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Arbeitskräfteüberlassung: Dienstgeberhaftungsprivileg des schädigenden Beschäftigers auch gegenüber Überlasser

WOLFGANGFABER (SALZBURG)
  1. In den sogenannten Lohnfortzahlungsfällen hat der Schädiger dem DG den auf diesen überwälzten Schaden des DN zu ersetzen und nicht einen eigenen Schaden des DG aus dem Ausfall der Arbeitskraft.

  2. Der Beschäftiger kann bei einem Arbeitsunfall eines ihm überlassenen AN auch gegenüber dem Überlasser einem von diesem wegen Lohnfortzahlung geltend gemachten Anspruch das Haftungsprivileg des § 333 ASVG entgegenhalten.

Die Kl stellte als Überlasser iSd Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) ihren DN K* H* der Bekl als Beschäftiger im Rahmen eines Überlassungsvertrags bei. Dessen Einsatz auf der Baustelle der Bekl umfasste Malerarbeiten samt den üblichen Nacharbeiten. Dem Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen lagen die AGB der Kl zugrunde, worin auf die – auch gesetzlichen – Pflichten des Beschäftigers zur An- und Einweisung der überlassenen Arbeitskraft verwiesen wird. Pkt 7 der AGB lautet:

7. Pflichten des Auftraggebers (Beschäftiger) Der Auftraggeber (Beschäftiger) ist zur Einhaltung der jeweiligen Arbeitnehmerschutzvorschriften verpflichtet. Weiters verpflichtet sich der Auftraggeber (Beschäftiger) die jeweils gültigen Arbeitszeitgesetze einzuhalten. Der Auftraggeber (Beschäftiger) übernimmt die Fürsorgepflicht für die ihm überlassene Arbeitskraft und weist die überlassene Arbeitskraft auf jede Art von Gefahren im Beschäftigerbetrieb hin. Weiters verpflichtet sich der Auftraggeber (Beschäftiger) die Arbeitszeit, wie in der Auftragsbestätigung vereinbart, einzuhalten. Bei Unterschreitung der vereinbarten Mindestarbeitszeit (38,5 Stunden) ist die Firma j* gmbh berechtigt, die Differenz in Rechnung zu stellen.

K* H* wurde ab 15.10.2012 auf einer Baustelle in Traun von der Bekl als Maler eingesetzt. Es steht nicht fest, ob er an der Baustelle über die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen unterwiesen wurde. K* H* arbeitete ungesichert (ohne Verwendung von Sicherheitsgurt und Befestigungsseil), wobei von den Vertretern der Bekl weder K* H* von den Arbeiten abgehalten noch seine mangelnde Sicherung beanstandet wurde. Am 30.11.2012 stürzte K* H* im Zuge von Außenarbeiten an der Fassade von einem Vordach ab und verletzte sich bei diesem Arbeitsunfall schwer.

K* H* befand sich ca zweieinhalb Monate im Krankenstand, wodurch der Kl Kosten für die Lohnfortzahlung in der Höhe von brutto 5.019,37 € entstanden sind (exklusive Kommunalsteuer und der DG-Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds).

Die Kl begehrte 5.544,77 € (einschließlich Kommunalsteuer und DG-Beiträge) für die ihr gegenüber K* H* erwachsenen Lohnfortzahlungen. Die Bekl habe gegen Pkt 7 der klägerischen AGB verstoßen, indem AN-Schutzvorschriften nicht eingehalten worden seien. Der Mitarbeiter sei auf der Baustelle entgegen den gesetzlichen AN-Schutzbestimmungen ungesichert gewesen und von der Bekl auch nie unterwiesen worden. Die Haftungsbeschränkungen des ASVG seien nicht auf vertragliche Ansprüche zwischen Überlasser und Beschäftiger anzuwenden.

Die Bekl berief sich auf das ihr zustehende DG-Haftungsprivileg, das auch nicht unter Bezugnahme auf die AGB der Kl umgangen werden könne.

Das Erstgericht gab der Klage in Anknüpfung an den eingangs zusammengefasst referierten Sachverhalt im Ausmaß von 5.019,37 € sA statt und wies das Mehrbegehren (Kommunalsteuer und DG-Beiträge) rechtskräftig ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass die Bekl als Beschäftiger die Funktion des AG iSd AN-Schutzes übernommen habe, weil K* H* als AN im Betrieb der Bekl für betriebseigene Zwecke eingesetzt worden sei. Es warf der Bekl einen Verstoß gegen die ANSchutzbestimmungen vor. Auch einem Beschäftiger im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung komme das DG-Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG zugute. Der Bekl könne auch kein Vorsatz iSd § 1294 ABGB hinsichtlich der Verletzung von K* H* unterstellt werden. Das DG-Haftungsprivileg gelte allerdings nur für das Verhältnis zwischen AG und AN, eine schadenersatzrechtliche Haftung gegenüber Dritten werde dadurch nicht ausgeschlossen. Dem DG werde aus der Verletzung seines DN in Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG ein eigener Anspruch zuerkannt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es schloss sich in der rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen den Argumenten des Erstgerichts an. Zwischen den Streitteilen begründe der Überlassungsvertrag das Rechtsverhältnis; die Bestimmungen des ASVG seien im Verhältnis zwischen Überlasser und Beschäftiger hingegen nicht einschlägig. Durch die Miteinbeziehung der Bestimmungen des AÜG in den Überlassungsvertrag könne die Kl ihre Forderung überdies auf eine vertragliche Haftung stützen. Dabei sei die Verletzung der in § 6 AÜG normierten Fürsorgepflichten Haftungsansatzpunkt. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision stützte das Berufungsgericht auf den Umstand, dass für die hier zu beurteilende Fallkonstellation (Arbeitskräfteüberlassung – schädigender Beschäftiger) keine gesicherte Judikatur vorliege. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Bekl ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

1. Der OGH vertritt in den sogenannten Lohnfortzahlungsfällen seit der Grundsatzentscheidung 2 Ob 21/94 = SZ 67/52 in stRsp (vgl 2 Ob 53/94;2652 Ob 43/95; 2 Ob 8/96 uva; RIS-Justiz RS0043287; RS0020106 [T3, T4, T6]) die Rechtsansicht, dass es aufgrund einer gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht (zB § 8 AngG, § 2 EFZG) zu einer bloßen Verlagerung des Schadens auf den DG des Verletzten kommt. Der entsprechende Ersatzanspruch gegen den Schädiger geht analog § 1358 ABGB, § 67 VersVG mit der Lohnfortzahlung auf den DG über. Der Schädiger hat daher dem DG den auf ihn überwälzten Schaden des DN zu ersetzen und nicht einen eigenen Schaden des DG aus dem Ausfall der Arbeitskraft (RIS-Justiz RS0043287 [T3]; Danzl in KBB4 § 1325 Rz 17).

2. Die Bekl hält der ihr gegenüber geltend gemachten Haftung für die geleistete Lohnfortzahlung das DG-Haftungsprivileg des § 333 ASVG entgegen.

In § 7 Abs 2 AÜG ist ausdrücklich festgehalten, dass § 332 Abs 5 und § 333 ASVG auch für die überlassenen Arbeitskräfte gelten. Der Hinweis auf § 333 ASVG in § 7 Abs 2 AÜG erfolgte durch die Novelle des AÜG mit dem BGBl I 2012/98. Wenngleich diese Fassung erst am 1.1.2013 (also nach dem gegenständlichen Unfall) in Kraft trat, war auch schon bisher anerkannt, dass sich der Beschäftiger nach dem AÜG gegenüber den überlassenen DN auf § 333 ASVG berufen kann (3 Ob 296/53 = SZ 26/126 [noch zu § 899 RVO]; 9 ObA 322/98p; 8 ObA 5/03y; Jabornegg, Haftungsprobleme bei Einbeziehung Dritter in das Arbeitsverhältnis, in

Tomandl
, Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis [1991] 97 [115]; Neumayr in
Schwimann
, ABGB3 VII § 333 ASVG Rz 31 ff mwN; Schindler in Zell-Komm2 § 7 AÜG Rz 6; Wiesinger, Haftungsfragen bei der Überlassung von Bauarbeitern, bbl 2012, 12 [16]). Auch den Materialien zur Novelle des AÜG ist zu entnehmen, dass die Ergänzung des § 7 Abs 2 AÜG lediglich der Klarstellung gedient habe und der bisherigen Judikatur entspreche (Erläut RV 1903 BlgNR 24. GP 3).

3. Der Haftungsausschluss gilt aber nicht nur dann, wenn der geschädigte AN selbst Ansprüche gegenüber dem Schädiger geltend macht, sondern auch für den Fall, dass der DG den Ersatz des aufgrund Lohnfortzahlung auf ihn überwälzten Schadens des AN begehrt. So hat etwa der erkennende Senat in der E 2 Ob 276/04h bereits bejaht, dass dem klagenden AG das Haftungsprivileg hinsichtlich seiner aus der Lohnfortzahlung an geschädigte AN resultierenden Ersatzansprüche grundsätzlich entgegengehalten werden kann, während dies für eigene Ansprüche des AG (zB Gebäudeschaden, Erzeugungsausfall etc) verneint wurde.

4. Das zwischen den Streitteilen bestehende Vertragsverhältnis hindert nicht die Anwendung des § 333 ASVG. Zum einen ergeben sich die aus dem Überlassungsvertrag (eingangs referierten) vertraglichen Verpflichtungen ohnedies bereits aus dem AÜG (vgl § 6 AÜG; vgl dazu zB Schwarz in

Sacherer/Schwarz
, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz [2006] 156 ff; Tomandl, Arbeitskräfteüberlassung [2014] 69). Zum anderen ändert ein Verstoß gegen eine auch vertraglich abgesicherte Fürsorgepflicht der Bekl nichts daran, dass es sich bei dem eingetretenen Schaden um einen solchen des verletzten DN handelt, der lediglich auf die Kl übergegangen ist.

5. Zusammengefasst ist somit festzuhalten, dass die Vorinstanzen die Anwendung des § 333 ASVG zu Unrecht verneint haben. Vielmehr kann der Beschäftiger bei einem Arbeitsunfall eines ihm überlassenen AN auch gegenüber dem Überlasser einem von diesem wegen Lohnfortzahlung geltend gemachten Anspruch das Haftungsprivileg des § 333 ASVG entgegenhalten.

In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil daher iS einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. [...]

ANMERKUNG
1.
Der Ansatz des OGH

Der OGH lässt bei Arbeitskräfteüberlassung einen Regressanspruch des entgeltfortzahlenden Überlassers gegen den Beschäftiger, der den Arbeitsunfall des überlassenen DN schuldhaft verursacht hat, am DG-Haftungsprivileg scheitern. Formal scheint dies schlüssig und in wesentlichen Schritten von gefestigter Rsp gedeckt: Wird ein DN von einem Dritten schuldhaft am Körper verletzt und ist der DG diesem aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Lohnfortzahlung verpflichtet, geht der auf Ersatz des Verdienstentgangs gerichtete Schadenersatzanspruch des DG grundsätzlich analog § 1358 ABGB und § 67 VersVG mit der jeweiligen Fortzahlungsleistung auf den DG über; Letzterer kann ihn dann gegen den Schädiger geltend machen (OGH2 Ob 21/94 SZ 67/52 uva).

Wie bei jeder Zession (vgl § 1394 ABGB) bleibt allerdings auch bei einer solchen Legalzession der übergegangene Anspruch inhaltlich unverändert, insb bleiben dem Schuldner – hier dem Schädiger – seine gegen den ursprünglichen Gläubiger (DN) zustehenden Einwendungen erhalten (vgl etwa Mader/W. Faber in

Schwimann
[Hrsg], ABGB VI3 [2006] § 1358 Rz 11 mwN). Konkret kann sich im Fall der Arbeitskräfteüberlassung nach stRsp auch der Beschäftiger dem verletzten DN gegenüber auf das DG-Haftungsprivileg des § 333 ASVG berufen (Nachweise bei Mayer in
Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm [2013] § 333 ASVG Rz 35; vgl nunmehr § 7 Abs 2 AÜG). Dieses DG-Haftungsprivileg „sperrt“ nicht nur Ansprüche auf Ersatz von Heilungskosten, was seinem angestammten Normzweck entspräche (Ablöse der zivilrechtlichen Haftpflicht wegen alleiniger Finanzierung der gesetzlichen UV durch den DG; vgl Neumayr in
Schwimann
[Hrsg], ABGB VII3 [2005] § 333 ASVG Rz 2 f; Mayer, aaO Rz 2 f). Vielmehr werden nach stRsp alle aus der Körperverletzung resultierenden Ersatzansprüche auch dann ausgeschlossen, wenn ihnen keine kongruente Leistung aus der UV gegenüberstehen (zB OGH8 Ob 107/04z EvBl 2005/88; vgl auch RIS-Justiz RS0031306); neben Ansprüchen auf Schmerzengeld also – für den vorliegenden Fall relevant – insb auch solche wegen Verdienstentgangs. Auf den zur Entgeltfortzahlung verpflichteten Überlasser geht unter diesen Prämissen ein einredebehafteter und damit im Ergebnis undurchsetzbarer Ersatzanspruch über.266

Daran ändert sich nach der hier besprochenen E auch dann nichts, wenn der Überlasser im Dienstverschaffungsvertrag den Beschäftiger zur Einhaltung der einschlägigen AN-Schutzvorschriften, zur Übernahme der Fürsorgepflicht sowie zur Warnung des überlassenen AN vor Gefahren im Beschäftigerbetrieb verpflichtet hat und der Beschäftiger diese Verpflichtungen verletzt hat, sodass auch ein selbständiger vertraglicher Schadenersatzanspruch des Überlassers gegen den Beschäftiger denkbar wäre. Diesbezüglich regen sich bei näherem Hinsehen jedoch Zweifel.

2.
Ausschluss selbständiger Schadenersatzansprüche durch Legalzessionslösung?

Die Lösung der Lohnfortzahlungsfälle über eine Legalzession analog § 1358 ABGB und § 67 VersVG schließt einen selbständigen vertraglichen Schadenersatzanspruch des Überlassers in Wahrheit nicht aus. Eine zusätzliche, neben den zedierten Anspruch tretende vertragliche Anspruchsgrundlage ist im Stammanwendungsbereich des § 1358 ABGB, dem Bürgschafts- und (Dritt-)Pfandrecht, sogar die Regel: Zwischen Hauptschuldner und Interzedent besteht idR ein Auftragsvertrag iSd §§ 1002 ff ABGB. Dem Interzedenten steht damit für Rückgriffszwecke auch ein Aufwandersatzanspruch nach § 1014 ABGB zu, der – für den vorliegenden Zusammenhang nicht unwichtig – durchaus weitergehendere Ansprüche zu verschaffen vermag als § 1358 ABGB (vgl etwa Mader/W. Faber in

Schwimann
[Hrsg], ABGB VI3 § 1358 Rz 23 f mwN).

Dass der Schädiger „dem DG den auf ihn überwälzten Schaden des DN zu ersetzen [habe] und nicht etwa einen eigenen Schaden des DG aus dem Ausfall der Arbeitskraft“, wie der OGH unter Berufung auf Vorjudikatur (RIS-Justiz RS0043287 [T3]) ausführt, sollte einem selbständigen vertraglichen Ersatzanspruch des Überlassers nicht entgegenstehen. In keiner früheren E der zitierten Rechtssatzkette ist diesem Ansatz die Funktion zugekommen, einen allfällig parallel konstruierbaren vertraglichen Schadenersatzanspruch des DG zum Nachteil desselben auszuschließen: Meist bestand zwischen DG und Drittschädiger keinerlei Vertragsbeziehung; ein Direktanspruch wäre demnach schon an der fehlenden Ersatzfähigkeit bloßer Vermögensschäden bei deliktischer Schädigung gescheitert (so in OGH2 Ob 2019/96t SZ 69/55; OGH2 Ob 170/08a SZ 2009/71). In einer weiteren E bestand zwar ein Werkvertrag zwischen DG und schädigendem Bauherrn. Der OGH zog den angeführten Rechtssatz hier allerdings zugunsten des DG heran, konkret um eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des DG zu verneinen, die sich uU aus einer verspäteten Kündigung des DN ergeben hätte können. Denn der Schaden des verletzten DN, der auf den DG mit der Lohnfortzahlung übergeht, würde durch eine Auflösung des Dienstverhältnisses typischerweise nicht gemindert (OGH2 Ob 272/03v SZ 2003/158). Sich auf einen eigenen Schaden aus der Lohnfortzahlungspflicht zu berufen, lag insoweit also gar nicht im Interesse des DG. Aus alldem folgt somit nicht, dass im Entgeltfortzahlungsaufwand des DG kein ersatzfähiger Vermögensnachteil liegen kann. Im Gegenteil: Eine Ersatzfähigkeit schon mangels eigenen Schadens auszuschließen, wäre mit dem weiten Schadensbegriff des ABGB schlichtweg unvereinbar (zu diesem RIS-Justiz RS0022537; Kodek in

Kletečka/Schauer
[Hrsg], ABGB-ON1.01 § 1293 Rz 1 ff mwN).

Der angeführte Rechtssatz, wonach dem DG ein auf ihn überwälzter Schaden des DN ersetzt werde und nicht ein eigener Schaden aus dem Ausfall der Arbeitskraft, bezieht sich somit richtigerweise lediglich auf den qua Legalzession übergegangenen Anspruch (so auch der Kontext in der ersten E der Leitsatzkette, OGH2 Ob 2019/96t SZ 69/55). Andere Ansprüche sollen damit nicht ausgeschlossen werden.

Dass die in der Rsp etablierte Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG einem parallelen vertraglichen Schadenersatzanspruch des Überlassers nicht entgegenstehen kann, erhellt nicht zuletzt aus der dogmatischen Funktion des Legalzessionsansatzes: Er dient der Bewältigung der Drittschadensproblematik, eines Problems, das grundsätzlich nur dann entsteht, wenn einem (deliktisch) Geschädigten aufgrund des beschränkten Schutzzwecks der vom Schädiger verletzten Norm kein eigener Anspruch gegen diesen zur Verfügung steht, und bei dem nach hA die Gefahr eines uferlosen Ausweitens von Ersatzpflichten im Auge behalten werden muss (vgl bloß Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I [1997] 432 ff [insb Rz 13/1, 13/3, 13/6]). Der hier zu diskutierende vertragliche Schadenersatzanspruch des Überlassers gegen den schädigenden Beschäftiger wirft diese Probleme nicht auf: Das bloße Vermögen des Vertragspartners ist im Fall der Verletzung von Vertragspflichten grundsätzlich mitgeschützt. Von uferloser Ausdehnung der Ersatzpflicht kann keine Rede sein, wenn es einzig um die Lohnfortzahlung für den im eigenen Betrieb beschäftigten Leih-AN geht – also um einen Aufwand, den der Beschäftiger im Wesentlichen selbst zu tätigen gehabt hätte, wenn er sich von vornherein nicht einer überlassenen Arbeitskraft, sondern eigenen Personals bedient hätte.

3.
Ausschluss selbständiger Schadenersatzansprüche durch § 333 ASVG?

Zu prüfen ist dann allerdings noch, ob einem selbständigen vertraglichen Schadenersatzanspruch des Überlassers gegen den Beschäftiger das DG-Haftungsprivileg des § 333 ASVG entgegenstehen könnte. Der OGH scheint dies in der hier rezensierten E anzudeuten (unter 4.), auch wenn seine Begründung eher darauf hinausläuft, dass ein vertraglicher Anspruch von vornherein gar nicht bestehe.

Eine solche Wirkung des § 333 ASVG ist mE jedoch nicht plausibel. Man mag hierfür bereits den Wortlaut seiner Überschrift („gegenüber dem DN“) und des Abs 1 („dem Versicherten“) ins Treffen führen, sollte hierein aber vielleicht nicht unbedingt besonderes Gewicht legen. Man mag umgekehrt dem Gesetz unterstellen wollen, dass es den Beschäftiger, den es gegen Ansprüche des267 verletzten DN zu schützen beabsichtige, nicht hinterrücks mit vergleichbaren Ansprüchen des Überlassers belasten wolle. Gute Argumente für eine solche Interpretation sind aber wohl rar. Vor allem erscheint der Umstand, dass der Beschäftiger dem Überlasser im Rahmen des Überlassungsentgelts letztlich auch die Unfallversicherungsbeiträge für die überlassene Arbeitskraft abgilt (worauf sich das DG-Haftungsprivileg ja ursprünglich gründet, vgl oben 1.), keine besonders tragfähige Grundlage. Denn Unfallversicherungsbeiträge mindern das Lohnfortzahlungsrisiko in keiner Weise, es wird durch diese insb nicht auf den Sozialversicherungsträger ausgelagert.

Von wesentlicher Bedeutung für die weiteren Überlegungen ist jedoch, dass selbst dann, wenn das DG-Haftungsprivileg im Verhältnis zwischen Überlasser und Beschäftiger (denen ja beiden DG-Eigenschaft iSd § 333 ASVG zukommt, vgl oben 1.) überhaupt Geltung beanspruchen sollte, keinesfalls ersichtlich wäre, warum diese besondere Haftungsregel im Verhältnis zweier Unternehmer ohne typische Ungleichgewichtslage zwingend sein sollte. Damit ist die Frage, ob dem Überlasser gegen den schuldhaft schädigenden Beschäftiger ein vertraglicher Schadenersatzanspruch zusteht, richtigerweise eine solche der Vertragsauslegung.

4.
Vertragsauslegung und Vertragsgestaltung

Im konkreten Fall enthielt der Dienstverschaffungsvertrag die ausdrückliche Verpflichtung des Beschäftigers, die jeweiligen AN-Schutzvorschriften einzuhalten, die Fürsorgepflicht für die ihm überlassene Arbeitskraft zu übernehmen und diese auf jede Art von Gefahren im Beschäftigerbetrieb hinzuweisen. Diese Pflichten treffen den Beschäftiger, wie der OGH richtig anmerkt (unter Pkt 4. des Urteils), zwar grundsätzlich bereits aufgrund des Gesetzes (vgl § 6 AÜG). Dort hat die Verankerung dieser Pflichten evidentermaßen AN-Schutzfunktion. Die „Wiederholung“ solcher Pflichten im Vertrag zwischen Überlasser und Beschäftiger wird den AN-Schutzzweck ebenfalls umfassen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass mit einer solchen Vertragsklausel auch weitergehende Zwecke verfolgt werden (können).

Nach den typischen Vertragsgestaltungen liegt das Lohnfortzahlungsrisiko bei Ausfall der überlassenen Arbeitskraft beim Überlasser: Ein Entgelt schuldet der Beschäftiger nur für die tatsächlich abgeleistete Arbeitszeit, der Überlasser muss seinem ausgefallenen DN hingegen den Lohn nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen fortzahlen. Der Überlasser ist im Grundsatz überdies verpflichtet, möglichst rasch eine Ersatzkraft zur Verfügung zu stellen. Er zahlt in diesem Fall den Lohn quasi doppelt (an zwei AN), kassiert das Überlassungsentgelt aber nur einmal. Dies gehört an sich zum typischen Betriebsrisiko eines Überlassers. Es liegt daher offenkundig im Interesse des Überlassers, dieses Risiko möglichst gering zu halten. Damit hat der Überlasser aber auch ein legitimes – und durchaus erkennbares – wirtschaftliches Interesse daran, dass der Beschäftiger seinen arbeitnehmerschutzbezogenen Pflichten verlässlich nachkommt, zumal er es während der Überlassung ja selbst idR nicht in der Hand hat, durch eigene Kontrolle und Sicherheitsvorkehrungen das Verletzungsrisiko des AN zu minimieren. Die Beherrschbarkeit des Verletzungsrisikos durch den Beschäftiger ist umgekehrt während der Eingliederung des AN in dessen Betrieb ungleich höher. Während die Übernahme anderer Ausfallrisiken (Krankheit, vertragswidriges Nichterscheinen) durch den Überlasser durchaus interessengerecht erscheint, würde man hinsichtlich der Entgeltfortzahlung infolge eines vom Beschäftiger verschuldeten Arbeitsunfalls schon eher eine besondere Rechtfertigung erwarten, warum dieser sich eines Risikos entledigen können sollte, das er bei Einsatz eigenen Personals selbst hätte tragen müssen. Vor diesem Hintergrund ist es alles andere als abwegig, dass die ausdrückliche Aufnahme von AN-Schutzpflichten in den Überlassungsvertrag auch Vermögensinteressen des Überlassers schützen soll, ihre Verletzung den Beschäftiger mithin schadenersatzpflichtig macht.

Ob dies im konkreten Fall im Ergebnis zu bejahen gewesen wäre, lässt sich auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts kaum abschließend beurteilen. Zu berücksichtigen wäre nämlich insb noch die Frage, ob das Lohnfortzahlungsrisiko auch bei Verschulden des Beschäftigers durch das von diesem zu zahlende Entgelt mit abgegolten werden sollte. Das ist eine Frage der Entgeltkalkulation bzw der Erkennbarkeit diesbezüglicher Absichten aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers.

Es bedarf keiner besonderen Betonung, dass die Vertragsauslegung unter derartigen Parametern erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt sein kann. Dem kann freilich durch eindeutige Vertragsgestaltung Vorschub geleistet werden. An der Zulässigkeit einer Klausel, die das Lohnfortzahlungsrisiko bei schuldhafter Verletzung von AN-Schutzpflichten durch den Beschäftiger ebendiesem zuweist, kann angesichts der oben aufgezeigten legitimen Interessen des Überlassers grundsätzlich kein Zweifel bestehen.268