberührt, eine Klarstellung, deren Ergebnis auch schon aus dem Erfordernis der kongruenten Ursachen in Abs 1 erzielbar gewesen wäre.
Der durch die 9. Novelle gleichzeitig mit § 90a geschaffene zweite Satz des § 208 (arg „in gleicher Weise“ in den Materialien zu § 208, „Zu 517 BlgNR IX. GP“: 147/A 9. GP – Initiativantrag 79, wiedergegeben in den Entscheidungsgründen des OGH) wird plötzlich verständlich: Er erweist sich als nichts anderes als eine Synchronisation des § 208 ASVG mit den Ruhensbestimmungen des § 90a Abs 1. Während § 90a Abs 1 ASVG das Ruhen der Versehrtenrente ab dem Eintritt des Anspruchs auf Krankengeld und für den Fall des Ruhens des Krankengeldes bei einem nachfolgenden Anstaltsaufenthalt regelt, setzt § 208 beim Anstaltsaufenthalt an und lässt im zweiten Satz der Sache nach den „Übersteigungsbetrag“ der Versehrtenrente unberührt. Nur so wird auch klar, warum und inwieweit es nicht ein und dieselbe Leistung ist, die nach dem ersten Satz ruht und nach dem zweiten Satz des § 208 ASVG nicht ruht.
Der in § 90a Abs 2 geregelte Fall der Altrente blieb in der 9. Novelle freilich zunächst mit § 208 unkoordiniert: Wie sollte also im Falle der Anstaltspflege mit einer Versehrtenrente umgegangen werden, die bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit aus einem früheren Versicherungsfall schon gebührte und die daher nach § 90a Abs 2 ASVG vom Krankengeldbezug unberührt geblieben ist? Systematisch war diese Frage lösbar: Je nach Kongruenz der Ursache der Arbeitsunfähigkeit mit dem früheren oder mit dem aktuellen Versicherungsfall aus der UV wäre die Versehrtenrente entweder mit diesem oder mit jenem Teil der Minderung der Erwerbsfähigkeit ruhend zu stellen gewesen.
Die (klarstellende) Antwort gab dann die 29. Novelle zum ASVG, BGBl 1973/31, die im zweiten Satz des § 208 den Zusatz „bzw vor Beginn einer die Anstaltspflege verursachenden Arbeitsunfähigkeit gebührte“ einfügte. Damit war auch dieser Teil des § 208 mit § 90a ASVG ausdrücklich harmonisiert.
Als Auslegungsergebnis des § 208 ASVG idF des 29. Novelle ergibt sich also, dass eine Versehrtenrente, die das Krankengeld nicht übersteigt (und daher schon nach § 90a Abs 1 zur Gänze ruht), auch im Falle der Anstaltspflege nach dem ersten Satz des § 208 ASVG zur Gänze ruht. Übersteigt sie hingegen das Krankengeld, dann liegt ein Fall des zweiten Satzes vor: Da ein Teil der Versehrtenrente unmittelbar vor der Anstaltspflege gebührte, wird dieser Teil daher auch im Falle einer Anstaltspflege trotz kongruenter Ursache der Anstaltsbedürftigkeit weitergewährt.
Stammt die Versehrtenrente aber aus einem früheren Versicherungsfall und ist die Ursache der Anstaltsbedürftigkeit nicht kongruent, gebührt die Versehrtenrente ungeschmälert weiter. Gibt es eine Verschlechterung aufgrund eines weiteren Versicherungsfalls, gilt das oben Gesagte: Wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Versehrtenrente aus zwei Unfällen gespeist wird, und einer davon ursachenident mit der Arbeitsunfähigkeit ist, dann wird wohl dieser Teil der Rente in der Regel die Höhe des Krankengeldes nicht übersteigen und daher zur Gänze ruhen.
Zu ergänzen wäre noch, dass das Ruhen des Krankengeldes bei Anstaltspflege gem § 143 Abs 1 Z 2 mit der 50. Novelle zum ASVG, BGBl 1991/676, beseitigt wurde. Dies blieb aber ohne Einfluss auf die uns interessierende Rechtslage, weil nunmehr weiterhin bei Zusammentreffen von Krankengeld und Versehrtenrente aus ein und derselben Ursache die Versehrtenrente mit dem Betrag des Krankengeldes ruht. Es bedarf nur nicht mehr der bis dahin geltenden Fiktion des Krankengeldbezuges in § 90a Abs 1 ASVG. Eines scheint aber sicher: Von der Frage, ob Arbeitsunfähigkeit und Anstaltspflege gleichzeitig und zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten, kann das Ruhen wohl nicht abhängen.
Wichtigste Erkenntnis der Überlegungen: Man versteht § 208 ASVG überhaupt nur dann, wenn man die Entstehungsgeschichte genau nachvollzieht, sich in die jeweiligen Gesetzeszwecke hineinversetzt und – vor allem – gedanklich bei § 90a ASVG anfängt.
Es sind jetzt zwei (selten, aber mE doch) denkbare Fallkonstellationen offen: Einmal der Fall, dass die Anstaltspflege während des Anspruchs auf Versehrtenrente zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem aus dem Versicherungsfall der unfallbedingten Krankheit noch Entgeltfortzahlung gebührt. Zweitens stellt sich die Frage, was rechtens sein soll, wenn der Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist und es danach während des Bezuges von Versehrtenrente aus kongruentem Anlass zu einer Anstaltspflege kommt. Ohne in ein Gleichheitsproblem zu geraten, wird man im zweitgenannten Fall wohl zum Ergebnis kommen müssen, dass die Versehrtenrente während der Anstaltspflege mit jenem Betrag ruht, der einem Krankengeldbezug entsprechen würde; übersteigt sie diesen nicht, dann zur Gänze. Das ergibt sich freilich nicht mehr unmittelbar aus dem Gesetz, sondern nur im Wege einer gebotenen analogen Anwendung der §§ 90a Abs 1 und 208 erster204 und zweiter Satz ASVG: Denn weder ein undifferenziertes Gesamtruhen der Versehrtenrente nach dem ersten Satz des § 208 ohne Bedachtnahme auf die Höhe des (virtuellen) Krankengeldes noch ein Nichtruhen der Rente während der Anstaltspflege kommen in diesem Fall in Betracht: Ersteres in verfassungs-(gleichheits-)konformer Interpretation, zweiteres, weil dem schlicht der Wortlaut des Gesetzes entgegenstünde.
Gebührt hingegen während der Anstaltspflege noch Entgeltfortzahlung und kein Krankengeld, dann liegt ein Ruhen des Krankengeldes gem § 143 Abs 1 Z 3 ASVG vor, weshalb wieder § 90a Abs 1 ASVG anzuwenden ist.
Der Überblick hat gezeigt, dass man sich dem § 208 ASVG vom § 90a ASVG her nähern muss. Diese – zugegebenermaßen sehr mühsam zu ermittelnde – Rechtslage hat der OGH (siehe Pkt 1.1. der Entscheidungsgründe) mE so nicht gesehen. So schreibt er zu § 208 erster Satz ASVG (Hervorhebung von mir), es ruhe „die aufgrund eines Versicherungsfalls gebührende Versehrtenrente“, während der Gesetzeswortlaut darauf abstellt, dass nur die während dieser Zeit (der Anstaltspflege) „auf Grund dieses Versicherungsfalls“ (des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit, wegen deren Folgen Anstaltspflege gewährt wird) gebührende Versehrtenrente ruht. Das ist zwar ein großer Unterschied, spielte hier aber insofern keine Rolle, als wir es in unserem Fall eindeutig mit kongruenten Ursachen von Anstaltspflege und Rentenanspruch zu tun haben.
Auch der Zusammenhang der beiden Fälle des zweiten Satzes des § 208 ASVG zu § 90a Abs 1 und 2 ASVG scheint dem OGH nicht deutlich vor Augen gestanden zu sein, wenn er ausführt (vgl Pkt 3 seiner Begründung), dass § 208 ASVG grundsätzlich für den Fall der Anstaltspflege ein „vollständiges Ruhen des Anspruchs auf Versehrtengeld“ vorsehe. Das ist seit der 9. Novelle zum ASVG so nicht mehr richtig, weil es auf das Verhältnis der Höhe der Versehrtenrente zur Höhe des Krankengeldes ankommt. Dem OGH dürfte aus diesem Grund ein – durch die Unklarheit der Norm verursachtes – Missverständnis über den Zusammenhang der Bestimmung des zweiten Satzes, erster Fall und § 90a Abs 1 ASVG unterlaufen sein. Es ist nach dem – insoweit leider unvollständig gebliebenen – Sachverhalt stark zu vermuten, dass der Kl vom Tag des Unfalls bis zum Entstehen seines Rentenanspruchs (ab der 27. Woche nach dem Arbeitsunfall) wohl zunächst Entgeltfortzahlung und danach Krankengeld bezogen haben wird, sodass zunächst einmal ab dem 7.9.2012 ein Zusammentreffen der Versehrtenrente mit Krankengeld iSd § 90a Abs 1 ASVG eingetreten sein muss. Angesichts des Vorliegens einer 100 %-igen Minderung der Erwerbsfähigkeit würde ich ferner vermuten, dass die Versehrtenrente das Krankengeld überstiegen hat und daher im Ausmaß des Differenzbetrages gebührte (§ 90a Abs 1 ASVG). Diese Unfallteilrente wäre aber gem § 208 zweiter Satz erster Fall ASVG vor dem Ruhen bei Anstaltspflege geschützt gewesen. Daran konnte auch der Einwand des Berufungsgerichtes nichts ändern, dass der Bezug von Krankengeld in erster Instanz nicht vorgebracht worden sei, zumal das Vorliegen der Voraussetzungen des Ruhens nach § 208 ASVG im sozialgerichtlichen Verfahren amtswegig wahrzunehmen gewesen wäre: Gem § 87 Abs 1 ASGG hat das Gericht nämlich sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen, jedenfalls hinsichtlich von Umständen, für deren Vorliegen sich aus den Ergebnissen des Verfahrens Anhaltspunkte ergeben (OGH RS0086455). Es wäre erstaunlich, wenn sich das teilweise Ruhen der Versehrtenrente wegen Krankengeldbezuges nicht schon aus den vorgelegten Akten der UVA ergeben hätte.
Richtig erkannt hat der OGH das Problem einer Versehrtenrente aus einem früheren Versicherungsfall im Verhältnis zu einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus dem für die Anstaltspflege kausalen Versicherungsfall (Pkt 3 seiner Begründung). Verkannt wurde nur das Verhältnis zum Krankengeld.
§ 90a und § 208 ASVG sind hintereinander anzuwenden, wobei das Ruhen der Versehrtenrente nach § 208 – auf einen einfachen Nenner gebracht – nicht weiter gehen soll, als jenes nach § 90a ASVG. Es wäre freilich angezeigt, wenn dies der Gesetzgeber in § 208 ASVG auch so deutlich zum Ausdruck bringen würde, damit man nicht Rechtsarchäologie betreiben muss, ehe sich § 208 dem Verständnis erschließt.205