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Einkünfte aus einer Beschäftigungstherapie und Ausgleichszulage

WALTERJ.PFEIL (SALZBURG)
  1. Als von einer Berücksichtigung für den Anspruch auf Ausgleichszulage ausgenommene „Leistungen der Sozialhilfe“ sind nur die nach den Sozialhilfegesetzen zu gewährenden Leistungen der öffentlich-rechtlichen Sozialhilfeträger, als „Leistungen der freien Wohlfahrtspflege“ sind nur die Leistungen der von den Sozialhilfeträgern verschiedenen Träger der freien Wohlfahrtspflege zu verstehen.

  2. Bei dem im Rahmen der Beschäftigung in einer Tageswerkstätte (zB gem § 16 Abs 2 Stmk BHG) bezogenen Taschengeld handelt es sich um eine „Leistung der Sozialhilfe“ iSd Ausnahmen nach § 149 Abs 4 lit f GSVG; § 292 Abs 4 lit f ASVG.

  3. Eine vom Träger einer solchen Einrichtung als Motivationsmittel ausbezahlte Sonderprämie ist dagegen weder als „Leistung der Sozialhilfe“ noch als „Leistung der freien Wohlfahrtspflege“ von einer Berücksichtigung für den Ausgleichszulagenanspruch ausgenommen.

Der [...] 1968 geborene Kl bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt [...] (Bekl) eine Waisenpension und eine Ausgleichszulage.238

Mit mehreren Bescheiden, zuletzt vom 16.7.2009, wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft (BH) Mürzzuschlag die Beschäftigung in einer Tageswerkstätte ab 1.7.2009 als Hilfeleistung im Rahmen des Steiermärkischen Behindertengesetzes (Stmk BHG) zuerkannt. Die Kosten für diese Beschäftigungstherapie werden aus Mitteln der Behindertenhilfe gem § 16 Stmk BHG getragen. [...]

Für seine Tätigkeiten erhält der Kl einerseits ein Taschengeld nach § 16 Abs 2 Stmk BHG und andererseits eine zusätzliche Sonderprämie als Motivationsmittel. Dieses Taschengeld betrug in den Jahren 2007 22 €, 2008 50,70 €, 2009 54 €, 2010 54,80 €, 2011 55,80 € und 2012 57,60 € monatlich. Die Sonderprämie, die dem Kl zusätzlich ausbezahlt wurde, betrug in den Jahren 2007 43 €, 2008 34,30 €, 2009 31 €, 2010 31,20 €, 2011 30,20 € und 2012 29,40 € monatlich. Die Kosten für diese Sonderprämie werden ebenfalls von der BH getragen, die Sonderprämie wird über den Träger der Einrichtung an den Kl ausbezahlt.

Mit Bescheid vom 24.7.2012 stellte die Bekl im Hinblick auf das vom Kl bezogene Taschengeld sowie die Sonderprämie die Ausgleichszulage rückwirkend für die Jahre 2007 bis 2012 neu fest. Gleichzeitig sprach die Bekl aus, dass der seit 2007 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von 5.679 € zurückgefordert und der Überbezug in Raten von 38 € von der monatlichen Leistung des Kl abgezogen werde. [...]

Die sinngemäß auf Weitergewährung der Ausgleichszulage unter Abstandnahme von der Rückforderung eines Überbezugs gerichtete Klage stützte sich im Wesentlichen darauf, dass das dem Kl gem § 16 Abs 2 Stmk BHG geleistete Taschengeld sowie die vom Land Steiermark ohne rechtliche Verpflichtung gewährte Sonderprämie Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege darstellten und daher nach § 149 Abs 4 lit f GSVG bei der Errechnung des Nettoeinkommens außer Betracht zu bleiben hätten. Diese Zahlungen stellten auch kein Äquivalent für eine vom Kl erbrachte Gegenleistung dar, sondern handle es sich dabei um Zuwendungen unter dem mit der Beschäftigungstherapie verfolgten Zweck. Es fehle der sonst jedem Erwerbseinkommen zugrunde liegende Zusammenhang zwischen vertraglicher Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung und Zahlung des Entgelts. [...]

Das Erstgericht sprach über die Höhe der monatlichen Ausgleichszulage des Kl für die Jahre 2007 bis 2012 ab und erklärte diesen für verpflichtet, einen Überbezug von 1.463,60 € durch Aufrechnung mit der laufenden Leistung der Bekl mit Beträgen von jeweils 38 € monatlich ab August 2012 zu erstatten. Eine ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens des Kl erfolgte nicht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass das Taschengeld bei der Ermittlung des auf den Ausgleichszulagenanspruch anrechenbaren Nettoeinkommens des Kl gem § 149 Abs 4 lit f GSVG als Leistung der Sozialhilfe außer Betracht zu bleiben habe, die Sonderprämie sei dagegen in das anzurechnende Nettoeinkommen einzubeziehen. Der daraus resultierende Überbezug an Ausgleichszulage wurde mit 1.463,60 € errechnet. [...]

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufungen beider Parteien das Ersturteil mit der Maßgabe als Teilurteil, dass das Mehrbegehren des Kl auf Zahlung einer höheren Ausgleichszulage für die Jahre 2007 bis 2012 abgewiesen werde. Im Übrigen wurde das Ersturteil, soweit es den Kl schuldig erkannte, die Aufrechnung des Überbezugs von 1.463,60 € mit der laufenden Leistung zu dulden und es ein Mehrbegehren auf Duldung der Aufrechnung des Überbezugs von weiteren 294,30 € sinngemäß abwies, aufgehoben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht führte zu den Ausnahmen gem § 149 Abs 4 lit f GSVG aus, dass nach der Rsp unter „Leistungen der Sozialhilfe“ nur die nach den Sozialhilfegesetzen zu gewährenden Leistungen der öffentlich- rechtlichen Sozialhilfeträger und unter „Leistungen der freien Wohlfahrtspflege“ nur die Leistungen der von den Sozialhilfeträgern verschiedenen Träger der freien Wohlfahrtspflege zu verstehen seien. Damit sei die dem Kl von der BH Mürzzuschlag ohne gesetzlichen Anspruch und somit freiwillig bezahlte Sonderprämie auf den Ausgleichszulagenanspruch anzurechnen. Hingegen sei das Ersturteil im Umfang der vom Erstgericht unbekämpft zuerkannten Ausgleichszulagenbeträge und der vom Erstgericht offenkundig irrtümlich unterlassenen Abweisung des entsprechenden Mehrbegehrens als Teilurteil zu bestätigen.

Darüber hinaus sei das Ersturteil in der Frage der Rückzahlungsverpflichtung des Übergenusses aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Es sei nämlich bisher die Frage, ob ein Rückforderungstatbestand iSd § 76 GSVG überhaupt gegeben sei, nicht erörtert worden und es seien dazu auch keine Feststellungen getroffen worden. Im Übrigen sei die vom Erstgericht errechnete Höhe des Überbezugs des Kl von 1.463,60 € nicht nachvollziehbar bzw nicht überprüfbar. [...]

Gegen das Teilurteil hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens und gegen den Aufhebungsbeschluss richtete sich die rechtzeitige „Revision“ des Kl wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene E iS einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. [...]

Der OGH hat den in dieser Revision enthaltenen Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts als unzulässig zurückgewiesen, weil das Berufungsgericht den Rekurs iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht zugelassen hat (RIS-Justiz RS0043898). In der Sache selbst hat er der Revision nicht Folge gegeben und dies wie folgt begründet:

1. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage sind in § 149 GSVG (§ 292 ASVG) geregelt, wonach der Pensionsberechtigte, solange er seinen rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension hat, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gem § 151 GSVG (§ 294 ASVG) zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 150 GSVG bzw § 293 ASVG) erreicht. Bei der Ausgleichszulage handelt es sich um eine Annexleistung zur Pension aus der gesetzlichen PV mit Fürsorgecharakter, welche in jenen Fällen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten garantieren soll, in denen dies die eigentliche Pensionsleistung nicht ermöglichen kann (Ziegelbauer in Sonntag, GSVG3 § 149 Rz 2 mwN).239

2. Nettoeinkommen iSd § 149 Abs 3 GSVG ist jenes Einkommen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten letztlich verfügbar ist und dem Pensionisten real zur Verfügung steht. Es kommt daher nicht auf seine gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche an, sondern auf die ihm tatsächlich zukommenden Einkünfte. Das Ausgleichszulagenrecht geht somit von einem umfassenden Einkommensbegriff aus. Abgesehen von Ausnahmen in Abs 4 kommt es nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte dem Pensionsberechtigten zufließen und es spielt auch keine Rolle, ob sie dem Empfänger für oder ohne Gegenleistung zukommen (Ziegelbauer in Sonntag, GSVG3 § 149 Rz 12 mwN).

2.1 Nettoeinkommen ist jedes Einkommen des Pensionsberechtigten, es sei denn, es liegt einer der in Abs 4 genannten taxativ aufgezählten Fälle vor (RIS-Justiz RS0085360). Der Sinn des Ausnahmekatalogs des § 149 Abs 4 GSVG (§ 292 Abs 4 ASVG) besteht im Wesentlichen darin, dass die Ausgleichszulage nicht dadurch eingeschränkt oder aufgehoben werden soll, dass Leistungen, die schon aufgrund anderer Bestimmungen – etwa wegen des Familienstands oder wegen der besonderen persönlichen Verhältnisse – zu gewähren sind, in die Berechnung des Nettoeinkommens miteinbezogen werden (RIS-Justiz RS0085356).

2.2 Zu diesen von der Berechnung des Nettoeinkommens ausgenommenen Einkünften zählen gem § 149 Abs 4 lit f GSVG (§ 292 Abs 4 lit f ASVG) auch „Bezüge aus Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege“. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, sind nach der vom OGH übernommenen stRsp des OLG Wien als seinerzeitigem Höchstgericht für Leistungsstreitsachen unter Leistungen der Sozialhilfe nur die nach den Sozialhilfegesetzen zu gewährenden Leistungen der öffentlich-rechtlichen Sozialhilfeträger, unter Leistungen der freien Wohlfahrtspflege nur die Leistungen der von den Sozialhilfeträgern verschiedenen Träger der freien Wohlfahrtspflege zu verstehen (vgl 10 ObS 72/88, SSV-NF 2/37; RIS-Justiz RS0085390).

3. Die vom Revisionswerber gegen diese Rsp vorgebrachten Einwände sind nicht berechtigt.

3.1 Rechtsträger der Sozialhilfe ist im Allgemeinen das Land. In der Steiermark sind neben dem Land auch die Sozialhilfeverbände, allfällige sonstige Gemeindeverbände (ISGS), die Statutarstadt Graz und die Gemeinden Träger der Sozialhilfe (vgl § 17 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, LGBl 29/1998). Nach § 39 Stmk SHG sollen die Sozialhilfeträger die Einrichtungen der freien Wohlfahrt zur Mitarbeit in der Sozialhilfe heranziehen, soweit sie dazu geeignet und bereit sind und ihre Heranziehung für die Erreichung der Ziele dieses Gesetzes zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Auch wenn der Begriff der „freien Wohlfahrtspflege“ im Stmk SHG mehrfach verwendet (vgl beispielsweise auch § 4 Abs 2 Stmk SHG, wonach für den Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege, durch die der Lebensbedarf nicht ausreichend gesichert wird, nicht zu berücksichtigen sind), aber nirgendwo näher präzisiert wird, kann doch jedenfalls davon ausgegangen werden, dass es sich bei der freien Wohlfahrtspflege um private – im Gegensatz zu staatlichen – Einrichtungen handeln muss und die Leistungsgewährung freiwillig sein muss (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht [1989] 415 f) und die genannten (öffentlichen) Sozialhilfeträger die Möglichkeit haben, zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch (private) Träger der freien Wohlfahrtspflege zur Mitarbeit einzuladen. Die (öffentlichen) Träger der Sozialhilfe fungieren dabei sowohl im Bereich der Hoheitsverwaltung als auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.

3.2 Aus diesen zu Pkt 3.1 dargelegten Ausführungen ergibt sich die Richtigkeit der stRsp, wonach unter Leistungen der Sozialhilfe nur die nach den Sozialhilfegesetzen zu gewährenden Leistungen der öffentlich- rechtlichen Sozialhilfeträger, unter Leistungen der freien Wohlfahrtspflege nur die Leistungen der von den Sozialhilfeträgern verschiedenen Träger der freien Wohlfahrtspflege zu verstehen sind (vgl 10 ObS 72/88, SSV-NF 2/37). Es kann daher der Ansicht des Revisionswerbers, von der „freien Wohlfahrtspflege“ seien – wie im vorliegenden Fall – auch Leistungen des Sozialhilfeträgers umfasst, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erbracht werden, nicht gefolgt werden. Bei der dem Kl von der BH Mürzzuschlag gewährten „Sonderprämie“ handelt es sich somit entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht um einen Bezug aus der freien Wohlfahrtspflege iSd § 149 Abs 4 lit f GSVG.

4. Nach dieser Bestimmung sind auch Bezüge aus Leistungen der Sozialhilfe bei der Errechnung des Nettoeinkommens iSd § 149 Abs 3 GSVG nicht zu berücksichtigen. Als Leistungen der Sozialhilfe sind solche nach den Sozialhilfe- bzw mittlerweile auch Mindestsicherungsgesetzen zu verstehen, denen funktional die Leistungen der „Behindertenhilfe“ der Länder gleichzustellen sind. Freiwillige Zuwendungen durch eine Gemeinde erfüllen jedoch keinen der Ausnahmetatbestände nach lit f (Pfeil in SV-Komm § 292 Rz 28 unter ausdrücklichem Hinweis auf die E 10 ObS 72/88, SSV-NF 2/37).

4.1 Es ist im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig, dass es sich bei dem vom Kl im Zuge seiner Beschäftigung bei der Tageswerkstätte [...] gem § 16 Abs 2 Stmk BHG bezogenen Taschengeld, für das die BH Mürzzuschlag aufkommt, um eine Leistung der Sozialhilfe bzw der der Sozialhilfe gleichzustellenden Behindertenhilfe der Länder handelt und sie daher unter den Ausnahmetatbestand des § 149 Abs 4 lit f GSVG fällt.

4.2 Nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen handelt es sich demgegenüber bei der dem Kl ebenfalls im Zuge seiner Beschäftigung bei der Tageswerkstätte [...] von der BH Mürzzuschlag gewährten Sonderprämie um eine freiwillige Leistung, für die keine Rechtsgrundlage im Stmk SHG oder im Stmk BHG besteht. Diese Sonderprämie kann daher nicht als „Leistung der Sozialhilfe“ oder der „Behindertenhilfe“ iSd § 149 Abs 4 lit f GSVG angesehen werden und ist somit nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen in das auf den Anspruch des Kl auf Ausgleichszulage anzurechnende Nettoeinkommen einzubeziehen.

5. Gegen dieses Ergebnis bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der Grundsatz der Subsidiarität der im Rahmen der Sozialhilfe vorgesehenen Leistungen gegenüber Sozialleistungen allgemein anerkannt ist und daher wegen des besonderen Zwecks der Leis tungen der Sozialhilfe diese auch dem Ausgleichszulagenbezieher ungeschmälert zugutekommen sol-240len. Demgegenüber würde die Gewährung freiwilliger Leis tungen durch die Sozialhilfeträger an die Pensionsberechtigten ohne Anrechnung auf die Ausgleichszulage nach dem GSVG zu einer doppelten Belastung öffentlicher Mittel führen, weil auch der Aufwand für die Ausgleichszulage aus öffentlichen Mitteln finanziert wird (vgl § 156 GSVG). Soweit der Revisionswerber geltend macht, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass die Sonderprämie, die vom Sozialhilfeträger freiwillig bezahlt wird, von der Ausgleichszulage in Abzug gebracht werde, hingegen eine derartige Sonderprämie, die von einem privaten Träger der freien Wohlfahrtspflege bezahlt werden würde, unberücksichtigt bliebe, ist darauf hinzuweisen, dass die öffentliche Hand durch Leistungen der freien Wohlfahrtspflege nicht zusätzlich belastet ist, sodass in diesem Fall die Nichtanrechnung der Leistung auf den Anspruch auf Ausgleichszulage sachlich gerechtfertigt erscheint. [...]

ANMERKUNG
1.
Problemstellung

Durch die Ausgleichszulage soll BezieherInnen einer gesetzlichen Pensionsleistung ein Mindesteinkommen gewährleistet werden. Folgerichtig wird für diesen Zusatzanspruch nicht nur die Pension selbst, sondern grundsätzlich auch jedes andere Nettoeinkommen berücksichtigt. Die diesbezüglichen Regelungen im ASVG (vgl dessen §§ 292 ff) und in den Sondergesetzen, die eine Ausgleichszulage kennen (vgl §§ 140 ff BSVG sowie – die im vorliegenden Fall einschlägigen – §§ 149 ff GSVG), stimmen überein. Das gilt auch für jene Einkünfte von PensionsbezieherInnen, die ausdrücklich von einer Anrechnung ausgenommen sind. Diese Ausnahmekataloge (vgl jeweils Abs 4 in § 292 ASVG, § 149 GSVG und § 140 BSVG) können nach Zweck und Systematik der betreffenden Bestimmungen nur taxativ verstanden werden (vgl nur Pfeil in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SVKomm [38. Lfg], § 292 ASVG Rz 27, bzw Ziegelbauer in
Sonntag
[Hrsg], GSVG4 § 149 Rz 35).

Die Einkünfte, die der Kl bezogen hat, sind daher nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie einer dieser Ausnahmen unterstellt werden können. Angesichts des heterogenen, ja fast zufälligen Charakters dieser Auflistungen mag eine solche Subsumtion im Einzelfall durchaus schwierig sein. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt scheinen aber in der Tat nur die beiden Ausnahmen nach den jeweiligen Abs 4 lit f in Betracht zu kommen. Dem diesen in der vorliegenden E beigemessenen allgemeinen Verständnis kann durchaus gefolgt werden; Gleiches gilt für die diesbezügliche Bewertung des Taschengeldes (vgl 2.). Die ausgleichszulagenrechtliche Qualifikation der „Sonderprämie“ des Kl durch den OGH kann dagegen nicht überzeugen (dazu 3.).

2.
Die Ausnahmen nach Abs 4 lit f und ihre Abgrenzung
2.1.

Die Kataloge der für den Anspruch auf Ausgleichszulage nach Abs 4 lit f in § 149 GSVG bzw § 292 ASVG außer Betracht zu bleibenden Einkünfte enthalten zwei Tatbestände. Der erste davon normiert seit 1980 (vgl nur die 34. ASVG-Novelle, BGBl 1979/530, die eine Ablöse des bis dahin verwendeten, aber lange überholten Begriffes „Fürsorge“ brachte) eine Ausnahme in Bezug auf „Leistungen der Sozialhilfe“. Für diese gibt es keine präzise Legaldefinition, nicht zuletzt, weil sie landesrechtlich determiniert sind und daher in nicht wenigen Fragen Unterschiede zwischen den Ländern bestehen. Als gemeinsame Klammer kann aber festgehalten werden, dass es sich hier um öffentliche Leistungen handelt, die vom jeweiligen Bundesland und/oder den dortigen Gemeinden auf gesetzlicher Grundlage bereitgestellt (oder zumindest organisiert) werden und die einer subsidiären Deckung bestimmter elementarer Bedarfe dienen (vgl die Übersicht bei M. Mayr/Pfeil, Mindestsicherung und Sozialhilfe, in

Pürgy
[Hrsg], Das Recht der Länder II/1 [2012] 259 ff). Diese Subsidiarität besteht idR umfassend, egal woher die anderen Leistungen stammen oder ob sie auf Grund eines Rechtsanspruches oder ohne einen solchen erbracht werden. Auch die – ursprünglich ja von den Sozialhilfeträgern auf Landesebene finanzierte (vgl § 299 ASVG bzw § 156 GSVG) – Ausgleichszulage ist allerdings subsidiär. Durch Bestimmungen wie Abs 4 lit f in § 292 ASVG bzw § 149 GSVG wird nun klargestellt, welche Leistung die „subsidiärere“ ist. Damit wird vermieden, dass eine objektiv bedürftige Person weder die Ausgleichszulage noch landesrechtliche Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts bekommt.

Der Ausnahmetatbestand „Leistungen der Sozialhilfe“ ist daher funktional und institutionell zu verstehen. Der Sache nach geht es um Geldleistungen, die der Deckung von elementaren Bedarfen dienen, die letztlich auch den Zweck der Zahlung einer Ausgleichszulage ausmachen. Insofern kann es keine Rolle spielen, welche Bezeichnung die betreffende Leistung hat und auch nicht, ob sie auf Grund eines Rechtsanspruchs erbracht wird, ob sie mit Bescheid zuzuerkennen ist oder bloß faktisch gezahlt wird. Es kann auch keinen Unterschied machen, ob diese Zahlung formell auf einem „Sozialhilfegesetz“ beruht. Das gilt namentlich für die (Bedarfsorientierte) Mindestsicherung, die in der Mehrzahl der Länder in Umsetzung der entsprechenden Bund-Länder-Vereinbarung nach Art 15a B-VG (vgl nur BGBl I 2010/96) an die Stelle der bisherigen Sozialhilfegesetze getreten ist (vgl noch einmal nur M. Mayr/Pfeil in

Pürgy
[Hrsg], Das Recht der Länder II/1, 265 f).

Spätestens hier kommt der institutionelle Aspekt ins Spiel. Landesrechtlich geregelte Geldleistungen, die der Deckung elementarer Bedarfe dienen, für welche die eigenen Kräfte und Mittel einschließlich der von Dritten bezogenen Leistungen (wie solche aus der SV) nicht ausreichen, sind daher wohl in jedem Fall dem Sozialhilfebegriff iSd ersten Tatbestands des Abs 4 lit f in § 292 ASVG bzw § 149 GSVG zu unterstellen. Diese Ausnahme erfasst daher auch Leistungen im Rahmen der Grundversorgung (vgl Pfeil in

Mosler/Müller/Pfeil
(Hrsg), Der SV-Komm, § 323 ASVG Rz 3 f), vor allem aber solche, die nach der „besonderen Sozialhilfe“ erbracht werden, wie sie auf Landesebene für Menschen mit Behinderungen vorgesehen ist (vgl dazu nur die Übersicht bei S. Mayer/Pfeil, Behindertenhilfe, in
Pürgy
[Hrsg], Das Recht der Länder II/1, 385 ff).

Damit kann kein Zweifel bestehen, dass das Taschengeld, das Menschen mit Behinderungen gebührt, die nach § 16 Stmk BehG (StmkLGBl 2004/26 zuletzt idF241 2014/130) Hilfe in „Tageseinrichtungen zur Erhaltung oder Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten und Eingliederung in die Gesellschaft“ etwa im Rahmen von Werkstätten erhalten, der vorliegenden Ausnahme zu unterstellen ist. Das wurde nicht nur vom OGH, sondern auch bereits von den Vorinstanzen und der bekl Versicherungsanstalt zutreffend erkannt.

2.2.

Der zweite Tatbestand der Ausnahmen in Abs 4 lit f von § 149 GSVG bzw § 299 ASVG schließt auch Leistungen der freien Wohlfahrtspflege von einer Berücksichtigung für den Ausgleichszulagenanspruch aus. Bereits die Gesetzessystematik legt nahe, dass es sich um Geldleistungen handeln muss, die gerade nicht nach Landes-Sozialhilfe- bzw -Mindestsicherungs- oder -Behindertenrecht erbracht werden. Diese Sicht wird dadurch bestätigt, dass sich vergleichbare Ausnahmen eben in diesen landesrechtlichen Vorschriften finden (vgl nur die Ausnahme von der Einkommensanrechnung in Art 13 Abs 3 Z 1 der Art 15a-Vereinbarung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung). Der Charakter als aliud gegenüber der „Sozialhilfe“ ergibt sich daher vor allem aus dem Fehlen einer gesetzlichen Grundlage und der Bestreitung aus einem privaten (häufig: karitativen) statt aus einem öffentlichen Fundus.

Häufig wird sich auch eine (weitere) Differenzierung daraus ergeben, dass es sich bei den Leis tungen der freien Wohlfahrtspflege um freiwillige Zuwendungen (so die ausdrückliche Formulierung in der oben angeführten Vorgabe nach Art 15a B-VG) handelt. Ein tragfähiges Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Tatbeständen der jeweiligen Abs 4 lit f kann darin freilich nicht liegen: Landesrechtliche Leistungen, die funktional der Sozialhilfe zuzurechnen sind, basieren nicht selten (und historisch war das sogar der Regelfall) nicht auf Rechtsansprüchen. Die Ausnahmen im Ausgleichszulagenrecht stellen auf solche aber gar nicht ab, ja es wäre geradezu grotesk, würden auf Grund von Rechtsansprüchen geleistete Zahlungen nicht, auf Grundlage des Privatrechts erbrachte Sozialhilfe-Leistungen dagegen sehr wohl für die Ausgleichszulage berücksichtigt werden. Umgekehrt könnte nicht ausgeschlossen werden, dass freie Wohlfahrtsträger sich vertraglich zu Leistungen verpflichten (zB für die Dauer einer Therapie oder Ausbildung).

Abgesehen von dieser Klarstellung ist insgesamt der in der vorliegenden E vorgenommenen Abgrenzung zwischen den beiden einschlägigen Ausnahmetatbeständen beizupflichten. Angesicht der offenkundigen Herkunft dieser Leistung ist auch der Verneinung der Qualifikation der „Sonderprämie“ als „Leistung der freien Wohlfahrtspflege“ zuzustimmen.

3.
Ist die „Sonderprämie“ nicht doch eine „Leistung der Sozialhilfe“?

Damit ist noch nicht gesagt, dass die Anrechnung der „Sonderprämie“ auf den Ausgleichszulagenanspruch wirklich zu Recht erfolgt ist. Wie schwer deren Bewertung fällt, macht bereits der Umstand deutlich, dass das Erstgericht nicht das Land (bzw die betreffende/n Gemeinde/n, die gegebenenfalls zu Sozialhilfeverbänden zusammengeschlossen sind) als Träger (der Kosten) dieser Leistung bezeichnet, sondern die für die mit der Vollziehung der Aufgaben dieser Träger betraute Bezirksverwaltungsbehörde. Diese Ungenauigkeit kann letztlich nicht ins Gewicht fallen, dass die BH hier involviert war, hätte aber zum Anlass genommen werden können (oder vielleicht sogar: sollen), den rechtlichen Hintergrund der fraglichen Zahlung genauer zu beleuchten. Auch wenn diese nicht auf § 16 Abs 2 StmkBehG gestützt werden kann, könnte es sich sehr wohl um eine Leistung der Behindertenhilfe – und damit der Sozialhilfe (siehe oben 2.2.) – handeln:

Die Beschäftigung des Kl erfolgt offenkundig in einer (privaten) Einrichtung der Behindertenhilfe iSd § 43 Stmk BehG, die nach Abs 1 dieser Bestimmung „mit der Erbringung von Hilfeleistungen des 2. Abschnittes [dieses Gesetzes] beauftragt werden [kann], wenn dies im Sinne der Grundsätze und Ziele zweckmäßig ist und [sie] zur Erbringung dieser Leistungen geeignet“ ist. Letzteres ist von der Landesregierung nach § 44 leg cit mit Bescheid festzustellen, welche im Übrigen auch zur Formulierung der Rahmenbedingungen für die Erbringung der Leistungen berufen ist (vgl § 46 StmkBehG und die darauf gestützte Leistungs- und Entgelt-VO, zuletzt StmkLGBl 2015/2). Auch dort findet sich zwar soweit ersichtlich keine ausdrückliche Grundlage für die „Sonderprämie“. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Verrechnung von Leistungen durch den (privaten) Träger einer Einrichtung nach § 47 Abs 1 StmkBehG nur in Betracht kommt, wenn „mit dem Land Steiermark ein entsprechender Vertrag geschlossen wurde“, in welchem nach Abs 2 dieser Bestimmung insb die zu erbringenden Leistungen und das dafür (vom öffentlichen Träger) zu zahlende Entgelt zu regeln sind. Da die örtlich zuständige BH offenbar die Kosten für die vom Träger der Einrichtung dem Kl bezahlte „Sonderprämie“ ersterem refundiert (hat), ist eigentlich anzunehmen, dass dies auf Grundlage eines solchen Vertrages erfolgt (ist). Diese Zahlung lässt sich auch problemlos mit dem Ziel des Gesetzes (arg § 1: „Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie an der Gesellschaft in gleicher Weise wie Menschen ohne Behinderung teilhaben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können“) vereinbaren. Und wenn sie nicht nur im leistungsrechtlichen Kontext des StmkBehG, sondern auch mit Wissen und Willen des dafür zuständigen öffentlichen Trägers erfolgt sein sollte, kann eigentlich kein Zweifel bestehen, dass es sich auch hier um eine „Leistung der Sozialhilfe“ handelt, die nicht für die Prüfung bzw Bemessung des Ausgleichszulagenanspruchs berücksichtigt werden darf.

Dem OGH ist natürlich zu Gute zu halten, dass die diesbezüglichen Feststellungen der Unterinstanzen dürftig waren und der eben aufgezeigte Zusammenhang nicht nur schwer auszumachen ist, sondern auch und vor allem im gesamten Verfahren offenbar nicht vorgebracht wurde. Wenn die Ausnahme im ersten Tatbestand von Abs 4 lit f in § 149 GSVG bzw § 292 ASVG aber funktional zu verstehen ist, und das hat das Höchstgericht in der vorliegenden Entschädigung völlig zutreffend unterstrichen, dann wäre ihr auch eine Zahlung wie die vorliegende „Sonderprämie“ zu unterstellen. Im Rahmen der Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens wird wohl keine Korrekturmöglichkeit mehr bestehen. Bei der nächsten Gelegenheit sollte der OGH aber nicht einfach auf den RS0085390 verweisen, sondern doch noch einmal eine differenziertere Betrachtung anstellen.242