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Lehrverhältnis – Austritt wegen mangelnder Ausbildung berechtigt

SUSANNEGITTENBERGER

Der Kl war bei der Bekl von 1.8.2011 bis 13.11.2013 als Lehrling ab dem zweiten Lehrjahr im Lehrberuf Mechatroniker beschäftigt. Er wurde für den Schaltschrankbau und Kabelzieharbeiten eingesetzt. Trotz entsprechender Maschinen führte er keine Dreh-, Fräs- oder Schweißarbeiten durch, erwarb nur unzureichende Kenntnisse in der Pneumatik, durfte die CNC-Programmiermaschine nicht bedienen und erstellte auch keine SPS-Steuerungsprogramme. Nach dem Berufsschulbesuch im dritten Lehrjahr war der Kl überzeugt, dass ihm wesentliche Ausbildungsinhalte fehlen würden. Es führten aber weder Gespräche seines Vaters mit dem Geschäftsführer der Bekl noch Interventionen der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer zu einer Ausbildungsänderung. Da er von der Bekl auch nicht für externe Kurse in einem technischen Ausbildungszentrum freigestellt wurde, löste der Kl das Lehrverhältnis gem § 15 Abs 4 lit b BAG vorzeitig auf und begehrte Kündigungsentschädigung.

Von den Vorinstanzen wurde dem Kl die Kündigungsentschädigung zugesprochen, der OGH sah darin keine grobe Fehlbeurteilung und wies die außerordentliche Revision der Bekl zurück.

Der OGH hielt fest, dass der Lehrling einen gesetzlichen Anspruch auf Ausbildung gemäß dem in den jeweiligen Ausbildungsvorschriften enthaltenen Berufsbild (§ 8 Abs 2 BAG) habe. Von den Ausbildungspositionen in der Mechatronik-Ausbildungsordnung BGBl II 2003/374 wurden dem Kl aber die oben angeführten Inhalte nicht vermittelt.

Wenn § 3 Abs 2 der genannten VO vorsieht, dass bei der Ausbildung in den fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten – unter besonderer Beachtung der betrieblichen Erfordernisse und Vorgaben – auf die Persönlichkeitsbildung des Lehrlings zu achten ist, geht aus der Bezugnahme auf die betrieblichen Verhältnisse nicht die von der Bekl daraus abgeleitete Einschränkung des Ausbildungsinhalts (Ausbildung je nach Auftragslage) hervor.

Dass der Lehrling in der Zeit, für die er die Kündigungsentschädigung beansprucht, keine Ersatzstelle anstrebte, ist nicht vorzuwerfen, da er zur Sicherstellung des Ausbildungserfolgs Kurse des Technischen Ausbildungszentrums besuchte.

Zur notwendigen Unverzüglichkeit des Auflösungsgrundes hielt der OGH fest, dass der Bekl schon aufgrund der mehrfachen Interventionen der Vertreter des Kl nicht annehmen konnte, dass der Kl die Ausbildungsumstände akzeptierte und auf das Auflösungsrecht verzichtet habe. Auch habe der Kl zunächst auf die Umsetzung der Zusage des Geschäftsführers, dass ihm die fehlenden Ausbildungsinhalte noch gezeigt würden, vertrauen und dann Gespräche seiner Vertreter zur Problemlösung abwarten dürfen. Bei einem andauernden Fehlverhalten ist auch zu beachten, ob das Ausmaß der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zunimmt, was hier durch die immer knappere noch zur Verfügung stehende Lehrzeit (Ende: 7.2.2014) zum Erlernen der fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten zutraf.