WittekSoziale Netzwerke im Arbeitsrecht

Nomos Verlag, Baden-Baden 2014 296 Seiten, broschiert, € 78,–

WOLFGANGGORICNIK (SALZBURG)

Die vorliegende Studie zum deutschen Arbeitsrecht entspricht einer an der Bucerius Law School in Hamburg, einer privaten Hochschule für Rechtswissenschaft, angenommenen Dissertation. Der Autor hat nach seinen Angaben die bis Anfang Juni 2014 veröffentliche Rsp und Literatur (nachträglich) eingearbeitet.

Nach einer Einführung zum Begriff und der Funktionsweise von sozialen Netzwerken widmet sich Wolfgang H. Wittek ausführlich der rechtlichen Zulässigkeit der Recherche von AG in sozialen Netzwerken bei der Bewerberauswahl, dies vor dem Hintergrund des deutschen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und dem in der BRD diskutierten Gesetzesentwurf hinsichtlich eines spezifischen Beschäftigtendatenschutzes, aber auch vor dem Hintergrund des Vorschlages der Europäischen Kommission vom 25.1.2012 für eine Datenschutz-Grundverordnung. Dabei geht der Autor auch auf die Rechtsfolgen einer unzulässigen Bewerberrecherche in sozialen Netzwerken ein, die zu einer Ablehnung des Bewerbers führt; beim Befund entsprechender Rechtsfolgen (Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche des Betroffenen gegen den AG) konzediert er realistischerweise, dass Bewerbern in der Praxis nur ausnahmsweise der Beweis gelingen werde, dass ein (potentieller) AG gegen das BDSG verstoßen hat, sodass diese Rechtsfolgen nur selten Bedeutung erlangen würden (S 132).

Praxisrelevanter sind deshalb die Untersuchungen von Wittek zur Thematik der Wertung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken als Kündigungsgrund, wobei der Autor verdienstvollerweise ins (praktische) Detail geht: So postuliert er beispielsweise, dass ein AG weder durch Ausübung seines Direktionsrechts noch durch eine Regelung im Arbeitsvertrag eine Verpflichtung des AN begründen könnte, sich in einem bestimmten Netzwerk unter eigenem Namen anzumelden und diesen privaten Account weisungsgemäß zu nutzen (S 158).

In diesem Zusammenhang geht Wittek auch auf interessante Studien zur Arbeitsproduktivität von AN im Hinblick auf die Nutzung sozialer Netzwerke während der Arbeitszeit ein, die zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen kommen (einerseits zu Facebook als „Arbeitszeitkiller“ und andererseits zur leistungssteigernden Wirkung kurzzeitiger „Facebook-Pausen“ analog Kaffee- oder Zigarettenpausen). Der Autor kommt dabei zum Schluss, dass im besten Fall die Erlaubnis der Nutzung sozialer Netzwerke für Unternehmen sogar zu einem Wettbewerbsvorteil im Kampf um junge Talente werde: Gerade bei jüngeren AN, die mit dem Medium Internet aufgewachsen sind und sich wie selbstverständlich in sozialen Netzwerken bewegen, könnte eine291 liberale Einstellung eines AG diesen attraktiver machen als einen AG, der – für diese Generation lebensfremd – die Nutzung sozialer Netzwerke untersagt (S 160).

Auch für den österreichischen Rechtsanwender spannend sind dabei die Ausführungen zu unternehmensschädlichen Beiträgen in sozialen Netzwerken, insb unter welchen Umständen sich der AN dabei auf seine Meinungsfreiheit berufen kann, wobei richtigerweise darauf hingewiesen wird, dass bei einer Verbreitung von Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken die Gefahr der schnellen Verbreitung auf einen nicht eingrenzbaren Personenkreis zu Lasten des AN einbezogen werden muss. Neben einer anschaulichen Beschreibung diesbezüglicher (zT judizierter) Sachverhalte in der BRD (Stichwort „Daimler-Kollegen gegen Stuttgart 21“) gelangt der Autor letztlich zum – mE richtigen – Ergebnis, dass sich AN nicht gedankenlos Inhalte in sozialen Netzwerken durch einen Klick auf den „Gefällt-mir“-Button zu eigen machen sollten; im Einzelfall könne sogar auch aufgrund der reinen Mitgliedschaft in einer Gruppe in einem sozialen Netzwerk der Ausspruch einer Abmahnung oder Kündigung in Betracht kommen, obwohl sich der AN die von anderen Mitgliedern der Gruppe veröffentlichten Inhalte und Diskussionsbeiträge grundsätzlich nicht zu eigen mache und es auch zu beachten gelte, dass viele Gruppennamen oftmals erkennbar scherzhaft oder sarkastisch gemeint seien (S 184 f).

Auch für den österreichischen Rechtsbereich relevant sind die Ausführungen von Wittek zu Fragen der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise im Zivilprozess, zumal der deutschen wie auch der österreichischen Rechtsordnung ein generelles Verwertungsverbot rechtswidrig erlangter Beweise iSd aus dem US-amerikanischen Recht stammenden „fruit of the poisonous tree doctrine“ fremd ist. Grundsätzlich kommt der Autor dabei zum Ergebnis, dass ein Beweiswertungsverbot (nur) dann zu bejahen ist, wenn die Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels gegen die Grundrechte des Betroffenen, insb gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, verstößt. Es würde rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwiderlaufen, wenn Gerichte ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel verwerten dürften und durch dessen prozessuale Verwertung ein erneuter und perpetuierender Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen des Betroffenen erfolgen würde (S 239 f).

Ein direktes Umlegen der erarbeiteten Lösungsansätze auf die österreichische Rechtslage ist diesfalls zwar nicht möglich, da sich im österreichischen Rechtsbestand zwar ebenfalls ein allgemeines Persönlichkeitsrecht findet (§ 16 ABGB), das im Gegensatz zur BRD allerdings nicht im Verfassungsrang steht (in der BRD wird ein solches aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz abgeleitet). Angesichts des im Verfassungsrang stehenden § 1 DSG 2000 samt der Drittwirkung dieser Norm treffen die Ausführungen von Wittek zu einem Beweisverwertungsverbot mutatis mutandis mE aber auch auf die österreichische Rechtslage zu (dazu näher Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle [2014] 51).

Speziell im Hinblick auf Äußerungen in sozialen Netzwerken relativiert der Autor allerdings, dass es sich dabei regelmäßig nicht mehr um vertrauliche Kommunikation handle, sodass sich der betroffene AN diesbezüglich nicht auf den besonderen Schutz seiner Privatsphäre berufen könne, sodass ein diesbezügliches Beweisverwertungsverbot ausscheide (S 241).

Wittek setzt sich auch mit der Herausgabe von Benutzerkonten, Kontaktdaten und Kundenkorrespondenz bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auseinan der, da heutzutage viele AN ihre Geschäftskontakte über soziale Netzwerke wie XING oder LinkedIn verwalten. Er kommt dabei zum – mE richtigen – Ergebnis, dass nur die Kundenkontaktdaten und die geschäftliche Korrespondenz, die der AN während der dienstlichen Nutzung seines Benutzerkontos dort abgespeichert und über das Konto abgewickelt hat, dem AG herauszugeben sind. Den Account mit den verbleibenden Daten müsse er dagegen nicht herausgeben; an diesem habe der AG kein berechtigtes Interesse und sei dieser wegen der Pflicht des AN, die herauszugeben den Daten anschließend bei sich zu löschen, auch ausreichend geschützt (S 252).

Abschließend beschäftigt sich der Autor noch mit der Frage nach dem Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des BR hinsichtlich des „Wie“ der Einführung einer sogenannten Social Network Policy; er bejaht dabei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG hinsichtlich der näheren Regelung einer erlaubten Privatnutzung sozialer Netzwerke (zB einer Regelung zur Nutzungsdauer) sowie ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG, sofern die Internetnutzung (und damit auch der zeitliche Umfang der Nutzung sozialer Netzwerke) kontrolliert wird, da nach der Rsp des BAG die objektive Eignung einer technischen Einrichtung zur Überwachung der AN zur Erfüllung dieses Mitbestimmungstatbestandes ausreicht. Aus fehlender oder unzureichender Beteiligung des BR folgt – wie in Österreich – ein Anspruch des BR auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme gegen den AG, der auch mit einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann (S 273). Interessant ist der mit Rsp des BAG unterlegte Hinweis, dass es nicht möglich sei, ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des BR durch Ausgestaltung der Policy als unverbindliche Handlungsempfehlung zu umgehen (S 274).

Das Resümee von Wittek, die aktuelle Rechtslage regle die bestehenden arbeits- und datenschutzrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke durch AN für die Praxis mitunter nur unzureichend, kann der österreichische Rechtsanwender nur leidvoll unterschreiben. Deshalb ist auch dem Fazit der Untersuchung vorbehaltlos zuzustimmen, dass sich für AG die Einführung einer Social Network Policy empfiehlt, um die Risken, die mit der Nutzung sozialer Netzwerke einhergehen, zu minimieren und zugleich die Chancen sozialer Netzwerke im Unternehmensinteresse zu nutzen; darin können AG klare und eindeutige Nutzungsregeln aufstellen – etwa zum zeitlichen Umfang der erlaubten Nutzung – und ihren Mitarbeitern eine Richtlinie für den sicheren Umgang mit sozialen Netzwerken an die Hand geben. Dadurch soll arbeitsrechtlichen Unsicherheiten und Konflikten im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke vorgebeugt werden (S 281).

Formal ist lediglich das Fehlen eines Stichwortverzeichnisses zu bedauern, das aber durch ein sehr ausführlich untergliedertes Inhaltsverzeichnis teilweise kompensiert wird.292

Die in der Studie an vielen Stellen angeführten lösungsorientierten Interessenabwägungen können durchaus auch für die österreichische Rechtslage – vor allem angesichts des bedauerlichen Fehlens eines spezifischen Beschäftigtendatenschutzrechtes – fruchtbar gemacht werden. Insofern lohnt sich die Lektüre dieser Arbeit für all jene, die sich mit dem Thema Beschäftigtendatenschutz auseinandersetzen.