202Zurückziehung des Antrags auf Arbeitslosengeld auch nach Erhalt der Mitteilung über die Leistungshöhe zulässig
Zurückziehung des Antrags auf Arbeitslosengeld auch nach Erhalt der Mitteilung über die Leistungshöhe zulässig
Nach Erhalt der Mitteilung über die Leistungshöhe stellte die Arbeitslose fest, dass für die Berechnung des Arbeitslosengeldes aufgrund der Antragstellung vor dem 30.6.2013 das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres vom AMS gem § 21 Abs 1 AlVG herangezogen worden war, so dass infolge der vorangegangenen Kinderbetreuungszeiten im Versicherungsverlauf der Arbeitslosen das Entgelt wesentlich niedriger war als im letzten Kalenderjahr. Die Arbeitslose hat am 28.6.2013 den Antrag vom 16.6.2013 nach Erhalt der Mitteilung über den Leistungsanspruch zurückgezogen und am 1.7.2013 einen neuen Antrag auf Arbeitslosengeld eingebracht, so dass das letzte Kalenderjahr als Bemessungsgrundlage herangezogen werden musste.
Das AMS hat mit Bescheid über die Zurückziehung entschieden und begründet, dass mit der Mitteilung über den Leistungsanspruch vom 25.6.2013 bereits positiv über den Arbeitslosengeldbezug abgesprochen worden ist. Dagegen bracht die Arbeitslose in der Berufung vor, dass nicht erkennbar war, weshalb der Antrag nicht wieder zurückgezogen werden könne. Selbst wenn man die Mitteilung über den Leistungsanspruch als positive Verfahrenserledigung ansähe, was mangels der gebotenen Bescheidform nicht der Fall sein kann, sei diese Erledigung definitiv noch nicht rechtskräftig. Weiters wies sie darauf hin, dass mit der Mitteilung über den Leistungsanspruch der Antrag keinesfalls erledigt gewesen sein kann, da der Antrag auf Auszahlung des Arbeitslosengeldes gerichtet gewesen ist und zum Zeitpunkt der Zurückziehung noch keine Auszahlung erfolgt ist.
Die Landesgeschäftsstelle des AMS Wien gab der Berufung mit Bescheid vom 2.8.2013 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Mit Schreiben vom 25.6.2013 sei der Arbeitslosengeldanspruch der Beschwerdeführerin seitens des AMS mit einer Mitteilung gem § 47 Abs 1 AlVG anerkannt worden und folglich wurde das Verwaltungsverfah-261ren mit 25.6.2013 über den Antrag abgeschlossen. Eine Zurückziehung sei deshalb nicht mehr möglich gewesen. Laut AMS hätte andernfalls das zuerkannte Arbeitslosengeld gem § 24 Abs 2 AlVG widerrufen werden müssen, was aber rechtswidrig gewesen wäre.
Die Arbeitslose brachte gegen den Bescheid Beschwerde beim VwGH ein. Mit Erk vom 26.5.2014, 2013/08/0199, wurde der Bescheid der Landesgeschäftsstelle vom 2.8.2013 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der BVwG bestätigt, dass der Bescheid des AMS entsprechend dem Erk des VwGH vom 26.5.2014, 2013/08/0199, aufzuheben war.
„Bei der Mitteilung nach § 47 Abs. 1 AlVG handelt es sich um keinen Bescheid (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Mai 2012, Zl. 2012/08/0022, mwN). Sie bewirkt zwar in Verbindung mit § 24 AlVG einen Schutz vor dem willkürlichen Widerruf gewährter Geldleistungen, entfaltet aber im Übrigen keine Rechtskraftwirkungen und steht – unter Beachtung der Grenzen des § 24 AlVG – insbesondere einer nachfolgenden bescheidmäßigen Erledigung derselben Sache nicht entgegen. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass es dem Leistungsbezieher nach Erhalt einer derartigen Mitteilung – unbefristet – freisteht, einen bescheidmäßigen Abspruch über Beginn, Ende oder Höhe der Leistung zu begehren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0115, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, Zl. 99/08/0023, VwSlg. 15.699 A). Ebenso hat er aber auch die Möglichkeit, den Antrag zurückzuziehen; die Zurückziehung eines Antrags ist gemäß § 13 Abs. 7 AVG generell zulässig, solange er nicht rechtskräftig erledigt ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 42). Eine bloße Mitteilung nach § 47 Abs. 1 AlVG, durch die der Arbeitslose – möglicherweise (wie im Beschwerdefall) erstmal – über die von der Behörde angenommene Höhe und Dauer des Anspruchs in Kenntnis gesetzt wird, nimmt ihm nicht das Recht, über seinen Antrag zu disponieren. Die Antragszurückziehung der Beschwerdeführerin vom 28. Juni 2013 war somit wirksam. Eine Annahme oder Stattgebung der Zurückziehung bedurfte es nicht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 41). Von einer Geltendmachung des Arbeitslosengeldes mit 16. Juni 2013 durfte die belangte Behörde daher nicht ausgehen, jedoch hätte sie den behaupteten Antrag auf Arbeitslosengeld vom 1. Juli 2013 auf seine Wirksamkeit prüfen und ihn allenfalls bei ihrem Ausspruch, ob und ab wann der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld gebührt, berücksichtigen müssen. [...]
Entsprechend dem Erkenntnis des VwGH vom 26.05.2014, 2013/08/0199, ist der Bescheid des AMS Wien Redergasse aufzuheben, da die Antragszurückziehung der Beschwerdeführerin vom 28.6.2013 – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – rechtswirksam war. Da der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Antrag zurückgezogen wurde, durfte aufgrund dieses Antrages ein Bescheid nicht ergehen, weshalb er ersatzlos aufzuheben war.“
Das Erk des BVwG bestätigt die Möglichkeit der Antragsrückziehung bis zur bescheidmäßigen Erledigung. Die bloße Mitteilung über die Leistungshöhe stellt keine bescheidmäßige Erledigung des Antrags auf Gewährung von Arbeitslosengeld dar. Die Zurückziehung eines Antrags gem § 13 Abs 7 AVG ist nach dieser Judikatur generell zulässig, solange er nicht rechtskräftig erledigt ist. Aus diesem Grund war auch im vorliegenden Fall die Zurückziehung des Antrags rechtmäßig. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, weshalb das BVwG in einer E vom 20.5.2015, W141 2102975-1, entschieden hat, dass das Erk des VwGH vom 26.5.2014 zu 2013/08/0199 nicht anzuwenden ist, wenn eine Auszahlung des Leistungsanspruches – anders als im vorliegenden Fall – bereits erfolgt ist. Diese E des BVwG ist keinesfalls nachvollziehbar, da der VwGH ausdrücklich auf die rechtskräftige Erledigung abstellt und nicht auf die Auszahlung der Leistung, die eine Mitteilung über die Leistungshöhe rechtskräftig macht. Weshalb in diesem Fall trotz abweichendem Erk eine ordentliche Revision nicht zugelassen wurde, ist ebenfalls unverständlich, da es sich um eine Frage handelt, welche vom VwGH bisher nicht behandelt oder nicht einheitlich behandelt wurde.