189Berechnung der Jahresremuneration nach Ist-Lohn, wenn dieser den Kollektivvertragslohn nicht oder um maximal 15 % übersteigt; entsprechende Kürzung der Jahresremuneration bei Mitverschulden des Arbeitnehmers an der unberechtigten Entlassung
Berechnung der Jahresremuneration nach Ist-Lohn, wenn dieser den Kollektivvertragslohn nicht oder um maximal 15 % übersteigt; entsprechende Kürzung der Jahresremuneration bei Mitverschulden des Arbeitnehmers an der unberechtigten Entlassung
Im Fall einer ungerechtfertigten Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, die vom AN durch sein Verhalten provoziert und somit vorwerfbar mitverursacht wurde, gebietet der Zweck des § 1162c ABGB, nicht nur allfällige aus der Auflösung resultierende Schadenersatzansprüche entsprechend dem „Mitverschulden“ zu teilen, sondern sämtliche von der Art der Beendigung abhängigen Ansprüche in die Verschuldensteilung einzubeziehen.
Das Arbeitsverhältnis eines Kellners endete am 16.12.2011 durch Entlassung, nachdem dieser ab 9.12.2011 nicht mehr zum Dienst erschienen war. Tatsächlich war er krank, übermittelte jedoch keine Krankenstandsbestätigung und war für den AG auch nicht mehr erreichbar.
Dass die Entlassung aufgrund der Erkrankung des AN ungerechtfertigt erfolgte, diesem aber wegen der schuldhaften Verletzung der Mitteilungs- und Nachweispflichten im Krankenstand ein Mitverschulden an der Entlassung im Ausmaß 1:1 anzulasten ist, war im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
Während das Erstgericht dem kl AN die Jahresremuneration (so werden die Sonderzahlungen Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Gastgewerbe bezeichnet) ungekürzt zusprach und dem Kl auch bei der Berechnungsmethode (siehe Originalzitate und Erläuterung) folgte, erachtete das Berufungsgericht die Art der Berechnung der Jahresremuneration für nicht korrekt und kürzte diese auch aufgrund der Mitverschuldensregel um die Hälfte. Der OGH hielt die ordentliche Revision des Kl zwar für zulässig, nicht aber für berechtigt und bestätigte die E des Berufungsgerichtes.
„Art 14 lit a KollV begrenzt somit die Jahresremuneration zweifach, einerseits mit 230 % des jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohns, zugleich aber mit ‚der Höhe des tatsächlich ins Verdienen gebrachten Lohnes für die Normalarbeitszeit‘. Aus der Gesamtschau der Regelung ergibt sich – trotz missverständlichen Wortlauts –, dass als zweite Höchstgrenze nicht der einfache, sondern der zweifache Istlohn heranzuziehen ist. Dies lässt sich aus der grundsätzlichen Festlegung der Höhe der Jahresremuneration mit 230 % und nicht mit 115 % des jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohns ableiten sowie aus der Auszahlung der Jahresremuneration in zwei Teilen (Steinlechner/Weiß, Kollektivverträge für das Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter und Angestellte 109; vgl auch Gagawczuk/Thamm, Arbeitsrechtliche Ansprüche von A–Z, Rz 275). […] Eine Entlassung ist ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber sie bei Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit trotz Vorliegens einen rechtmäßigen Hinderungsgrundes ausgesprochen hat. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers ist dann anzunehmen,248 wenn er dem Arbeitgeber einen Rechtfertigungsgrund wie zB Krankheit nicht bekannt gibt. […]
Nach Art 14 lit g des Kollektivvertrags für das Hotel- und Gastgewerbe (Arbeiter) entfällt der Anspruch auf Jahresremuneration bei Entlassung gemäß § 82 GewO 1859 oder bei Austritt ohne wichtigen Grund oder bei Ausscheiden des Arbeitnehmers ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Den Kollektivvertragsparteien ist es unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. Ist vorgesehen, dass bei einer Entlassung nach § 82 GewO 1859 der Anspruch entfällt, bedeutet dies, dass dieser Anspruch bei einer gerechtfertigten Entlassung des Arbeitnehmers gar nicht erworben ist (RIS-Justiz RS0048332). Da in einem solchen Fall die Kollektivvertragsparteien den Erwerb des Anspruchs davon abhängig gemacht haben, dass den Arbeitnehmer gerade kein Verschulden an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (dem unberechtigten Austritt, der berechtigten Entlassung) trifft, ist auch auf diese Ansprüche die ‚Mitverschuldensregel‘ des § 1162c ABGB anzuwenden.“
Zur Berechnungsmethode der eingeklagten Jahresremuneration stellte der OGH nun grundsätzlich klar, dass diese auf Basis des tatsächlichen Monatslohnes (Ist-Lohnes) zu ermitteln ist, wenn dieser den Kollektivvertragslohn um weniger als 15 % übersteigt. Sollte der Ist-Lohn den Kollektivvertragslohn um mindestens 15 % übersteigen, so beträgt die maximale Jahresremuneration (Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemeinsam) 230 % des Kollektivvertragslohnes. Das Erstgericht hatte dem genau den Kollektivvertragslohn verdienenden AN noch 230 % des Kollektivvertragslohnes an Urlaubs- und Weihnachtsgeld zugesprochen.
Dazu ein wichtiger Hinweis: Ab 1.5.2015 gilt im Hotel- und Gastgewerbe für den Bereich des Bundeslandes Wien die Regelung, dass die Jahresremuneration 200 % des jeweiligen Ist-Lohnes beträgt, wodurch auch Besserverdienende in den Genuss eines ihrem regelmäßigen Monatslohn entsprechenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes kommen.
§ 1162c ABGB regelt, dass dann, wenn beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses trifft, der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden hat, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt. Als Hauptfrage war durch den OGH zu klären, ob auch die Jahresremuneration im Gastgewerbe dieser „Mitverschuldensregel“ unterliegt und daher bei Mitverschulden des AN – welches ja hier gerichtlich festgestellt wurde – betragsmäßig gekürzt werden kann. Dies wurde vom Höchstgericht mit dem Argument bejaht, dass diese Sonderzahlung nach der kollektivvertraglichen Regelung von der Art der Beendigung abhängig ist, also nicht jedenfalls zustehen soll, sondern nur dann, wenn den AN kein Verschulden an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses trifft, die Entlassung also wie im vorliegenden Fall unberechtigt ist. Interessant wäre es zu erfahren, wie der OGH im Fall eines Angestellten entschieden hätte, dem die Sonderzahlungen gem § 16 Abs 1 AngG (der ja auf ein Arbeiter-Dienstverhältnis wie hier nicht anwendbar ist) bei jeder Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und somit auch unabhängig vom Verschulden zustehen.
Jedenfalls ist es allen AN bei Eintritt eines Krankenstandes dringend zu empfehlen, ihren Verpflichtungen (unverzügliche Meldung des Krankenstandes, Vorlage der Krankenstandsbestätigung auf Verlangen) ordnungsgemäß nachzukommen. Der AN hat im vorliegenden Fall durch seine Untätigkeit, abgesehen vom Verlust des Arbeitsplatzes, nicht nur die Hälfte der Sonderzahlungen verloren, sondern auch seine Entgeltfortzahlung während des Krankenstandes, welche für die Dauer seiner Säumnis nicht zusteht (§ 4 Abs 4 EFZG).