44Grenzen der Arbeitszeit für Bedienstete der österreichischen Seilbahnen
Grenzen der Arbeitszeit für Bedienstete der österreichischen Seilbahnen
Die Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden laut § 6 Z 1 Abs 2 des Rahmen-KollV für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen verstößt gegen § 9 Abs 3 AZG iVm § 18 Abs 2 AZG. Entgegen der Einleitung in § 6 Z 1 Abs 2 des KollV („Gem § 18 des AZG …“) bietet § 18 Abs 2 AZG für eine solche Überschreitung keine Grundlage.
Die kollektivvertraglich zugelassene wöchentliche Normalarbeitszeit ist somit auf den gesetzeskonformen Inhalt – 50 Stunden pro Woche gem § 9 Abs 1 AZG – geltungserhaltend zu reduzieren. Soweit AN das Ausmaß der höchstzulässigen Arbeitszeit pro Woche überschreiten, sind die darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen nicht als Normalarbeitszeit, sondern als Überstunden mit dem entsprechenden Zuschlag abzugelten.
Der Kl war vom 17.12.2012 bis 10.3.2013 bei der Bekl als Pistenraupenfahrer beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangte der KollV für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen zur Anwendung. Dieser KollV lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 6 Arbeitszeit1. Die normale Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche, die je nach Erfordernis des Betriebs zu leisten sind. Bei Minderleistungen, die im Monat 173 Stunden nicht erreichen, wird der Monatslohn garantiert, außer bei Bediensteten, die innerhalb eines Monats ein- bzw austreten und bei Teilzeitbeschäftigten.Gem § 18 des Arbeitszeitgesetzes in der jeweils gültigen Fassung kann die zulässige Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden verlängert werden. Die Tagesarbeitszeit darf in solchen Fällen 12 und für Jugendliche 9 Stunden nicht überschreiten. Der Durchrechnung wird ein Monat zugrunde gelegt; die über 173 Stunden hinausgehende Arbeitszeit ist als Überstunde zu vergüten.…3. Abweichend von der in § 8 enthaltenen Überstundenregelung kann eine Arbeitszeitflexibilisierung vereinbart werden. Diese kann nur mittels der BV, die im Anhang II vorgegeben ist, geregelt werden.…§ 8 Überstunden1. Überschreitungen der Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat sind Überstunden, wenn sie von hiezu bevollmächtigten Vorgesetzten angeordnet werden. […]2. Geleistete Überstunden werden wie folgt entlohnt:
Tagesüberstunden (in der Zeit von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr) mit dem um 50 % erhöhten, auf eine Stunde entfallenden Lohn (1/173 des Monatslohns) pro Stunde;
Nachtüberstunden (in der Zeit von 19:00 Uhr bis 7:00 Uhr) mit dem um 100 % erhöhten, auf eine Stunde entfallenden Lohn (1/173 des Monatslohns) pro Stunde.“
[…] Die Lohnverrechnung der Bekl erfolgte auf Basis der Arbeitsaufzeichnungen des Kl. Dabei ging die Bekl wie folgt vor: Bis zur 173. Stunde im Monat erfolgte die Entlohnung als Normalstunde […]. Ab der 174. Stunde wurde ein 50%-iger Zuschlag für Tag-Überstunden bzw ein 100%-iger Zuschlag für Nacht-Überstunden gewährt.
Der Kl begehrte […] ua restliches Entgelt aus Normalarbeits- und Überstunden. […] Die Überstunden seien falsch berücksichtigt worden.
Die Bekl entgegnete, dass die Ansprüche des Kl unter Zugrundelegung des § 8 des anzuwendenden KollV richtig berechnet worden seien. Danach seien Überstunden erst bei einer Überschreitung einer Normalarbeitszeit von 173 Stunden pro Monat zu vergüten. […]
Das Erstgericht wies […] das […] Begehren […] ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese E. […]
Gegen diese E richtet sich die Revision des Kl. […] Die Revision ist […] zulässig. Sie ist iSd subsidiären Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. […] Über die monatliche Durchrechnung der Arbeitszeit besteht bei der Bekl keine BV. Auch eine einzelvertragliche Regelung zwischen den Streitteilen besteht nicht.
2.1 Der Kl vertritt dazu zunächst die Ansicht, dass die in § 6 Z 1 des KollV geregelte wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 60 Stunden den vom AZG zugelassenen Ausweitungsmöglichkeiten widerspreche. Die Durchrechnung der Arbeitszeit sei daher nicht rechtsgültig.
2.2 Ausgangspunkt der Beurteilung ist – unstrittig – § 18 Abs 2 AZG.
Lässt der anzuwendende KollV eine Durchrechnung der Normalarbeitszeit zu, so ist im Normalfall die tägliche Normalarbeitszeit mit 10 Stunden begrenzt (§ 4 Abs 1 AZG). Diese Begrenzung wird in § 18 Abs 2 AZG für die Betriebe des öffentlichen Verkehrs aufgehoben. Danach darf der KollV bei der Festlegung der Obergrenze der täglichen Normalarbeitszeit die 10-Stunden-Grenze überschreiten, soweit dies die Aufrechterhaltung des Verkehrs erfordert (Heilegger in
Für die wöchentliche Arbeitszeit gilt Folgendes: § 18 Abs 2 AZG lässt Abweichungen von § 4 AZG zu, eine Abweichung von der in § 9 Abs 3 AZG festgelegten Obergrenze der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden ist jedoch nicht vorgesehen. Auch § 9 Abs 3 AZG zählt unter den dort vorgesehenen Ausnahmen von der 50-Stunden-Grenze § 18 Abs 2 AZG nicht auf (Heilegger, aaO Erl 4; Pfeil in
Ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft – worauf sich die Bekl nicht beruft (in diesem Fall wäre eine Ausdehnung der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit bis zu 60 Stunden iSd § 5 AZG zulässig) – darf der KollV die Normalarbeitszeit somit bis zu 50 Stunden ausdehnen. Eine längere Wochenarbeitszeit als 50 Stunden darf aber auch bei einer Durchrechnung nach § 18 Abs 2 AZG nicht erreicht werden (Pfeil, aaO Rz 10). Auch Schrank (AZG2 § 18 Rz 5 und 6) erblickt die praktische Bedeutung der „besonderen Verteilungszulassungen“ nach § 18 Abs 2 AZG am ehesten in potentiell längeren Tagesarbeitszeiten. Für erfasste AN, deren Arbeitsleistung auch Warte- und Bereitschaftszeiten einschließe, könnten auch abweichende Regelungen zum Ausmaß der Wochenarbeitszeit zur Bewertung der Warte- und Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit sowie zu Art und Höhe der Abgeltung dieser Zeiten getroffen werden (§ 18 Abs 3 AZG).
2.3 Nach § 6 Z 1 Abs 1 des zugrunde liegenden KollV beträgt die normale Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche. Unter Hinweis auf § 18 AZG kann nach Abs 2 leg cit die zulässige Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden verlängert werden. Diese Bestimmung in Abs 2 steht nach den dargestellten Grundsätzen mit dem AZG nicht im Einklang.
3.1 Die Bestimmungen des AZG haben zwingenden Charakter. Dieser ergibt sich aus der öffentlich-rechtlichen Natur und aus dem klaren Zweck des Gesetzes (Felten in
3.2 Die Durchrechnung der Arbeitszeit pro Monat wird in § 6 Z 1 des zugrunde liegenden KollV normiert. Die Überstundenregelung in § 8 des KollV knüpft an diese Regelung an und steht mit ihr in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang. Beide Bestimmungen haben denselben Regelungsinhalt und sind insoweit Gegenstand einer einheitlichen Regelung. Hauptgegenstand dieser Regelung ist die Anordnung der Durchrechnung der Arbeitszeit pro Monat, sodass erst bei einer Überschreitung der Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat Überstunden anfallen.
Die Durchrechnung der Arbeitszeit in § 6 Z 1 des KollV knüpft an die Verlängerung der zulässigen Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden und die Erstreckung der Tagesarbeitszeit bis zu 12 Stunden (für Jugendliche bis zu 9 Stunden) im vorherigen Absatz an. […]
Die Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden laut § 6 Z 1 Abs 2 des KollV verstößt – wie dargelegt wurde – gegen § 9 Abs 3 AZG iVm § 18 Abs 2 AZG. Entgegen der Einleitung in § 6 Z 1 Abs 2 des KollV („Gem § 18 des AZG …
“) bietet § 18 Abs 2 AZG für eine solche Überschreitung keine Grundlage.
3.3 Der Zweck der Regelung der Arbeitszeit in § 6 Z 1 des KollV besteht eindeutig in der Ermöglichung des Modells einer durchrechenbaren Arbeitszeit pro Monat unter Einhaltung der Prämisse, dass im wöchentlichen Durchschnitt die zulässige wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden nicht überschritten wird. Dieses Modell wird durch die Definition und die Regelungen über die Abgeltung der Überstunden in § 8 des KollV abgerundet.
Abgesehen von der Verlängerung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit kann das im KollV vorgesehene Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit gesetzeskonform umgesetzt werden. Davon ausgehend lässt sich die im Zweifel anzustrebende Aufrechterhaltung kollektivvertraglicher Bestimmungen ohne Beeinträchtigung widerstreitender zwingender Interessen dadurch erzielen, dass die Verlängerung der zulässigen Wochenarbeitszeit nur bis insgesamt 50 Stunden pro Woche, also um höchstens 10 Stunden pro Woche, erfolgt. Die Nichtigkeitssanktion muss nach dem Verbotszweck damit nur insoweit eintreten, als das gesetzliche Ausmaß der zulässigen Wochenarbeitszeit des § 9 Abs 3 AZG überschritten wird. Die Anordnungen in § 6 Z 1 Abs 2 des KollV sind damit auf diesen gesetzeskonformen Inhalt geltungserhaltend zu reduzieren.
4.1 Abgesehen von der Frage der (Teil-)Nichtigkeit der Regelungen in § 6 Z 1 des KollV meint der Kl, dass das Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit gem § 6 Z 3 des KollV nur durch dem KollV nachgeordnete Regelungsinstrumente (BV, Arbeitsvertrag) umgesetzt werden könne. Dazu gesteht er zu, dass § 18 Abs 2 AZG die Kollektivvertragsparteien berechtige, selbst iS einer Inhaltsnorm die Details des Modells einer durchrechenbaren Arbeitszeit zu regeln. Er steht allerdings auf dem Standpunkt, dass der KollV als formelles Erfordernis für die rechtsgültige Einführung und konkrete Ausgestaltung der durchrechenbaren Arbeitszeit zwingend eine BV nach Anhang II des KollV verlange.
4.2 Wie bereits dargelegt, wird die Anordnung der Durchrechnung der Arbeitszeit pro Monat in § 6 Z 1 des KollV durch die Überstundenregelung in § 8 leg cit abgerundet. § 8 Z 2 leg cit ordnet die Ent-341lohnung der Überstunden unter Berücksichtigung konkreter Zuschläge an. Nach § 8 Z 4 leg cit kann eine Abgeltung geleisteter Überstunden – im Einvernehmen – auch durch Zeitausgleich erfolgen.
Die Bestimmung des § 6 Z 3 leg cit, auf die sich der Kl beruft, normiert ausdrücklich die Möglichkeit einer Abweichung von der in § 8 enthaltenen Überstundenregelung durch (im Anhang II des KollV) vorgesehene BV. Eine Abweichung durch eine solche BV setzt eine Grundregel voraus. Diese Grundregel besteht ausdrücklich in der in § 8 des KollV enthaltenen Überstundenregelung, die das Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit nach § 6 Z 1 abrundet.
Daraus folgt, dass § 8 iVm § 6 Z 1 des KollV ohne Abweichung und damit auch ohne BV zur Anwendung gelangt. Nur wenn von der Abgeltung der Überstunden nach § 8 Z 2 und Z 4 f leg cit abgewichen werden soll, bedarf es dafür der im Anhang II des KollV vorgesehenen BV.
In der Übereinstimmung mit diesen Überlegungen sieht die erwähnte (Muster-)BV in Anhang II des KollV eine Ansparung der geleisteten Überstunden mit einem einjährigen Durchrechnungszeitraum sowie den Verbrauch und die Abgeltung dieses Zeitguthabens vor (vgl dazu §§ 19e und 19f AZG). Die Abweichung von der Überstundenregelung in § 8 des KollV (gem § 6 Z 3 leg cit) besteht somit in der Einführung eines einjährigen Durchrechnungszeitraums für den Abbau bzw die Abgeltung angesparter Überstunden. Die Ermöglichung des Modells der durchrechenbaren Arbeitszeit nach § 6 Z 1 iVm § 8 des KollV ist davon zu unterscheiden. Für die Ermöglichung dieses Modells ist entgegen der Ansicht des Kl kein dem KollV nachgeordnetes Regelungsinstrument, insb keine BV nach Anhang II des KollV, erforderlich.
5.1 Insgesamt ergibt sich:
§ 18 Abs 2 AZG ermöglicht keine Abweichungen von der in § 9 Abs 3 AZG festgelegten Obergrenze der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden. Eine längere Wochenarbeitszeit als 50 Stunden darf daher bei einer Durchrechnung der Arbeitszeit nach § 18 Abs 2 AZG nicht erreicht werden. Teilnichtige kollektivvertragliche Bestimmungen sind grundsätzlich geltungserhaltend zu reduzieren. Nach § 6 Z 1 Abs 2 des KollV für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen ist daher die Verlängerung der Wochenarbeitszeit nur bis insgesamt 50 Stunden pro Woche zulässig. Für die in § 8 des KollV enthaltenen Überstundenregelung, die das Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit nach § 6 Z 1 leg cit abrundet, bedarf es keiner BV iSd § 6 Z 3 leg cit.
5.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang.
Soweit der Kl das Ausmaß der höchstzulässigen Arbeitszeit pro Woche von 50 Stunden überschritten hat, sind die darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen nicht als Normalarbeitszeit abzugelten. Die Abrechnung der Normalarbeitsstunden und der Überstunden durch die Bekl ist daher nach den dargestellten Grundätzen zu modifizieren. Dazu ist es notwendig, die Berechnung der offenen Ansprüche mit den Parteien zu erörtern. Aus diesem Grund ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache nicht möglich, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden müssen. […]
Dem OGH ist in seinen Schlussfolgerungen zur wöchentlichen Normalarbeitszeit des Durchrechnungsmodells nach § 18 Abs 2 AZG beizupflichten: Die vorliegende kollektivvertragliche Zulassung von 60 Wochenstunden überschreitet das gesetzlich Zulässige. Wo aber ein KollV bei der Durchrechnung der Normalarbeitszeit über das gesetzlich zulässige Ausmaß hinausschießt, ist diese auf das zulässige Ausmaß geltungserhaltend zu reduzieren.
Wichtige Konsequenz, die sich daraus ergibt: Was nicht Normalarbeitszeit ist, ist Überstunde und als solche mit dem entsprechenden Zuschlag abzugelten. Dies ergibt sich schon aus § 6 Abs 1, nach dessen Z 1 Überstundenarbeit vorliegt, wenn die Grenzen der nach den §§ 3 bis 5a zulässigen wöchentlichen Normalarbeitszeit überschritten werden. § 3 Abs 1 hält fest, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten darf, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird. Zwar zieht § 18 Abs 2 selbst keine Grenze ein, aber die Regelung über die wöchentliche Höchstarbeitszeit (§ 9 Abs 1) tut dies: 50 Stunden pro Woche. Insofern werden die Höchstarbeitszeitgrenzen implizit auch zu Grenzen der Normalarbeitszeit: Arbeitszeiten, die gar nicht mehr erbracht werden dürften, können keinesfalls zur Normalarbeitszeit gerechnet werden, sondern sind, wenn sie – illegalerweise – dennoch geleistet wurden, als Überstunden abzugelten. Zur Normalarbeitszeit können daher im konkreten Fall nur Arbeitsleistungen bis zur 50. Stunde in der Woche zählen, ab der 51. Stunde liegt jedenfalls Überstundenarbeit vor, die dementsprechend abzugelten ist.
§ 18 Abs 2 bleibt somit hinsichtlich der wöchentlichen Normalarbeitszeit nur ein kleiner Erweiterungsspielraum. Er kann die von der Grundregel der Durchrechnung, § 4, vorgegebenen Grenze um zwei Stunden in der Woche ausdehnen, denn § 4 Abs 6 sieht für kollektivvertragliche Bandbreitenmodelle bei Durchrechnungszeiträumen über acht Wochen nur maximal 48 Stunden wöchentliche Normalarbeitszeit in der einzelnen Woche vor. Allerdings darf bei dieser Überlegung die Regelung des § 9 Abs 4 AZG nicht übersehen werden, welche – aus der Arbeitszeit-RL 88/2003/EG stammend – eine Höchstgrenze von durchschnittlich 48 Stunden in 17 Wochen (durch KollV verlängerbar) normiert und damit den Spielraum weiter einengt. Die Regel des § 9 Abs 4 gilt auch für Betriebe des öffentlichen Verkehrs (Schrank, AZG2 § 18 Z 12; Pfeil in
Die wöchentliche Normalarbeitszeit stellt allerdings nur eine von mehreren Komponenten dar, welche die Grenze zwischen Normalarbeitszeit und Überstundenleistung bei Durchrechnungsmodellen abstecken. Weitere Parameter (siehe dazu Klein/Heilegger/Schwarz, AZG3 §§ 3 bis 4c Erl 8) sind die maximal zulässige tägliche Normalarbeitszeit, die „nicht-rechnerischen Bedingungen für die Zulässigkeit der Flexibilisierung“ (wie beispielsweise „der Verbrauch von Zeitguthaben in mehrwöchigen zusammenhängenden Zeiträumen“ oder die weitgehende Selbstbestimmung der Beschäftigten bei der Arbeitszeiteinteilung bei Gleitzeitmodellen) sowie der Durchrechnungszeitraum (keine über etwaige Übertragungsmöglichkeiten hinausgehende Überschreitung der durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit am Ende des Durchrechnungszeitraumes, 173 Stunden pro Monat).
Im vorliegenden Fall lohnt insb eine nähere Untersuchung der Grenzen der täglichen Normalarbeitszeit – eine Problematik, auf die der OGH in der vorliegenden E leider nicht näher eingegangen ist.
Überstundenarbeit liegt gem § 6 Abs 1 Z 2 auch dann vor, wenn die tägliche Normalarbeitszeit überschritten wird, die sich gem §§ 3 bis 5a und 18 Abs 2 ergibt.
Die tägliche Grenze der Arbeitszeit für den öffentlichen Verkehr (§ 18 Abs 2) ist im Gegensatz zur wöchentlichen im Ausnahmenkatalog der Höchstarbeitszeitgrenzen des § 9 enthalten, dh die Grundregel von maximal zehn Stunden pro Tag darf insoweit überschritten werden, als es die Spezialregelung des § 18 bestimmt.
§ 18 Abs 2 zweiter Satz lässt zu, dass die Tagesarbeitszeit zehn Stunden (bei Arbeitsbereitschaft zwölf Stunden) insoweit überschreitet, als dies die Aufrechterhaltung des Verkehrs erfordert. Damit lässt § 18 Abs 2 sowohl eine Erweiterung der täglichen Normalarbeitszeit wie auch der täglichen Höchstarbeitszeit zu (vgl Heilegger in
Beim Versuch, diesen weitgehend unbestimmten Begriff mit Inhalt zu füllen, müssen die Besonderheiten des öffentlichen Verkehrs (Kontrahierungszwang, Fahrplangebundenheit, Störungsanfälligkeit durch Witterung etc) berücksichtigt werden. Für das Fahrpersonal von Seilbahnunternehmen und für Tätigkeiten zur Unterstützung oder Sicherung der Passagiere beim Ein- und Aussteigen gelten die Sonderbestimmungen des § 18 ohne weiteres Erfordernis. Auf AN, die bei Seilbahnunternehmen beschäftigt und mit der Lawinensicherung, Beschneiung und Pistenpräparierung befasst sind, kommen die Bestimmungen allerdings nur zur Anwendung, sofern ein vorhersehbarer übermäßiger Arbeitsanfall (§ 18 Abs 1 Z 3c) besteht. Die Formulierung stammt offenbar aus Art 17 Abs 3 lit d der Arbeitszeit-RL 2003/88/EG (so auch Pfeil in
Auf den ersten Blick erscheint es merkwürdig, dass ausgerechnet ein vorhersehbarer übermäßiger Arbeitsanfall Ausnahmen von den sonst geltenden Arbeitszeitregeln rechtfertigen soll, wo man doch meinen würde, dass sich ein AG auf vorhersehbare überdurchschnittliche Arbeitsmengen durch entsprechende personelle Vorsorge einstellen können sollte. Bei näherer Betrachtung geht es jedoch beim beschriebenen Personenkreis (wie im konkreten Fall: PistenraupenfahrerInnen) um kurzfristige Mehrbedarfe wegen zu viel oder zu wenig Schnees, die zwar grundsätzlich vorhersehbar sind, man allerdings typischerweise nicht weiß, wann genau sie eintreten – was etwa das Abfangen durch zusätzliches Personal schwierig macht (Pfeil in
Somit kann die tägliche Arbeitszeit von obgenannten Beschäftigten, sofern ein vorhersehbarer übermäßiger Arbeitsanfall besteht, so weit ausgedehnt werden, als es die Aufrechterhaltung des Verkehrs erfordert. Die Aufrechterhaltung des Verkehrs wird verlängerte Arbeitszeiten insb dann erfordern, wenn etwa ein Verkehrsmittel ein bestimmtes Ziel erreichen muss, bevor ein AN durch einen anderen abgelöst werden kann (Heilegger in
Ob die Aufrechterhaltung des Verkehrs den konkreten Arbeitseinsatz rechtfertigen kann, kann somit nur jeweils im Einzelfall festgestellt werden. Lag ein übermäßiger Arbeitsanfall vor? Hat der AG343 sein Möglichstes getan, durch andere (personelle) Maßnahmen die Arbeitszeiten für die einzelnen Beschäftigten einzuschränken? War der Arbeitseinsatz wirklich notwendig, um den Verkehr (zB die Befahrbarkeit der Piste, den Betrieb des Liftes) zu ermöglichen?
Wenn der KollV hier pauschal festlegt, dass die Tagesarbeitszeit im Zuge der Durchrechnung nach § 18 Abs 2 maximal zwölf Stunden betragen darf und das Erfordernis der „Aufrechterhaltung des Verkehrs“ mit keinem Wort erwähnt, so schießt der KollV auch hier übers (gesetzlich zulässige) Ziel hinaus. Mit der Normierung einer solchen pauschalen Höchstgrenze übergeht der KollV die gesetzlich erforderliche Prüfung der Notwendigkeit und überschreitet damit auch in diesem Bereich seine Kompetenz und ist insoweit nichtig. Tägliche Arbeitszeiten, die über die zehnte Stunde hinausgehen, können somit nur dann zuschlagsfrei sein, wenn im konkreten Fall die Aufrechterhaltung des Verkehrs ihre Erbringung erforderlich machte.
Bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit ist dem OGH uneingeschränkt beizupflichten: Arbeitszeiten, die über das wöchentlich zulässige Höchstmaß der Arbeitszeit (§ 9 Abs 1) hinausgehen, sind nicht als Normalarbeitszeit, sondern als Überstunden abzugelten.
Aber auch hinsichtlich der täglichen Arbeitszeiten hat eine Überprüfung stattzufinden. Eine kollektivvertragliche Pauschalfreigabe von zwölf Stunden täglicher Normalarbeitszeit im Zuge der Durchrechnung überschreitet mE die gesetzliche Ermächtigung. Daher hätten die Untergerichte vollständigerweise auch diesen Parameter der Grenzziehung zwischen Normalarbeitszeit und Überstundenleistung im konkreten Einzelfall zu prüfen. Dabei sollte untersucht werden, ob die „Aufrechterhaltung des Verkehrs“ die jeweilige konkrete Ausdehnung der täglichen Normalarbeitszeit über zehn Stunden hinaus erforderlich machte, und nur in diesem Fall die zuschlagsfreie Abgeltung der über die zehnte Stunde hinausgehenden täglichen Arbeitszeiten als Normalarbeitszeit in Frage kommen.
Leider wurde dieser Punkt vom OGH nicht thematisiert, was vor allem auch insofern schade ist, als der Begriff der „Aufrechterhaltung des Verkehrs“ des § 18 Abs 2 in der Praxis häufig Probleme aufwirft, etwa auch im Bereich der PilotInnen und FluglotsInnen zu Urlaubszeiten.