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Unwirksamer Kündigungsverzicht bei Kenntnis des Arbeitnehmers vom Vollmachtsmissbrauch des Arbeitgeber-Vertreters

STEFANKÜHTEUBL (WIEN)
  1. Das zur Beschlussfassung zuständige Organ (hier: der Vereinsvorstand) kann die Vertragsabschlusskompetenz in dem Maß, als es der regelmäßigen Praxis und Übung entspricht, einem einzelnen Organmitglied (hier: der Vereinspräsidenten als Mitglied des Vorstands) übertragen. Im Umkehrschluss kann eine solche Übertragung daher nicht angenommen werden, soweit der Inhalt eines Dienstvertrags nicht der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach.

  2. Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird die Gültigkeit des vom Vertreter mit einem Dritten in Überschreitung der übertragenen Vertragsabschlusskompetenz abgeschlossenen Geschäfts grundsätzlich nicht berührt. Davon wird aber dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist. Dies wird dann angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste.

  3. § 1016 ABGB, der die nachträgliche Genehmigung vollmachtslos geschlossener Geschäfte regelt, betrifft nur Fälle des Mangels einer ausreichenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis, der bei umfassender Vertretungsbefugnis nicht vorliegt.

[…] Die bekl gemeinnützige GmbH erbringt Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung. Der Kl war bei ihr mit Wirksamkeit ab 1.5.2009 als einer von zwei Geschäftsführern angestellt. Darüber hinaus fungierte er bei ihrer Schwestergesellschaft unentgeltlich als organschaftlicher Geschäftsführer. Der Gesellschaftsvertrag der Bekl sieht vor, dass die Geschäftsführer ein Gehalt beziehen, dessen328 Höhe jeweils in dem von der Generalversammlung zu beschließenden Dienstvertrag festgesetzt wird. Alleingesellschafter der Bekl und ihrer Schwestergesellschaft ist der V*. Organe des Vereins sind die Generalversammlung, der erweiterte Vorstand, der Vorstand, Rechnungsprüfer/innen und ein Schiedsgericht (§ 6 der Vereinsstatuten). Der Vorstand besteht aus: Präsident/in, höchstens zwei Stellvertretern/innen, Schriftführer/in, Finanzreferent/in, einer/n geschäftsführenden Bezirks/Regionalvertreter/in und höchstens drei Vertreter/innen aus dem Lebensumfeld der vom Verein geförderten Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung sowie Geschäftsführer/in mit beratender Stimme. Dem Vorstand obliegt ua die Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich aller Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Generalversammlung oder dem erweiterten Vorstand vorbehalten sind. Die Vertretung des Vereins nach außen erfolgt durch den/die Präsident/in oder den/die Vizepräsidenten/in oder den/die Finanzreferenten/in oder den/die Geschäftsführer/in.

Vor seiner Anstellung bei der Bekl war der Kl seit 1992 ehrenamtlich im Vorstand des Vereins tätig und übte die Funktion des Finanzreferenten aus. Hauptberuflich war der Kl seit 1985 als Geschäftsleiter, Prokurist und zuletzt Geschäftsführer im R*sektor tätig und hatte eine Unkündbarkeit bis zur Pensionierung.

Im Herbst 2008 sollte der Kl aufgrund seiner Kompetenzen als zweiter Geschäftsführer der Bekl gewonnen werden. Die bisherigen Geschäftsführer der Bekl hatte der damalige Vereinspräsident immer allein ausgewählt, bestellt und angestellt und in der Folge den Vereinsvorstand und Aufsichtsrat der Bekl jeweils nur informiert. Als er an den damals 57-jährigen Kl herantrat, war es diesem wichtig, als zweiter Geschäftsführer der Bekl sowohl gehaltsmäßig als auch bezüglich der Dauer der Beschäftigung entsprechend abgesichert zu werden. Er entschloss sich, zu den ihm vom Vereinspräsidenten vorgeschlagenen Konditionen die Position des zweiten Geschäftsführers der Bekl zu übernehmen und bestand darauf, dass der Vereinsvorstand vor der Unterfertigung des Dienstvertrags seiner Bestellung zustimme.

Noch vor der Sitzung des Vereinsvorstands vom 10.12.2008 hatte der Vereinspräsident dem Kl einen Entwurf des Dienstvertrags überreicht. In der Sitzung, in der auch der Kl – damals noch Finanzreferent des Vereins – anwesend war, informierte der Vereinspräsident die Anwesenden unter dem Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ darüber, dass er den Kl als Kollegialgeschäftsführer an die Seite des bisherigen Geschäftsführers der Bekl stellen wolle. Jemand fragte nach dem Gehalt des Kl. Dies beantwortete der Vereinspräsident dahin, dass die Details zum Dienstvertrag noch mit dem Aufsichtsrat besprochen werden müssten, dass der Kl jedoch unter denselben Bedingungen angestellt werden sollte wie der andere Geschäftsführer der Bekl. Ein schriftlicher Entwurf des Dienstvertrags des Kl lag dem Vereinsvorstand nicht vor. Mit Ausnahme des Vereinspräsidenten, des Kl und des Geschäftsführers des Vereins hatten die Sitzungsteilnehmer auch keine näheren Informationen zu den Details des Dienstvertrags. Der Antrag des Vereinspräsidenten, den Kl mit Wirkung zum 1.5.2009 zum Kollektivgeschäftsführer der Bekl zu bestellen, wurde in der Folge unter Stimmenthaltung des Kl einstimmig angenommen.

Zur Erzielung einer dem vorigen Dienstverhältnis gleichwertigen Bestandsicherheit enthielt der Dienstvertrag des Kl einen Kündigungsverzicht der Bekl bis 31.8.2017 (= 65. Lebensjahr des Kl). […] Eine Beschlussfassung des Aufsichtsrats der Bekl über den Dienstvertrag des Kl fand nicht statt. Über den genauen Inhalt des Dienstvertrags waren auch die Vorstandsmitglieder mit zwei Ausnahmen nicht im Bilde.

Am 1.5.2009 trat der Kl seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Bekl an.

Die Entscheidungsprozesse im Gesamtunternehmen L* waren dadurch gekennzeichnet, dass der Vereinspräsident eine sehr dominante Stellung einnahm. Neben den offiziellen Gremien gab es die sogenannte „Präsidiale“ (Sitzungen der Führungskräfte im kleinen Kreis), in der die wesentlichen Belange des Gesamtunternehmens beschlossen wurden; vieles ging daher am Vorstand und am erweiterten Vorstand des Vereins vorbei.

Da die Schwestergesellschaft massiven Liquiditätsbedarf hatte, war eine Fusion der Gesellschaften beabsichtigt. Als zu Jahresende 2010 die Auszahlung der Gehälter der Mitarbeiter der Schwestergesellschaft gefährdet war, veranlasste der Kl am 30.12.2010 über schriftliche Weisung des Vereinspräsidenten vom 29.12.2010 im Hinblick auf die geplante Fusionierung die Überweisung eines Verrechnungsbetrags von 400.000 € von der Bekl an die Schwestergesellschaft. Der Auftrag zur Überweisung war auch im Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Schwestergesellschaft vom 29.12.2010 festgehalten worden.

Da der Verein kurz davor aufgrund einer negativen Medienkampagne stark unter Druck geraten war, traten der Vereinspräsident und der Geschäftsführer des Vereins am 31.12.2010 von allen Funktionen zurück. In der Folge wurden die Vereinsfunktionäre neu gewählt.

Die weitere Entwicklung stellt sich zusammengefasst wie folgt dar: Die finanzielle Situation der Schwestergesellschaft wurde in zahlreichen der folgenden Sitzungen der neuen Gremien vom Kl stets offengelegt und blieb Sitzungsthema. So präsentierte der Kl in der konstituierenden Aufsichtsratssitzung der Bekl vom 14.3.2011 die Entwicklung der Schwestergesellschaft und legte ua die von ihm zum Stichtag 30.6.2010 erarbeitete Fusionsbilanz und das Konzept eines Verschmelzungsvertrags vor, zu der die Tiroler Landesregierung ihre Zustimmung signalisiert habe. Die neue Vereinspräsidentin gab zugunsten der Schwestergesellschaft eine Patronatserklärung des Vereins über 500.000 € ab. In den Folgemonaten kristallisierte sich jedoch heraus, dass das Land die Abdeckung der Verluste der Schwestergesellschaft mit Mitteln der Bekl nicht billigte und die Behördenvertreter keine Bescheide mehr für Kinder ausstellen wollten, die in der Schwestergesellschaft therapiert wurden. Die Fusion kam letztlich nicht zustande.329

Noch vor der Vorstandssitzung des Vereins vom 7.6.2011 informierte der Kl die Vorstandsmitglieder, keine Verantwortung für die Schwestergesellschaft mehr übernehmen zu können, wenn nicht bestimmte Maßnahmen gesetzt würden. In der Vorstandssitzung selbst wurde im Protokoll festgehalten, dass zur Stärkung der Liquidität der Schwestergesellschaft am 9.7.2010 ein Darlehen von 100.000 € und am 30.12.2010 zur Überweisung der Weihnachtsgehälter ein Verrechnungsbetrag von 400.000 € angewiesen worden seien. Beide Beträge seien nach Beschlüssen in den Gremien zu Lasten der Bekl im Hinblick auf die geplante Fusion zur Verfügung gestellt worden. Der Verein beschloss zwar nicht die von der Bekl zur Abdeckung der zur Verfügung gestellten Mittel beantragte Überweisung dieser Beträge, gab jedoch die unwiderrufliche Verpflichtungserklärung ab, „den Betrag von 500.000 EUR zur Abdeckung des Finanzverlustes zu übernehmen, jedenfalls bei Bedarf einer Liquidation“.

Am 23.6.2011 erklärte der Kl seinen Rücktritt als Geschäftsführer der Schwestergesellschaft.

Da er erfahren hatte, dass seine Wiederbestellung als Geschäftsführer auch nach einer Bewerbung im Ausschreibungsverfahren nicht mehr in Frage käme, erklärte er mit Schreiben vom 29.7.2011, weiterhin seine volle Arbeitskraft der Bekl zu widmen. Nach mehreren Gesprächen, in denen die Bekl ihre Absicht, den Geschäftsführervertrag nicht erfüllen zu wollen, signalisiert hatte, bat der Kl mit Schreiben vom 22.9.2011 um einen Vorschlag zur einvernehmlichen Lösung per 31.12.2011.

In der erweiterten Vorstandssitzung des Vereins vom 22.11.2011 wurde thematisiert, dass der Weisung des früheren Vereinspräsidenten, der Schwestergesellschaft 400.000 € zu überweisen, kein Vorstandsbeschluss zugrunde gelegen und der Aufsichtsrat nie mit dem Thema beschäftigt worden sei, was der Kl wissen hätte müssen. In der Vorstandssitzung vom 7.6.2011 sei dagegen schriftlich dargelegt worden, dass die Anweisung auf Basis eines Beschlusses im Gremium erfolgt sei. Der Kl habe den Vereinsvorstand in die Irre geführt. Der Vereinspräsidentin wurde die Ermächtigung erteilt, die beiden Geschäftsführer nach Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit aus ihren bisherigen Funktionen abzuberufen und als Geschäftsführer zu entheben.

Am 23.11.2011 beschloss die Generalversammlung der Bekl in Gestalt der Vereinspräsidentin, den Kl von seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bekl mit sofortiger Wirkung abzuberufen und sein Dienstverhältnis durch fristlose Entlassung zu lösen. Das Entlassungsschreiben wurde dem Kl noch am selben Tag überreicht. […] Der Kl brachte im Wesentlichen vor, zu Unrecht entlassen worden zu sein, sodass ihm die Bekl das bei vertragsgemäßer Beendigung des Dienstverhältnisses durch DG-Kündigung gebührende Entgelt aus dem Titel der Kündigungsentschädigung schulde. Infolge des von ihr bis 31.8.2017 abgegebenen Kündigungsverzichts hätte sie ihn frühestens am 1.9.2017 zum 31.12.2017 kündigen können. Das Erstgericht folgte dem Klagsvorbringen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Bekl teilweise Folge. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die Bekl, das Berufungsurteil iS einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

1. Die Bekl richtet sich zunächst gegen die Rechtswirksamkeit des Dienstvertrags, insb des vereinbarten Kündigungsverzichts bis 2017, weil der Vertrag vom Vereinspräsidenten ohne Beschluss des Vereinsvorstands herbeigeführt worden sei. Dies sei dem Kl bekannt gewesen.

1.1. […]

Aus § 8 Pkt 8. des Gesellschaftsvertrags der Bekl ergibt sich, dass der Dienstvertrag eines Geschäftsführers von ihrer Generalversammlung zu beschließen ist. Diese besteht hier aus dem Verein als Alleingesellschafter der Bekl. Die Vertretungsbefugnis für den Verein als für den Abschluss des Dienstvertrags zuständigen Alleingesellschafter der Bekl kam alleine dem Präsidenten zu.

1.2. Vereinsintern obliegt die Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich aller Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Generalversammlung oder dem erweiterten Vorstand des Vereins vorbehalten sind, dem Vorstand (§ 11 Pkt 3.e. der Vereinssatzung). Mangels einer anderen Regelung fällt daher auch die Beschlussfassung über den Abschluss des Dienstvertrags des Kl darunter.

1.3. Faktisch hatte der Vereinspräsident die bisherigen Geschäftsführer der Bekl immer alleine ausgewählt, bestellt und angestellt sowie in der Folge den Vereinsvorstand und den Aufsichtsrat der Bekl davon jeweils informiert. Daraus kann prinzipiell geschlossen werden, dass die Vertragsabschlusskompetenz des Vorstands in dem Maß, als es der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach, dem Vereinspräsidenten übertragen worden war. Im Umkehrschluss kann eine solche Übertragung daher nicht angenommen werden, soweit der Inhalt eines Dienstvertrags nicht der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach.

1.4. Das Entgelt des Kl war dem Vereinsvorstand in der Sitzung vom 10.12.2008 mit dem Verweis des Präsidenten auf den Dienstvertrag des zweiten Geschäftsführers der Bekl bekannt gegeben worden, sodass diesbezüglich von einer Billigung des Vorstands ausgegangen werden kann.

1.5. Anders verhält es sich mit dem von der Bekl bekämpften Kündigungsverzicht. Dieser hätte eine finanzielle Verpflichtung des Vereins zur Zahlung eines monatlichen Entgelts von 10.600 € brutto vierzehnmal jährlich für mehr als acht Jahre – dh rund 1,2 Mio € – selbst für den Fall bedeutet, dass die Bekl das Dienstverhältnis mit dem Kl, abgesehen von einem Entlassungsgrund, nicht weiter fortsetzen gewollt oder gekonnt hätte. Unter Berücksichtigung der Interessen des Kl ist der vereinbarte Kündigungsverzicht zwar nicht verwerflich oder sittenwidrig. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es der damaligen Übung und Praxis im Verein entsprach, dass der Vereinspräsident im Zusammenhang mit dem Abschluss330 von Geschäftsführer-Dienstverträgen ohne vorherige Information des Vorstands Vertragskonditionen mit derart weitreichenden finanziellen Verpflichtungen für die Bekl einging. Hier wurde der Vereinsvorstand entgegen den sonstigen Gepflogenheiten überdies selbst nachträglich nicht über die Details des Dienstvertrags des Kl informiert. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Präsident vereinsintern befugt gewesen wäre, ohne Beschlussfassung oder Befassung des Vereinsvorstands eine für die Finanzgebarung des Vereins so bedeutsame Vertragsbedingung wie den bis 31.8.2017 geltenden Kündigungsverzicht mit dem Kl zu vereinbaren. Schließlich setzte auch weder der alte noch der neue Vereinsvorstand, der den Dienstvertrag des Kl im Frühjahr 2011 erstmals näher hinterfragte, ein Verhalten, das als nachträgliche Billigung des Kündigungsverzichts verstanden werden könnte.

1.6. Aus Gründen des Verkehrsschutzes wird die Gültigkeit des vom Vertreter, hier dem Vereinspräsidenten, mit einem Dritten, hier dem Kl, abgeschlossenen Geschäfts grundsätzlich nicht berührt.

Davon wird aber dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Dritte nicht schutzwürdig ist (RIS Justiz RS0019576; RS0016733). Dies wird dann angenommen, wenn der Vertreter und der Dritte kollusiv, also absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen; dem ist gleichzuhalten, dass der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder sich der Missbrauch dem Dritten geradezu aufdrängen musste (s RIS Justiz RS0061587 [T1, T4], RS0061579 [T1, T2]; zur Bedeutung der Schutzwürdigkeit des Vertragspartners s auch Apathy in

Schwimann/Kodek
4 § 1017 ABGB Rz 13; Strasser in
Rummel
3 § 1017 ABGB Rz 23b).

1.7. Im vorliegenden Fall war der Kl zum Zeitpunkt, als seine Bestellung bei der Bekl vom Vereinsvorstand beschlossen wurde, Finanzreferent und damit noch Mitglied des Vereinsvorstands. Als solcher musste ihm bewusst sein, dass sowohl die Bestellung als auch die Anstellung eines Geschäftsführers der Bekl, soweit sie über den Abschluss üblicher Geschäftsführer-Dienstverträge hinausging, vereinsintern in die Zuständigkeit des Vereinsvorstands fiel. Er machte seine Bestellung auch selbst – ungeachtet der sonstigen Gepflogenheiten – explizit von der Zustimmung des Vereinsvorstands abhängig.

Obwohl der Kl bereits über einen Entwurf seines Dienstvertrags verfügte, wurde der Kündigungsverzicht in der Vereinssitzung vom 10.12.2008 nicht thematisiert. Der Vereinspräsident informierte den Vorstand darüber nicht. Bezüglich der Frage nach dem Gehalt des Kl verwies er lediglich auf jenes des zweiten Geschäftsführers und berief sich im Übrigen nur darauf, dass die Details erst mit dem Aufsichtsrat zu klären seien. Gerade dem Kl als Finanzreferent musste damit klar sein, dass der Vereinsvorstand über die finanziellen Implikationen seines Dienstvertrags in keiner Weise ausreichend informiert war. Dennoch wurde sein Dienstvertrag schon am Tag nach der Beschlussfassung unterzeichnet, ohne dass der Vereinsvorstand – dem der Kl noch bis Mai 2009 angehörte – später darüber informiert worden wäre. Da der Kl hier aber offenbar durch Billigung der unzureichenden Informationslage des Vereinsvorstands in Kauf nahm, dass ein der Bekl nachteiliges Geschäft (Kündigungsverzicht) zu seinem Vorteil abgeschlossen werden sollte, muss iSd dargelegten Rsp von einem qualifizierten Teilnahmeverhalten des Kl an der Vorgangsweise des Vereinspräsidenten ausgegangen werden. Dem Kl ist es daher verwehrt, sich auf die Vertretungsmacht des Vereinspräsidenten zum Abschluss seines Dienstvertrags zu berufen. […]

2. Die Frage der Bekl, ob ein Kündigungsverzicht in der Praxis tatsächlich gelebt werden kann, zielt offenbar darauf ab, eine nachträgliche Genehmigung dieser Klausel oder eine daraus resultierende Vorteilszuwendung iSd § 1016 ABGB zu bestreiten. Da § 1016 ABGB jedoch nur Fälle des Mangels einer ausreichenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis betrifft, der hier aufgrund der umfassenden Vertretungsbefugnis des Vereinspräsidenten nicht gegeben war, ist diese Erwägung nicht weiter zielführend. Wie dargelegt, liegt aber ohnedies kein Verhalten des Vereins vor, das als Einverständnis mit dem Kündigungsverzicht gedeutet werden könnte. […]

4. Die weiteren Revisionsausführungen sind darauf gerichtet, dass die Entlassung des Kl berechtigt und auch nicht verspätet erfolgt sei. […]

4.1. Die Bekl richtet sich gegen die Ausführung des Berufungsgerichts, dass es hinsichtlich allfälliger bei der Schwestergesellschaft gesetzter Entlassungsgründe an einem Konnex zur Bekl fehle. Aufgrund des engen Zusammenhangs der beiden Gesellschaften würden die vom Kl bei der Schwestergesellschaft gesetzten Entlassungsgründe auch bei ihr Entlassungsgründe darstellen.

Dass der Kl kein Beschäftigungsverhältnis mit der Schwestergesellschaft hatte, gesteht die Bekl selbst zu, sodass nur fraglich sein könnte, ob die vom Kl als Geschäftsführer der Schwestergesellschaft gesetzten Handlungen für die Bekl einen Vertrauensbruch begründen.

Sofern sie als eine solche Handlung die Überweisung von 400.000 € von der Bekl auf die Schwestergesellschaft zum Jahreswechsel 2010/2011 erwähnt, hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass eine darauf gestützte Entlassung jedenfalls verfristet war.

4.2. An anderer Stelle führt die Bekl zu einem Konnex mit der vom Kl bei der Schwestergesellschaft gesetzten Entlassungsgründe ins Treffen, dass er die Wirtschaftsprüfung der Jahresabschlüsse der Schwestergesellschaft unterlassen habe.

Die Schwestergesellschaft war als „kleine“ Kapitalgesellschaft nicht von Gesetzes wegen (§ 221 Abs 1 UGB), sondern lediglich nach ihrem Gesellschaftsvertrag prüfpflichtig. Allerdings wurde diese Prüfpflicht schon seit ihrer Gründung im Jahr 2005, sohin mehrere Jahre vor Übernahme der Geschäftsführung durch den Kl, nicht gelebt. Wenn das Berufungsgericht meinte, dem Kl könne eine jahrelang übliche bzw geduldete Praxis nicht als Entlassungstatbestand zugerechnet werden, ohne331 dass er zuvor zur Einhaltung der gesellschaftsvertraglichen Vorgaben bezüglich der Jahresabschlüsse aufgefordert worden wäre, so liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Ungeachtet dessen wäre eine darauf gestützte Entlassung auch verfristet, weil der Kl im Juni 2011 als Geschäftsführer der Schwestergesellschaft zurücktrat und somit bereits damals feststellbar war, dass auch für den Jahresabschluss 2010 keine Prüfung beauftragt worden war.

4.3. Die Bekl sieht eine Vertrauensunwürdigkeit des Kl auch darin, dass er bezüglich der Überweisung des Betrags von 400.000 € eine „bewusste Falschinformation“ betrieben habe. Sie habe erst in der Sitzung vom 22.11.2011 erfahren, dass der Überweisung nur eine Weisung des Vereinspräsidenten, nicht aber die erforderlichen Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse zugrunde gelegen seien.

Mit der Überweisung setzte der Kl eine an ihn und seinen Mitgeschäftsführer gerichtete schriftliche Weisung des früheren Vereinspräsidenten vom 29.12.2010 als Vertreter des Alleingesellschafters der Bekl im Hinblick auf die geplante Fusion um. Zur umfassenden Vertretungsbefugnis des Vereinspräsidenten als Gesellschafter der Bekl im Außenverhältnis wurde bereits Stellung genommen (oben Pkt 1.2.). Mangels aufrechter Funktion des Kl im Vereinsvorstand ist hier auch kein Raum für sein Mitwirken an einer vereinsintern nicht gedeckten Vorgangsweise des Vereinspräsidenten.

Dem Aufsichtsrat der Bekl lag schon in seiner konstituierenden Sitzung vom 14.3.2011 die Fusionsbilanz und das Konzept eines Verschmelzungsvertrags vor. Der Kl erläuterte die Fusion mit allen Vor- und Nachteilen. In der von ihm vorgelegten Stellungnahme zur aktuellen Situation der Schwestergesellschaft ist ausdrücklich erwähnt, dass ein Verrechnungsbetrag von 400.000 € im Auftrag des Gesellschafters von der Bekl an die Schwestergesellschaft zur Anweisung gebracht wurde. Der Aufsichtsrat war auch in Kenntnis der Patronatserklärung des Vereins. Schon in dieser Sitzung beschloss er, das Land zu fragen, ob Überschüsse der Bekl zur Verlustabdeckung bei der Schwestergesellschaft verwendet werden können. Angesichts dieses Kenntnisstands des Aufsichtsrats kann in einer Gesamtsicht über die Informationsflüsse in und zwischen den Gesellschaften aber schwerlich davon ausgegangen werden, dass der Kl den Aufsichtsrat über dessen eigene Beschlusslage hätte täuschen wollen. Wenn das Berufungsgericht die darauf gestützte Entlassung des Kl am 23.11.2011 überdies als verfristet erachtete, so liegt auch darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. […]

7. Die Bekl verlangt iS einer Schadensminderung die Anrechnung eines allfälligen Einkommens des Kl aus einer Pension, gesteht allerdings selbst zu, in erster Instanz nur vorgebracht zu haben, dass er sich „entsprechende Einkünfte, die er zu erzielen in der Lage gewesen wäre bzw ist“, anrechnen lassen müsse.

Den anrechnungspflichtigen Erwerb muss der DG behaupten und beweisen (RIS Justiz RS0021543; RS0028309). Zu Recht hat das Berufungsgericht kein ausreichend konkretisiertes erstinstanzliches Vorbringen gesehen und das Berufungsvorbringen der Bekl der Kl könne durch den Nachkauf von Pensionszeiten durch Zahlung von 120.000 € bereits vor dem fiktiven Kündigungstermin die vorzeitige Alterspension mit einem 15 %-igen Pensionsabschlag erlangen, als unzulässige Neuerung erachtet. Ungeachtet dessen bedarf es keiner näheren Erörterung, dass dem Kl die Zahlung dieses nicht unerheblichen Betrags zum Antritt einer – überdies geminderten – Pension nicht zuzumuten ist. […]

12. Im Ergebnis folgt aus all dem, dass die Entlassung des Kl durch die Bekl zu Unrecht erfolgte. Da der Kündigungsverzicht nicht wirksam vereinbart wurde, hat der Kl damit Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung nach Maßgabe der mit ihm vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten mit Wirksamkeit zum letzten eines Kalendervierteljahres, dh für den Zeitraum von 24.11.2011 bis Juni 2012. […]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Im vorliegenden Fall hatte der OGH einen, wie aus dem Sachverhalt erschließbar, offenbar lokalpolitisch recht brisanten Rechtsstreit zu entscheiden. Es ging um die Entlassung eines Geschäftsführers einer gemeinnützigen GmbH, deren Alleingesellschafter ein ebenfalls gemeinnütziger Verein ist. Der Geschäftsführer hatte mit dem den Alleingesellschafter vertretenden Vereinspräsidenten gut verhandelt und für sich im Jahr 2009 einen bis zum 31.8.2017 (= 65. Lebensjahr des Kl) geltenden Kündigungsverzicht ausverhandelt. Als dann der offenbar übermächtige Vereinspräsident vorzeitig abgelöst wurde und neue Kräfte die Führung des Vereins und der bekl GmbH übernahmen, wurde der Kl entlassen. Im Verfahren begehrte der Kl Kündigungsentschädigung bis zum Ende des vereinbarten Kündigungsverzichts. Der OGH kam zum Ergebnis, dass die Entlassung zwar unberechtigt, der vereinbarte Kündigungsverzicht jedoch unwirksam sei, sodass das Klagebegehren im überwiegenden Umfang abgewiesen wurde.

2.
Unwirksamkeit des Kündigungsverzichts

Grundsätzlich ist es zulässig, dass AN und AG in einem Arbeitsvertrag einen Verzicht des AG auf Ausspruch einer ordentlichen Kündigung für einen gewissen Zeitraum oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt vereinbaren (vgl Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II [2013] 243). ME ist es dabei auch unbedenklich, wenn der AG für einen relativ langen Zeitraum, wie im konkreten Fall (zirka acht Jahre), auf das ordentliche Kündigungsrecht verzichtet. Die abstrakte Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung war daher im gegenständlichen Rechtsstreit auch nicht in Zweifel gezogen worden.

Im konkreten Fall wurde von der Bekl allerdings das wirksame Zustandekommen der Kündigungsverzichtsvereinbarung bestritten. Nach dem fest-332gestellten Sachverhalt schloss der Vereinspräsident den Arbeitsvertrag einschließlich des Kündigungsverzichts mit dem Kl ab, ohne dafür eine Genehmigung des Vereinsvorstandes, der nach den Statuten über den Vertrag des Kl zu beschließen gehabt hätte, einzuholen. Dieser Abschluss war zwar von der Vollmacht des Vereinspräsidenten gedeckt, dieser konnte den Alleingesellschafter selbständig vertreten. Zudem schloss der Vereinspräsident auch in der Vergangenheit offenbar ohne Einholung der organschaftlich notwendigen Genehmigungen Geschäftsführerverträge ab. Der OGH ging jedoch davon aus, dass diese stillschweigende Übertragung der Vertragsabschlusskompetenz des Vorstandes an den Vereinspräsidenten nur in dem Ausmaß vorlag, soweit der Inhalt des Arbeitsvertrages der regelmäßigen Praxis und Übung entsprach. Da dies im Falle eines mehrjährigen Kündigungsverzichts laut OGH nicht der Fall war, lag ein Vollmachtsmissbrauch bzw eine Ermächtigungsüberschreitung vor (zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen siehe Strasser in

Rummel
, ABGB3 [2000] §§ 1016, 1017 Rz 23). In einem solchen Fall wird der Vertreter gegenüber dem Vertretenen schadenersatzpflichtig. Die Gültigkeit des Geschäfts mit einem Dritten wird allerdings durch einen Vollmachtsmissbrauch grundsätzlich nicht berührt. Nur wenn auf Seiten des Dritten besondere Umstände hinzutreten, kann eine Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts vorliegen. Dies ist – wie auch vom OGH erwähnt – insb in den Fällen der Kollusion, also dann, wenn der Vertreter und der Dritte bewusst zum Nachteil der Gesellschaft zusammenwirken, der Fall. Die Rsp und ein Teil der Lehre haben darüber hinaus noch weitere Fälle der Unwirksamkeit entwickelt. Dabei wird gefragt, ob der durch das Geschäft begünstigte Dritte schutzwürdig ist. Dies soll insb dann nicht der Fall sein, wenn der Dritte die Ermächtigungsüberschreitung kannte oder (schon) grob fahrlässig nicht kannte (RS0061587). Allerdings trifft den Dritten keine Prüfpflicht, ob das Handeln des Vertreters von der Ermächtigung im Innenverhältnis gedeckt war, außer wenn besondere Umstände des Einzelfalls ihm den Verdacht eines bewussten Missbrauchs der Vertretungsmacht nahe legen (RS0061579). Gegen dieses weite Verständnis hat sich Strasser (aaO Rz 23b) gewandt. Nach seiner Ansicht sei im Falle der bloßen Kenntnis einer Ermächtigungsüberschreitung nicht die Rechtsunwirksamkeit des Vertretergeschäfts begründet. Es müsse vielmehr ein qualifiziertes Teilnahmeverhalten vorliegen, dass eine Unwirksamkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB (Verstoß gegen die guten Sitten) rechtfertige. Selbst wenn man dem Sachverhalt dieses enge Verständnis zu Grunde legt, kann im konkreten Fall mE von einem solchen qualifizierten Teilnahmeverhalten ausgegangen werden. Es war dem Kl offenbar völlig bewusst, dass hier ein ungewöhnliches (von den sonstigen Usancen im Verein stark abweichendes) Rechtsgeschäft abgeschlossen werden sollte. Auch wenn die Intention des Kl – aus seiner Sicht wollte er ja „nur“ die in seinem alten Arbeitsverhältnis geltenden Unkündbarkeit in sein neues Arbeitsverhältnis „transferieren“ – noch in gewisser Weise verständlich sein mag, so hätte dieser unbeschadet der absolutistischen Macht des Vereinspräsidenten darauf hinwirken müssen, dass auch die anderen Vereinsvorstandsmitglieder vom Kündigungsverzicht Kenntnis nehmen hätten können.

Der interessanten Frage, ob der zunächst unwirksame Kündigungsverzicht nachträglich durch eine (konkludente) Genehmigung durch den Vereinsvorstand saniert werden konnte, widmet sich der OGH nur recht kurz. Zunächst führt der OGH unter Hinweis auf § 1016 ABGB aus, dass eine nachträgliche Genehmigung nur bei vollmachtslosem Handeln in Frage komme, im konkreten Fall sei allerdings der Vereinspräsident zur umfassenden Vertretung befugt gewesen. Dann erwähnt der OGH allerdings, dass im konkreten Fall ohnedies kein Verhalten des Vereins vorliege, das als Einverständnis mit dem Kündigungsverzicht gedeutet werden könne. Es ist daher nicht ganz klar, ob für den OGH eine nachträgliche Genehmigung des unwirksamen Rechtsgeschäfts nun möglich ist oder nicht. ME sind keine vernünftigen Gründe dafür ersichtlich, warum das nicht der Fall sein könnte. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen kann ja das zuständige Organ auch durch nachträgliche Willenserklärung dem Abschluss eines unwirksamen Geschäfts zustimmen, wenn auch der Vertragspartner (hier der Kl) weiterhin an der Aufrechterhaltung des Geschäfts interessiert ist.

Schweigen, somit auch die bloße Kenntnisnahme eines vollmachtslos geschlossenen Geschäfts, gilt grundsätzlich nicht als nachträgliche Genehmigung, außer es besteht eine Pflicht zum Widerspruch (Perner in

Kletecka/Schauer
, ABGB-ON § 1016). Es muss vielmehr eine entsprechende (ausdrückliche oder konkludente) Willensbekundung erfolgen. Im Zusammenhang mit Nebenabreden wie bei einem Kündigungsverzicht oder einem Forderungsverzicht des AG wird dies nur durch einen nach außen stehenden Genehmigungsakt des Vertrages durch die zuständigen Organe möglich sein, sodass eine konkludente Genehmigung in den meisten Fällen ausscheiden wird. Nach dem veröffentlichten Sachverhalt hat der neue Vereinsvorstand den Dienstvertrag des Kl im Frühjahr 2011, somit immerhin zirka ein halbes Jahr vor dem Ausspruch der Entlassung, erstmals „näher hinterfragt“. Daraus lässt sich jedoch zu Recht keine nachträgliche Genehmigung des zunächst unwirksam abgeschlossenen Kündigungsverzichts erkennen.

3.
Unwirksamkeit der Entlastung

Der OGH hält in weiterer Folge fest, dass die Entlassung des Kl ungerechtfertigt und zudem verspätet erfolgte. Dieses Ergebnis und auch die Begründung des OGH überzeugen. An dieser Stelle soll nur kurz auf die von der Bekl als Entlassungsgrund geltend gemachte Unterlassung der Wirtschaftsprüfung der Schwestergesellschaft der Bekl eingegangen werden. Die bloß gesellschaftsvertraglich vorgegebene (und somit freiwillige) Prüfpflicht wurde seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 2005 nicht gelebt. Der OGH meinte, dass diese jahrelang gelebte Praxis ohne vorherige Aufforderung333 auf Einhaltung der Prüfpflicht dem Kl nicht vorwerfbar war. Zudem erfolgte die Geltendmachung dieses Entlassungsgrundes verspätet. Im konkreten Einzelfall ist die Ansicht des OGH nachvollziehbar. Allerdings dürfen die Ausführungen des OGH nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Organschaftliche (wenn auch nicht beharrliche) Pflichtverletzungen können den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit oder der Untreue begründen. Dabei ist für leitende Angestellte nach der Rsp ein im Vergleich zu anderen AN strengerer Prüfmaßstab anzulegen (vgl die Nachweise bei Pfeil in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm § 27 AngG Rz 25). Eine „Einmahnung der Einhaltung“ ist dabei ebenso wenig erforderlich (es geht ja gerade nicht um den Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtverletzung) wie der Umstand, dass auch die Vorgänger dieselbe Pflichtverletzung zu verantworten haben. Gerade dann, wenn beim AG ein Gesellschafterwechsel stattfindet und die neuen Gesellschafter Pflichtwidrigkeiten der Organe entdecken, muss eine Entlassung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen und der Unverzüglichkeit der Geltendmachung zulässig sein.

4.
Anrechnung einer Pension auf die Kündigungsentschädigung

Die Bekl begehrte die Anrechnung eines allfälligen Einkommens des Kl aus einer Pension. Der OGH wies das erst im Berufungsverfahren konkretisierte Vorbringen, dass der Kl durch Nachkauf von Pensionszeiten durch Zahlung von € 120.000,– bereits vor dem fiktiven Kündigungstermin eine vorzeitige Alterspension mit einem 15%-igen Pensionsabschlag erhalten hätte können, als unzulässige Neuerung zurück und sprach zudem aus, dass eine solche Zahlung dem Kl nicht zumutbar gewesen wäre.

Es ist jedoch grundsätzlich daran zu zweifeln, ob es sich hier überhaupt um ein anrechnungsfähiges Einkommen iSd § 29 AngG gehandelt hätte. Gem § 29 Abs 1 AngG ist eine Einrechnung dessen, was der AN in Folge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch andere Verwendungen erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat, möglich. Bei Renten oder Pensionen liegt keiner dieser drei vom Gesetz genannten Fälle vor. Nach richtiger Ansicht wird auch eine Analogiefähigkeit dieser Vorschrift auf Pensionseinkünfte verneint (vgl Kuras in

Marhold/Burgstaller/Preyer
[Hrsg], AngG § 29 Rz 69). Die Frage der Zumutbarkeit des Nachkaufs von Pensionsansprüchen hätte daher vom OGH nicht aufgeworfen werden müssen. So entsteht der Eindruck, dass der OGH bei Bejahung der Zumutbarkeit eines Nachkaufs eine Einrechnung von Pensionsansprüchen in künftigen Fällen bejahen könnte.