Resch (Hrsg)Arbeitsvertrag und betriebliche sowie außerbetriebliche Weiterbildung

Verlag des ÖGB, Wien 2015 108 Seiten, kartoniert, € 24,90

HANNESSCHNELLER (WIEN)

Das 32. Praktikerseminar des rechtswissenschaftlichen Instituts der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt sowie der AK Kärnten widmete sich im Juni 2014 dem Thema und Titel des gegenständlichen Buchs. Drei Schriftfassungen von Vorträgen, die im Rahmen dieses Seminars gehalten wurden, bilden den Inhalt:

  • Univ.-Ass. Dr. Felix Schörghofer (Universität Wien): Bildungskarenz und Bildungsteilzeit;

  • Dr. Sebastian Scholz (Parlament, Büro der Nationalratspräsidentin): Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe;

  • o.Univ.-Prof. Dr. Gert-Peter Reissner (Universität Innsbruck): Rückzahlung von Ausbildungskosten.

Um es gleich vorweg zusammenzufassen: Das weit gesteckte Thema in einem Buch mit knapp 100 Seiten darzustellen, ist ein mehr als ambitioniertes Unterfangen. Und doch ist es großteils geglückt. Allen drei Autoren gelingt es, die ihnen vorgegebenen Problemstellungen präzise und hoch aktuell abzuhandeln sowie vielfältig zu beleuchten. Vor allem Schörghofer ist das zur (seit ihrer Einführung 1997 mehrfach novellierten) Bildungskarenz und zu der mit dem SRÄG 2013 eingeführten Bildungsteilzeit hervorragend gelungen.

Der Beitrag von Scholz ist eher kurz geraten, bietet aber einen grundsätzlichen Überblick über die Aus- und Weiterbildungsverpflichtung von ÄrztInnen, Pflegeberufsangehörigen, MTD-Beschäftigten, SanitäterInnen, etc. Er geht auf einige wichtige Rechtsfragen näher ein und löst diese mE sachgerecht sowie stringent argumentiert. Es geht ja bei Gesundheitsdienstleitungen letztlich immer darum, dass diese lege artis (nach dem wissenschaftlich aktuellsten und klinisch bewährtesten Stand der Medizin) verrichtet werden können. Nach dem KAKuG (Bundesgrundsatzgesetz, aber auch nach den Landesgesetzen) ist bei Pflegedienstangehörigen „sicherzustellen“, dass sie zumindest fortgebildet werden (nicht obligatorisch: weitergebildet), während bezüglich der ÄrztInnen bloß geregelt ist, dass ihre Fortbildung „zu gewährleisten“ ist. Die Unterschiede im Wortlaut, woraus eine Finanzierungsverpflichtung des Krankenanstaltsträgers für Pflegedienstangehörige, nicht aber für ÄrztInnen, abgeleitet werden könnte, sind nach Scholz‘ Ansicht unmaßgeblich: Den AG bzw Anstaltsträger trifft stets die Finanzierungspflicht für sämtliche gesetzlich vorgeschriebene Fortbildungen.

Umfangreichere Abhandlungen in diesem Band der „Schriften zum Arbeitsrecht und Sozialrecht“ haben Schörghofer und Reissner geliefert. Zu Schörghofers Abhandlung über Bildungskarenz und Bildungsteilzeit ist gleich einmal positiv anzumerken, dass die bis Ende 2014 verfügbare Literatur und (spärlich vorhandene) Judikatur sehr umfassend eingearbeitet wurde. Sein Themengebiet zeichnet sich ja durchaus aus, dass die Ende der 1990-er Jahre unter der damaligen Sozialministerin Lore Hostasch eingeführte Bildungskarenz zwischenzeitlich mehrfach novelliert und „erleichtert“ wurde sowie 2013 eine „Ergänzung“ durch die Ermöglichung von Bildungsteilzeit erfahren hat. Klar strukturiert trennt er die arbeitsrechtlichen Aspekte (§§ 11, 11a AVRAG) von den sozialrechtlichen (§§ 26, 26a AlVG). Schörghofers Arbeit ist ein idealer Praxisbehelf, um dem Rechtsanwender das Zusammenspiel der arbeitsvertragsrechtlichen Rahmenbedingungen mit den arbeitslosenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen verständlich zu machen. Zahlreiche Probleme, die in der Rechtsberatung und Rechtsvertretung auftreten können, werden angesprochen und zumeist sehr nachvollziehbaren Lösungen zugeführt, wobei mangels etablierter Judikatur dennoch einige Unsicherheiten bleiben. Insb überzeugt sein Plädoyer für die uneingeschränkte Anwendung des Zwei-Ebenen-Versetzungsschutzes, also auch des § 101 ArbVG (S 35 f). Auch seine intensive Auseinandersetzung mit alternativen Gestaltungsmöglichkeiten (S 36 ff)372 bietet einige Details an Problemlösungen. Was die sozialrechtlichen Aspekte, also die Regelung von Weiterbildungsgeld und Bildungsteilzeitgeld gemäß dem AlVG betrifft, ist insb die intensive Auseinandersetzung mit der erforderlichen Qualität und dem erforderlichen Inhalt von Weiterbildungsmaßnahmen hervorzuheben. Auf Details des einschlägigen AMS-Durchführungserlasses wird zwar nicht eingegangen, jedoch werden einige praxisrelevante Grenzfälle aufgezeigt, in denen entweder gerade noch Weiterbildungsgeld (Bildungsteilzeitgeld) gebührt oder eben gerade nicht mehr.

In seinem „Ausblick“ widmet sich Schörghofer neben sozialstatistischen Daten zur Inanspruchnahme von Bildungskarenz und Bildungsteilzeit auch der Funktion dieser beschäftigungspolitischen Instrumente zur Krisenbewältigung in den Jahren 2008 ff. Etwas resignativ schließt der Autor seine Abhandlung jedoch mit Blick auf geringer qualifizierte AN, obwohl gerade diesen nach den Materialien zum SRÄG 2013 ein leichterer Zugang ermöglicht werden sollte. Auf Grund ihrer geringeren Verhandlungsmacht und der notwendigen Zustimmung des AG kommen gering Qualifizierte sE im Regelfall nach wie vor in einem unterdurchschnittlichen Ausmaß in den Genuss dieser arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, welche deren „employability“ fördern sollten.

Gert-Peter Reissner widmet sich im dritten Beitrag der Rückzahlung von Ausbildungskosten. Zur Abgrenzung von den gem § 2d Abs 1 letzter Satz AVRAG explizit nicht umfassten „Einschulungskosten“ plädiert er für ein bewegliches System, da das in den Gesetzesmaterialien betonte Abgrenzungskriterium „Einschulungskosten verschafften keine besseren Verdienstmöglichkeiten bei anderen Arbeitgebern“ unklar sei; man könne und müsse andernfalls über Nuancen an Alltagserfahrung und deren Nutzung für ihr weiteres Leben philosophieren und bei jeder noch so kleinen darstellbaren Nützlichkeit das Vorliegen von Einschulungskosten beschreiten.

Die sieben Elemente des Ausbildungskostenbegriffs handelt Reissner auf den S 78 bis 88 in einer Präzision und Tiefe ab, wie sie in der österreichischen Fachliteratur noch kaum zu finden war. Zur Vertragsgestaltung und zu den Rückzahlungsbedingungen wird in ebensolcher Genauigkeit und wissenschaftlicher Tiefe viel Aktuelles (Stand: Ende 2014) erörtert, sodass Reissners Abhandlung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu der noch zu erwartenden Judikatur-Schärfung und -Entwicklung Wesentliches beitragen kann.

Wie der Titel des Buchs verrät, geht es um Weiterbildungsfragen im Rahmen des Arbeitsvertrags, also um die individual-arbeitsrechtliche Komponente; kollektivarbeitsrechtliche Aspekte werden nur von Schörghofer kurz angesprochen (S 23 ff). Es sollten aber gerade die Mitbestimmung durch Betriebsräte (Beratungs-, Vermittlungs- und Schlichtungsgespräche, etc) und die nähere Ausgestaltung von Rahmenbedingungen in KollV und BV (hinsichtlich Bildungskarenz und -teilzeit; zu näheren Bedingungen der Ausbildungskostenrückzahlung uä) jene Rechtgrundlagen sein, auf denen einer möglichst hohen Verteilungsgerechtigkeit bei Weiterbildungschancen der Weg bereitet wird.