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Keine Anwendung des BUAG auf Eisenbieger in der Fertigteilproduktion

CHRISTOPHWIESINGER (WIEN)
  1. Der Geltungsbereich des BUAG knüpft nicht an der Gewerbeberechtigung, sondern an der Betriebsart – somit an der tatsächlichen Tätigkeit – an. Für die Geltung des BUAG ist also in erster Linie die Beschäftigung in Betrieben, die in § 2 aufgezählt sind, maßgeblich.

  2. Die Tätigkeit der AN der Bekl beschränkte sich ausschließlich auf die Herstellung der Betonfertigteile. Wie bereits das Erstgericht ausführte, stellt diese Tätigkeit aber selbst bei einem weit verstandenen Begriff keine Bau-, sondern eine reine Produktionstätigkeit in der Halle dar.

  3. Zusammenfassend fällt daher die reine Herstellung von Betonfertigteilen wie die hier zu beurteilenden Autobahnpoller, die in einer Produktionshalle als Massenprodukt hergestellt und von einem Unternehmer für seine Bau- und Montagetätigkeit erworben werden sollen, nicht unter den Anwendungsbereich der §§ 2f BUAG.

Die in Ungarn ansässige Bekl entsandte als Subunternehmerin der Fa FO (idF: Auftraggeberin) AN nach Österreich, die auf dem Gelände der Auftraggeberin in einer Halle Betonelemente (Autobahnpoller) fertigten. Diese Elemente werden vor allem auf Autobahnen als Absicherung verwendet. Bei der Fertigung verbanden die ungarischen AN Stahlkörbe und Längseisen, die in eine Form gehoben und mit Beton vergossen und je nach Notwendigkeit noch mit Reflektoren versehen wurden. Die fertigen Teile wurden zur Autobahn transportiert. Ihre Montage auf der Autobahn wurde nicht von AN der Bekl durchgeführt. Unstrittig verfügt die Auftraggeberin noch über zwei weitere Produktionsstraßen (Deckenproduktion + Hohlwände; Dielenproduktion), in denen sie ihre eigenen Mitarbeiter beschäftigt. Verfahrensgegenständlich sind die von der Kl [BUAK, Anm] der Bekl nach dem BUAG vorgeschriebenen Zuschläge für die entsandten AN.

Die [BUAK] begehrte die Zahlung dieses Betrags als Lohnzuschläge für die Beschäftigung der von der Bekl nach Österreich entsandten AN. Die Bekl habe sich verpflichtet, für die Auftraggeberin Fertigungs- und Montageaufträge mit eigenen Fachkräften und in eigener Regie zu übernehmen. Laut Meldung sollten sie als Eisenbieger/Eisenflechter und Betonier-Helfer eingesetzt werden. Auftragsgegenstand sei das Flechten von 220 Stück Betonstahl und das Flechten und die Betonproduktion von 1.110 Stück Autobahnpollern gewesen. Die Auftraggeberin verfüge über die Gewerbeberechtigung für die industriegemäße Erzeugung von Betonwaren, Deckenträgern und Baufertigteilen. Die durchgeführten Tätigkeiten unterschieden sich in keiner Weise von den Tätigkeiten auf sonstigen Baustellen. Die Auftraggeberin bzw die Bekl baue Teile, die üblicherweise direkt auf der Baustelle hergestellt würden. Es mache rechtlich keinen Unterschied, ob Wände, Decken, Dielen und Straßenbegrenzungen vor Ort erzeugt oder in einer Produktionshalle gefertigt und dann in Teilen zum Zielort gebracht würden, weil die Arbeiten jeweils ident seien. Die von der Auftraggeberin und der Bekl durchgeführten Eisenbieger/Eisenflechter- und Betonier- und Verschalungsarbeiten seien daher vom Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 BUAG umfasst.

Die Bekl bestritt und beantragte Klagsabweisung im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass es sich bei der Herstellung der Autobahnpoller um die Erzeugung eines Betonfertigteilprodukts handle. Es erfolge kein einziger Arbeitsschritt auf Baustellen oder beim Kunden. Vielmehr werde ein Endprodukt hergestellt und veräußert, sodass nur fertige Baustoffprodukte zur Ausführung und auf den Markt gelangten. Die Betonwarenerzeugung sowie generell die Erzeugung von Baustoffen aller Art und die Erzeugung von Fertigbauteilen seien jedoch von der taxativen Aufzählung des § 2 BUAG nicht erfasst. Auch § 33h BUAG, der nur für die Entsendung von ausländischen AN nach Österreich Bautätigkeiten teilweise dem BUAG unterwerfe, schaffe keinen eigenen strengeren Tatbestand der Bautätigkeit. Es liege auch kein Spezialbetrieb iSd § 2 Abs 1 lit g BUAG vor. Aufrechnungsweise würden die den AN geleisteten Urlaubsentgelte eingewandt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zusammengefasst mit der Begründung ab, dass Baustofferzeuger vom BUAG nicht erfasst würden. Die Erzeuger von Betonfertigteilen seien den Baustofferzeugern wesentlich näher als dem Bauen, weil die Fertigteile an unterschiedlichen Orten in unterschiedlicher Weise eingesetzt werden könnten. Die Fahrzeugrückhaltesysteme der Bekl behielten sogar eine gewisse Mobilität. Auch die Regeln über Mischbetriebe nach § 3 BUAG führten zu keinem anderen Ergebnis.

Das Berufungsgericht änderte diese E mit Zwischenurteil dahin ab, dass es die Ansprüche der [BUAK] dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte. Von der Bekl würden letztlich Eisenbieger/Eisenflechterarbeiten bzw Betonier- und Verschalungsarbeiten durchgeführt. Jedenfalls die Eisenbiegerarbeiten fielen ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 BUAG; es würde Eisen be- bzw verarbeitet, das für die Armierung von Bauteilen erforderlich sei. Ob diese Tätigkeit auf einer Baustelle oder einer Produktionshalle mit späterem Transport der Bauteile an die Baustelle erfolge, könne für die Anwendbarkeit des BUAG keinen Unterschied machen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Die inländische Gerichtsbarkeit, die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts und die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs sind nicht weiter strittig. Unstrittig ist auch, dass das BUAG in Umsetzung285 der RL 96/71/EG über die Entsendung von AN im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen auch entsandten AN Anspruch auf Leistungen aus der BUAK für den Zeitraum ihrer Entsendung im Inland gewährt.

2. Gem § 33d Abs 1 BUAG gilt Abschnitt VIb BUAG (Sonderbestimmungen für den Urlaub bei Entsendung) für die Beschäftigung von AN ohne gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich, die von einem AG zur fortgesetzten Arbeitsleistung oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entsandt werden.

AN iSd ersten Abschnitts sind solche, deren Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen und die in Betrieben (Unternehmungen) gem § 2 BUAG beschäftigt werden (§ 1 Abs 1 BUAG). Zu prüfen ist damit, ob die AN der Bekl in einem solchen Betrieb beschäftigt sind.

3. Gem § 2 Abs 1 BUAG sind für die Sachbereiche Urlaub und Überbrückungsgeld Betriebe (Unternehmungen) iSd § 1. Gem § 3 Abs 1 BUAG unterliegen Betriebe, in denen sowohl Tätigkeiten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 BUAG fallen, als auch Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach nicht in diese Tätigkeitsbereiche fallen, als Mischbetriebe nach Maßgabe der Abs 2 bis 5 leg cit den Bestimmungen des BUAG.

Gem § 3 Abs 2 BUAG unterliegen in Mischbetrieben, in denen entsprechend den unterschiedlichen Tätigkeiten nach Abs 1 leg cit eine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, diejenigen AN den Bestimmungen dieses Gesetzes, die in Betriebsabteilungen beschäftigt werden, in denen Tätigkeiten verrichtet werden, die ihrer Art nach in die Tätigkeitsbereiche der Betriebe nach § 2 BUAG fallen. In Mischbetrieben, in denen keine organisatorische Trennung in Betriebsabteilungen besteht, unterliegen nur jene AN den Bestimmungen des BUAG, die überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 BUAG fallen (§ 3 Abs 3 BUAG).

Da die AN der Bekl in der organisatorisch getrennten „Fertigungsstraße Autobahnrückhaltesysteme“ der Auftraggeberin beschäftigt werden, ist iSd § 3 Abs 2 BUAG nur maßgeblich, ob sie Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in die Tätigkeitsbereiche der Betriebe nach § 2 BUAG fallen.

4. Grundanliegen des BUAG ist es, Bauarbeitern trotz der in der Baubranche typischerweise saisonalen Beschäftigungsunterbrechungen den Erwerb eines Anspruchs auf Urlaub und auf Abfertigung zu ermöglichen, den sie mangels ununterbrochener Beschäftigungsdauer nach den allgemeinen Vorschriften nicht erreichen könnten. Dementsprechend zeigt auch der Titel „Bundesgesetz betreffend den Urlaub und die Abfertigung für AN in der Bauwirtschaft“ an, dass es im BUAG um die Urlaubs- und Abfertigungsansprüche von AN in der Bauwirtschaft geht.

5. Der Begriff „Bauwirtschaft“ beschränkt sich nicht auf Bauunternehmen ieS; er ist bei der gebotenen Zugrundelegung der Liste der Betriebe des § 2 Abs 1 BUAG vergleichsweise weit zu verstehen. Der Umfang der Liste macht deutlich, dass die Bauwirtschaft möglichst umfassend erfasst werden soll, um die Urlaubs- und Abfertigungsregelung aller Bauarbeiter im gesamten Bundesgebiet einer gleichmäßigen Behandlung zu unterziehen. Ein enges Verständnis des Begriffs „Bautätigkeit“ wird daher der Zielsetzung des BUAG nicht gerecht (20.6.2012, 9 ObA 150/11s mwN).

Die Aufzählung des § 2 Abs 1 BUAG ist allerdings taxativ zu verstehen (Martinek/Widorn, Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz BUAG, § 2, 67). Sie soll daher nicht zur Einbeziehung solcher Betriebe führen, die selbst bei einem weiten Begriffsverständnis der aufgelisteten Betriebe von der Aufzählung nicht erfasst werden.

6. Der Geltungsbereich des BUAG knüpft nicht an der Gewerbeberechtigung, sondern an der Betriebsart – somit an der tatsächlichen Tätigkeit – an. Für die Geltung des BUAG ist also in erster Linie die Beschäftigung in Betrieben, die in § 2 aufgezählt sind, maßgeblich. Zu einer Betriebsart zählen nicht nur Betriebe, die im gesamten oder überwiegenden Tätigkeitsbereich der Betriebsart tätig werden, sondern auch jene, die sich auf einen kleineren Teilbereich spezialisiert haben (Martinek/Widorn aaO 68; Klinger, Praxiskommentar zum BUAG 22).

7. Die Betonfertigteilerzeugung als solche ist in der Auflistung des § 2 Abs 1 BUAG nicht enthalten. Dies kann nur vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Betonfertigelemente als Bauteile in unterschiedlichster Weise Verwendung finden (Gewerbe-, Industrie- und Wohnungsbau, Brücken- und Tunnelbau, Betonmasten, Mauer-, Rand-, Begrenzungs- und Böschungssteine, Pflaster- und Winkelsteine, Treppenstufen, Kanalschachtringe usw), dass sie sowohl zum Weiterverkauf (Handel) als auch zur eigenen Weiterverarbeitung produziert werden können und je nach Erfordernis in einem Werk oder auch auf einer Baustelle vor Ort hergestellt werden.

8. Aus der Auflistung des § 2 Abs 1 BUAG geht hervor, dass nicht nur die eine Bautätigkeit ieS ausführenden Betriebe, die in typisierter Betrachtung witterungsbedingte Beschäftigungsunterbrechungen aufweisen, sondern auch Bauhilfsbetriebe erfasst werden sollen (s § 2 Abs 1 lit e BUAG), während Betriebe des reinen Produktionsbereichs nicht aufgezählt werden (s etwa § 2 Abs 1 lit d BUAG, nach dem Hafnerbetriebe zwar unter § 2 Abs 1 BUAG fallen sollen, dies aber nicht gilt, wenn es sich um die reinen Erzeugungsbetriebe handelt). Unstrittig werden auch Betriebe der reinen Baustoffproduktion nicht dem Baubereich zugeordnet. Martinek/Schwarz [richtig: Martinek/Widorn, Anm] (aaO 70) nehmen neben Sprengungsunternehmern, Steinbruchunternehmern, Sand- und Schottererzeugern sowie Kalkbrennereien auch Betonwarenerzeuger, Erzeuger von Baustoffen aller Art sowie die Erzeugung von Fertigbauteilen aus handelsüblichen Baustoffen vom Anwendungsbereich des BUAG aus, es sei denn, dass die Fertigbauteile von Bau- oder anderen dem Gesetz unterliegenden Betrieben hergestellt und von diesen zum Teil selbst montiert werden. Diese Wertung muss auch für die in § 2 Abs 1 lit a BUAG genannten Baueisenbieger- und -verlegerbetriebe gelten, bei denen es sich um286 Betriebe handelt, die sich mit dem Vorbiegen bzw der Montage der für Bauten notwendigen Baueisen befassen (Martinek/Widorn aaO 69). Denn auch sie sind typischerweise auf eine vorwiegend in Außenarbeit am Einsatzort zu erbringende Leistung hin ausgerichtet.

9. Im vorliegenden Fall haben die AN der Bekl in der Fertigungshalle der Auftraggeberin Autobahn- Betonpoller hergestellt, die sodann vom Auftraggeber erworben und zur Montage auf die Autobahn gebracht wurden. Die Tätigkeit der AN der Bekl beschränkte sich damit ausschließlich auf die Herstellung der Betonfertigteile. Wie bereits das Erstgericht ausführte, stellt diese Tätigkeit aber selbst bei einem weit verstandenen Begriff keine Bau-, sondern eine reine Produktionstätigkeit in der Halle dar. Soweit dafür auch das Verbinden von Stahlkörben und Längseisen zur Bewehrung der Betonform erforderlich war, handelte es sich im konkreten Fall nicht um eine eigenständige Baueisenbiegerleistung, sondern um eine untergeordnete Hilfstätigkeit für das Vergießen der Betonformen. All das spricht aber dafür, dass die AN der Bekl nicht vom Anwendungsbereich des BUAG erfasst sind.

10. Dieses Ergebnis steht auch mit der E 8 ObA 39/03y im Einklang, in der der OGH – wenngleich ohne die Notwendigkeit einer näheren Untersuchung – davon ausging, dass die Betonfertigteile herstellende Bekl bezüglich eines Abfertigungsanspruchs nicht dem BUAG unterlag.

11. Der Umstand, dass § 2 Abs 3 BUAG auch solche Betriebe (Unternehmungen) nach Abs 1, 2 und 2a als Betriebe iSd Abs 2 ansieht, die in Form eines Industriebetriebs betrieben werden, steht dem nicht entgegen, bedeutet er doch nicht, dass die industrielle Produktion von Baustoffen und insb Betonfertigteilelementen generell Betrieben iSd § 2 gleichgestellt wird. Vielmehr kommt damit nur zum Ausdruck, dass es keinen Unterschied machen darf, ob ein § 2 unterliegender Betrieb oder, im Falle eines Mischbetriebs, eine organisatorisch getrennte Betriebseinheit als Gewerbe- oder Industriebetrieb bzw -betriebseinheit geführt wird. Ein nicht unter § 2 fallender Industriebetrieb unterliegt dadurch aber noch nicht dem BUAG.

12. Schließlich ergibt sich auch aus dem vom Berufungsgericht angesprochenen Anhang zur Entsende-RL nichts anderes. Nach diesem umfassen die in Art 3 Abs 1 zweiter Gedankenstrich genannten Tätigkeiten alle Bauarbeiten, die der Errichtung, der Instandsetzung, der Instandhaltung, dem Umbau oder dem Abriss von Bauwerken dienen, insb „... 4. Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen ...“. Der Begriff der Errichtung von Fertigbauelementen ist aber sowohl nach seinem Wortlaut als auch als dem Abbau entgegengesetzter Begriff nur auf das Aufstellen und Einbauen, dh die Montage, nicht aber auf die reine Produktion von Fertigbauelementen zu beziehen (vgl die insoweit noch deutlichere französische Sprachfassung: „montage et démontage d´éléments préfabriqués“).

13. Zusammenfassend fällt daher die reine Herstellung von Betonfertigteilen wie die hier zu beurteilenden Autobahnpoller, die in einer Produktionshalle als Massenprodukt hergestellt und von einem Unternehmer für seine Bau- und Montagetätigkeit erworben werden sollen, nicht unter den Anwendungsbereich der §§ 2 f BUAG.

Da sich die Revision der Bekl daher als berechtigt erwies, war ihr Folge zu geben und das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen.

ANMERKUNG
1.

Der vorliegende Fall wurde vom OGH (und nicht vom VwGH) entschieden, weil der Zuschlag bei Entsendungen im ordentlichen Rechtsweg über die Gerichte zu betreiben ist (§ 33h Abs 3 BUAG). Würde es sich um einen reinen Inlandssachverhalt handeln, bei dem der AG die Anwendung des BUAG bestreitet, wäre die Rechtsfrage im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu klären gewesen (§ 25 Abs 6 BUAG). Ansonsten hat aber die Entsendung auf die Lösung der dem Verfahren eigentlich zugrunde liegenden Rechtsfrage keine Auswirkungen.

2.

Damit zum Inhalt: Unklar bleibt, warum diese Konstruktion nicht als Arbeitskräfteüberlassung gesehen wird, wobei der OGH – und offenbar auch die Unterinstanzen – diesen Punkt gar nicht angesprochen haben. Aus den Sachverhaltsangaben ist zu schließen, dass der „Subunternehmer“ auf dem Werksgelände des „Auftraggebers“ mit den Maschinen des „Auftraggebers“ Autobahnpoller hergestellt hat, die offenbar ausschließlich vom „Auftraggeber“ erworben wurden. Warum hier keine Eingliederung in die Betriebsorganisation und damit Arbeitskräfteüberlassung vorliegen soll, bleibt rätselhaft (anders etwa OGH8 ObA 7/14hwbl 2014/241, 709, wo er eine Materialprüfung, die mit einem von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten Messgerät erfolgte, als verdeckte Arbeitskräfteüberlassung beurteilte).

Würde man diese Konstruktion als Arbeitskräfteüberlassung werten (wofür es – wie gesagt – gute Gründe gibt), wäre auf die Tätigkeit der überlassenen AN abzustellen; soweit entweder die vereinbarte oder die tatsächliche Tätigkeit des AN eine solche ist, die in einer der dem BUAG unterliegenden Betriebsarten typisch ist, würde dieser überlassene AN dem BUAG unterliegen (§ 2 Abs 1 lit f BUAG). Schon allein daraus würde sich mE die Anwendbarkeit des BUAG ergeben.

3.

Aber auch wenn man dieses Rechtsverhältnis nicht als Arbeitskräfteüberlassung qualifizieren möchte, ist die E des OGH problematisch. Vorauszuschicken ist, dass sich der Geltungsbereich des BUAG nach ganz eigenen Kriterien richtet, die in ihrer Wertung nicht immer ganz stimmig sind. Grundfall ist die Beschäftigung in einem Baubetrieb, worunter mehr als das Bauhauptgewerbe (also Baumeister- und Bauindustriebetriebe) zu verstehen ist. Die Aufzählung der Betriebsarten in § 2 BUAG ist ein Sammelsurium, das gewerberechtliche Begriffe ebenso verwendet wie solche des Wirtschaftskammerorganisationsrechts, ergänzt um weitere Termini, die auf Spezialisierungstendenzen zurückzuführen sind. Ein Beispiel für den letzten Fall sind die hier verfahrensgegenständlichen287 Eisenbiegertätigkeiten, die gewerberechtlich dem Baumeistergewerbe zukommen (und damit bereits vom Wortlaut „Baumeisterbetriebe“ erfasst wären), aber eben nochmals ausdrücklich im Geltungsbereich genannt werden, um ihre Einbeziehung ins BUAG klarzustellen (ErläutRV 426 BlgNR 13. GP, 13; teilweise abgedruckt bei Martinek/Widorn, BUAG [1988] 67-68).

Zur Lösung der Frage, ob die bloße Herstellung von Autobahnpollern dem BUAG unterliegt, ist daher zu prüfen, unter welche Betriebsart die Herstellung derartiger Fertigteilelemente zu subsumieren ist. Wenn sich der OGH dabei auf Martinek/Widorn beruft, hat er deren Ausführungen allerdings missverstanden. Diese schreiben zwar (zutreffend), dass Betriebe der Baustofferzeugung nicht unter das BUAG fallen, führen aber weiter aus: „In diesem Zusammenhang sind auch die Betriebe der Erzeuger von Fertigbauteilen zu erwähnen, doch fallen die in diesen Betrieben beschäftigten AN unter das BUAG, soweit solche Fertigbauteile von Baubetrieben oder anderem den Gesetz unterliegenden Betrieben hergestellt und zum Teil selbst montiert werden.“ (Martinek/Widorn, BUAG 70). Es kommt bei der Abgrenzung zwischen Baustoff und Fertigteil also nicht nur darauf an, ob AN eines konkreten Betriebs den hergestellten Fertigteil montieren, sondern ob es andere Betriebe gibt, in denen Herstellung und Montage von Fertigteilen vorkommen. In diesem Fall unterliegen nach Martinek/Widorn alle AN dem BUAG – auch jene des Betriebs, in dem Fertigteile nur hergestellt werden.

Diese eigentlich schon von Martinek/Widorn vertretene Lösung wird auch durch die Spezialbetriebsregelung (§ 2 Abs 1 lit g BUAG) untermauert, die mit der Novelle BGBl I 2011/51überarbeitet wurde; dabei hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Spezialbetriebe dann dem BUAG unterliegen, wenn ihre ausschließliche Tätigkeit sowohl in Betriebsarten, die dem BUAG unterliegen, als auch in anderen, die ihm nicht unterliegen, ausgeübt werden. Auf dieser Basis hat der VwGH entschieden, dass ein Spezialbetrieb für Spachtelungsarbeiten, die gewerberechtlich sowohl von Malern und Anstreichern (unterliegen dem BUAG nicht) als auch von Stuckateuren und Trockenausbauern (unterliegen dem BUAG gem § 2 Abs 1 lit e leg cit) erbracht werden dürfen, dem BUAG unterliegt (VwGH2010/08/0208ecolex 2014/109, 266 [Wiesinger]). Die gleiche Wertung ist für die Abgrenzung zwischen Baustoffherstellung und Fertigteil anzuwenden; nur wenn ein Fertigteil so standardisiert ist, dass er zum Baustoff wird, unterliegt seine Herstellung nicht dem BUAG. Wird er nach individuellen Kriterien angefertigt, unterliegt seine Herstellung dem BUAG. Das gilt nicht nur für Betonfertigteile, sondern auch für die Vorfertigung von Bauteilen aus anderen Materialien, wie etwa Holz.

Aus dem gleichen Grund nimmt der Gesetzgeber in § 2 Abs 1 lit d BUAG bei den Hafnerbetrieben die reinen Erzeugungsbetriebe ausdrücklich aus dem Geltungsbereich aus, weil die Hafner häufig die Kacheln selbst herstellen, während die Erzeugung von Ziegeln oder Zement in einem Baumeisterbetrieb nicht vorkommen, weshalb dort reine Erzeugungsbetriebe nicht ausgenommen werden müssen; leider zieht der OGH in Pkt 8 der E genau den gegenteiligen und damit nicht korrekten Schluss aus dieser Regelung.

Ob die E des OGH (lässt man die hier unter 2. angesprochene Problematik der Arbeitskräfteüberlassung außer Betracht) richtig war oder nicht, lässt sich mE dem Sachverhalt nicht endgültig entnehmen. Der OGH hätte dem Erstgericht auftragen müssen, nähere Feststellungen zu treffen, ob es sich wirklich um eine Baustoffproduktion oder um die Herstellung eines Fertigteils gehandelt hat. Erst mit Klärung dieser Frage wäre der Fall endgültig lösbar.

4.

Folgt man den Argumenten des OGH, sind die Auswirkungen für die Praxis allerdings geringer als auf den ersten Blick scheint. Der OGH hat nämlich nicht ausgesprochen, dass jegliche Herstellung von Betonfertigteilen aus dem BUAG ausgenommen ist, sondern zusammenfassend bloß solche, die a) sowohl ein Massenprodukt sind als auch b) nicht von AN des Herstellers verbaut werden (Pkt 13 der E). Die Herstellung von Betonfertigteilen, die nach individuellen Angaben hergestellt werden, war nicht verfahrensgegenständlich (der OGH ist von der Herstellung eines „Massenprodukts“ ausgegangen) und folglich können dafür aus der vorliegenden E auch keine weitergehenden Rückschlüsse abgeleitet werden.288