Urlaubsanspruch und Beschäftigungsausmaß – Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf das UrlG
Urlaubsanspruch und Beschäftigungsausmaß – Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf das UrlG
§ 2 UrlG gewährt für jedes Arbeitsjahr einen Anspruch auf Erholungsurlaub im Ausmaß von 30 Werktagen, nach 25 Dienstjahren erhöht sich dieser Anspruch auf 36 Werktage. Unter einem Werktag ist jeder Kalendertag von Montag bis Samstag zu verstehen, der kein gesetzlicher Feiertag ist, unabhängig davon, ob aufgrund der Arbeitszeitverteilung an diesem Tag tatsächlich gearbeitet worden wäre. Dieser jährliche Urlaubsanspruch soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers möglichst in einem, höchstens aber in zwei Teilen verbraucht werden, wobei ein Teil mindestens sechs Werktage zu betragen hat (§ 4 Abs 3 UrlG). Aus dieser Systematik ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung des Urlaubsanspruchs eigentlich einen definitorischen Umweg eingeschlagen hat. Als Maßeinheit wird zwar der Werktag, also eine kürzere Zeiteinheit herangezogen, eigentliche Intention ist aber, dem/der AN mehrwöchige Freizeitblöcke zu gewähren, wobei durch die Werktagsregelung lediglich der Vorteil eines gesetzlichen Feiertages erhalten werden sollte.* Der/die AN soll für einen mehrwöchigen Erholungszeitraum Abstand von der Arbeitspflicht gewinnen können, wie viel an Arbeitszeit durch den Urlaubskonsum wegfällt, ist primär nicht von Bedeutung. Man spricht in diesem Zusammenhang vom kalendarischen Urlaubsverständnis des UrlG.
Im Falle einer Änderung der Arbeitszeit (hinsichtlich des Ausmaßes oder der Verteilung) kann dieses Prinzip eine Neubemessung des Urlaubsanspruchs erforderlich machen. Hierbei ist nach Berechnungsart des Urlaubs zu unterscheiden: Wird der Urlaub der Konzeption des UrlG entsprechend in Werktagen bemessen, bedarf es bei einer Änderung der Arbeitszeit keiner Anpassung des Urlaubsanspruchs. 30 bzw 36 Werktage entsprechen stets einem fünf- bzw sechswöchigen Erholungsurlaub, unabhängig davon, ob an zwei, fünf oder sechs Tagen pro Woche gearbeitet wird.
Die Praxis hat sich jedoch weitgehend vom klassischen mehrwöchigen Erholungsurlaub entfernt, fast durchgängig wird Urlaub auch in kürzeren Einheiten verbraucht. Eine Berechnung in Werktagen würde bei tageweisem Urlaubsverbrauch aber (außer freilich bei einer Sechstagewoche) zu einer faktischen Verlängerung des Urlaubs führen. Dem wird meist gegengesteuert, indem gleichzeitig die Urlaubsberechnung unter Bezugnahme auf die Arbeitszeit(-verteilung) vereinbart wird, entweder in tatsächlichen Arbeitstagen oder in Arbeitsstunden.* Diese vom UrlG abweichenden Einzelvereinbarungen haben freilich stets dem Günstigkeitsvergleich standzuhalten, die Werktagsregelung und der kalendarische Urlaubsbegriff bleiben daher auch bei diesen Berechnungsmethoden erhalten,312 wenn auch nur mehr zur Kontrolle im Hintergrund. Kommt es in diesen Varianten nun zu einer Änderung der wöchentlichen Arbeitstage bzw Arbeitsstunden, entspricht der nach dem ursprünglichen Arbeitsausmaß berechnete Urlaubsanspruch nicht mehr dem Erholungszeitraum, den das UrlG fordert. So bräuchte bspw ein teilzeitbeschäftigter AN, der zu Beginn des Urlaubsjahres an zwei Tagen pro Woche arbeitet, zehn Urlaubstage, um den vom UrlG geforderten fünfwöchigen Erholungszeitraum zu erreichen. Wird die Arbeitszeit dieses AN in weiterer Folge erhöht oder umverteilt, sodass dieser an fünf Tagen pro Woche arbeitet, reichen diese zehn Urlaubstage bloß mehr für zwei Wochen Erholungsurlaub. Umgekehrt würden dem AN bei anfänglicher Fünftagewoche 25 Arbeitstage Erholungsurlaub zustehen, die bei einem anschließenden Wechsel auf eine Zweitagewoche – wohl entgegen dem Parteiwillen – 12,5 Wochen Urlaub gleichkommen würden. Bei einer Urlaubsberechnung in freistellungsorientierten Einheiten, also Arbeitstagen oder -stunden, bedarf es daher zur Beibehaltung des kalendarischen Erholungszeitraumes der Anpassung des nicht konsumierten Urlaubs, dieser ist entsprechend der Arbeitszeitänderung herauf- oder herunterzurechnen.* Aus nationaler Perspektive kommt es hierbei aber weder zu einem Zugewinn an Urlaub noch zu einem Verfall, der für das UrlG maßgebliche Erholungszeitraum bleibt immer gleich.
Zwei Entscheidungen des EuGH aus jüngster Zeit schüren nun Bedenken gegen die Unionsrechtskonformität dieses kalendarischen Urlaubsbegriffs. Die Rs Zentralbetriebsrat der Tiroler Landeskliniken* behandelt dessen Begehren auf Feststellung, dass das Tiroler L-VBG in der damals geltenden Fassung eine Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter bewirkt und damit gegen das Unionsrecht* verstößt. Die fraglichen Bestimmungen sahen zum einen eine Berechnung des Urlaubsanspruchs in Stunden vor, zum anderen fand sich die ausdrückliche Anordnung, dass bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes noch nicht verbrauchter Erholungsurlaub an das neue Beschäftigungsausmaß aliquot anzupassen, im Falle eines Wechsels auf Teilzeit der bereits erworbene Urlaubsanspruch also herunter zurechnen ist. Ohne näheres Eingehen auf die Hintergründe dieser Regelung bejahte der EuGH eine Diskriminierung. Zwar sei es sachlich gerechtfertigt, dass während einer Teilzeitbeschäftigung Anspruch auf Freistellung zum Erholungsurlaub nicht im gleichen Maße wie bei Vollbeschäftigten, sondern bloß zeitanteilig entsteht. Der pro-ratatemporis-Grundsatz könne aber nicht nachträglich auf einen Urlaubsanspruch angewandt werden, der während einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben wurde, da die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einem späteren Zeitpunkt in keiner Beziehung zu der in dieser Zeit vom/von der AN zu leistenden Arbeitszeit stehe.
Die E erregte in der Literatur zwar einiges Aufsehen, rechtliche Auswirkungen auf die Urlaubsberechnung nach UrlG wurden ihr von Rsp* und überwiegender Lehre* allerdings abgesprochen. Dieses gewähre eben nicht wie das Tiroler L-VBG einen Urlaub im Ausmaß von x Arbeitsstunden, also einen zeitlich festgelegten Entfall der Arbeitspflicht, sondern einen Erholungszeitraum von x Wochen, unabhängig vom Arbeitszeitausmaß. Eine Vermengung kalendarischer Urlaubssysteme und freistellungsorientierter Urlaubssysteme müsse zwangsläufig zu unstimmigen Ergebnissen führen und habe daher zu unterbleiben.
Noch konkreter fasste sich der EuGH in der Rs Brandes* Frau Brandes war AN des Landes Niedersachsen und zunächst vollzeitbeschäftigt. Ihr Urlaub wurde wie vom geltenden Tarifvertrag vorgegeben auf der Basis von Arbeitstagen berechnet.* Aufgrund einer Schwangerschaft unterlag Frau Brandes zunächst dem Beschäftigungsverbot, nach dem Mutterschutz nahm sie zehn Monate Elternteilzeit in Anspruch. Danach wurde eine reguläre Teilzeitbeschäftigung vereinbart, wobei Frau Brandes nicht wie vor der Schwangerschaft fünf, sondern bloß mehr drei Tage pro Woche arbeitete. Daraufhin berechnete das Land Niedersachsen den von Frau Brandes bereits in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbenen Anspruch auf 29 Tage Urlaub neu. Der Urlaubsanspruch müsse mit dem Faktor 3/5 multipliziert werden, sodass Frau Brandes nunmehr nicht mehr 29 Tage, sondern 17,4 bzw gerundete 17 Tage Erholungsurlaub zustünden. Auf die Dauer des Frau Brandes zustehenden Erholungsurlaubs habe dies keine Auswirkungen, da sich in Urlaubswochen ausgedrückt ja nichts ändere. Frau Brandes brauche nun eben entsprechend weniger Urlaubstage, um eine Woche freizubekommen. Diesem ausdrücklichen Hinweis auf das hinter dieser Vorgehensweise stehende kalendarische Urlaubsverständnis erteilte der EuGH eine Absage von nicht mehr zu ignorierender Deutlichkeit: Diese – im Übrigen auch schon im Verfahren ZBR LKH Tirols vorgebrachte – Argumentation verwechsle nämlich laut EuGH „die Ruhephase, die dem Zeitabschnitt eines tatsächlich genommenen Urlaubs entspricht, und die normale berufliche Inaktivität während eines Zeitabschnitts, in dem der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsverhältnisses, das ihn an seinen Arbeitgeber bindet, nicht zu arbeiten braucht
“. Die Aliquotierung sei wiederum als eine Fehlauslegung des pro-rata-temporis-Grundsatzes und somit als eine Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter anzuse-313hen, daneben stehe einer Aliquotierung auch der unionsrechtliche Anspruch auf Erholungsurlaub in Art 7 der Arbeitszeit-RL* entgegen.
Damit scheint endgültig geklärt, dass der EuGH ein kalendarisches Urlaubsverständnis als Rechtfertigung für die Aliquotierung bereits erworbener Urlaubsansprüche nicht gelten lässt. Der erarbeitete Anspruch auf Arbeitsfreistellung muss auch bei einer Reduktion des Arbeitsausmaßes erhalten bleiben.
Insofern mag es auf den ersten Blick überraschen, dass der OGH*, als er wenig später wieder mit Fragen des Urlaubsausmaßes im Zusammenhang mit einem Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit befasst wurde, unbeirrt eine Auswirkung der Rsp des EuGH auf das UrlG ablehnte. Sein Hauptargument hierfür ist ein bekanntes, nämlich der kalendarische Urlaubsbegriff. Anders als in den bisher vom EuGH entschiedenen Fällen gehe das UrlG klar von einem in ganzen Wochen zu verbrauchenden Urlaubsanspruch iS eines Erholungszeitraumes aus, der vom jeweiligen Beschäftigungsausmaß völlig unabhängig sei.
Die mangelnde Stichhaltigkeit dieses Arguments wird mit einem nochmaligen Blick auf die vom EuGH bereits entschiedenen Sachverhalte deutlich. Das Tiroler L-VBG sah in der damals geltenden Fassung* zwar die Berechnung des Urlaubsanspruchs in Arbeitsstunden vor, nahm also auf das Ausmaß der Arbeitsfreistellung Bezug, gleichzeitig ordnete es aber an, bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs (ohne Unterschied zwischen laufenden und vergangenen Urlaubsjahren) aliquot anzupassen, sodass im Ergebnis pro Urlaubsjahr immer ein fünfwöchiger Erholungszeitraum gebührte. Zudem präferiert das Gesetz ebenso einen zusammenhängenden Erholungsurlaub, zumindest die Hälfte des Urlaubsanspruchs ist ungeteilt zu verbrauchen (§ 57 Tiroler-LVBG). Bei einem Vergleich des vom EuGH als diskriminierend beurteilten Tiroler L-VBG und dem UrlG ist nun nicht bloß auf die Maßeinheit des Urlaubsanspruchs abzustellen, sondern auf die Wirkung des gesamten Regelungskomplexes. Diese entspricht aber exakt dem UrlG. Nichts anderes kann freilich für eine Berechnung des Urlaubsanspruchs in Arbeitstagen gelten. Werden bereits erworbene Freistellungsansprüche ohne zeitliche Einschränkung an das neue Beschäftigungsausmaß angepasst, gebührt im Ergebnis – wie auch ausdrücklich vorgebracht – ein kalendarischer Erholungszeitraum. Der Unterschied zwischen den bereits ausjudizierten Systemen und jenem des UrlG beschränkt sich somit einzig und allein auf die Regelungstechnik. Das UrlG erreicht das Ziel eines kalendarischen Erholungszeitraumes nicht über eine nachträgliche Aliquotierung, sondern bedient sich stattdessen mit dem Werktag einer Berechnungseinheit, die an sich schon vom vereinbarten Arbeitszeitausmaß unabhängig ist. Eine Aliquotierung des Freistellungsanspruchs muss daher nicht mehr gesondert erfolgen, sie ist bereits in der Definition des Werktages verpackt. Dass dieser marginale Unterschied den EuGH zu einem anderen Ergebnis kommen lassen würde, muss heftig bezweifelt werden.*
In seiner jüngsten E* zum Thema Urlaubsaliquotierung bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes wird im Übrigen vom OGH selbst festgehalten, worin das einzig relevante Kriterium bei der Abgrenzung zwischen kalendarischen und freistellungsorientierten Urlaubssystemen liegen muss: Im fraglichen KollV für DN des Arbeitsmarktservice wird die Urlaubsberechnung – abweichend vom UrlG – in Urlaubsstunden und zugleich die Aliquotierung des unverbrauchten Urlaubsanspruchs angeordnet. Hier beschränkt sich die Anpassung aber einerseits auf den Anspruch aus dem laufenden Urlaubsjahr, Ansprüche aus vergangenen Urlaubsjahren bleiben unberührt bestehen. Andererseits wird das Urlaubsausmaß nicht an das neue, sondern an das jahresdurchschnittliche Beschäftigungsausmaß angepasst.* Zutreffend hebt der OGH hervor, dass es durch diese bloß eingeschränkte Anpassung unter Umständen dazu kommen kann, dass bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes der kalendarische Freistellungszeitraum, der durch den Verbrauch des Erholungsurlaubs erreicht werden kann, wesentlich verlängert oder verkürzt werden könnte. Es handle sich bei dieser Urlaubsregelung somit um ein vom UrlG schon im Ansatz völlig verschiedenes Modell, das, weil es grundsätzlich auch die Verkürzung der Freizeitperiode ermögliche, als für den/die AN nachteilig und daher unzulässig anzusehen sei. Bei der Unterscheidung zwischen kalendarischen und freistellungsorientierten Urlaubssystemen ist somit nicht auf die Einheit abzustellen, in der der Urlaubsanspruch berechnet wird, sondern einzig darauf, ob die Regelung insgesamt auf den Erhalt des Erholungszeitraumes abzielt. Dies ist beim UrlG der Fall, ebenso aber bei den vom EuGH in den Rs Brandes und ZBR der LKH Tirols beurteilten Konstellationen. Die dort festgestellten Verstöße gegen die Teilzeit-RL bzw die Arbeitszeit-RL sind uneingeschränkt auf das UrlG übertragbar.
Das Ergebnis des OGH, den Rs ZBR LKH Tirols und Brandes keine direkte Bedeutung für das UrlG beizumessen, erscheint aber trotz der festgestell-314ten Unionsrechtsverletzungen zutreffend. Gestützt wird es aber von einem anderen, ebenfalls in der E vorgebrachten Argument: Selbst wenn das kalendarische Urlaubsverständnis des UrlG in Konflikt mit dem Unionsrecht stünde, könnte dieser Umstand nur im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation berücksichtigt werden. Diese kann aber nur im Rahmen der nationalen Auslegungsregeln erfolgen, insb darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Regelung kein davon abweichender oder entgegengesetzter Sinn gegeben werden.* Dies sei nach dem OGH aber der Fall, würde man dem in Wortlaut, Systematik und Zielrichtung eindeutig kalendarisch ausgerichteten UrlG einen freistellungsorientierten Urlaubsbegriff unterstellen.
Damit wurde insb die von Klein* vorgeschlagene Interpretationsvariante eines „vollständigen Urlaubsbegriffs“, also unter Beachtung sowohl des kalendarischen Erholungszeitraumes als auch der unionsrechtlich geforderten Freistellungskomponente, verworfen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass das kalendarische Urlaubsverständnis des UrlG im unmissverständlich arbeitszeitunabhängigen Begriff des Werktages als Berechnungseinheit wurzelt, erscheint es in vielen Konstellationen tatsächlich unmöglich, im Rahmen des Gesetzeswortlauts das Ausmaß an Arbeitsfreistellung zu erhalten. Dazu nur ein Beispiel: Ein AN arbeitet während der ersten drei Quartale seines Urlaubsjahres 40 Stunden pro Woche, mit Beginn des letzten Quartals reduziert er auf 20 Stunden, wobei er an fünf Tagen pro Woche jeweils vier Stunden arbeitet. Bis zur Änderung des Arbeitsausmaßes wurde kein Urlaub verbraucht. Der pro-rata-temporis errechnete Freistellungsanspruch des AN beträgt für dieses Urlaubsjahr damit 175 Stunden.* Bei einem Beschäftigungsausmaß von 2 Stunden pro Woche kann dieses Freistellungsvolumen aber in einem zusammenhängenden Zeitraum von 30 Werktagen nicht erreicht werden. Hierfür bedürfte es eines Zeitraumes von 8,75 Wochen bzw eines Urlaubsanspruchs von 52,5 Werktagen, der mit dem Wortlaut des § 2 UrlG freilich unvereinbar ist.
Ausgangspunkt der Problematik ist wiederum die Berechnungseinheit des Urlaubs. Klein geht in seinen Überlegungen stets davon aus, dass die Parteien eine Berechnung des Urlaubsanspruchs in freistellungsbezogenen Einheiten (Arbeitstagen) vereinbart haben, was allerdings von der ursprünglichen Konzeption des UrlG abweicht. In diesen Konstellationen wäre es nun durchaus möglich, die Rsp des EuGH zum Erhalt des Freistellungsanspruchs iSd „vollständigen Urlaubsanspruchs“ einfließen lassen, indem die zustehenden Urlaubstage nicht oder nur zeitanteilig aliquotiert würden. Dabei handelt es sich aber nicht um die richtlinienkonforme Auslegung von nationalem Gesetzesrecht, vielmehr würde dabei eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung zwischen den Parteien richtlinienkonform interpretiert, was aber letztlich einer – freilich unzulässigen – unmittelbaren Anwendung der RL zwischen Privatpersonen nahekommen würde. Einer richtlinienkonformen Interpretation des Gesetzes selbst steht aber der klare Wortlaut im Weg. Eine allfällige diskriminierende Wirkung des kalendarischen Urlaubsanspruchs im UrlG ist daher im Rahmen der Gesetzesauslegung nicht sanierbar, die bisherige Praxis der Aliquotierung eines in Arbeitstagen oder -stunden berechneten Urlaubsanspruchs bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes kann (vorerst) beibehalten werden.
Es wird folglich am Gesetzgeber liegen, die Urlaubsberechnung nach dem UrlG mit der Rsp des EuGH zu koordinieren. Zur Reichweite des Anpassungsbedarfes sind jedoch zwei Punkte noch nicht gänzlich geklärt. Hinsichtlich des Urlaubsanspruchs aus dem Jahr, in dem die Arbeitszeitreduktion liegt, ist fraglich, ob der am Beginn des Urlaubsjahres entstandene Freistellungsanspruch wirklich uneingeschränkt übertragen werden muss. Gerade bei einer weitgehenden Reduktion des Arbeitsausmaßes würde dies zu einer massiven Verlängerung des Urlaubszeitraumes führen (etwa wie im Eingangsbeispiel 12,5 Wochen), die mit der Vermeidung einer Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter nicht mehr zu rechtfertigen wäre. Der ungekürzt übertragene Freistellungsanspruch wäre dann nämlich für einen Teil des Jahres nicht durch eine entsprechende Arbeitsleistung legitimiert. Hintergrund der EuGH-Judikatur ist es, die Symmetrie zwischen der Arbeitsbelastung und dem dafür gebührenden Freistellungsanspruch zu wahren. Dies wird bestmöglich erreicht, indem bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht auf einen zufälligen Stichtag, sondern auf das jahresdurchschnittliche Arbeitsausmaß abgestellt wird. Eine bloß zeitanteilige Reduktion des Freistellungsanspruchs wäre daher unionsrechtlich zulässig.*
Daneben stellt sich die Frage, wie mit Restansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren zu verfahren ist. In beiden Entscheidungen nimmt der EuGH diesbezüglich nämlich eine wichtige Einschränkung vor. Die Urlaubsaliquotierung stelle nur dann eine Unionsrechtsverletzung dar, wenn der/die AN tatsächlich nicht die Möglichkeit hatte, den Anspruch rechtzeitig auszuüben. Dieses Kriterium wurde ohne nähere Erläuterung aus der Rs Pereda* übernommen. Herr Pereda konnte seinen Jahresurlaub infolge eines Arbeitsunfalles nicht zum vereinbarten Zeitpunkt konsumieren. Einem Antrag auf späteren Urlaubsverbrauch konnte aufgrund gewisser Spezifika des spanischen Urlaubsrechts und des geltenden Tarifvertrages nicht entsprochen werden, sodass der Urlaub schließlich verfiel. Der EuGH stellte hierzu fest, dass nationale Rechtsordnungen grundsätzlich den Verfall eines Jahresurlaubs vorsehen dürfen. Untersagt sei dies nur, wenn – so wie im Fall des Herrn Pereda – 315der/die AN gar keine Möglichkeit zur rechtzeitigen Ausübung des Anspruchs hatte. Der EuGH beurteilt die Anpassung des Urlaubsanspruchs an das neue Beschäftigungsausmaß also als Anspruchsverfall, der aber zulässig ist, wenn dem/der AN die rechtzeitige Urlaubskonsumation möglich war. Die genaue Reichweite dieses Kriteriums ist jedoch in der Lehre sehr strittig. Während nach Klein* und Erler* die Einschränkung keine wesentliche Bedeutung im österreichischen Urlaubsrecht habe, werde nach Eypeltauer* durch diese Unmöglichkeitsfloskel der Konflikt mit dem Unionsrecht für vergangene Urlaubsjahre weitgehend ausgeräumt, da Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs nur dann vorliege, wenn der/die AN erfolglos auf Abschluss einer Urlaubsvereinbarung geklagt habe oder den Urlaubsverbrauch trotz Inanspruchnahme des Verfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG nicht durchsetzen habe können. Auch Drs* kommt zum Schluss, dass die Einschränkung jedenfalls für den „Normalfall“ eine Reduzierung des Freistellungsanspruchs zulässt. Die bisherige Rsp des EuGH legt es mE in der Tat nahe, die Unmöglichkeit des Anspruchsverbrauchs sehr eng zu interpretieren. In den Rs Brandes und Pereda sowie in der Rs Schultz-Hoff*, in der die Einschränkung erstmals aufscheint, aber für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung vorgenommen wurde, war der Urlaubsverbrauch wegen Arbeitsunfähigkeit bzw Mutterschutz über weite Strecken des Urlaubsjahres sogar rechtlich unmöglich. Von der tatsächlichen Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs kann daher wohl nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden, etwa wenn der/die AG wiederholt Angebote auf Abschluss einer Urlaubsvereinbarung ablehnt, längere Urlaubssperren ausspricht oder über längere Zeit eine rechtliche Unmöglichkeit des Verbrauchs besteht. Ansonsten sind Urlaubsreste aus vergangenen Jahren vom Umrechnungsverbot nicht umfasst. Der EuGH erklärt im Übrigen nicht, wieso die insoweit bisher nur beim unionsrechtlichen Urlaubsanspruch verwendete Einschränkung auch die Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter beseitigen soll. Schließlich kommt es auch ohne gleichzeitigen Verstoß gegen Art 7 Arbeitszeit-RL zur selben Schlechterbehandlung aufgrund einer Teilzeitbeschäftigung, für die nach dem EuGH ein kalendarisches Urlaubsverständnis keine Rechtfertigung liefern kann. Wenn die Unmöglichkeitsfloskel aber zumindest eine kleine Brücke zwischen nationalem Urlaubsverständnis und jenem des EuGH schlägt, sollte sie wohl unabhängig von ihrer unionsrechtsdogmatischen Tragfähigkeit genutzt werden.
Der kalendarische Ansatz des UrlG muss somit nicht völlig aufgegeben werden, um den Anforderungen des EuGH zu entsprechen, kleinere Anpassungen insb für Ansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr sind aber wohl unumgänglich. Ohne Frage böte sich hier jedoch eine hervorragende Gelegenheit, eine breitere Modernisierung des mittlerweile in die Jahre gekommenen UrlG anzudenken.*