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Kündigung eines Vertragsbediensteten wegen Verspätung unwirksam

DORISLUTZ

Ein vertragsbediensteter Physiker (VB) an einer Klinik für Strahlentherapie kehrte von einer Flugreise nach Asien erst am 7.11.2011 zurück, obwohl er am 25.10. seinen Dienst in der Klinik (Behandlung von Patienten) wieder aufnehmen hätte müssen. Zwar war der AN ab 24.10. krankgemeldet, aber dass er von der eigentlich geplanten bis zur tatsächlichen Rückreise wirklich wegen Krankheit nicht zurückreisen konnte, steht nicht fest. In Österreich war der AN bis zum Wiederantritt seines Dienstes am 25.11. im Krankenstand.

Bereits am 7.11.2011 hatte die AG den BR von der geplanten Kündigung verständigt. Der BR gab keine Stellungnahme ab. Erst am 30.11.2011 übergab die AG dem AN ein von ihr am 16.11.2011 verfasstes Kündigungsschreiben. Sie berief sich darin auf die Kündigungsgründe des § 32 Abs 2 lit 1 (gröbliche Verletzung der Dienstpflicht) und § 32 Abs 2 lit 3 VBG (Nichterreichen des im Allgemeinen erzielbaren angemessenen Arbeitserfolgs). Der VB klagte auf Feststellung seines aufrechten Dienstverhältnisses.256

Grundsätzlich muss im Geltungsbereich des VBG der DG von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnis des Kündigungsgrundes Gebrauch machen. Verzögerungen können nur insoweit anerkannt werden, als sie sachlich begründet sind. Wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, den der AG mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst gar nicht aufklären kann, muss diesem das Recht zugebilligt werden, bis zur Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände durch die zuständige Behörde zuzuwarten. Auch ein durch die obligatorische Einschaltung der zum AN-Schutz berufenen Organe veranlasstes Zuwarten ist dabei zu berücksichtigen. Auch die umständlichere Willensbildung und Aktenlauf, Kompetenzverteilung udgl bei Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen werden berücksichtigt.

Im Anlassfall ist davon auszugehen, dass der AG spätestens am 7.11.2011 sämtliche für die Kündigung relevanten Tatumstände bekannt waren, weil sie an diesem Tag den BR verständigte. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Kündigungsschreibens (16.11.) musste auch die interne Willensbildung bei der AG abgeschlossen gewesen sein. Eine Rechtfertigung dafür, weshalb dem AN das Kündigungsschreiben nicht sogleich – etwa mit der Post – übermittelt oder zumindest spätestens am Beginn seines ersten Arbeitstages, am 25.11., übergeben wurde, fehlt daher. Im Hinblick darauf, dass die Verzögerung gerade nicht auf Umstände zurückzuführen ist, die von der Rsp als in der Sachlage begründet angesehen werden, und die AG zudem den AN auch noch mehrere Tage seine Arbeit wie bisher verrichten ließ, bevor sie ihn kündigte, wurde die Kündigung nicht unverzüglich ausgesprochen.

Richtig ist, dass bei Dauertatbeständen, bei denen sich die Pflichtverletzung wiederholt bzw über einen längeren Zeitraum erstreckt, die Auflösungsgründe solange geltend gemacht werden können, als sie andauern. Der von der AG als Dauerdelikt ins Treffen geführte Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 lit 3 VBG liegt allerdings nicht vor.

Das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen ist somit nach wie vor aufrecht.