Ghezel AhmadiFortbestand von Arbeitsverhältnissen bei Betriebsübergang im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers

Verlag des ÖGB, Wien 2014 e-Book inside, 120 Seiten, € 29,90

MARTAJ.GLOWACKA (WIEN)

Bei diesem Buch handelt es sich um den 33. Band aus der Reihe „Beiträge zu besonderen Problemen des Arbeitsrechts“. Es vereint zwei für die Arbeitswelt – wenn auch für sich alleine stehend – praktisch stetig an Bedeutung gewinnende Themen: den Betriebsübergang und die Insolvenz des AG. In dieser Zusammenschau wird vor allem der Frage nachgegangen, inwieweit Arbeitsverhältnisse nach einem Betriebsübergang im Falle einer Insolvenz des AG beim Erwerber fortbestehen und welche Rolle in diesem Zusammenhang die arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Kündigungs- und Entlassungsschutzes spielen. Die Autorin untersucht dabei, welche Schutzbestimmungen „durchlöchert“ werden, wenn ein Unternehmen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens übertragen wird.

Das erste Kapitel nach einer kurzen Einführung setzt sich mit dem Betriebsübergang im Fall der Insolvenz des AG aus einander und klärt die relevanten Begriffe der einschlägigen Gesetze (insb IO, ABGB, ArbVG und AVRAG). In weiterer Folge wird die Regelung der Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs gem § 3 AVRAG vor allem auch im Hinblick auf ihre Konformität mit der europäischen Betriebsübergangs-RL beleuchtet. Dabei vertritt die Autorin mE zutreffend die Auffassung, dass das Konkursprivileg gem § 3 Abs 2 AVRAG, wonach ua Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung) vom ex-lege-Übergang ausgenommen sind, den unionsrechtlichen Vorgaben nicht entspricht, da diese eine Ausnahme nur für Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens ins Auge fassen und eben nicht solche, bei denen die Unternehmenssanierung und -fortführung im Vordergrund steht. Daher sei „eine Differenzierung danach, ob das Unternehmen erhalten bleibt oder nicht, wünschenswert“. Das würde der stRsp des EuGH (zB 12. 11. 1998, C-399/96, Europièces SA, RdW 1999, 35) entsprechen (die auch in Art 5 Betriebsübergangs-RL Eingang fand), wonach das Konkursprivileg nicht für Verfahren gilt, die die Erhaltung der Vermögensmasse bezwecken. An dieser Stelle hätte auf die Frage der Haftungsfreistellung gem § 6 AVRAG ob ihrer Verflechtung mit der Problematik der Auslegung des Anwendungsbereiches der Ausnahmeregelung des § 3 Abs 2 AVRAG näher eingegangen werden können.

Im nächsten Kapitel werden die Auswirkungen der AG-Insolvenz auf die Arbeitsverhältnisse erörtert. Nachdem der allgemeine Kündigungs- und Entlassungsschutz gem §§ 105 ff ArbVG nach Ansicht der Autorin – insb wegen der rechtfertigenden betrieblichen Gründe – nur eine untergeordnete Rolle spielen, richtet Catharina Ghezel Ahmadi das Hauptaugenmerk auf die Relevanz des besonderen Bestandschutzes. Sie folgt mE zu Recht der Auffassung des OGH, wonach Betriebsratsmitglieder trotz der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG weiterzubeschäftigen sind, sofern die Betriebsidentität gewahrt bleibt. Immerhin stellt der Inhaberwechsel keinen Kündigungs- bzw Entlassungsgrund gem §§ 121 f ArbVG dar. Kritisch wird an dieser Stelle angemerkt, dass dies nach Ansicht des OGH nicht für die sonst besonders bestandgeschützten AN gilt. Begründet wird diese Sonderstellung der Betriebsratsmitglieder mit der Bestrebung, der Belegschaft des unverändert fortbestehenden Betriebes die Vertretung zu sichern; hierbei sei die Intensität der Bindung an den Betrieb stärker ausgeprägt als bei anderen AN-Gruppen. Dabei erkennt bereits Reissner (DRdA 2009/27, 334 [339]) den erheblichen Betriebsbezug auch der sonstigen einschlägigen290 Kündigungsvorschriften (dh MSchG bzw VKG, BEinstG, APSG, BAG) und erachtet zutreffend eine Differenzierung zwischen den einzelnen Gruppen besonders geschützter AN als nicht gerechtfertigt. Daher fordert die Autorin eine Nivellierung dieser Benachteiligung. Dafür schlägt sie die Gewährung einer Förderung für Unternehmenserwerber vor, die besonders geschützte AN trotz des Konzernprivilegs iSd § 3 Abs 2 AVRAG freiwillig übernehmen. Dabei stellt sich allerdings die Frage, durch wen eine derartige Förderung gewährt werden soll.

Des Weiteren erörtert die Autorin in diesem Kapitel die im Zusammenhang mit dem privilegierten Kündigungsrecht einzuhaltenden Fristen sowie die (beendigungsabhängigen) Ansprüche der AN im Falle der AG-Insolvenz. Abgesehen davon diskutiert Ghezel Ahmadi § 25 Abs 3 IO, in den durch das IRÄG 2010 die zum Teil umstrittene Rsp des OGH aufgenommen wurde, wonach der Austritt eines AN nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam ist, wenn er nur darauf gestützt wird, dass dem AN das vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehende Entgelt ungebührlich geschmälert oder vorenthalten wurde. Dabei bemängelt die Autorin die Rechtfertigung des Gesetzgebers für diese Beschränkung und moniert mE zu Recht die fehlende Ergänzung, dass ein Entlassungsgrund nicht anzunehmen ist, wenn der AN im Glauben an die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens von der Arbeit fernbleibt. Sie geht nämlich davon aus, dass dem AN ein Rechtsirrtum vorwerfbar sein wird. Und das, obwohl nach Auffassung des OGH (9 ObA 53/02pZAS 2003/15, 84 [Graf]) der Irrtum eines AN über seine Arbeitspflicht ihm nicht vorwerfbar ist, wenn dieser vorab den Ratschlag der Arbeiterkammer erhalten hat, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen, und in der Literatur (Reissner in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm I2 § 25 IO, Rz 35) die Ansicht vertreten wird, dass der AN „so lange keinen Entlassungsgrund wegen Arbeitspflichtverletzung [setzt], so lange er von der IV-Seite nicht angemessen über seine Situation aufgeklärt wurde.“

Das letzte Kapitel vor der Zusammenfassung der Ergebnisse erörtert die Bedeutung von Maßnahmen des Personal- und Führungsmanagements, die im Falle der Unternehmensinsolvenz unterstützend eingesetzt werden können, wie insb Instrumente des Change- bzw Krisenmanagements. Die Autorin setzt sich hierbei nicht nur mit dem Begriff der Unternehmenskrise auseinander, sondern kategorisiert auch die Ausprägungen des möglichen Widerstandes seitens der Belegschaft und bietet Strategien zur Überwindung ebendieses an (zB ausreichende Kommunikation und Information der Belegschaft). Dabei unterstreicht sie die Bedeutung des BR für diesen Prozess.

Abschließend ist festzuhalten, dass der vorliegende Band eine gelungene Darstellung und Analyse der Konsequenzen für die Arbeitsverhältnisse bietet, wenn ein Unternehmen nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens übertragen wird. Vor allem die Visualisierungen erleichtern den Zugang zu dieser komplexen Materie; eine größere Anzahl an Abbildungen und Beispielen würde die damit einhergehenden Probleme des Arbeitsrechts noch besser fassbar machen (insb im Zusammenhang mit den Fristen) und bei einem derzeitigen Umfang von 120 Seiten der Handlichkeit keinen Abbruch tun. Dennoch ist dieses Werk uneingeschränkt all jenen zu empfehlen, die sich einen guten Überblick über die wichtigsten Aspekte im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang im Falle einer AG-Insolvenz verschaffen wollen.