NiksovaGrenzüberschreitender Betriebsübergang – Arbeitsrechtliche Fragen bei grenzüberschreitenden Standortverlagerungen

Manz Verlag, Wien 2014, XXIV, 324 Seiten, broschiert, € 59,–

GERT-PETERREISSNER (INNSBRUCK)

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete und aktualisierte Publikationsfassung der an der Universität Wien bei Mazal219und Schrammel verfassten und 2012 approbierten Dissertation der Autorin. Gegenstand ihrer Untersuchung sind arbeitsrechtliche Aspekte von grenzüberschreitenden Standortverlagerungen, wobei das Hauptaugenmerk auf dabei stattfindende grenzüberschreitende Betriebsübergänge gelegt wird. Das Thema erscheint speziell, ist jedenfalls aber juristisch anspruchsvoll, zumal unionsrechtliche Rechtsgrundlagen zum Betriebsübergangsrecht und ihre innerstaatlichen Umsetzungen, Kollisionsrecht (wiederum vorrangig Unionsrecht in Gestalt der Rom-IVO), gesellschaftsrechtliche sowie allgemein-arbeitsrechtliche Regelungen zu berücksichtigen und in ein Darstellungskonzept zu bringen sind. Die Autorin stellt sich diesen Herausforderungen und bewältigt sie in bemerkenswerter Art und Weise.

Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Nach einer kurzen Einleitung zu Gegenstand und Gang der Untersuchung (S 1 ff) folgt in einem Teil II. eine Darstellung der „wesentlichen Tatbestandselemente des grenzüberschreitenden Betriebsübergangs“ (S 6-51), in der Niksova darlegt, dass die Prüfung des Betriebsübergangsbegriffs auch bei Überleitungen von wirtschaftlichen Einheiten über die Grenze anhand der in der Rs Spijkers (EuGH 18.3.1986, 24/86, Slg 1986, I-1119) aufgestellten Kriterien zu erfolgen hat, sodass im Einzelfall durchaus ein Betriebsübergang vorliegen kann; der Aspekt des Standorts der wirtschaftlichen Einheit sei dabei, so die Autorin zu Recht, kein (unmittelbares) Begriffsmerkmal. Besonders zu beachten sei das Erfordernis des Inhaberwechsels, welches in gewissen gesellschaftsrechtlichen Konstellationen nicht erfüllt sei. Teil III. (S 52-112) ist mit „Rahmenbedingungen: Unionsrecht und IPR“ überschrieben, hier geht es also um das in grenzüberschreitenden Sachverhalten anzuwendende Recht bzw die dem vorgelagerte Frage, ob und inwieweit die Betriebsübergangs-RL 2001/23/EG überhaupt einen grenzüberschreitenden Betriebsübergang erfasst. Die volle Wirksamkeit der in der RL niedergelegten Grundsätze bejaht Niksova zunächst für die Konstellation, dass sowohl alter als auch neuer Inhaber „umsetzungsrelevanten Bestimmungen“ unterliegt (S 105). Genauer gesagt wird es also darauf ankommen, dass kollisionsrechtlich, dh nach dem Arbeitsvertragsstatut, in der Zeit vor wie auch in der Zeit nach Betriebsübergang eine Rechtsordnung zur Anwendung kommt, welche einen Ex-lege-Übergang des Arbeitsverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten, eine Erwerberhaftung für Altschulden udgl vorsieht. Ist dies nicht der Fall, unterliegt also das Arbeitsverhältnis vor oder nach grenzüberschreitendem Betriebsübergang keinem derartigen Betriebsübergangsrecht, so soll es nach Auffassung der Autorin keinesfalls zu einer Ex-lege-Überleitung des Arbeitsverhältnisses kommen (zusammenfassend S 110 ff). Vor allem für die erstere Konstellation sind hier Zweifel angebracht: Die Aussage der Autorin, die AN würden – auf den Punkt gebracht – vom neuen Inhaber ohnehin sofort gekündigt (S 104, 111; offenbar ein teleologisches Argument), verfängt nicht, könnte doch auch nach dem nunmehr anzuwendenden Recht ein Kündigungsschutz jenseits jenem des (europäischen) Betriebsübergangsrechts schlagend werden, abgesehen davon, dass das bloße Mitgehen mit der wirtschaftlichen Einheit für die AN mehr bringt als das Verbleiben beim alten Inhaber, der über diese Einheit nicht mehr verfügt.

Das Hauptkapitel der Arbeit, der Teil IV. (S 113-270), befasst sich mit den „Auswirkungen von grenzüberschreitenden Standortverlagerungen“. Hier geht es um Versetzungsrecht (S 113 ff; zu S 115: eine direktoriale Versetzung ist zulässig, wenn sie im Vertrag gedeckt oder mangels vertraglicher Regelung zumutbar ist), um die Reichweite von Bestimmungen über den allgemeinen Kündigungsschutz (S 122 ff: individualrechtliche Anknüpfung des materiellen Teiles, Sonderanknüpfung der Mitbestimmungsrechte), um „Besonderheiten im Betriebsübergangsrecht“ wie etwa die Frage eines Widerspruchsrechts des AN bei grenzüberschreitendem Betriebsübergang (S 153 ff, insb S 169 ff), um „kollektivvertragsrechtliche Aspekte“ (S 177 ff; interessant vor allem die Ausführungen auf den S 207 ff zur Situation, dass der neue Inhaber im anderen Mitgliedstaat keinem KollV unterliegt) sowie schließlich um „betriebsverfassungsrechtliche Aspekte“ (S 221 ff). Eine ausführliche Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (S 271 ff) sowie ein umfangreiches Quellenverzeichnis (S 283 ff) runden das Werk in für den Leser lohnender Weise ab.

Die hier kurz angesprochenen und zahlreiche weitere Detailfragen zum Thema werden von der Autorin kenntnisreich und mit ausführlichen Belegen lösungsorientiert auf hohem wissenschaftlichen Niveau abgehandelt. Alles in allem kommen bei der Lektüre ihres Werkes nicht nur Spezialisten, also mit internationalen Betriebsübergängen befasste Berater, Personalexperten und Interessenvertreter, sondern auch allgemein im Arbeitsrecht tätige Personen auf ihre Rechnung. Es sollte daher in keiner arbeitsrechtlichen Bibliothek fehlen.220